Alpha-Gal-Syndrom

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Klassifikation nach ICD-10
K52.2 Allergische und alimentäre Gastroenteritis und Kolitis
-Gastroenteritis oder Kolitis durch Nahrungsmittelallergie
L27.2 Dermatitis durch aufgenommene Nahrungsmittel
T78.0 Anaphylaktischer Schock durch Nahrungsmittelunverträglichkeit
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Als Alpha-Gal-Syndrom (AGS) (auch Alpha-Gal-Allergie; andere Bezeichnungen: Säugetierfleischallergie, Zeckenstich-Fleischallergie) bezeichnet man die Krankheitszeichen infolge einer Nahrungsmittelallergie oder einer Medikamentenallergie, die durch den Verzehr bestimmter tierischer Produkte oder den engen Kontakt mit diesen reaktiviert wird. Dabei handelt es sich vor allem um Produkte aus Fleisch und Innereien von Säugetieren.

Ursache ist eine allergische Reaktion auf das Kohlenhydrat Galactose-α-1,3-galactose (Kurzform: Alpha-Gal), welches in den Zellen der meisten Säugetiere, aber nicht beim Menschen, Fischen oder Geflügel vorkommt. Nach heutigem Kenntnisstand ist ein früherer Kontakt mit bestimmten Zeckenarten Voraussetzung für das Auftreten einer Allergie. Eine Sensibilisierung für das Allergen findet nicht durch die Aufnahme über den Magen-Darm-Trakt, sondern erst durch den Blut- und Lymphkontakt durch den Zeckenstich statt (Injektionsallergen).[1][2]

Verbreitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Laut der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC gab es zwischen 2010 und 2022 rund 110.000 Verdachtsfälle von Alpha-Gal-Syndrom in den Vereinigten Staaten. Die tatsächliche Zahl der Betroffenen ist jedoch unbekannt und es besteht weiterer Forschungsbedarf, um die Verbreitung der Erkrankung zu bestimmen.[1]

Ursache und Krankheitsentstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Galactose-alpha-1,3-galactose, kurz Alpha-Gal, ist ein Kohlenhydrat, das in den meisten Zellmembranen von Säugetieren vorkommt, jedoch nicht beim Menschen.[3] Dessen Immunsystem erkennt es als Fremdkörper und produziert Immunglobulin-M-Antikörper.[4]

Alpha-Gal-Allergien entwickeln sich, nachdem eine Person von bestimmten Zecken gestochen wurden, zum Beispiel dem in Deutschland weit verbreiteten Gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus) oder in Nordamerika durch Amblyomma americanum. Wenn eine Zecke Alpha-Gal-haltiges Blut eines Säugetiers aufgenommen hat, verbleibt das Kohlenhydrat in ihrem Verdauungstrakt und wird beim Stich auf den Menschen übertragen.[5][6]

Klinische Erscheinungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine allergische Reaktion auf Alpha-Gal setzt meistens verzögert ein und tritt meistens nach 2 bis 6 Stunden nach dem Verzehr von Fleischprodukten von Säugetieren auf. Das Auftreten von Krankheitszeichen kann aber auch zwischen Minuten und 12 bis 24 Stunden liegen.[7]

Typische Krankheitszeichen können sein:

AGS-Reaktionen können von Person zu Person und bei einer Person zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich sein. Sie können leicht bis schwer oder sogar lebensbedrohlich sein. Menschen reagieren möglicherweise nicht nach jedem Alpha-Gal-Kontakt allergisch. Die Gründe für diese Unterschiede sind bisher noch nicht erforscht und werden eher theoretisch diskutiert.[2]

Diagnose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Diagnose erfolgt aufgrund der typischen Krankheitsgeschichte und Blutuntersuchungen, bei denen spezifische Antikörper des Typs Immunglobulin E gegen Alpha-Gal (Alpha-gal sIgE) nachgewiesen werden. Ein erhöhter Alpha-gal sIgE-Blutwert ist im Allgemeinen ein verlässlicher Hinweis darauf, dass man auf Alpha-Gal allergisch reagieren kann. Der Bluttest lässt jedoch keine sichere Aussage darüber zu, ob man überhaupt Krankheitszeichen entwickelt und wie ausgeprägt diese sein könnten.[2]

Auch Prick-Tests, bei denen eine Reaktion an der Haut ausgelöst wird, werden manchmal empfohlen.[9] Sie sind jedoch eher unzuverlässig verlässlich, da häufig falsch-negativ.[2][10]

Auslöser Lebensmittel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Viel wichtiger als die Untersuchung mit den vorgenannten Tests ist es, bei Krankheitsverdacht an die Aufnahme von Alpha-Gal nachstehender Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten zu denken:

  • Säugetierfleisch (wie Rind, Schwein, Lamm, Wild, Kaninchen usw.) kann große Mengen an Alpha-Gal enthalten.
  • Organfleisch von Säugetieren, darunter Leber, Lunge, Herz, Nieren, Därme (Kutteln), Bries
  • Lebensmittel, die Milch und Milchprodukte enthalten (viele Patienten mit AGS vertragen Milchprodukte)

Einige Menschen mit AGS reagieren möglicherweise auch empfindlich auf Alpha-Gal, das enthalten ist in:

  • Gelatine aus Rind- oder Schweinefleisch
  • Produkten, die aus Säugetierfett hergestellt oder damit gekocht werden (z. B. Schmalz oder Talg)
  • Fleischbrühe, Bouillon, Brühe und Soßen.[1]

Hilfreich kann die Verwendung eines Ernährungstagebuchs sein. Auf diese Weise dokumentiert man sämtliche, täglich gegessene Lebensmittel gemeinsam mit eventuell aufgetretenen Krankheitszeichen (Art, Intensität und Zeitablauf).

Auslöser Medikamente und Medizinprodukte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Außerdem kann es zum AGS bei Kontakt mit Alpha-Gal-haltigen Produkten, die keine Lebensmittel sind, kommen, z. B.

  • Einige Medikamente und Impfstoffe können geringe Mengen an Alpha-Gal-haltigen Zusatzstoffen, Stabilisatoren oder Beschichtungen enthalten. Nicht alle Patienten mit AGS reagieren auf diese Inhaltsstoffe und solche Reaktionen sind sehr selten. Zu den Zutaten, die Alpha-Gal enthalten können, gehören Gelatine, Glyzerin, Magnesiumstearat, Rinderextrakt und andere, eventuell aus Körperteilen von Tieren gewonnene Produkte.
  • Andere medizinische Produkte wie Herzklappenersatz von Schweinen oder Kühen, monoklonale Antikörper wie Cetuximab, Heparin und bestimmte Gegengifte sind tierischen Ursprungs und können Alpha-Gal enthalten.[1][9][11]

Vorbeugung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wenn eine Allergie besteht sollte auf Lebensmittel ohne Galactose-α-1,3-galactose zurückgegriffen werden. Das sind beispielsweise Geflügelfleisch (Huhn, Ente, Pute, Gans), Eier, Fisch und Meeresfrüchte wie Garnelen sowie Obst und Gemüse.[1]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f Alpha-gal syndrome, CDC (regelmäßig aktualisiert, Erstveröffentlichung 2019)
  2. a b c d J. Fischer, T. Reepschläger, T. Schricker, U. Raap: Alpha-Gal-Syndrom: Ein Überblick zum klinischen Bild und zu pathophysiologischen Konzepten. In: Der Hautarzt. Band 73, Nr. 3, März 2022, S. 195–200, doi:10.1007/s00105-022-04943-4.
  3. Sumnima Singh, Jessica A. Thompson, Bahtiyar Yilmaz, Hai Li, Sebastian Weis, Daniel Sobral, Mauro Truglio, Frederico Aires da Silva, Sandra Aguiar, Ana Rita Carlos, Sofia Rebelo, Silvia Cardoso, Erida Gjini, Gabriel Nuñez, Miguel P. Soares: Loss of α-gal during primate evolution enhanced antibody-effector function and resistance to bacterial sepsis. In: Cell Host & Microbe. Band 29, Nr. 3, März 2021, S. 347–361.e12, doi:10.1016/j.chom.2020.12.017 (elsevier.com [abgerufen am 28. Juli 2023]).
  4. Peter J. Cowan, Atousa Aminian, Helen Barlow, Ainslie A. Brown, Chao-Guang Chen, Nella Fisicaro, David M. A. Francis, David J. Goodman, Wenruo Han, Margarita Kurek, Mark B. Nottle, Martin J. Pearse, Evelyn Salvaris, Trixie A. Shinkel, Gerard V. Stainsby, Andrew B. Stewart, Anthony J. F. d’Apice: Renal xenografts from triple-transgenic pigs are not hyperacutely rejected but cause coagulopathy in non-immunosuppressed baboons. In: Transplantation. Band 69, Nr. 12, Juni 2000, S. 2504–2515, doi:10.1097/00007890-200006270-00008.
  5. Gary Crispell, Scott P. Commins, Stephanie A. Archer-Hartman, Shailesh Choudhary, Guha Dharmarajan, Parastoo Azadi, Shahid Karim: Discovery of Alpha-Gal-Containing Antigens in North American Tick Species Believed to Induce Red Meat Allergy. In: Frontiers in Immunology. Band 10, 2019, S. 1056, doi:10.3389/fimmu.2019.01056, PMID 31156631, PMC 6533943 (freier Volltext).
  6. C. Hamsten, M. Starkhammar, T. A. T. Tran, M. Johansson, U. Bengtsson, G. Ahlén, M. Sällberg, H. Grönlund, M. van Hage: Identification of galactose-α-1,3-galactose in the gastrointestinal tract of the tick Ixodes ricinus ; possible relationship with red meat allergy. In: Allergy. Band 68, Nr. 4, April 2013, S. 549–552, doi:10.1111/all.12128.
  7. Ian Young, Chatura Prematunge, Kusala Pussegoda, Tricia Corrin, Lisa Waddell: Tick exposures and alpha-gal syndrome: A systematic review of the evidence. In: Ticks and Tick-borne Diseases. Band 12, Nr. 3, 1. Mai 2021, S. 101674, doi:10.1016/j.ttbdis.2021.101674.
  8. Tshegofatso Mabelane, Gboyega A. Ogunbanjo: Ingestion of mammalian meat and alpha-gal allergy: Clinical relevance in primary care. In: African Journal of Primary Health Care & Family Medicine. Band 11, Nr. 1, 29. April 2019, S. e1–e5, doi:10.4102/phcfm.v11i1.1901, PMC 6494999 (freier Volltext).
  9. a b CDC: Fact Sheet for Health Care Providers, Stand: 12. April 2022; zuletzt abgerufen am 28. Juli 2023
  10. falsch-negativ. Abgerufen am 29. Juli 2023 (deutsch).
  11. Thomas A. E. Platts-Mills, Rung-Chi Li, Behnam Keshavarz, Anna R. Smith, Jeffrey M. Wilson: Diagnosis and Management of Patients with the α-Gal Syndrome. In: The Journal of Allergy and Clinical Immunology. In Practice. Band 8, Nr. 1, Januar 2020, S. 15–23.e1, doi:10.1016/j.jaip.2019.09.017, PMC 6980324 (freier Volltext).