St.-Marien- und St.-Nikolai-Friedhof I
Der St. Marien- und St. Nikolai-Friedhof I (auch Alter Friedhof der St.-Nikolai- und St.-Marien-Gemeinde) ist ein Friedhof an der Prenzlauer Allee Nr. 1 im Ortsteil Prenzlauer Berg des Berliner Bezirks Pankow.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Friedhof wurde von den Gemeinden der Marienkirche und der Nikolaikirche am Prenzlauer Tor innerhalb der Akzisemauer am 27. Juli 1802 eröffnet und 1814 und 1847 jeweils erweitert – auf insgesamt 35.400 m². 1858 wurde unweit in der Prenzlauer Allee Nr. 7 ein neues Grundstück gekauft, der Neue bzw. der St. Marien- und St. Nikolai-Friedhof II.
In den letzten Jahren wurde der Friedhof aufwändig restauriert. Vor allem die fast geschlossene Ostwand mit Erbbegräbnissen unterschiedlicher Baustile hat sich erhalten. Die Nordwand wurde beim Kampf um Berlin zerstört. Die Hauptverwaltung der Hitlerjugend befand sich gegenüber im damaligen Kaufhaus Jonaß. Die Verteidiger, darunter Angehörige der Hitlerjugend, hatten sich hinter diesen Erbbegräbnissen verschanzt.
Nachdem der Friedhof 1970 für Beerdigungen geschlossen worden war, wurde er 1995 wieder eröffnet. Während der langen Ruhepause entwickelte sich eine üppige Vegetation. Diese wurde in Teilbereichen beibehalten. Insbesondere Abteilung II (das Dreieck im Nordwesten) wird nicht mehr gepflegt und ist nur noch eingeschränkt betretbar. In Abteilung I wurden hingegen wertvolle alte Grabmale aufwändig restauriert. Auf dem Friedhof sind einige Grabkreuze aus der Königlich Preußischen Eisengießerei erhalten geblieben. Über dem Haupteingang findet sich ein Stein-Relief von Ernst Wenck. Es stellt den Weg des Menschen von der Geburt bis zum Tod dar. Mauer und Haupteingang sind jetzt (2022) durch Schmierereien verunstaltet.
Grabstätten bedeutender Persönlichkeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten](* = Ehrengrab des Landes Berlin)
- Bernhard Rode (1)* (1725–1797), Maler und Radierer (vom überbauten Schützenfriedhof hierher überführt; Grabmal 1852 gestiftet von der Akademie der Künste)
- Christian Johann Richter (2) (1743–1814) (Erbbegräbnis der Familie Richter, älteste Grabstätte)
- Franz Daniel Friedrich Wadzeck (3) (1762–1823), Professor, Bibliothekar, Waisenhausgründer (Wadzeckstraße)
- Konrad Gottlieb Ribbeck (4)* (1759–1826), Ehrenbürger, Theologe, Propst an St. Nicolai
- Gotthilf Benjamin Keibel (5) (1770–1835), Generalmajor
- Friedrich Gottlieb von Halle (6) (1780–1841), Bankier, Grabmal von 1819
- Theodor Heinsius (1770–1849), Pädagoge, Direktor des Gymnasiums zum Grauen Kloster
- Karl Ludwig Friedrich von Hinckeldey (7)* (1805–1856), Polizeipräsident in Berlin, (Büste von Friedrich Wilhelm Holbein)
- Carl Friedrich Wilhelm Knoblauch (8) (1793–1859), Seidenfabrikant, preußischer Geheimer Finanzrat, Stadtältester, Stadtrat in Berlin
- Ludwig Jonas (9)* (1797–1859), Prediger
- Carl Ritter (10) (1779–1859), Mitbegründer der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin
- Heinrich Wilhelm Keibel (11) (1792–1860), Seifenfabrikant, Stadtrat, Stadtältester (Keibelstraße)
- Eduard Knoblauch (12)* (1801–1865), Architekt
- Karl Wilhelm Kläden (13) (1802–1867), Prediger, Inspektor des Schindlerschen Waisenhauses (Grabstein mit Porträtmedaillon, das allerdings – Stand 2012 – nicht mehr vorhanden ist)
- Karl Immanuel Nitzsch (14) (1787–1868), Propst an St. Nikolai
- Christian Wilhelm Brose (15) (1781–1870), Bankier (Mausoleum der Familie Brose von 1814/15 vermutlich nach einem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel)
- Johann Julius Wilhelm Spindler (16) (1810–1873), Gründer der Färberei und Wäscherei (Entwurf Walter Kyllmann, 1886), nach ihm ist Spindlersfeld benannt
- Gustav Rose (17) (1798–1873), Mineraloge
- Christian Gottfried Ehrenberg (18)* (1795–1876), Zoologe, Ökologe und Geologe
- August Wilhelm Bach (1796–1869), Komponist und Organist, Direktor des Königlichen Musik-Instituts
- Heinrich Wilhelm Dove (19)* (1803–1879), Physiker und Meteorologe
- Julius Müllensiefen (20) (1811–1893), Prediger an St. Marien
- Friedrich Hofmann (1820–1895), Stadtschulrat, Direktor des Gymnasiums zum Grauen Kloster
- Alfred Boretius (21) (1836–1900), Jurist, Mitarbeiter der Monumenta Germaniae Historica, Journalist
- Carl Spindler (16)* (1841–1902), Unternehmer
- Bruno Brückner (22) (1824–1905), Probst und Generalsuperintendent von Berlin
- Heinrich Siegmund Blanckertz (23) (1823–1908), Begründer der deutschen Stahlfederindustrie
- Ludwig Wessel (24) (1879–1922), evangelischer Pfarrer
- Hermann Bauke (25) (1886–1928), Professor der Theologie in Kiel
- Heinrich Wilhelm Dove (19) (1853–1931), Stadtverordneter, Reichstagsabgeordneter
- Rudolf Blanckertz (26) (1862–1935), Schreibfedernfabrikant und Gründer des Schriftmuseums
- Alexander Weiß (1863–1937), Königlich Preußischer Gartenbaudirektor
- Wilhelm Haendler (27) (1863–1938), Generalsuperintendent von Berlin
- Reinhold von Sydow (1851–1943), Preußischer Staatsminister
- Franz Mett (1904–1944), Kommunist und Widerstandskämpfer
- Fritz Mierau (1934–2018), Slawist, Literaturhistoriker, Übersetzer, Herausgeber und Autor
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Erbbegräbnis Schumann-Recke, Skulptur von Otto Stichling, ca. 1906
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Grabmal für Bernhard Rode
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Tafel für Konrad Gottlieb Ribbeck, Propst zu Berlin
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Grabmal Christian Gottfried Ehrenberg
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Erbbegräbnis des Polizeipräsidenten Hinckeldey
Grabstätten von architektonischem Interesse
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Mausoleum der Familie Hildebrand (40), errichtet 1851
- Mausoleum der Familie Leo (41), errichtet 1851
- Mausoleum der Familie Kux (42), errichtet 1871, saniert 1993
- Wandgrab der Familie Franz in Form eines Portals (43), erstes Erbbegräbnis 1862
- Grabmal Justizrat Kurt Ackermann mit Grabfigur „Flora“ in Marmor von Wilhelm Wandschneider, 1902
- Grabmal Schumann-Recke mit überlebensgroßer Trauernder von Otto Stichling (44), um 1906
Ehemalige Grabstätten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Friedrich Gedike (1754–1803), Pädagoge, Direktor des Gymnasiums zum Grauen Kloster
- Gustav Köpke (1773–1837), Pädagoge, Philologe und Theologe, Direktor des Gymnasiums zum Grauen Kloster
- Johann Joachim Bellermann (1754–1842), Theologe und Semitist, Direktor des Gymnasiums zum Grauen Kloster
- Heinrich Rose (1795–1864), Entdecker des Niobium
- August Wilhelm Bach (1796–1869), Komponist und Organist
- Carl Siechen († 1869), deutscher Unternehmer, Gastronom und Gründer des Bierhaus Siechen
- Adolph Friedrich Riedel (1809–1872), Archivar und Historiker
- Johann Friedrich Bellermann (1795–1874), Philologe und Pädagoge, Direktor des Gymnasiums zum Grauen Kloster (Grabstein mit Porträtmedaillon von Alexander Gilli)
- Johann Christian Poggendorff (1796–1877), Physiker
- Johann Gustav Stahn (1806–1878), Oberkonsistorialrat und Mitglied des Evangelischen Oberkirchenrats der altpreußischen Union[1]
- Eduard Mandel (1810–1882), Kupferstecher
- Julius Friedländer (1813–1884), Numismatiker
- Max von Forckenbeck (1821–1892), Jurist, Politiker und von 1878 bis 1892 Berliner Oberbürgermeister
- Paul Jeserich (1854–1927), Gerichtschemiker, Erfinder der gerichtlichen Foto- und Mikrofotografie
- Erich Groschuff (1874–1921), deutscher Chemiker
Von umstrittenem Interesse war das Grab von Horst Wessel, das zwar gleich nach Kriegsende zerstört wurde, jedoch bis 2013 immer noch erkennbar war. Joseph Goebbels hatte das unauffällige Grab der Familie Wessel als nationale Gedenkstätte kostspielig in Marmor umgestalten lassen. Horst Wessels deutschnationaler Vater Ludwig Wessel, gestorben 1922, war der Pfarrer der Nikolai-Gemeinde gewesen und die wollte nach 1945 nicht auf das Grab ihres alten Pfarrers verzichten. So erinnerte bis 2013 ein Marmor-Bruchstück mit den Buchstaben Ludwig W an ihn. Im Jahr 2000 bekannte sich ein Antifaschistisches Totengräberkomitee dazu, dort gegraben und alle gefundenen Knochenreste der Familie Wessel in die Spree geworfen zu haben. Nach Polizeiangaben wurde allerdings nur oberflächlich gegraben. Die Täter wurden nie ermittelt. Sein Grab wurde im Juni 2013 vom Friedhof entfernt, nachdem es seit der Wende zu einem Wallfahrtsort für Neonazis geworden war.[2]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Alter Friedhof der Gemeinde Nicolai und Marien auf Friedhofsfinder ( vom 27. Oktober 2019 im Internet Archive)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Nicht zu verwechseln mit seinem Bruder Johann Carl Stahn (1808–1891), Prediger an der Friedrichswerderschen Kirche und Konsistorialrat im Konsistorium der Provinz Brandenburg, oder mit dem Vater der beiden, Johann Gottfried Stahn (1764–1849), Archidiakon an St. Marien.
- ↑ Theo Schneider (2013): Rechter Totenkult. In: Blick nach Rechts. 8. August 2013, abgerufen am 8. August 2013.
Koordinaten: 52° 31′ 39,4″ N, 13° 25′ 3,4″ O