Andreas Gronewalt

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Andreas Gronewalt, auch Andreas Grunwaldt oder Andreas Grunewalt, (geboren vor 1480; gestorben nach 1541 in Halberstadt) war ein deutscher Notar, Kleriker, Humanist und Büchersammler. Seine umfangreiche reformationsgeschichtliche Büchersammlung vermachte er bereits vor seinem Tod der Stadt Goslar bzw. der Marktkirchengemeinde zu Goslar.[1]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Andreas Gronewalts Geburtsdatum ist nicht bekannt. Es lässt sich aber aufgrund des Jahres seiner Immatrikulation an der Universität Erfurt 1493 auf einen Zeitraum vor 1480 ansetzen. Bei seiner Einschreibung in die Universität nennt er als Herkunft- bzw. Wohnort Halberstadt. Über sein Studium in Erfurt und einen erworbenen akademischen Grad ist nichts bekannt. 1508 arbeitete er als öffentlicher Notar mit päpstlichem und kaiserlichem Privileg in Halle (Saale) im Dienste der Magdeburger Bischöfe Ernst II. von Sachsen und Albrecht von Brandenburg sowie des Stifts Neuwerk. Außerdem hatte er zu dieser Zeit bereits die Priesterweihe empfangen und besaß als Vikar der Domkirche in Halberstadt auskömmliche Pfründe.[2]

Im Wintersemester 1509/10 wurde Gronewalt an der Universität Wittenberg immatrikuliert, wohl um seine juristische Bildung zu vertiefen. Die Dauer seines Aufenthalts in Wittenberg sowie eventuell erworbene akademische Grade sind nicht belegt. Sein ab 1516 aufgebauter, umfangreicher Buchbesitz weist ihn aber als umfassend gebildeten Mann aus, der über ein gewisses Vermögen verfügte.[3] Ab 1529 ist er als Vikar am Kollegiatstift Unserer Lieben Frauen in Halberstadt nachgewiesen. Zwischen 1513 und 1531 arbeitete er erneut in Halle als Notar. Ab dem 1. September 1531 wohnte er wohl dauerhaft in Halberstadt.[4] Das dortige Steuerregister nennt für 1531 ein mittleres Vermögen in Höhe von 282 Gulden, wobei offen ist, ob er noch an anderen Orten Vermögenswerte besaß und steuerpflichtig war.[5]

Zu seinem Bekanntenkreis gehörten zahlreiche humanistisch gebildete Kleriker, so auch der Halberstädter Propst und Magdeburger Reformator Eberhard Weidensee[6] und Luthers Freund Philipp Melanchthon. Nach einer anfänglichen Sympathie für die Lehre Luthers wandte sich Gronewalt in den 1520er Jahren zeitweise von Luther ab, verfolgte aber weiter die unterschiedlichen reformatorischen Strömungen. Gronewalt blieb trotz einer gewissen Distanz zu einigen Praktiken der alten Kirche, wie z. B. dem Heiligenkult, katholischer Kleriker, hegte aber zugleich Sympathien für bestimmte Aspekte der Lehre Luthers.[7] Der Reformationshistoriker Ulrich Bubenheimer spricht in diesem Zusammenhang von einer „interkonfessionellen Existenz“.[8]

Anhand seines letzten Bücherkaufs im Jahre 1541 lässt sich das Todesjahr Gronewalts auf nach 1541 bestimmen. Als Sterbeort gilt Halberstadt.[9]

Bibliothek[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gronewalts reichhaltige Privatbibliothek umfasste neben juristischer Literatur zum weltlichen und kanonischen Recht[10] auch einige medizinische Bücher.[11] Daneben finden sich zeitgenössische chronikalische Werke, die ein Interesse an der Geschichte offenbaren, was für einen humanistisch Gebildeten üblich war.[12] Großen Anteil an Gronewalts Büchersammlung hatten humanistische Schriften, darunter viele Werke des Erasmus von Rotterdam, und damit verbunden Schriften der Kirchenväter, wie z. B. eine neunbändige Hieronymus-Ausgabe. Der Schwerpunkt der Bibliothek lag aber vor allem auf dem Reformationsschrifttum. Hier versammelte Gronewalt nicht nur Drucke Martin Luthers, sondern auch Andreas Karlstadts oder Thomas Müntzers. Das zeugt von einer Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Richtungen der Reformation und nicht nur mit Luthers Lehre. Die gesamte Bibliothek Gronewalts dokumentiert sowohl in ihren Einzelwerken die Auseinandersetzungen zu Beginn des 16. Jahrhunderts gut als auch in den zahlreichen, zum Teil sehr umfangreichen Kommentaren und Notizen, die ihr Besitzer in die Bücher schrieb.[13]

Noch vor Gronewalts Tod, vermutlich 1535[14], kam der reformationsgeschichtliche Teil seiner Büchersammlung nach Goslar – ob an die Stadt oder die Marktkirchengemeinde, ist nicht eindeutig nachweisbar. Es wird vermutet, dass Gronewalts Freund aus Halberstadt, Eberhard Weidensee, der ab 1533 Superintendent in Goslar war, den Büchertransfer veranlasst haben könnte.[15] Dass mag aus dem Anlass geschehen sein, dass im Bistum Halberstadt 1531 aufgrund eines kaiserlichen Mandats der Besitz lutherischer Schriften und erst recht der Schriften von Vertretern der radikalen Reformation verboten wurde, Goslar als freie Reichsstadt aber bereits 1526 die Reformation eingeführt hatte und dort der reformatorische Teil der Gronewaltschen Sammlung sicherer untergebracht werden konnte.[16] Aufbewahrt wurden die Bücher in Goslar zusammen mit den übrigen Beständen der Marktkirchenbibliothek in einem 1535 fertiggestellten Anbau an der Nordseite des Chores der Marktkirche in einem Raum über der Sakristei. Bei einer Verzeichnung der Bestände der Goslarer Marktkirchenbibliothek im Jahr 1559 wurden 282 Bücher erfasst, davon geschätzt 216 aus dem Besitz Gronewalts. Da viele Bände Sammelausgaben enthielten, war ein Mehrfaches an Titeln vorhanden.[17] Aktuell lassen sich in Goslar noch 176 Bände aus dem Besitz Gronewalts nachweisen. Spätestes Erscheinungsdatum der einzelnen, in Goslar vorhandenen Drucke aus dem Besitz Gronewalts ist 1532.[18] Drucke geringeren Umfangs hat Gronewalt nach dem Erwerb zusammen in einheitliche Bucheinbände binden lassen, die zum Großteil auch heute noch in Goslar vorhanden sind. Ungewöhnlich ist, dass er bei vielen seiner gebundenen Sammelbände auf den vorderen Buchschnitt mit brauner Tinte jeweils einen Kurztitel und eine Signatur aufgebracht hat. Das deutet auf eine ursprüngliche Buchaufstellung mit dem Schnitt und nicht mit dem Rücken nach vorne hin.[19]

Das aus heutiger Sicht herausragendste Werk aus Gronewalts Sammlung ist das älteste protestantische Gesangbuch, das Erfurter Enchiridion von 1524, ein kleinformatiges Liederbuch, nur drei Druckbögen umfassend, das in einen Sammelband eingebunden war. Goslar besitzt das einzige noch erhaltene Exemplar dieses Druckes.[20]

Gronewalt vermehrte seine Sammlung in Halberstadt bis 1541. Sie blieb auch nach seinem Tod dort, ging allerdings im 19. Jahrhundert in die Privatsammlung eines Halberstädter Dompredigers ein und wurde nach dessen Tod zum Großteil an den Preußischen König Friedrich Wilhelm IV. verkauft, der damit die von ihm in Wittenberg gegründete Lutherhalle, das heutige Lutherhaus, ausstattete. Die übrigen Bücher wurden über den Antiquariatshandel verkauft. (S. 203) Neben Wittenberg besitzen die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, die Bibliothek des Evangelischen Ministeriums im Augustinerkloster Erfurt und die Universitätsbibliothek Tübingen mehrere Bände.[21]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Harald Bollbuck: Chroniken und andere Geschichtswerke aus Gronewalts Beistz in der Marktkirchen-Bibliothek Goslar. In: Helmut Liersch (Hrsg.): Marktkirchenbibliothek Goslar. Beiträge zur Erforschung der reformationszeitlichen Sammlung. Schnell & Steiner, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3032-0, S. 205–217.
  • Ulrich Bubenheimer: Die Bücher und Bucheinzeichnungen des Klerikers Andreas Gronewalt aus Halberstadt. Ein Beitrag zur Geschichte der Marktkirchenbibliothek in Goslar und zur Rezeption der Wittenberger Reformation. In: Jahrbuch der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte. 94. 1996, S. 51–74.
    • (leicht verändert unter dem gleichen Titel in: Otmar Hesse (Hrsg.): Beiträge zur Goslarer Kirchengeschichte. Die Vorträge der Amsdorfabende. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2001, ISBN 3-89534-409-5, S. 35–56.)
  • Ulrich Bubenheimer: Existenz zwischen Einheitsanspruch und religiösem Pluralismus in der Reformationszeit. Individuelle religiöse Orientierung am Beispiel des Klerikers und Notars Andreas Gronewalt in Halberstadt und Halle. In: Ulrich Bubenheimer, Dieter Fauth (Hrsg.): Religiöser Pluralismus und Deutungsmacht in der Reformationszeit. Angelika Lenz Verlag, Neu-Isenburg 2016, ISBN 978-3-923834-34-1, S. 61–84.
  • Ulrich Bubenheimer: Andreas Gronewalt: Priester, Notar und Humanist aus Halberstadt zwischen Erzbischof Albrecht von Brandenburg und den Wittenberger Reformatoren. In: Helmut Liersch (Hrsg.): Marktkirchenbibliothek Goslar. Beiträge zur Erforschung der reformationszeitlichen Sammlung. Schnell & Steiner, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3032-0, S. 163–203.
  • Maximilian Haars: Andreas Gronewalt und die Medizin im Spiegel seiner Marginalien. In: Helmut Liersch (Hrsg.): Marktkirchenbibliothek Goslar. Beiträge zur Erforschung der reformationszeitlichen Sammlung. Schnell & Steiner, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3032-0, S. 219–231.
  • Helmut Liersch: Die Marktkirchen-Bibliothek Goslar – Reformation live!. In: Birgit Hoffmann, Heike Pöppelmann, Dieter Rammler (Hrsg.): Reformation: Themen, Akteure, Medien. Beiträge zur Ausstellung „Im Aufbruch. Reformation 1517–1617“ vom 7. Mai – 19. November 2017 in Braunschweig. Verlag Uwe Krebs, Wendeburg 2018. (=Quellen und Beiträge zur Geschichte der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Braunschweig. Heft 26) ISBN 978-3-932030-78-9, S. 291–312.
  • Helmut Liersch: Der Bibliothekstransfer von Halberstadt nach Goslar im Jahre 1535. Buchschließen als Signa reformationszeitlicher Entscheidungen. In: Helmut Liersch (Hrsg.): Marktkirchenbibliothek Goslar. Beiträge zur Erforschung der reformationszeitlichen Sammlung. Schnell & Steiner, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3032-0, S. 259–291.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ulrich Bubenheimer: Andreas Gronewalt: Priester, Notar und Humanist aus Halberstadt zwischen Erzbischof Albrecht von Brandenburg und den Wittenberger Reformatoren. In: Helmut Liersch (Hrsg.): Marktkirchenbibliothek Goslar. Beiträge zur Erforschung der reformationszeitlichen Sammlung. Schnell & Steiner, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3032-0, S. 163.
  2. Ulrich Bubenheimer: Andreas Gronewalt: Priester, Notar und Humanist aus Halberstadt …. S. 166 ff.
  3. Ulrich Bubenheimer: Die Bücher und Buchnotizen des Klerikers Andreas Gronewalt aus Halberstadt. Zur frühen Geschichte der Marktkirchenbibliothek in Goslar und zur Rezeption der Wittenberger Reformation. In: Otmar Hesse (Hrsg.): Beiträge zur Goslarer Kirchengeschichte. Die Vorträge der Amsdorfabende. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2001, ISBN 3-89534-409-5, S. 42.
  4. Ulrich Bubenheimer: Andreas Gronewalt: Priester, Notar und Humanist aus Halberstadt ... S. 173 f.
  5. Ulrich Bubenheimer: Die Bücher und Buchnotizen des Klerikers Andreas Gronewalt aus Halberstadt. S. 44 f.
  6. Ulrich Bubenheimer: Die Bücher und Buchnotizen des Klerikers Andreas Gronewalt aus Halberstadt. S. 52.
  7. Ulrich Bubenheimer: Andreas Gronewalt: Priester, Notar und Humanist aus Halberstadt ... S. 192 ff.
  8. Ulrich Bubenheimer: Andreas Gronewalt: Priester, Notar und Humanist aus Halberstadt …. S. 196.
  9. Ulrich Bubenheimer: Existenz zwischen Einheitsanspruch und religiösem Pluralismus in der Reformationszeit. Individuelle religiöse Orientierung am Beispiel des Klerikers und Notars Andreas Gronewalt in Halberstadt und Halle. In: Ulrich Bubenheimer, Dieter Fauth (Hrsg.): Religiöser Pluralismus und Deutungsmacht in der Reformationszeit. Angelika Lenz Verlag, Neu-Isenburg 2016, ISBN 978-3-923834-34-1, S. 74.
  10. Ulrich Bubenheimer: Andreas Gronewalt: Priester, Notar und Humanist aus Halberstadt …. S. 196.
  11. Maximilian Haars: Andreas Gronewalt und die Medizin im Spiegel seiner Marginalien. In: Helmut Liersch (Hrsg.): Marktkirchenbibliothek Goslar. Beiträge zur Erforschung der reformationszeitlichen Sammlung. Schnell & Steiner, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3032-0, S. 219–231.
  12. Harald Bollbuck: Chroniken und andere Geschichtswerke aus Gronewalts Besitz in der Marktkirchen-Bibliothek Goslar. In: Helmut Liersch (Hrsg.): Marktkirchenbibliothek Goslar. Beiträge zur Erforschung der reformationszeitlichen Sammlung. Schnell & Steiner, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3032-0, S. 205–217.
  13. Ulrich Bubenheimer: Andreas Gronewalt: Priester, Notar und Humanist aus Halberstadt …. S. 203.
  14. Ulrich Bubenheimer: Andreas Gronewalt: Priester, Notar und Humanist aus Halberstadt …. S. 202.
  15. Ulrich Bubenheimer: Die Bücher und Buchnotizen des Klerikers Andreas Gronewalt aus Halberstadt. S. 41.
  16. Helmut Liersch: Der Bibliothekstransfer von Halberstadt nach Goslar im Jahre 1535. Buchschließen als Signa reformationszeitlicher Entscheidungen. In: Helmut Liersch (Hrsg.): Marktkirchenbibliothek Goslar. Beiträge zur Erforschung der reformationszeitlichen Sammlung. Schnell & Steiner, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3032-0, S. 260 f.
  17. Ulrich Bubenheimer: Andreas Gronewalt: Priester, Notar und Humanist aus Halberstadt ... S. 199.
  18. Ulrich Bubenheimer, Helmut Liersch: Das älteste Bücherverzeichnis (Inventarium) der Marktkirchen-Bibliothek Goslar aus dem Jahr 1559. In: Helmut Liersch (Hrsg.): Marktkirchenbibliothek Goslar. Beiträge zur Erforschung der reformationszeitlichen Sammlung. Schnell & Steiner, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3032-0, S. 56–131.
  19. Helmut Liersch: Der Bibliothekstransfer von Halberstadt nach Goslar im Jahre 1535. S. 265.
  20. Henrike Lähnemann: Das Erfurter >Enchiridion< in der Goslarer Marktkirchen-Bibliothek. In: Helmut Liersch (Hrsg.): Marktkirchenbibliothek Goslar. Beiträge zur Erforschung der reformationszeitlichen Sammlung. Schnell & Steiner, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3032-0, S. 233–243.
  21. Ulrich Bubenheimer: Die Bücher und Buchnotizen des Klerikers Andreas Gronewalt aus Halberstadt. S. 38 f.