Pseudowut

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Die Pseudowut oder Aujeszkysche Krankheit (auch Pseudorabies, Pseudolyssa, Juckseuche, Juckpest, Infektiöse Bulbärparalyse, Tollkrätze, Morbus Aujeszky oder Aujeszky-Krankheit) ist eine durch das Aujeszky-Virus hervorgerufene, anzeigepflichtige Tierseuche mit geringer Pathogenität für den Menschen. Der Erreger gehört zur Familie der Herpesviren, Subfamilie Alphaherpesvirinae, Genus Varicellovirus und wird auch Pseudorabiesvirus (PrV) oder Suides Herpesvirus 1 (SuHV-1) genannt. Sein eigentlicher Wirt sind Schweine (Suidae). Die Krankheit ist nach dem ungarischen Tierarzt Aladár Aujeszky benannt. Der Name „Pseudowut“ bezieht sich auf den beim Hund ähnlichen Verlauf wie bei der Tollwut, beide Erkrankungen haben aber sonst wenig gemein.

Epidemiologie und Symptome

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Bei nahezu allen Säugetieren verläuft die Infektion tödlich. Primaten und somit auch Menschen sind jedoch für das Virus nicht empfänglich. Beim Schwein verläuft sie als zyklische Allgemeininfektion mit Virusausbreitung über Lymph- und Blutgefäße und Nerven. Zentralnervensystem und die Schleimhäute des Respirationstraktes sind bevorzugte Manifestationsorgane. Wie bei allen Herpesinfektionen gibt es bei SuHV-1 bei Schweinen eine latente (meist lebenslange) Infektion, welche insbesondere unter Stress reaktiviert wird.

Bei Rindern, Hunden, Wölfen,[1] Katzen und Schafen kommt es schnell zu einer Gehirn- und Rückenmarksentzündung mit zentralnervösen Erscheinungen, bei Rindern und Hunden zusätzlich zu starkem Juckreiz, und danach zum Tod des Tieres. Alle diese sogenannten „Endwirte“ scheiden zu keinem Zeitpunkt das Virus aus und müssen sich via Hausschwein oder Wildschwein angesteckt haben (eventuell auch über verseuchte Gerätschaften, verschmutzte Stiefel und so weiter). Als besonders gefährdet gelten Jagdhunde, wegen ihres Kontakts zu erlegten Wildschweinen. Von 2013 bis 2023 wurde in Deutschland eine Infektion bei 9 Jagdhunden sicher nachgewiesen.[2]

Saugferkel zeigen neuronale Symptome mit Ataxien und Krämpfen, meist verenden sie innerhalb weniger Tage. Schweine in einem Alter von mehr als vier Wochen überleben die Krankheit, sie sind die eigentlichen Hauptwirte des Virus. Jüngere Schweine zeigen noch neurale Symptome, Mastschweine zeigen respiratorische Symptome. Die Krankheit führt in den Schweineproduktionsbetrieben zu großen Verlusten einerseits durch die Ferkelsterblichkeit, andererseits durch die verminderten Tageszunahmen und die damit verbundenen verlängerten Mastperioden. Die Ansteckung erfolgt über direkten (von Schwein zu Schwein) oder indirekten Kontakt (Lastwagen nicht gereinigt, Futterlieferanten, Besucher), in seltenen Fällen auch über die Luft. Die häufigste Ansteckungsquelle sind zugekaufte latent infizierte Zuchttiere (Ortswechsel → Stress → Reaktivierung) oder infizierte Mastferkel.

Untersuchungsmethoden

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Da die Tiere vor dem Einsetzen einer Antikörperproduktion gegen das Virus sterben, ist eine Diagnosestellung aus einer Blutprobe nicht möglich. Der Nachweis des Virus erfolgt an Gewebe nach dem Tod des Tieres anhand Immunhistochemie, Virusisolation oder einer PCR.[3]

Pseudowut ist anzeigepflichtig und wird in vielen Ländern staatlich bekämpft. In Deutschland besteht für die Erkrankung Anzeigepflicht nach dem Tiergesundheitsgesetz (TierGesG) für Hausrinder und -schweine.[4] Auch nach dem österreichischen Tierseuchengesetz ist die Pseudowut eine anzeigepflichtige Tierseuche.[5]

Sanierungsmaßnahmen beinhalten die Überwachung der Schweinepopulation durch regelmäßige Blutproben, Sanktionen wie die Sperrung von Betrieben sowie die Keulung.

Es besteht ebenfalls die Möglichkeit einer Impfung, diese wird in stark verseuchten Gebieten mit Erfolg angewandt, allerdings schützt sie nur vor den Symptomen (keine Verluste für den Bauern), nicht vor einer Infektion. Auch geimpfte Tiere können latente Herpesinfektionen aufweisen und diese gegebenenfalls in eine ungeimpfte Population einschleppen. Daher muss in offiziell anerkannten virenfreien Ländern die Impfung verboten werden (wie z. B. in der Schweiz). Eine große Gefahr stellt die Einschleppung der Krankheit durch Wildschweine in artgerechte Schweinehaltungen (mit Auslauf im Freien) dar. Die Bejagung des Schwarzwildes hat eine präventive Funktion gegen die Ausbreitung.[6]

Pseudowut-freie Länder

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In Europa sind (Stand 27. November 2023) hinsichtlich von Hausschweinen Belgien, Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Schweden, Schweiz, Slovakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn Pseudowut-frei, in Litauen, Italien, Portugal und Spanien laufen Programme zur Ausrottung der Erkrankung.[7]

DDie Erklärung der Freiheit von der Erkrankung schließt allerdings nicht aus, dass gelegentlich Fälle von Aujeszky-Krankheit beim Wildschwein oder bei Hunden mit Kontakt zu Wildschweinen[8][9] auftreten. So wurden in Südostfrankreich bei 30 %, in Deutschland bei auf der Iberischen Halbinsel bei 42,6 % und in Nordwestitalien bei 10 % der Wildschweinne das Virus serologisch nachgewiesen.[10] Daher treten auch im deutschsprachigen Raum immer wieder Fälle dieser Krankheit auf.[11][12]

Einzelnachweise

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  1. http://www.animal-health-online.de/gross/2012/01/05/immer-noch-eine-bedrohung-aujeszky-virus-bei-einem-wolf-in-belgien/19515/
  2. Aujeszkysche Krankheit: Tödliche Gefahr für den Jagdhund! 9. Oktober 2023, abgerufen am 22. Januar 2024 (deutsch).
  3. Thomas Passler, Paul H. Walz: Disease of the Neurologic System. in David G. Pugh, A.N. Baird, Misty A. Edmondson, Thomas Passler: Sheep Goat and Cervid Medicine. 3. Auflage, Edinburgh, 2021, S. 327
  4. Verordnung über anzeigepflichtige Tierseuchen in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Juli 2011 (BGBl. I S. 1404), geändert durch Artikel 3 der Verordnung vom 3. Mai 2016 (BGBl. I S. 1057) in Verbindung mit § 4 des Gesetzes zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen (Tiergesundheitsgesetz - TierGesG) vom 22. Mai 2013 (BGBl. I S. 1324), zuletzt geändert durch Artikel 8 Absatz 12 des Gesetzes vom 3. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2178)
  5. § 16 Tierseuchengesetz vom 26. August 1909, zuletzt geändert 2006 (BGBl. I Nr. 136/2006)
  6. Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Aujeszkysche Krankheit (Memento vom 1. Dezember 2017 im Internet Archive)
  7. AUJESZKY'S DISEASE. Abgerufen am 21. Januar 2025.
  8. D. Thaller u. a. Nachweis von Aujeszkyscher Krankheit bei einem Hund in Österreich In: Wiener Tierärztliche Monatsschrift. 2006, 93, S. 62–67.
  9. Rasso Walch: Aujeszkysche Krankheit: Zwei Jagdhunde tot (Memento vom 12. November 2018 im Internet Archive) Jagderleben 2017
  10. Younes Laidoudi, Bernard Davoust, Stéphanie Watier-Grillot, Aurélie Oger, Marie-Frédérique Le Potier, Céline Deblanc: Serological Survey of Aujeszky’s Disease in Wild Boar from Southeastern France. In: Pathogens. Band 11, Nr. 10, 2022, ISSN 2076-0817, S. 1107, doi:10.3390/pathogens11101107, PMID 36297164 (mdpi.com).
  11. Pseudowut - tödliche Hundekrankheit breitet sich aus. In: rp-online.de. 30. Dezember 2016, abgerufen am 8. Februar 2024.
  12. Achtung: Wildschweine mit Pseudowut in Bayern. In: Neues Deutschland. 28. Dezember 2016, ISSN 0323-3375, S. 11.