Balija

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Balija (Plural: balije; ursprünglich abalija, von türkisch abalı für einen mit grobem Gewebe bekleideten Menschen[1]) ist eine südslawischsprachige abwertende Bezeichnung für einen Bosniaken oder anderen slawischen Muslim. Daneben ist es in der bosnischen Sprache auch ein muslimischer männlicher Vorname.[2]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff Balija im Sinne von Hirte wurde im 19. Jahrhundert in Bosnien und der Herzegowina unter osmanischer Herrschaft speziell für die muslimischen Schafhaltergemeinschaften verwendet, die als Halbnomaden im Veležgebirge lebten.[3] Die bosnischen Begs (Adligen) und Agas (Landbesitzer) benutzten den Begriff für ihre muslimischen Bauern, um damit anzudeuten, dass sie diese für grobe Menschen mit niedriger Bildung hielten.[1] Entsprechend wurde Balija von der elitären muslimischen Stadtbevölkerung abwertend für die ebenfalls muslimische Landbevölkerung verwendet.[3]

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden muslimische Bauern oder in der Herzegowina die allgemein als rückständig angesehenen Wanderhirten am rechten Ufer der Neretva als Balije bezeichnet.[4][5] Während des Bosnienkrieges (1992–1995) nutzte die serbische und kroatische Propaganda den Begriff als abwertende Bezeichnung für die vermeintlich ungebildeten und schmutzigen Bosniaken.[6] So soll der Begriff Balija vom südslawischen Begriff bala für Speichel oder Schleim stammen,[7][8] wodurch er zur Bezeichnung eines primitiven, „rotzenden“ Muslim wird.[9]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Andreas Moritsch, Alois Mosser (Hrsg.): Den Anderen im Blick : Stereotype im ehemaligen Jugoslawien (= Pro oriente : Schriftenreihe der Kommission für südosteuropäische Geschichte. Band 2). Lang, 2002, ISBN 978-3-631-34646-4, ISSN 1437-367X, S. 120.
  2. Nusret Mulasmajic: Bosnian-English Dictionary : Turcisms, Colloquialisms, Islamic Words and Expressions. AuthorHouse, 2011, ISBN 978-1-4634-0179-5, S. 20.
  3. a b Hannes Grandits: Herrschaft und Loyalität in der spätosmanischen Gesellschaft: das Beispiel der multikonfessionellen Herzegowina. Böhlau Verlag, Wien 2008, S. 687.
  4. Zentralblatt für Anthropologie. F. Vieweg, 1909, S. 32.
  5. Carl Patsch: Historische Wanderungen im Karst und an der Adria : Die Herzegowina einst und jetzt. Hrsg.: Forschungsinstitut für Osten und Orient. Band 1, 1922, S. 22.
  6. Zeljko Ivanković und Dunja Melčić: Der bosniakisch-kroatische „Krieg im Kriege“. In: Dunja Melčić (Hrsg.): Der Jugoslawien-Krieg : Handbuch zu Vorgeschichte, Verlauf und Konsequenzen. 2. Auflage. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, S. 433.
  7. Emran Qureshi, Michael A. Sells (Hrsg.): The New Crusades : Constructing the Muslim Enemy. Columbia University Press, 2003, ISBN 978-0-231-50156-9, S. 373.
  8. Michael A. Sells: The Bridge Betrayed : Religion and Genocide in Bosnia (= Comparative Studies in Religion and Society. Band 11). University of California Press, 1996, ISBN 978-0-520-92209-9, S. 77.
  9. Norbert Mappes-Niediek: Die Ethno-Falle : Der Balkan-Konflikt und was Europa daraus lernen kann. Ch. Links Verlag, 2011, ISBN 978-3-86284-096-0, S. 43.