Benutzer:Bernd Schwabe in Hannover/Unterseite

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Villa Rosa nach der Sanierung
Glocksee 1888

Die Glocksee war der Bereich zwischen der alten Stadtbefestigung Hannovers und der Ihme und zog sich von der alten Ihmebrücke am Schwarzen Bären bis zur Leine im Norden hin. Die bereits um 1700 als Fahrweg vorhandene Glockseestraße diente der Haupterschließung des ehemals mit Gärten besetzten Bereichs. Sie zweigte vor dem Calenberger Tor ab und wurde durch den Ravelin zunächst in die Nähe der Ihmebrücke gedrückt, um dann nach Norden bis an die Leine zu führen. Von der ehemaligen Gartenhausbebauung hat sich nichts erhalten (s. Gartenhaus (Hannover)). Von den damals zahlreichen repräsentativen Lusthäusern außerhalb der Befestigung findet man jedoch noch die um 1830 nach Plänen von Laves erbaute "Villa Rosa", Glockseestraße 1.

1820 erhielten die zuvor zu Linden gehörenden Gebiete Ohe und Glocksee den Status einer selbständigen Ortschaft, etwa gleichzeitig begann die Industrieansiedlung beiderseits der Ihme. 1825 kaufte die englische Imperial-Continental-Gas-Association vom Lindener Unternehmer Johann Egestorff ein Grundstück zwischen Glockseestraße und Ihme, um darauf die erste Gasanstalt auf dem europäischen Festland zu errichten. Von dort, wo der historische Verlauf der Glockseestrasse heute abgebrochen ist, belieferte man Hannover dann erstmals mit Gas für die Straßenbeleuchtung. Der Gasbehälter von 1882 ist heute zur Kantine umgenutzt.

1869 wurden Ohe und Glocksee nach Hannover eingemeindet. Eine Stadtplanung größeren Stils versuchte, dem Druck der Bevölkerungszunahme und der Verkehrsprobleme Herr zu werden. Nun setzte man die schon seit 1828, im wesentlichen von Laves um 1850 geplanten Straßenzüge um. Nachdem das letzte Stück Stadtgraben zugeschüttet wurde, legte man 1870 die Humboldstraße und die Goethestrasse an und bis 1875 den Goetheplatz. Dieser Straßenzug sollte eine Verkehrsanbindung an die repräsentativen Straßen und Plätze der nördlichen und östlichen Stadterweiterungen und an den Bahnhof schaffen. Hier entlang führte ab 1872/73 die erste Schienenpferdebahn von Hannover über die damals einzige Brücke nach Linden am "Schwarzen Bär".

Zentrale Bedeutung sollte jedoch der nur schleppend ausgebaute Goetheplatz haben, der gemäß der Planung heute 6 abgehende Straßen aufweist. Die Lenaustraße, die anfangs einen direkten Brücken-Übergang nach Linden schaffen sollte, entstand 1889 gleichzeitig mit der Braunstraße und dem weiteren Ausbau der Königsworther Straße. In deren Verlängerung und dem Brückenschlag über die Leine 1890 entstand nun endlich die dringend benötigte zweite Brücke nach Linden, die Leinertbrücke am Küchengarten.

Erst um 1890 setzte die kontinuierliche Aufsiedelung ein. Nahe dem regelmäßig in Segmente gegliederten Goetheplatz baute man einige die Gesamtanlage prägende öffentliche Gebäude: 1888–1889 das Goethegymnasium (auf dem Gelände des heutigen Eichamts), 1891–1896 die Garnisionskirche mit Pfarrhaus von Christoph Hehl, sowie das Finanzamt. Erst mit der Errichtung der Feuerwehrgebäude in der Calenberger Neustadt 1892 entstand die "Feuerwehrstraße". 1902 gestaltete der hannoversche Gartenbaudirektor Julius Trip den Goetheplatz um.

Geschlossene Gebäudegruppen des für die Zeit um 1900 typischen kleinbürgerlichen Wohnungsbaus in Hannover finden sich noch zwischen Glocksee- und Humboldstraße: Glockseestraße 5, Lenaustraße 7-12 (hier liegen die letzten beiden freistehenden und bewohnten Hinterhäuser) und Rückertstraße 4-14. Diese großstädtischen Mietsbauten entstanden wohl spekulativ in unmittelbarer Nachbarschaft von Industrieansiedlungen für Arbeiter, deren Arbeitgeber nicht selbst Bauherren waren. Man findet vorwiegend 4-geschossige, zweispännige Häuser hauptsächlich mit 3-Zimmer-Wohnungen. Vom Ziegelrohbau über die reine Putzfassade sind alle Mischformen vertreten. Die normalerweise 6 Achsen umfassenden Fassaden betonen entweder die Mitte oder die äußeren Achsen durch leichtes Hervortreten der Obergeschosse. Dementsprechend ist die Dachzone entweder durch ein mittiges Zwerchhaus mit geradem Abschluss oder durch zwei seitliche, zumeist übergiebelte Zwerchhäuser gestaltet. Dadurch bieten die Dachwohnungen zumindest einen geraden Raum. Dieses vorgegebene Gliederungsmuster wird durch die drei vermutlich jüngsten Häuser (Rückertstraße 5-6, um 1904) variiert: Statt renaissancistischen oder gotisierenden Schmuckteilen finden sich dort Jugendstil-Elemente im Dekor.

In der 1889 angelegten Braunstraße haben sich ebenfalls Teile der alten Bebauung erhalten. Seit circa 1905 führt eine autofreie, heute denkmalgeschützte "Dreyerbrücke" in die Königsworth. Am freistehenden alten Klinkerbau vom Bürgerbüro Stadtentwicklung öffnet sich heute ein weiterer Fußweg entlang des Leineufers. Nördlich der Königsworther Straße baute man 1896 den Straßenbahnbetriebshof, heute auch Hauptwerkstatt der Üstra. Hier, in der Ihmestrasse 6a-6e entstanden in den Folgejahren sozialgeschichtlich interessante Behausungen für Straßenbahnbeamte. Am Gelände liegen auch die Gebäude der Johann-Jobst Wagnerschen Stiftung.

Nach den Luftangriffen auf Hannover im Zweiten Weltkrieg baute man gegenüber dem Schwarzen Bären das Hochhaus der Hastra, die heute in der Humboldtstrasse das Museum für Energiegeschichte(n) unterhalten.

Im Zuge der Erstellung des Ihmezentrums wurde am Ufer der Glocksee der größte Teil der verbliebenen Industriebauten mit teilweise villenartigen Verwaltungsgebäuden abgerissen. Lediglich die ehemaligen Gebäude des Fuhramtes blieben erhalten. Diese nutzt seit 1972 jedoch das aus einer Lindener Bürgerinitiative und anderen entstandene Unabhängige Jugendzentrum Glocksee. Im gleichen Jahr gründete sich hier auch die alternativ-pädagogische Glocksee-Schule. Eine zusätzliche, autofreie Stahlbeton-Bogenbrücke auf die andere Ihmeseite wurde gebaut. Die ehemaligen Industriegelände wurden mit öffentlichen Grünflächen versehen sowie der Skulptur "Die Begehbare". Insbesondere entstand entlang der Ihme über das Peter-Fechter-Ufer eine autofreie Verbindung von der Vereinigung von Ihme und Leine im Norden bis zu den Naherholungsflächen an den Kiesteichen von Ricklingen im Süden.

Der Gestaltungswille am Goetheplatz schien aber lange hintangestellt. Zwar versah man die Berufsbildende Schule 6 der Region Hannover auf einem Teilgelände des alten Gaswerks mit Solaranlagen, doch der Goetheplatz am Eingang ist zu einem Verkehrskreisel degeneriert. Im Zuge der Initiative "Hannover City 2020+" stehen jedoch sowohl eine veränderte Streckenführung der Stadtbahn Hannover wie auch eine Umgestaltung der Goethestraße an.