Benutzer:Codc/Weinberg (Kassel)

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Plan des „Weinbergs“ in Kassel
Luftaufnahme des „Weinbergs“ aus dem Jahr 2000. Rechts im Bild schlängelt sich die Frankfurter Straße mit der Stützmauer bergan. In der Bildmitte ist der Terrassengarten zu sehen.

Als Weinberg wird in Kassel eine Steinformation bezeichnet, die sich nordwestlich der Frankfurter Straße über diese erhebt. „Weinberg“ ist auch die Flurbezeichnung für die direkte Umgebung des Felsens südöstlich vom Stadtzentrum Kassels.

Im Inneren des Weinbergs befanden sich vor dem Zweiten Weltkrieg ausgedehnte Bierlagerkeller, die während des Krieges durch Tunnelgänge untereinander verbunden wurden und so als Luftschutzbunker Verwendung fanden. Die heute noch begehbare Tunnelanlage ist bei Führungen von der Frankfurter Straße aus zugänglich.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der eigentliche Weinberg ist eine Felsformation, welche sich von der Frankfurter Straße aus erhebt und auf der sich der Henschel-, der Terrassen- und der Fürstengarten befinden. Im Henschelgarten steht seit 2015 das Museum Grimmwelt. Benachbart zur Grimmwelt befindet sich das Museum für Sepulkralkultur. Im erweiterten Umfeld sind das Elisabeth-Krankenhaus Kassel, die Parkanlage Fürstengarten mit der angrenzenden Murhardschen Bibliothek (heute eine Zweigstelle der Bibliothek der Universität Kassel), das Friedrichsgymnasium, das Hessische Landesmuseum Kassel und ein Seniorenstift zu finden. Am Fuße des Weinbergs verläuft die Frankfurter Straße und im westlichen Bereich wird er vom Philosophenweg begrenzt – nördlich und östlich verläuft auf dem Weinberg die Weinbergstraße. Er wird dort von der Wilhelmshöher Allee und dem Brüder-Grimm-Platz begrenzt. Zur Frankfurter Straße hin ist der westliche Teil eine terrassierte Gartenanlage und im östlichen Teil eine Felsformation welche durch eine gewaltige Stützkonstruktion in Bogenform gehalten wird.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frühe Geschichte (Mittelalter bis 19. Jahrhundert)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es ist durch eine urkundliche Erwähnung aus dem Jahr 1274 bekannt, dass sich zwischen dem heutigen Philosophenweg und der Frankfurter Straße am Fuße des Weinbergs am damaligen Uhlenbach ein Dorf mit dem Namen „Weingarten“ befand. Im Jahr 1318 wird im Weingarten eine Mühle erwähnt, die durch die Drusel, einem Bach, der heute noch in die Fulda mündet, angetrieben wurde. Es wird vermutet, dass die Bewohner des Dorfes Weinanbau und Landwirtschaft betrieben haben. Das Dorf Weingarten wurde wahrscheinlich im Jahr 1385 bei einer Belagerung der Truppen des Erzbischofs von Mainz und dessen Verbündeten verwüstet. Danach fand das Gebiet um den Weinberg als landwirtschaftliche Nutz- und Weidefläche Verwendung. Im Jahr 1529 ließ Landgraf Philipp der Großmütige auf dem Weinberg einen Garten anlegen, der als „Oberster Garten“ oder „Plantage“ bezeichnet wurde. Bäume und Hecken wurden angepflanzt und ein Irrgarten sowie kleinere Bauwerke angelegt.

Im Jahr 1704 ließ von Landgraf Karl unterhalb der Kalksteinformation am Weinberg ein Stadttor errichten, das Weinberger Tor genannt wurde. 1765 ließ Landgraf Wilhelm I. es einreißen und an andere Stelle, aber ebenfalls unterhalb des Weinbergfelsens, das Frankfurter Tor erreichten. Nachdem der Mittelpfeiler 1866 fiel wurde es 1880 komplett abgerissen. Carl Henschel, der auf dem Weinberg eine Villa besaß, plante nun als Verbindung zu Bellevue eine Eisenbrücke; auf Bestreben der Stadt Kassel entstand jedoch eine Steinbrücke mit großen Bögen an der Stelle. Als Henschel eine zweite Villa, das Haus Henschel baute, entstanden die für den Kasseler Weinberg charakteristischen Stützmauern als Bauauflage.[1]

Ausbau zu Bierkellern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 4. Dezember 1822 wandt sich der Hofküfermeister Martin Reymüller an den Kurfürst Wilhelm II. und regte an, dass im Weinberg Felsenkeller anzulegen wären, um die Bierqualität zu verbessern. Ein Jahr später befürwortete der Polizeidirektor Pfeiffer den Vorschlag mit dem Hinweis, dass bereits einige Bierbrauer, darunter Konrad Ostheim, begonnen hätten auf neuerworbenen Grundstücken am Frankfurter Tor Bierkeller anzulegen. Seinerzeit gab es Klagen über die schlechte Bierqualität worauf die Kurfürstliche Polizeikommision der Residenz veranlasste das Maßnahmen zur Verbesserung des Brauwesens zu erwägen wären. Darauf hin wand sich der Magistrat der Stadt Kassel an den Magistrat der Residenz Meinigen da dort ebenfalls ein städtisches und herrschaftliches Brauhaus betrieben wurde welches einen besonders guten Ruf genossen hat. Am 18. Juli 1924 hat der Kasseler Magistrat die Anwort aus Meinigen erhalten in der darauf hingewiesen wurde, dass die Lagerbiere welche von Dezember bis Anfang April angebraut und meist vor Ort ausgeschenkt wurden hervorragende Qualität aufwies. Daraufhin kam der Kasseler Magistrat gegenüber der Polizeikommission zum Schluß das die Stadt kein eigenes Brauhaus unterhalten könne und die 19 ansässigen Bierbrauer bereits den Bedarf decken können. Daraufhin wurde es den Bierbrauern überlassen für gutes Bier zu sorgen und der Weg für die Anlage von Felsenkellern zur Lagerung von Bier wurde ermöglicht. Unter erheblichen Kosten wurde in den Kalkfelsen unter dem Weinberg vor dem Frankfurter Tor die Gewölbe gesprengt und 16 Bierkeller entstanden.

Am 19. Mai 1826 erhielten der Brauer Johannes Peilert, am 24. März 1827 Christian Eisengarthen und 1830 Johannes Heine die Konzessionen zum Betrieb von Felsenkellerlokalen und die drei Lokale, der Peilertsche, der Schwanersche und der Eissengarthensche entstanden auf dem Weinberg.

Über dir neu erworbene Qualität der Biere berichtete beispielsweise Otto Bähr 1886 in dem seinem Buch Eine Stadt vor sechzig Jahren: „Besseres Biere entstand in Kassel erst, als gegen Ende der 1820er Jahre die Felsenkeller unter dem Weinberg angelegt waren. In den darüber gelegenen Wirtsgärten wurde dieses Bier in verkorkten Flaschen gereicht und aus kleinen Gläser getrunken. [...] Gleichwohl erlangte dieses Kasseler Felsenbier eine gewisse Berühmtheit [...].[2]

Bis in die 1930er Jahre wurden die Eiskeller von der Kasseler Wirtevereinigung genutzt bevor sie zum Luftschutzbunker umgewidmet wurden.[3]

Weinberg als herrschaftliche Residenz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Laufe des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Weinberg, und hier insbesondere das Hochplateau beliebt um dort representative Wohnhäuser der wohlhabenden Bevölkerung zu errichten.

Drittes Reich, Zweiter Weltkrieg und Kapitulation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab 1941 wurden durch Einsatz von französischen Gefangenen und italienischen Arbeitern der Ausbau der Kelleranlage zu einem Luftschutzbunker vorgenommen. Dabei wurde die Stollenanlage trockengelegt, begradigt und ausgebaut. Es wurden die Stollen verbunden und es wurden Santitäranlagen, die elektische Versorgungs- und Belüftungsanlagen geschaffen. Durch das Graben von schmalen Verbindungsstollen wurde die Anlage vernetzt. Es entstanden schließlich flache Ziegelsteingewölbe welche vier Meter breit und bis zu 80 Meter lang waren. Die Ausmaße übertrafen die alte Bierkelleranlage um ein vielfaches. Auf diese Weise entstand eine Bunkeranlage von 2697 m3 die Schutz für bis zu 10.000 Personen bot. Zum Polizeifest im Sommer 1942 wurde Fertigstellung der Anlage gemeldet.

Am 4. April 1945 hatten die amerikanischen Truppen Kassel erreicht. Es erfolgte ein Vorstoß nach Süden zur Karlsaue während sich das 3. Bataillon mit Panzern durch die Wilhelmshöher Allee kämpfte. Am Morgen bereits hatte Wehrmachtskommandant von Kassel General Johannes Erxleben um eine Waffenruhe zur Evakuierung der Zivilisten gebeten was jedoch abgelehnt wurde da die US Armee bereits 2/3 des Stadtgebiet besetzt hatte. Gegen 12 Uhr war die Stadt Kassel eingeschlossen. Zu der Zeit befanden sich etwa 2000 Personen im Bunker darunter auch General Erxleben der den Bunker als Gefechtsstand nutze. Als die amerikanischen Truppen den Bunker erreichte stellten Colonel G. W. Smythe und LtCol A. G. Elegar General Erxleben ein Ultimatum bis 12:45 Uhr die Stadt zu übergeben auf welches er auch 5 Minuten vor Ablauf einging und kapitulierte.

Nach 1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 4. Oktober 1992 fand in dem ehemaligen Luftschutzbunker eine illegale Technoparty statt, bei der noch vorhandene Sanitäreinrichtungen und die nach dem Krieg installierte elektrische Beleuchtung zerstört wurden. Die Rußspuren der Brandstiftungen und die Beschriftungen an den Wänden, die während der Party vorgenommen wurden, sind noch heute deutlich zu erkennen. Die Technoparty, an der bis zu 500 Personen teilnahmen, wurde schließlich durch die Polizei aufgelöst.[4] Auf der Frankfurter Straße befindet sich in Höhe des Weinbergfelsens die Straßenbahnhaltestelle der KVG mit dem Namen „Am Weinberg“. Das am Südhang erbaute Wohnstift für Senioren trägt denselben Namen.[5] Im Jahr 1992 wurde das Museum für Sepulkralkultur eingeweiht [6]. Im September 2015 eröffnete in dessen Nachbarschaft das Museum Grimmwelt[7] das sich dem Wirken der Brüder Grimm widmet. Beide Museen befinden sich auf der Hochfläche des Weinberg.[8] Seit 2007 wird der Weinbergbunker vom Feuerwehrverein Kassel betreut und ist über diesen nach Terminvereinbarung zu besichtigen.[4]

Weinberg als Ausstellungsort in der Kunst[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur dOCUMENTA (13) im Jahr 2012 waren die Bunkeranlage Ausstellungsort für Kunstwerke des Künstlerpaares Allora & Calzadilla und Aman Mojadidi. Auf den Weinbergterrassen befanden sich Skulpturen von Adrián Villar Rojas.[9][10] Seit dem Jahr 2014 sind die Weinberg-Terrassen Ausstellungsort für das Kunstprojekt LICHT(e)WEGE. Das Projekt besteht seit 2002 und präsentiert in einem Parcours Lichtinstallationen verschiedener Künstler. In der Vergangenheit war das Projekt im Bergpark Wilhelmshöhe (2002/2005) und in den Folgejahren in der Karlsaue auf der Blumeninsel Siebenbergen beheimatet.[11]

Geologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Weinberg in Kassel wird aus triasischen Gesteinen aufgebaut. Strukturgeologisch gehört das Gebiet zum Kasseler Graben, einem flachherzyn verlaufenden Teil des Egge-Störungssystem, das im Jura mehrphasig angelegt wurde. Die Gesteine des Kasseler Grabens sind im Gebiet des Weinbergs durch eine intensive Deformation gekennzeichnet.[12] Während der Südteil des Weinbergs durch graue und gelblichgraue Kalkmergel- und Kalksteine gebildet wird, die stratigraphisch dem Unteren Wellenkalk ([Jena-Formation; Unterer Muschelkalk) zuzuordnen sind, wird der Top und der Nordteil des Weinbergs durch blättrige, plattige Ton- und Tonmergelsteine der Röt-Formation (Oberer Buntsandstein) gebildet. Die tonigen Gesteine gehören zu einer Horststruktur innerhalb des Kasseler Grabens und sind durch eine Ostnordost-Westsüdwest-verlaufende Störung von den kalkigen Gesteinen des Wellenkalks, die an der Ostseite des Weinbergs an der Frankfurter Straße und in den Stollen aufgeschlossen sind, getrennt.[13] In die grauen, dünnbankigen Kalk- und Kalkmergelsteine des Wellenkalks sind hier 0,5 bis 1,7m mächtige, braune, graubraune, fossilführende Oolith-Kalksteine (Oolithbank) und 2m mächtige, gelbliche Dolomitsteine (Gelbes Zwischenmittel) eingelagert. Die kalkig-mergeligen Gesteine bilden hier am Ostrand des Weinbergs eine flache Muldenstruktur.[14]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Der Kasseler Weinberg: Anfänge - Frankfurter Tor, aufgerufen 1. Oktober 2016
  2. Otto Bähr: Eine Stadt vor sechzig Jahren; Kulturgeschichtliche Skizze, F.W. Grunow, Leipzig 1886, Seite 22-23; Digitalisat in Archiv.org.
  3. Heinz Körner:Historische Streifzüge durch Weinberg, Auehang und Südstadt : Kassel im Ersten Weltkrieg, Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und nach 1945, 2015, ISBN 978-3-00-048112-3; Seite 143.
  4. a b Weinbergbunker auf den Seiten des Feuerwehrverein Kassel, abgerufen 19. Oktober 2015
  5. Wohnstift am Weinberg, abgerufen 19. Oktober 2015
  6. Website des Museums für Sepulkralkultur in Kassel, abgerufen am 19. Oktober 2015
  7. Homepage der Grimmwelt, abgerufen 19. Oktober 2015
  8. Stadt Kassel zur Eröffnung der Grimmwelt, abgerufen 19. Oktober 2015
  9. dOCUMENTIERT: Abseits der Hauptschauplätze: der Weinberg und die dOCUMENTA, Abgerufen am Oktober 1, 2016
  10. Bericht über die dOCUMENTA (13), abgerufen 19. Oktober 2015
  11. LICHT(e)WEGE: Insel Siebenbergen, Abgerufen am Oktober 1, 2016
  12. Franz Rösing: Erläuterung der Geologischen Karte von Hessen, 1:25.000, Blatt 4622 Kassel-West, 2. Auflage, Hessisches Landesamt für Bodenforschung (Hrsg.), Wiesbaden 1958, S. 111ff.
  13. Franz Rösing und Hans-Kurt Findeisen: Geologische Karte von Hessen, Blatt 4622 Kassel-West, 2. Auflage, Hessisches Landesamt für Bodenforschung (Hrsg.), Wiesbaden 1958.
  14. Franz Rösing: Erläuterung der Geologischen Karte von Hessen, 1:25.000, Blatt 4622 Kassel-West, 2. Auflage, Hessisches Landesamt für Bodenforschung (Hrsg.), Wiesbaden 1958, S. 34ff.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Heinz Körner: Der historische Weinberg, Südstadtbuch-Verlag Kassel 2008, ISBN 978-3-00-023898-7
  • Heinz Körner: Historische Streifzüge durch Weinberg, Auehang und Südstadt. Kassel im Ersten Weltkrieg, Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und nach 1945. Südstadtbuchverlag Körner, Kassel 2015, ISBN 978-3-00-048112-3.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Koordinaten: 51° 18′ 31″ N, 9° 29′ 24,9″ O [[Kategorie: