Benutzer:LeastCommonAncestor/Kleidung in vorgeschichtlicher Zeit

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Die Kleidung der Steinzeit behandelt Kleidung einschließlich der Technik ihrer Fertigung sowie Schmuck und Körperschmuck steinzeitlicher Kulturen. Der behandelte Zeitraum beginnt mit den ersten Hinweisen auf Herstellung von Kleidung und Schmuck in der Altsteinzeit und endet in Europa mit dem Beginn der Bronzezeit. Der bedeutendste Fund jungsteinzeitlicher Kleidung, die Ausstattung der als „Ötzi“ bekannten Eismumie, datiert genau genommen bereits in den als Kupferzeit bezeichneten Übergang von der Jungsteinzeit zur Bronzezeit.

Die Kostümgeschichte der vorbronzezeitlichen Hochkulturen, beispielsweise des Alten Ägypten oder der Kulturen des vorkolumbischen Amerika, wird in den entsprechenden Artikeln behandelt.

Altsteinzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erste menschliche Kleidung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tanzende Frauen (Roca dels Moros, EL Cogul, Provinz Lleida, Katalonien). Der Fortsätze am Saum der Gewänder werden als Hinweise auf Fellröcke gesehen.
Jungsteinzeitliche Jäger (Felsmalerei in Abrics d'Ermites, Ulldecona, Katalonien). Die Verdickungen an den Beinen der beiden Jäger links werden als Lendenschurz und Beinlinge gedeutet.

Aus der Altsteinzeit ist keine Kleidung erhalten, da die dafür vermulich verwendeten Materialien (Baumbasts, Felle, Sehnen) sich nicht über derartige Zeiträume erhalten. Nachweise müssen daher indirekt sein in Form von Werkzeugen, die zur Bearbeitung von Fellen verwendet werden können. Dazu zählen Schaber für das Entfernen von Fleischresten von der Fellunterseite, sowie Bohrer, Pfrieme und am Ende der Altsteinzeit auch schon frühe Formen von Nadeln aus Knochen, (Mammut-)Elfenbein, Geweihstangen und Fischgräten. Zum Bearbeiten von Tierhäuten geeignete Werkzeuge wie Schaber und Bohrer sind natürlich kein direkter Beleg für die Herstellung von Kleidung, da Tierhäute auch gebraucht wurden für Behälter oder Zelte und zeltähnliche Behausungen, wie sie etwa bei dem Magdalénien-Fundplatz bei Gönnersdorf belegt sind, wo man auch Nadeln gefunden hat.[1]

Als frühestes Kleidungsstück hat man eine aus Baumbast gedrillte Schnur angenommen, die um die Hüfte getragen wurden und als Transportmittel für Geräte, Waffen und Schmuck diente.[2] Als erste Kleidung im engeren Sinn, die auch Schutz vor Kälte und Verletzung bot, wird ein nicht zugeschnittenes Fellstück vermutet, das mit dünnen Knochen zusammengesteckt um den Körper gehalten wurde. Weiter entwickelt wurde die Fellverarbeitung durch das Gerben der Felle mit Rauch und Urin sowie den Gebrauch von Nähnadeln, mit denen körpergerecht zugeschnittene Stücke aus Fell oder Leder mit Hilfe von Sehnen und Därmen zusammengenäht wurden. An der jungsteinzeitlichen Jagdstation am Petersfels wurden zum Beispiel über 2000 Nadeln entdeckt, die aus Knochen von Schneehasen gefertigt wurden.

Diese Art von Kleidung kann man sich ähnlich der von den Naturvölkern Nordasiens und Nordamerikas heute noch getragenen Kleidung vorstellen. Die verbreitete Annahme, der steinzeitliche Mensch sei mit einem kunstlos zusammengesteckten Zottelfell bekleidet gewesen, hat, jedenfalls was die Menschen des Jungpaläolithikums betrifft, keine Grundlage im archäologischen Befund, vielmehr geben Felszeichnungen Anhaltspunkte dafür, dass durch die Kombination unterschiedlicher Materialien durchaus beabsichtigte ästhetische Effekte und Musterungen erzielt wurden. Es wird vermutet, dass die Kleidung der Menschen des Gravettien und des folgenden Magdalénien ähnlich der nordamerikanischer Indianer war, also aus mittellangen Jacken und engen Hosen oder Beinlingen aus Rentier- oder Wildpferd-Leder bestand. Erhalten hat sich davon nichts, jedoch wurden am Petersfels Knöpfe oder Besatzstücke aus Gagat, Sandstein und Knochen gefunden. In einer Knabenbestattung im sibirischen Malta wies die Platzierung eines Anhängers darauf hin, dass er an der Oberbekleidung angebracht war. Geschnitzte Frauenfiguren vom gleichen Fundplatz zeigen Kapuzen und querliegende Einkerbungen an Ober- und Unterkörper sowie Armen und Beinen, die als Hinweise auf Kleidung gedeutet werden.[3] Solche, der Kleidung heutiger Inuit ähnelnde Jacken mit Kapuze sollen nach Alfred Rust auch die Rentierjäger der Hamburger Kultur getragen haben.[4]

Kleidung und Kleiderlaus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kleiderlaus (Pediculus humanus humanus)

Der Zeitpunkt, zu dem Menschen begonnen haben, regelmäßig Kleidung zu tragen, ist schwer zu bestimmen und liegt im Bereich von vor 500.000 bis spätestens vor rund 100.000. Ein Ansatz für den Terminus ante quem ergibt sich aus evolutionsbiologischen Untersuchungen der menschlichen Kleiderlaus, denen zufolge die Trennung der Evolutionslinien von Kleiderlaus und Kopflaus vor ungefähr 72.000 ± 42.000 Jahren erfolgt sein muss, weshalb eine Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig 2003 vermuteten, dass die verbreitete Nutzung von Kleidung in diesem Zeitrahmen anzusetzen sei.[5] Gegen diese Schlussfolgerungen wurde eingewandt, dass beispielsweise die Neandertaler bereits vor 500.000 Jahren in Europa lebten, auch während der Kaltzeiten, und dass ein Überleben ohne Kleidung unter diesen Bedingungen schwer vorstellbar sei. [6]

Neuere Schätzungen von 2011 datieren den Zeitpunkt der evolutionären Trennung von Kleiderlaus und Kopflaus weiter zurück, auf eine Zeit vor 170.000 Jahren, also noch bevor der moderne Mensch nach den heute gängigen Theorien (Out-of-Africa) Afrika verließ.[7]

Erster Schmuck[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schmuck des Gravettien aus Schnecken und Muscheln (Les Eyzies-de-Tayac-Sireuil, Frankreich)
Durchlochte Raubtierzähne aus der Duruthy-Höhle bei Sorde-l'Abbaye, Département Landes (Musée d'Histoire naturelle, Toulouse)

Materialbedingt hat wie gesagt sich von altsteinzeitlicher Kleidung nichts erhalten. Anders sieht es aus mit Schmuck in Form von Kleiderbesatz, Anhängern und Ketten und mit Hinweisen auf Körperbemalung. Hier gibt es Funde bereits aus der Zeit des Neandertalers. An Fundplätzen in Frankreich (La Ferrassie, Pech de l’Azé) und Russland (Molodowa) wurden rote, gelbe und schwarze Farbstücke mit Abriebspuren und Farbstifte gefunden und in Gräbern bei La Chapelle-aux-Saints in Frankreich und in Palästina (Qafzeh) wurden rote Farbbrocken gefunden. Erste Funde von durchbohrten Zähnen weisen auf vom Neadnertaler als Schmuck getragene Anhänger hin, so fand sich im französischen La Quina ein teilweise durchbohrter Fuchszahn und in der Bocksteinschmiede in Baden-Württemberg durchbohrte Wolfsknochen. [8]

Bei den modernen Menschen des Aurignacien und Gravettien sind die Schmuckfunde bereits relativ zahlreich und vielfältig: es finden sich durchlochte Schneckengehäuse, und Zähne von Eisfuchs und Steinbock, Perlen aus Röhrenknochen des Schneehasen und Anhänger aus Elfenbein (zum Beispiel in der Geißenklösterlehöhle) oder als Schmuck getragene fossile Ammoniten. Auch wurden bereits Knochen, Mammutelfenbein und fossiles Holz (Gagat) wurde zu Perlen geschliffen und mit Ritzmustern geschmückt. Ebenfalls in der Geißenklösterlehöhle in Baden-Württemberg fand sich ein Anhänger aus grünlich-braunem Speckstein, dessen nächste Vorkommen im Fichtelgebirge und in der Schweiz liegen, was entweder ausgedehnte Wanderung oder einen in dieser Zeit beginnenden Tauschhandel belegt.[9] Im Magdalénien setzt sich das fort mit Schneckengehäusen und Muscheln aus dem Atlantik und dem Mittelmeer, die man zum Beispiel in Gönnersdorf fand.[3]

Jungsteinzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ötzi[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rekonstruktion jungsteinzeitlicher Kleidung, die von Ötzi getragen wurde (ArcheoParc Schnals)

Der Fund der Eismumie vom Hauslabjoch im Jahr 1991, allgemein als „Ötzi“ bekannt, vermehrte das Wissen um jungsteinzeitliche Bekleidung auf einen Schlag um ein Vielfaches.

Zuvor datierten die ältesten bekannten vollständigen Kleider in Europa erst aus der Nordischen Bronzezeit. Sie stammten aus Eichensargbestattungen aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr., bei denen die im Eichenholz enthaltene Gerbsäure die Textilien konserviert hatte. Der Mann vom Hauslabjoch wird dagegen zum Ende des 4. Jahrtausends v. Chr. hin datiert. Bei diesem einmaligen Fund ist eine komplette Kleiderausstattung überliefert, bestehend aus durch einen Gürtel gehaltenen Beinlingen, Lendenschurz, ein Jacke aus Schaffell, einem Grasmantel, grasgefütterte Schuhe aus Rindsfell (Schaft) und Bärenfell (Sohle), sowie einer Mütze aus Wolfs- oder Hundefell. Erstaunlicherweise fand sich keinerlei gewebtes Material. Inwiefern seine Kleidung repräsentativ für seine Zeit und Region ist oder vielmehr eine Spezialausstattung darstellt, bleibt unklar.

Gewebtes Material des jungsteinzeitlichen Europa ist nur in Fragmenten erhalten, die keine Schlüsse auf Schnitt und Funktion der damaligen Kleidung zulassen. In den Fundorten von Feuchtbodensiedlungen, insbesondere der zirkumalpinen Pfahlbauten, finden sich Reste von Geweben aus Pflanzenfasern jedoch keine tierischen Fasern, bei den nördlichen Fundorten des skandivanischen Raumes haben sich genau umgekehrt die tierischen Fasern erhalten. Dass beides verwendet wurde, weisen die Reste von Mischgeweben mit Leinenfäden im Schuss und Wollfäden in der Kette aus, bei denen sich je nach Milieu des Fundortes nur der eine oder der andere Teil erhalten hat.[10]

Erste Textilien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Elizabeth Wayland Barber: Prehistoric Textiles: The Development of Cloth in the Neolithic and Bronze Ages with Special Reference to the Aegean. Princeton University Press 1992, ISBN 0-691-00224-X.
  • Elizabeth Wayland Barber: Women's Work: The First 20,000 Years: Women, Cloth, and Society in Early Times. W. W. Norton & Company 1995, ISBN 0-393-31348-4.
  • Ingrid Loschek: Reclams Mode- und Kostümlexikon. 5. Aufl. Reclam, Stuttgart 2005, ISBN 3-15-010577-3, S. 9
  • Anne Scheer: Versuch einer Rekonstruktion gravetiennezeitlicher Kleidung. Ein Beitrag zur experimentellen Archäologie. In: Archäologisches Korrespondenzblatt. Bd. 14 (1984).
  • Wiebke Koch-Mertens: Der Mensch und seine Kleider. Teil 1: Die Kulturgeschichte der Mode bis 1900.. Artemis & Winkler, Düsseldorf & Zürich 2000, ISBN 3-538-07103-9, S. 11–19.
  • Ernst Probst: Deutschland in der Steinzeit. Bertelsmann, München 1991, ISBN 3-570-02669-8.
  • Konrad Spindler: Der Mann im Eis. Bertelsmann, München 1993, ISBN 3-570-12028-7, S. 153–171.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Probst: Deutschland in der Steinzeit. München 1991, S. 92
  2. Koch-Mertens: Der Mensch und seine Kleider. Teil 1, Düsseldorf & Zürich 2000, S. 11
  3. a b Probst: Deutschland in der Steinzeit. München 1991, S. 96
  4. Probst: Deutschland in der Steinzeit. München 1991, S. 104
  5. Ralf Kittler,1 Manfred Kayser, Mark Stoneking: Molecular Evolution of Pediculus humanus and the Origin of Clothing. In: Current Biology, Bd. 13, Nr. (19. August 2003) S. 1414–1417
  6. Why Humans and Their Fur Parted Ways, Artikel von Nicholas Wade, The New York Times, 19. August 2003
  7. Mensch trug erste Kleider schon vor 170.000 Jahren, Artikel auf scinexx vom 11. Januar 2011, abgerufen am 23. Mai 2014
  8. Probst: Deutschland in der Steinzeit. München 1991, S. 38
  9. Probst: Deutschland in der Steinzeit. München 1991, S. 80
  10. Spindler: Der Mann im Eis. München 1993, S. 154

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