Benutzer:Mario Titze/Bleesen

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Hofgestüt Bleesern

Bleesern ist ein ehemaliges Vorwerk in Seegrehna, einem Ortsteil von Lutherstadt Wittenberg. Vom 15. bis 18. Jahrhundert diente es den Kurfürsten von Sachsen als Hofgestüt. Die von Wolf Caspar von Klengel entworfene Barockanlage ist das älteste Gestütsbauwerk in Deutschland.

Bleesern ist aus einem Burgward des 12. Jahrhunderts hervorgegangen, 1379 erstmals als Vorwerk urkundlich erwähnt; die Nutzung durch die sächsischen Kurfürsten seitdem ist nahezu lückenlos nachweisbar. Bereits um 1440 bestand eine Stuterei. Der ab 1486 in Wittenberg residierende Friedrich III. (der Weise) nutzte Bleesern als kurfürstlich-sächsisches Hofgestüt. In dieser Funktion verblieb es bis 1721, danach diente es als Maultiergestüt, Pferde-Zuchtstation des Amtes Wittenberg sowie, nach 1816, als königlich-preußische Domäne, ab 1831 an Pächter verpachtet, nach 1948 als Volkseigenes Gut. Im Schmalkaldischen Krieg 1547 befand sich in Bleesern das Feldlager Kaiser Karl V. Hier unterwarf sich Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen nach der verlorenen Schlacht bei Mühlberg und unterzeichnete die Wittenberger Kapitulation, mit der die Herrschaft der ernestinischen Wettiner im Kurfürstentum Sachsen endete. Der Kaiser verlieh Herzog Moritz hier die Anwartschaft auf die sächsische Kurwürde, mit der die bis 1918 währende Herrschaft der albertinischen Linie der Wettiner im Kurfürstentum und späteren Königreich Sachsen begann.

Unter Kurfürst August von Sachsen wurde 1578 eine herrschaftliche Gutsanlage mit schlossartigem Herrenhaus, Verwalterhaus, Nebengebäuden und Lustgarten errichtet, die der Dreißigjährige Krieg und Hochwasserschäden 1655 zerstörten. Im Auftrag Kurfürst Johann Georg II. entstanden ab 1675 bis 1686 die erhaltenen Gebäude nach einem Entwurf des sächsischen Oberlandbaumeisters Wolf Caspar von Klengel. Kurfürst Friedrich August I. (August der Starke) weilte öfter in Bleesern. 1699 verbrachte er hier den Weihnachtsabend. 1721 befahl er die Überführung der Pferde von Bleesern in das neu erbaute Hauptgestüt Graditz bei Torgau. In Bleesern wurde bis 1744 die kurfürstlich-sächsische Maultierzucht konzentriert.

historische Bedeutung

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Bleesern stellt eines der ältesten fürstlichen Gestüte in Deutschland dar, es ist das älteste sächsische Hofgestüt; schon im mittleren 15. Jahrhundert lässt sich hier eine Stuterei nachweisen. Die frühbarocken Bauten der ehemals geschlossenen Vierflügelanlage sind das älteste erhaltene Gestütsbauwerk in ganz Deutschland, die Wirtschaftsgebäude sind Unikate im nur fragmentarisch überlieferten Œuvre Klengels, eines der kunstgeschichtlich wichtigsten deutschen Architekten des 17. Jahrhunderts. Neben der Kapelle des Schlosses Moritzburg, dem Hausmannsturm des Dresdner Schlosses und dem Palais im Großen Garten ist Bleesern das älteste erhaltene Zeugnis der höfischen Baukunst des Dresdner Barock. Es wurde Vorbild für alle folgenden sächsischen Hofgestüte bei Torgau (Repitz, Kreischau), besonders für die von Pöppelmann entworfenen Graditz und Neu-Bleesern. Dankwart Guratzsch nannte es treffend "Die Mutter aller Gestüte".


Bleesern, Ostflügel, Hofseite des ehemaligen Pferdestalls
Bleesern, Hofgestüt, Stalltor

Von der seit jeher schlichten und funktionalen Architektur haben sich wesentliche Teile erhalten: die beeindruckend große Kubatur, die mittige Symmetrieachse vom Torhaus zum Verwalterhaus, die äußerst robusten Außenmauern, die künstlerischen Gliederungselemente zur Hofseite und auch der direkte Bezug zur umgebenden Landschaft der Elbaue, die sich im Norden ungestört an die Anlage anschließt. Im Ost- und Südflügel der Vierflügelanlage hat sich die Architektur des 17. Jahrhunderts am ursprünglichsten überliefert. Die Fassaden werden durch die monumentalen Rundbogenportale mit darüber liegenden Ochsenaugenfenstern (Oculi) aus Elbsandstein, die das Gebäude als Bauwerk Wolf Caspar von Klengels zu erkennen geben, rhythmisch gegliedert. Die Fenster sind durch Sandsteingewände mit Spätrenaissanceprofilen gerahmt. Ein kraftvolles Traufgesims schließt die Fassaden gegenüber dem mächtigen Dach ab. Das nördliche Stallportal des Ostflügels wird im Keilstein durch die Jahreszahl der Vollendung auf 1686 datiert, abgearbeitete Monogramme Johann Georg II. über der Torfahrt im Südflügel belegen den Baubeginn vor 1680. Großflächige Partien der ursprünglichen Verputzung und einzelne Farbbefunde veranschaulichen das Erscheinungsbild der Erbauungszeit. Das historische Dachwerk ist – mit Ausnahme des Torhauses und der Nordhälfte des Ostflügels – in wesentlichen Teilen erhalten. Die Dachdeckung (ca. 2500 m²) ist unterschiedlich schadhaft, über dem Südflügel weitgehend dicht, über dem Ostflügel ruinös. Durch die Umnutzung und damit verbundene Umbauten im Inneren nach 1764 wurden die ehemaligen Stallboxen des Pferdestalls bereits vor über 200 Jahren durch hölzerne Schüttböden für die Scheunennutzung des 19. und 20. Jahrhunderts ersetzt. Im Nordteil des Ostflügels wurden diese mit denkmalrechtlicher Genehmigung zum Schutz vor Schwammbefall entfernt. Die langgestreckten Flügelbauten wiesen schon im 17. Jahrhundert fast keine Binnengliederung auf, wie es der historischen Nutzung als Stall und Scheune entspricht. Der älteste erhaltene Grundriss aus dem Jahr 1764 zeigt dies klar. Die Architektur bestand aus großen Raumhüllen, die nach wirtschaftlicher Notwendigkeit durch leichte Einbauten variabel gegliedert werden konnten. Ähnlich dem Schlossbau der Barockzeit wurden unterschiedliche Nutzungsbereiche (Ställe, Scheunen, Wohntrakte) in einheitlichen Baukörpern integriert und einem baukünstlerischen Gesamtkonzept unterworfen. Nannte Hans Sedlmayr das von Johann Bernhard Fischer von Erlach für den Fürsten Liechtenstein in Eisgrub (Lednice, Mähren) 1687/88 errichtete Gestüt angesichts ähnlich anspruchsvoller Bauformen ein "Schloss der Rosse", so kann dies mit Fug und Recht auch für das ältere Bleesern in Anspruch genommen werden.

heutige Situation

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Das ehemalige Vorwerk bzw. Hofgestüt Bleesern steht seit 1992 unter Denkmalschutz. Es ist eines der bedeutendsten Baudenkmale in Sachsen-Anhalt. Prof. Heinrich Magirius (Dresden/Radebeul) nannte es einen "Markstein der barocken Architektur des alten Kursachsen". Nach 1990 wurden die ehemals volkseigenen Gebäude einzeln privatisiert, was zu erheblichen Problemen für die Erhaltung des Bauwerks geführt hat. Neben sanierten Teilen sind der Süd- und der Ostflügel durch mangelnde Bauunterhaltung und mutwillige Zerstörung in ihrem Bestand akut gefährdet. 2006 und 2007 haben Studenten der Technischen Universität Dresden mit einer Bauaufnahme begonnen, den wertvollen Komplex exakt zu dokumentieren. Seit 2010 existiert der Förderverein Hofgestüt Bleesern e. V., der in Seegrehna für den Erhalt des Baudenkmals arbeitet. [1]. 2012 konnte der Verein den gefährdeten Ost- und den Südflügel des Baudenkmals vom Vorbesitzer erwerben und den bereits gerichtlich genehmigten Abriss verhindern. Ebenfalls 2012 wurde das ehemalige Hofgestüt vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) als "Denkmal von nationaler Bedeutung" anerkannt.

  • Mario Titze: Das ehemalige kurfürstlich-sächsische Gestüt Bleesern. Ein Bauwerk Wolf Caspar von Klengels, in: Denkmalpflege in Sachsen-Anhalt, 1/1998, S. 53-59.
  • Mario Titze: Neue Forschungen zum Vorwerk Bleesern, Ldkr. Wittenberg, in: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt, Bd. 11/2002, S. 368-383.
  • Dankwart Guratzsch: Gefährdet: Die Mutter aller Gestüte, in: Die Welt, 8. August 2002, S. 28.
  • Mario Titze: Das kurfürstlich-sächsische Hofgestüt Bleesern bei Wittenberg, in: Sachsen-Anhalt. Journal für Natur- und Heimatfreunde, 1/2007, S. 18-19.
  • Cathrin Flößer: Verfalls-Datum. Deutschlands ältestes Gestüt liegt bei Wittenberg und sollte zuletzt Puten beherbergen, in: Cavallo. Das Magazin für aktives Reiten, 11/2007, S. 138-139.
  • Mario Titze: Hofgestüt Bleesern. Zukunft für ein bedrohtes Baudenkmal, in: Sachsen-Anhalt. Journal für Natur- und Heimatfreunde 2/2011, S. 13-14.
  • Mario Titze: Das ehemalige kurfürstlich-sächsische Hofgestüt Bleesern. Ein Denkmal von nationaler Bedeutung, in: Sachsen-Anhalt. Journal für Natur- und Heimatfreunde 2-3/2012, S. 28.


Wolf Caspar 19:25, 17. Jan. 2012 (CET)