Benutzer:Okram 1979/GenuTrain

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

GenuTrain ist eine orthopädische Bandage der Firma Bauerfeind zur Therapie von Beschwerden des Kniegelenks. Als sie 1981 auf den Markt kam, war die GenuTrain die erste anatomisch geformte Kniebandage mit integriertem Druckpolster (Pelotte). Sie gilt deshalb in Fachkreisen auch als das Original unter den modernen Kniebandagen, die Bewegungen unterstützen anstatt sie einzuschränken und dabei das Gelenk schützen. Die Kniebandage wird im Sanitätshaus oder anderen orthopädischen Fachgeschäften verkauft und kann vom Allgemeinarzt oder Orthopäden verschrieben werden.

Aufbau und Wirkweise:

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die GenuTrain-Kniebandage besteht aus elastischem Gestrick zur Kompression des Weichteilgewebes mit einer eingearbeiteten Pelotte um die Kniescheibe und zwei seitlichen Stabilisierungsstäben.

Das Gestrick übt einen Grunddruck aus, der von unten nach oben hin leicht abnimmt. Bei Bewegung kommt es durch die Muskelspannung zu Widerstand. An- und Entspannung der Muskulatur führen zu einem An- und Absteigen des Drucks und damit zu einer Wirkung ähnlich einer Wechseldruckmassage. Dadurch wird der Stoffwechsel großflächig angeregt, Schwellungen und Hämatome klingen schneller ab und Schmerzen werden gelindert. Des Weiteren wird die Propriozeption, d.h. die Selbstwahrnehmung des Körpers im Bereich der Bandage verbessert. Die komprimierende Wirkung des Gestricks stimuliert Rezeptoren auf der Hautoberfläche, im Weichteilgewebe und in den Muskeln. Die verstärkte Reizwahrnehmung aktiviert sensomotorische Prozesse. Die Muskelsteuerung wird verbessert und das Gelenk langfristig stabilisiert.

Die eingearbeitete viskoelastische Pelotte umschließt die Kniescheibe und gleicht anatomische Vertiefungen, sogenannte Logen, aus. Sie leitet den therapeutischen Druck der Bandage von der Kniescheibe weg hin zu den Weichteilen im Kniebereich und vermeidet so Druckspitzen. Wie beim Gestrick auch, löst ihre Verformung bei Bewegung eine schmerzlindernde Wechseldruckmassage aus. Zwei Noppen am unteren Innenrand der Pelotte üben dosiert Druck auf den Hoffa’schen Fettkörper aus, einem typischen Schmerzpunkt im Kniegelenk. Dadurch werden ebenfalls Schmerzen gelindert und die Kniescheibe entlastet. Die seitlichen Flügel reichen in den vorderen Kniespalt zum Meniskus und massieren bei Bewegung diesen weiteren typischen Knieschmerzpunkt.

Die rechts und links eingearbeiteten Spiralstäbe halten die Bandage bei Bewegung in Form.

GenuTrain-Bandagen gibt es als Universalversion für das rechte und linke Knie in sieben Standardgrößen und als Maßanfertigung.

  • Bei akuten oder chronischen Knieschmerzen
  • Bei einfacher Kniegelenkarthrose (Gonarthrose) und Arthritis
  • Bei leichtem Instabilitätsgefühl
  • Nach Knieoperationen und Knieverletzungen im Rahmen der konservativen Therapie
  • Zur Verletzungsprävention im Sport

Die Idee zur GenuTrain geht auf Prof. Dr. Heinrich Hess zurück, seinerzeit stellvertretender Klinikdirektor der orthopädischen Universitätsklinik Homburg und Mannschaftsarzt der deutschen Fußballnationalmannschaft. Während der Weltmeisterschaft 1974 behandelte der junge Orthopäde die Kniegelenkergüsse der Fußballer mit einer für die Zeit ungewöhnlichen Methode: Er legte den Spielern einen elastischen Verband mit einem dickem Naturschaumgummipolster an, aus dem ein Loch für die Kniescheibe herausgeschnitten war. Damit ließ er die Spieler, entgegen der existierenden Lehrmeinung, weiter an einem dosierten Kraft- und Lauftraining teilnehmen und hatte Erfolg. Die Ergüsse der Sportler gingen zurück und ihre Verletzungen heilten schneller.

Erich Deuser, der damalige DFB-Masseur hatte dem Mannschaftsarzt von dieser Methode erzählt, deren Anwendung er im britischen Profifußball beobachtet hatte. Nach dem sichtbar erfolgreichen Einsatz des gepolsterten Kompressionsverbands plante Hess das Prinzip für eine Bandage zu nutzen, die mehrfach verwendet und selbständig angelegt werden kann. Zusammen mit Prof. Dr. Wolfgang Krause, seinerzeit ärztlicher Direktor der orthopädischen Landesklinik in Kassel-Wilhelmshöhe und dem Unternehmer Hans B. Bauerfeind entwickelte er die Aktivbandage GenuTrain für die schnellere Rehabilitation von Sportverletzten.

Die erste Ideenskizze zur GenuTrain entstand Ende der 70er Jahre während eines Restaurantbesuchs auf einer Serviette, die bis heute erhalten ist. Die gemeinsame Zielvorgabe war eine Bandage herzustellen, die wie der Verband bei Bewegung eine kontinuierliche Wechselkompression ausübt, die Kniescheibe entlastet, das Gelenk stabilisiert und gleichzeitig das Muskelspiel nicht beeinträchtigt. Bauerfeind brachte hier seine Erfahrungen aus der industriellen Herstellung von Kompressionsstrümpfen ein. Er entwickelte für die Fertigung ein vollautomatisches 3D-Flachstrickverfahren, mit dem das komprimierende Gestrick der Bandage anatomisch geformt werden konnte. Bauerfeind verfügte zudem über Erfahrungen mit dem damals noch weitgehend unbekannten Werkstoff Silikon, aus dem die Pelotte für die GenuTrain gefertigt wurde. Er hatte kurz zuvor begonnen, mit dem flexiblen Material zu experimentieren, das bei Druck ausweicht und so besser als Schaumgummi auf Körperreaktionen antwortet.

Den Namen „GenuTrain“ erhielt das neue Produkt von Prof. Krause. Er sollte zum Ausdruck bringen, dass der Verletzte beim Tragen der Bandage mit seiner Aktivität den Heilungsprozess fördert und damit das Kniegelenk „trainiert“. 1981 kam die GenuTrain auf den Markt, überzeugte Sportler und Nicht-Sportler gleichermaßen und setzte einen neuen Maßstab für orthopädische Bandagen.

Auf ihren erfolgreichen Start folgte eine Bandagen-Serie für alle wichtigen Gelenke, den Oberschenkel und die Wirbelsäule: MalleoTrain für das Sprunggelenk, ManuTrain für das Handgelenk, EpiTrain für den Ellenbogen, OmoTrain für das Schultergelenk, MyoTrain für den Oberschenkel und LumboTrain für die Lendenwirbelsäule. „Train“ blieb als durchgängiger Teilbegriff erhalten, denn alle beruhen auf dem gleichen Konstruktions- und Wirkprinzip: Komprimierendes Gestrick massiert bei Bewegung das Weichteilgewebe und lindert somit Schmerzen. Speziell geformte Pelotten verteilen den Druck gleichmäßig, schützen knöcherne Strukturen und üben ebenfalls eine schmerlindernde Wechseldruckmassage aus. Die Gelenkstabilisierung erfolgt weniger mechanisch, sondern primär physiologisch durch die Verbesserung der körpereigenen Wahrnehmung.

Die positive Beeinflussung der Propriozeption durch Bandagen wie die GenuTrain war anfangs noch nicht bekannt und wurde erst in späteren Studien aufgezeigt und erklärt. Inzwischen hat sich dieses erfolgreiche Wirkprinzip durchgesetzt und entspricht dem Standard für funktionell wirksame Bandagen. Regelmäßig kamen auch minderwertige Kopien der GenuTrain auf den Markt. Eine eindeutige Nachahmung eines chinesischen Herstellers stand 2009 sogar auf Platz 2 des alljährlichen Negativ-Wettbewerbs „Plagiarius“.

Seit 1981 ist die Grundkonstruktion der Kniebandage zwar erhalten geblieben, jedoch wurden Funktionalität, Materialqualität und Design der Kniebandage regelmäßig überarbeitet und aktualisiert. 1985 wurden erste Designelemente im Gestrick integriert, die GenuTrain wurde insgesamt länger und an den Rändern breiter. Seit 1994 werden die viskoelastischen Silikonpelotten nicht mehr eingenäht, sondern nahtlos eingeschweißt. Die für flachgestrickte Bandagen typische Längsnaht wanderte 1997 aus der Kniekehle an die Seite. In 2000 wurde das Design erneut verändert und das Gestrick in der Kniekehle dehnbarer. Seit 2006 ist das Gestrick insgesamt dehnbarer und passt sich den dynamischen Umfangsveränderungen der Muskulatur mehr an. Seit 2011 ist die Bandage in der siebten Generation auf dem Markt. Zu ihrem 30jährigen Jubiläum wurde die Pelotte der GenuTrain zur Stimulation typischer Schmerzpunkte mit seitlichen Flügeln und zwei Druckpunkten ausgestattet. Daneben wurden Laschen an den Spiralstäben angebracht, die als Anziehhilfen dienen.

Weitere Modelle

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für die Therapie unterschiedlicher Kniebeschwerden wurden Spezialmodelle der GenuTrain entwickelt, bei denen die Grundkonstruktion der Bandage entsprechend der Anwendung modifiziert wurde.

GenuTrain P3 (seit 1992)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

GenuTrain P3 (für „Permanent Patella Protection“) dient der Zentrierung der Kniescheibe. Ihre Pelotte wirkt mit einem integrierten Korrekturzügel dem schmerzhaften Abdriften der Kniescheibe nach außen mechanisch entgegen. Eine weitere keilförmige Pelotte am oberen Rand der Bandage entspannt die Oberschenkelmuskulatur, speziell den Tractus iliotibialis, und entlastet die Kniescheibe zusätzlich.
Einsatzgebiete: nach Patellaluxationen, beim Patellaspitzensyndrom, bei vorderem Knieschmerz

GenuTrain S (seit 1995)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

GenuTrain S dient der verstärkten Stabilisierung des Bandapparats. Ihre seitlichen Gelenkschienen stabilisieren zusammen mit zwei Gurten um Ober- und Unterschenkel das Kniegelenk auch mechanisch und führen es mehr in der Bewegung.
Einsatzgebiete: leichte Instabilitäten des Kniegelenks

GenuTrain A3 (seit 2005)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

GenuTrain A3 (für „Anti Arthros Algos“) dient der Behandlung komplexer Kniebeschwerden, insbesondere der Kniegelenkarthrose. Ihre sternförmige Pelotte mit innenseitigen Noppen massiert bei Bewegung mehrere Schmerzpunkte im Gelenk (medialer Kapselapparat) und aktiviert Friktionspunkte im Oberschenkel (Musculus vastus medialis) sowie im Unterschenkel (Pes anserinus) für eine verbesserte Propriozeption.
Einsatzgebiete: bei Kniegelenkarthrose, komplexem Knieschmerz oder einer Fehlstellung der Kniescheibe

GenuTrain S Pro (seit 2011)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die GenuTrain S Pro dient ebenfalls der verstärkten Stabilisierung des Bandapparats. Im Unterschied zur GenuTrain S können ihre seitlichen Gelenkschienen den Beugewinkel und den Streckwinkel des Beins einschränken. Diese Bewegungslimitierung dient der Korrektur von Fehlbewegungen und schont das Knie in bestimmten Phasen der Therapie.
Einsatzgebiete: bei leichten und mittleren Instabilitäten des Kniegelenks, nach Meniskusverletzungen

  • 2001 Internationaler Designpreis Baden-Württemberg 2001 für die Produktreihe Train-Aktivbandagen
  • 2002 iF product design award 2002 für die Produktreihe Train-Aktivbandagen
  • 2005 DESIGN PLUS Material Vision 2005 für die GenuTrain A3
  • 2006 iF product design award 2007 für die Produktreihe Train Aktivbandagen
  • 2011 universal design award 2011 und universal design consumer favorite 2011 für die GenuTrain
  • Barck, I., Remmel, U., Reinhardt, H., Boeckelmann, J.: Medizinisch-therapeutische Wirksamkeit moderner Gestricke in der Anwendung bei Orthesen und Bandagen In: Orthopädie Technik 10/2001, S. 1-4. (PDF-Datei; 11,8 MB)
  • Jerosch J., Prymka; M.: Propriozeptive Fähigkeiten des gesunden Kniegelenks: Beeinflussung durch eine elastische Bandage. Sportverletzung/Sportschaden 9, 1995, S. 72-76.
  • Jerosch, J., Prymka, M.: Knee joint proprioception in patients with posttraumatic recurrent patella dislocation In: Knee Surgery, Sports Traumatology, Arthroscopy, 1996, 4, S. 14-18. (online)
  • Jerosch, J., Prymka, M.,: Propriozeptive Defizite des Kniegelenks nach Ruptur des medialen Meniskus In: Unfallchirurg, Volume 100, 1997, S. 444-448. (online)
  • Krause, W.: Kniegelenk-Traumen: Restinstabilität vermeiden! In: Ärztliche Praxis (Sonderdruck), Nr. 79, XXXV. Jahrgang, 1.Oktober 1983, S. 2361-2362.
  • Laube, W. et al.: Die neurophysiologischen Wirkungen von Kreuzstützbandagen und Orthesen für das Kniegelenk bei Alltagsbelastungen In: J. Jerosch (Hrsg.): Sensomotorik 2000, ProSympos Eigenverlag, Essen 2000, S.77-92.
  • Sell,S., Zacher, J., Lack, S., Goethe, S.: Kniegelenkspropriozeption bei der chronischen Polyarthritis In: Aktuelle Rheumatologie, Band 17, Heft 6, 1992, S. 172-177.
  • Sell,S., Zacher, J., Lack, S.: Propriozeptionsstörung am arthrotischen Kniegelenk In: Zeitschrift für Rheumatologie, Band 52, Heft 3, 1993, S. 150-155.