Benutzer:Special Circumstances/Xenorophidae

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Xenorophidae

Skelettrekonstruktion von Albertocetus

Zeitliches Auftreten
Oligozän bis Frühestes Miozän?
~29 bis ~23 Mio. Jahre
Fundorte

Westlicher Nordatlantik (USA):

Systematik
Säugetiere (Mammalia)
Höhere Säugetiere (Eutheria)
Laurasiatheria
Wale (Cetacea)
Zahnwale (Odontoceti)
Xenorophidae
Wissenschaftlicher Name
Xenorophidae
Uhen, 2008

Die Xenorophidae sind eine ausgestorbene Klade der Zahnwale (Odontoceti) im Rang einer Familie. Die Gruppe stellte im Oligozän, für wenige Millionen Jahre und in einem eng begrenzten Raum im westlichen Nordatlantik, eine artenreiche Nebenlinie, die sich früh von der Stammlinie der rezenten Zahnwale abspaltete und spätestens im frühesten Miozän wieder erlosch. Fossilfunde der Xenorophidae stammen aus oligozänen Sedimenten von South Carolina, North Carolina und Virginia.

Etymologie und Forschungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Taxon Xenorophidae wurde 2008 durch Mark D. Uhen aufgestellt und nach der Typusart Xenorophus sloanii benannt,[1] welche 1923 durch Remington Kellogg beschrieben worden war.[2] Kellogg selbst gab in seiner Erstbeschreibung keine Erklärung für den ungewöhnlichen Gattungsnamen Xenorophus. Von einigen Autoren wird vermutet, dass er ursprünglich geplant hatte, seine neue Gattung als Xenophorus, nach dem altgriechischen ξένος (xenos = „fremd“, „seltsam“) und φορ (phor = „tragen“) im Sinne von „Träger von Seltsamkeiten“, zu benennen. Nachdem er jedoch erkannt hatte, dass der Name Xenophorus (heute Xenophora) bereits für eine Gattung der Gastropoda in Gebrauch war, soll er, der Einfachheit halber, lediglich die Buchstaben im zweiten Namensteil vertauscht haben.[3]

Noch im selben Jahr der Erstbeschreibung stellte Gerrit Smith Miller die Gattung Xenorophus gemeinsam mit Agorophius und Archaeodelphis in die Gruppe der Agorophiidae,[4] eine Einschätzung, der später auch Kellogg folgte.[3] In den 1970er-Jahren kamen Zweifel an dieser Zuordnung auf und insbesondere für Xenorophus und Agorophius wurde die Zuordnung zu unterschiedlichen Familien vorgeschlagen.[3][5]

Die Familie der Xenorophidae wurde im Rahmen der Erstbeschreibung von Albertocetus meffordorum erstmals definiert und enthielt zunächst nur die Gattungen Xenorophus, Albertocetus und Archaeodelphis.[1][3] Später wurden der Gruppe mit Cotylocara (2014),[6] Echovenator (2016)[7] und Inermorostrum (2017)[8] weitere Gattungen zugeordnet. Eine Revision der Definition der Xenorophidae führte 2015 hingegen dazu, dass die Gattung Archaeodelphis wieder aus der Gruppe ausgegliedert wurde.[9]

Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Xenorophidae sind eine Gruppe Delfin-ähnlicher Zahnwale, die eine Gesamtkörperlänge von bis zu 3 m (Xenorophus sloanii) erreichen konnte. Mit Inermorostrum xenops, für den eine Gesamtkörperlänge von nur 1,2 m geschätzt wird, stellt die Gruppe jedoch auch den kleinsten bekannten Wal aller Zeiten.[3]

Xenorophidae unterscheiden sich von anderen Stammgruppenvertretern der Zahnwale insbesondere in der Morphologie des Schädels. Ein nur mäßig ausgeprägtes Teleskoping und die dadurch noch vorhandene Intertemporal-Einschnürung des Hirnschädels sowie ein, zumindest bei einigen Exemplaren vorhandener, Scheitelkamm gelten als urtümliche Merkmale (Plesiomorphien).[3]

Sechs gemeinsame, abgeleitete Merkmale (Synapomorphien) der Gruppe können jeweils auch bei anderen Vertretern der Zahnwale auftreten. Tränenbein und Jochbein liegen ventral in mäßigem Ausmaß frei (ebenso bei Agorophius pygmaeus, Squalodon calvertensis und den meisten Kronengruppenvertretern der Zahnwale). Beim Processus postorbitalis, einem Fortsatz des Stirnbeins im hinteren Bereich der Augenhöhlen, ist die seitliche Fläche, wie auch bei vielen Kronengruppenvertretern der Zahnwale, lateral ausgerichtet und nicht dorsolateral (nach oben und außen) orientiert. Die beiden Teile der paarigen Prämaxilla werden dorsal durch eine Spalte voneinander getrennt, die etwa 32–56 % der Breite der externen Nasenöffnung einnimmt (ebenso bei Phoberodon arctirostris und den meisten Kronengruppenvertretern der Zahnwale). Die Prämaxilla endet oberhalb der posterioren Hälfte der Orbita; ein Merkmal, das auch von anderen Zahnwalen des Oligozäns wie etwa Simocetus rayi oder Papahu taitapu bekannt ist. Die Vorderkante des Nasenbeins endet über der anterioren Hälfte der Orbita (ebenso bei Ankylorhiza). Zwei Knochenkämme am basalen Teil des Hinterhauptbeins (Basioccipitale) schließen einen Winkel von 45–68° ein (ebenso bei Simocetus rayi, Ankylorhiza tiedemani, Waipatia maerewhenua, Papahu taitapu und Ediscetus osbornei).[3]

Drei weitere gemeinsame, abgeleitete Merkmale sind hingegen nur von Vertretern der Xenorophidae bekannt (Autapomorphien). Die Prämaxilla ist pachyostotisch verdickt. Der posteriore Rand des Processus supraorbitalis, eines weiteren Stirnbeinfortsatzes oberhalb der Orbita, ist, ausgehend von seinem lateralen Ende, posteromedial ausgerichtet. Die Prämaxilla greift lateral weit über den Processus supraorbitalis des Stirnbeins und liegt zwischen diesem Knochen und der Maxilla. Letzteres Merkmal bildet die Grundlage für die revidierte Definition der Xenorophidae von 2015.[3]

Bezahnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gebiss der Xenorophidae ist, im Gegensatz zu den rezenten Zahnwalen, noch heterodont und zeigt nur Anzeichen einer beginnenden Polydontie (erhöhte Anzahl an Einzelzähnen). Die bislang einzige Ausnahme dazu stellt Inermorostrum xenops. Bei dieser Art konnten im Oberkiefer keine Hinweise auf eine Bezahnung nachgewiesen werden. Ob im Unterkiefer Zähne vorhanden waren, ist unbekannt. Bei den übrigen Arten der Xenorophidae sind die vorderen Zähne bereits eckzahnförmig („caniniform“) umgestaltet. Posterior dazu sind noch, je nach Gattung, 9 bis 11 „postcanine“ Zähne pro Kieferhälfte vorhanden, also zumindest zwei mehr als der grundlegenden Zahnformel der Säugetiere entsprechend.[3] Die postcaninen Zähne sind zumindest teilweise noch mit zwei Zahnwurzeln in den Kiefern verankert.[3][6][7][10]

Zeitliche und geographische Verbreitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vertreter der Xenorophidae aus dem Oligozän von South Carolina

Die meisten Fossilbelege von Vertretern der Xenorophidae stammen aus der Ashley-Formation (29–28 Ma; Rupelium) und der Chandler-Bridge-Formation (24–23 Ma; Chattium) in der weiteren Umgebung von Charleston (South Carolina). Das Absolutalter dieser Ablagerungen ist durch die Analyse der 87Sr-86Sr-Verhältnisse fossiler Austernschalen relativ gut belegt.[3]

Mehrere Funde sind auch aus der Belgrade-Formation in North Carolina bekannt. Hier wird, ebenfalls durch die 87Sr-86Sr-Verhältnisse von Austernschalen gestützt, ein Absolutalter von 27–26,2 Ma (Chattium) ausgewiesen.[10] Jüngere Untersuchungen liefern allerdings auch Hinweise darauf, dass die Belgrade-Formation, und damit auch die zeitliche Verbreitung der Xenorophidae, auch noch das früheste Miozän umfasst. Eine ähnliche Interpretation lassen vereinzelte Funde aus der miozänen Pungo-River-Formation in North Carolina zu, obwohl hier nicht zur Gänze ausgeschlossen werden kann, dass die entsprechenden Fossilbelege aus älteren Formationen stammen und lediglich in den Ablagerungsraum der Pungo-River-Formation eingeschwemmt wurden.[3]

Einige wenige und sehr fragmentarische Funde, die den Xenorophidae zugeordnet werden können, stammen zudem aus der Old-Church-Formation in Virginia. Das Alter dieser Formation entspricht etwa dem der unteren und mittleren Ashley-Formation in South Carolina.[11]

Alle bislang bekannten Fundschichten wurden in einem relativ eng begrenzten Raum der Atlantischen Küstenebene im Osten der USA abgelagert.[3]

Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Systematische Stellung der Xenorophidae innerhalb der Odontoceti
 Odontoceti 

Mirocetus


   


Ashleycetus


   

Archaeodelphis


 Xenorophidae 

Inermorostrum


   

Xenorophus


   

Albertocetus


   

Cotylocara


   

Echovenator








 Ambyloccipita 

Olympicetus


   

Simocetus


 Stegoceti 
 Agorophiidae 


Patriocetus


   

Agorophius



   

Ankylorhiza



   

Waipatia


   

Squalodon


   

Kronengruppe der Zahnwale









Stark vereinfacht nach
Boessenecker & Geisler, 2023[3]

Das Taxon der Xenorophidae war ursprünglich von Uhen definiert worden als „alle Gattungen, die näher mit Xenorophus als mit anderen Vertretern der Zahnwale (Odontoceti) verwandt sind“. Albert E. Sanders und Jonathan H. Geisler kritisierten diese Definition als „unscharf“ und schlugen eine Neudefinition vor, die nur noch Taxa mit dem gemeinsamen Merkmal der besonderen Morphologie der Prämaxilla beinhaltete (apomorphiebasiertes Taxon).[3]

Das nebenstehende Kladogramm zeigt in stark vereinfachter Form das Ergebnis einer phylogenetischen Analyse, die 2023 veröffentlicht wurde. Die Analyse umfasste auch zahlreiche noch namenlose Taxa, die in der hier gezeigten Darstellung, aus Gründen der Übersichtlichkeit, nicht berücksichtigt wurden. Mirocetus zeigt sich als basalster Vertreter der Odontoceti. Die Xenorophidae bilden mit Ashleycetus und Archaeodelphis eine gemeinsame Klade, die sich früh von der Stammlinie der Zahnwale abspaltet. Die Agorophiidae bilden dagegen, mit Agorophius, Patriocetus und Ankylorhiza, eine eigenständige Nebengruppe der Stammlinie.[3]

Die Xenorophidae umfassen, nach der apomorphiebasierten Definition, mit Stand 2023 fünf gültig beschriebene Gattungen mit sechs Arten:[3]

  • Albertocetus
    • Albertocetus meffordorum Uhen, 2008
  • Cotylocara
    • Cotylocara macei Geisler et al., 2014
  • Echovenator
  • Inermorostrum
  • Xenorophus (Typusgattung)
    • Xenorophus sloanii Kellogg, 1923 (Typusart)
    • Xenorophus simplicidens Boessenecker & Geisler, 2023

Dazu kommen noch weitere Fossilbelege, die noch nicht im Detail beschrieben wurden, möglicherweise aber weitere Gattungen oder Arten repräsentieren.[3]

Die Systematik der Zahnwale, insbesondere die Zuordnung einzelner Taxa zur Stamm- und Kronengruppe sowie die Systematik innerhalb der Stammgruppe sind jedoch keineswegs abschließend geklärt, sondern Gegenstand der aktuellen Forschung. In einer nahezu zeitgleich veröffentlichten Analyse bilden die oben genannten Gattungen zwar ebenfalls eine monophyletische Gruppe, werden aber, der ursprünglichen Definition entsprechend, zusammen mit Mirocetus, Ashleycetus und Archaeodelphis, als Teil einer umfassenderen Gruppe der Xenorophidae interpretiert, die sich basal von der eigentlichen Stammlinie der heutigen Zahnwale abspaltet.[12]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b M. D. Uhen: A new xenorophus‐like odontocete cetacean from the oligocene of North Carolina and a discussion of the basal odontocete radiation. In: Journal of Systematic Palaeontology, Band 6, Nummer 4, 2008, S. 433–452, doi:10.1017/S1477201908002472.
  2. R. Kellogg: Description of an apparently new toothed Cetacean from South Carolina. In: Smithsonian Miscellaneous Collections, Band 76, Nummer 7, 1923, S. 1–7, (Digitalisat).
  3. a b c d e f g h i j k l m n o p q r R. W. Boessenecker & J. H. Geisler: New Skeletons of the Ancient Dolphin Xenorophus sloanii and Xenorophus simplicidens sp. nov. (Mammalia, Cetacea) from the Oligocene of South Carolina and the Ontogeny, Functional Anatomy, Asymmetry, Pathology, and Evolution of the Earliest Odontoceti. In: Diversity, Band 15, Nummer 11, 2023, Artikel 1154, doi:10.3390/d15111154.
  4. G. S. Miller: The telescoping of the cetacean skull. In: Smithsonian Miscellaneous Collections, Band 76, Nummer 5, 1923, S. 1–70, (Digitalisat).
  5. F. C. Whitmore & A. E. Sanders: Review of the Oligocene Cetacea. In: Systematic Zoology, Band 25, Nummer 4, 1976, S. 304–320, (Digitalisat).
  6. a b J. H. Geisler, M. W. Colbert & J. L. Carew: A new fossil species supports an early origin for toothed whale echolocation. In: Nature, Band 508, 2014, S. 383–386, (Digitalisat).
  7. a b M. Churchill, M. Martinez-Caceres, C. de Muizon, J. Mnieckowski & J. H. Geisler: The Origin of High-Frequency Hearing in Whales. In: Current Biology, Band 26, 2016, S. 2144–2149, (Digitalisat).
  8. R. W. Boessenecker, D. Fraser, M. Churchill & J. H. Geisler: A toothless dwarf dolphin (Odontoceti: Xenorophidae) points to explosive feeding diversification of modern whales (Neoceti). In: Proceedings of the Royal Society B, Band 284, 2017, Artikel 20170531, doi:10.1098/rspb.2017.0531.
  9. A. E. Sanders & J. H. Geisler: A new basal odontocete from the upper Rupelian of South Carolina, U.S.A., with contributions to the systematics of Xenorophus and Mirocetus (Mammalia, Cetacea). In: Journal of Vertebrate Paleontology, Band 35, Nummer 1, 2015, Artikel e890107, doi:10.1080/02724634.2014.890107.
  10. a b R. W. Boessenecker, E. Ahmed & J. H. Geisler: New records of the dolphin Albertocetus meffordorum (Odontoceti: Xenorophidae) from the lower Oligocene of South Carolina: Encephalization, sensory anatomy, postcranial morphology, and ontogeny of early odontocetes. In: PLoS ONE, Band 12, Nummer 11, 2017, Artikel e0186476, doi:10.1371/journal.pone.0186476.
  11. R. E. Weems, R. W. Boessenecker & A. E. Sanders: Cetacean Remains from the Lower Oligocene Old Church Formation of Virginia. In: The Mosasaur, Band 12, 2022, S. 30–45.
  12. J. Velez-Juarbe: New heterodont odontocetes from the Oligocene Pysht Formation in Washington State, U.S.A., and a reevaluation of Simocetidae (Cetacea, Odontoceti). In: PeerJ, Band 11, 2023, Artikel e15576, doi:10.7717/peerj.15576.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Xenorophidae – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien