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Das pädagogische Tauchen ist eine Form der Erlebnispädagogik oder Abenteuerpädagogik, die Gruppen-Erfahrungen in der Natur (konkret unter Wasser) nutzt, um die versucht die Persönlichkeit und soziale Kompetenz weiter zu entwickeln. Die Hauptelemente sind das Abenteuer, eine riskante Unternehmung und eine Erlebniswelt, die sich stark vom Alltag unterscheidet. Das Verlassen der gewohnten Umwelt und des sozialen Umfelds, um etwas ungewohntes (das Tauchen) zu unternehmen, kann bei verhaltensauffälligen Kindern oder jungen Erwachsenen zu einer, emotionalen Auseinandersetzung mit der eigenen Gefühlswelt und dem sozialen Umfeld führen. Das Ziel ist eine Verbesserung der sozialen und emotionalen Kompetenzen.[1]

Seit Mitte der 1990er Jahre entwickelten sich tauchpädagogische Angebote. Parallel dazu entwickelten die Tauchorganisationen ein Angebote für das Kindertauchausbildungen.[2] Es findet eine wissenschaftliche Auseinandersetzung statt, die sich nicht mehr nur mit der Sportart Gerätetauchen an sich auseinandersetzt, sondern auch damit verbunden psychologischen, pädagogischen und sogar psychiatrischen Fragen.[3] Einen wesentlichen Beitrag dazu haben die Erkenntnisse aus der Tauchpsychologie geleistet. Emotionspsychologische und erlebnispädagogische Untersuchungen zeigen mittlerweile erstaunliche Erfolge und bestätigen die praktischen Erfahrungen der Pioniere auf diesem Gebiet.

Abenteuer und Mut

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Beim Tauchen begibt sich der Mensch, in Abhängigkeit von technischen Geräten in eine für ihn unnatürliche Umgebung. Dadurch ermöglicht der Tauchsport wie kaum eine andere Sportart, sich selbst und die Umwelt in einem ungewohnten Kontext zu erleben. Dazu gehört das Atmen unter dem Wasser, das erleben der Schwerelosigkeit, natürliche Lichteffekte sowie die meist nur wenig bekannte Fauna und Flora. Das Gerätetauchen stell somit Heranwachsende vor Herausforderungen, die als Risiko erlebt werden. Die Jugendlichen reagieren mit gleichzeitiger Angst, Neugier und Abenteuerlust darauf. Der Umgang mit diesem emotionalen Zwiespalt steht im Zentrum des pädagogischen Tauchens. Die Bündelung des Mutes und die Überwindung der Angst, sowie die Brechbarkeit des Wagnisses werden gemeinsam mit den Jugendlichen erarbeitet.[1]

Der Emotionale Zwiespalt zwischen Angst und Glück übt auf die meisten Jugendlichen, eine Anziehung aus. Beim Tauchen sind meist relativ einfach, durch das Hinzulernen, Erfolgserlebnisse – wie z. B. das Erlernen einer besseren Tarierung – realisierbar. Trotzdem bietet der Tauchsport genügend Entwicklungsmöglichkeiten, bis hin zum professionellen Tauchlehrer, um über mehrere Jahre mit Jugendlichen erfolgreich arbeiten zu können.[3]

Soziale Aspekte

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Das Tauchen ist eine Partnersportart (Buddy-System), die im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten nicht auf den Wett- und Konkurrenzkampf ausgerichtet ist. Im Gegenteil: Jede Aggression und jede Rivalität kann lebensbedrohliche Folgen haben. Kinder und junge Erwachsende müssen beim Tauchen Verantwortung für ihren Buddy übernehmen und ihrem Buddy vertrauen können.[4] Jeder noch so unerfahrene Taucher, wird auf einer zutiefst existenziellen Ebene, zu einem Teile eines tauchenden sozialen Systems. Der Umgang mit dieser Verantwortung kann das Selbstbild eines Jugendlichen positiv beeinflussen. Das Vertrauen, das der Tauchlehrer dem Jugendlichen entgegenbringt, kann emotionale Sicherheit und Halt geben. Als Nebeneffekt des Buddy-Systems entsteht eine Beziehung, die durch gemeinsame Erlebnisse und gegenseitige Anerkennung genährt wird. Durch Einträge im persönlichen Logbuch und in Debriefings mit anerkennenden Worten, kann diese Beziehung dokumentiert und verfestigt werden.

Durch die hierarchisch aufgebauten Brevtierungs- und Ausbildungssysteme die im Tauchsport üblich sind, kann es Jugendlichen, die sich üblicherweise sozial nur schwer einordnen können, einfacher fallen Orientierung und Sicherheit in einer Gruppe zu finden. Die transparenten Strukturen der Tauchsports schaffen eine Motivation, die eigenen Fertigkeiten mit Hilfe von erfahrenen Tauchern zu verbessern. Das Sporttauchen ist exotischer als z. B. Fußball oder Radsport, was es einem Jugendlichen ermöglicht, sich in seinem Umfeld neu zu definieren und ihm ermöglicht die Zugehörigkeiten zu einer exklusiven, dennoch offenen Gruppe „der Taucher“ zu erfahren. Er erhält die Möglichkeit sich in seinem sozialen Umfeld neu zu positionieren und es wird ihm die Möglichkeit gegeben, Kontakte zu Menschen aufzubauen, die aus einem für ihn unerreichbaren sozialen Umfeld stammen.[3]

Natur und Technik

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Kinder und junge Erwachsene erhalten beim Tauchen die Möglichkeit, die Natur mit einer praktischen ökopädagogische Forderungen zu erleben. Der Jugendliche kann sich seiner Verantwortung gegenüber anderen Lebensformen bewusst werden und erkennen, dass er von ihrer Existenz direkt oder indirekt profitiert. Nicht zuletzt kann das Tauchen Kinder durch die Technik faszinieren. Die Tauchausrüstung ist so robust gestaltet, dass Kinder unter Aufsicht meist selbst damit umgehen können, was ihnen eine praktische Einsicht in einfache technische Zusammenhänge eröffnet. Auch die Tauchphysik oder Tauchmedizin, die wichtiger Bestandteil jeder Tauchausbildung sind, können Jugendliche faszinieren und intellektuell herausfordern. Beim Tauchen gilt es Wissen und Technik zielgerichtet einzusetzen um ein Naturerlebnis zu erfahren.

Handlungstheoretische Betrachtungen

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Ziel des pädagogischen Tauchen ist nicht das Erreichen einer bestimmten Brevetierung, sondern das Erreichen punktueller Persönlichkeitseigenschaften, die sich aus dem Handlungsprozess des Tauchens ergeben.[1] Aus einer Situationseinschätzung heraus wird sowohl das tauchtechnische als auch das erlebnispädagogische Handeln und die Form davon abgeleitet.

Die handlungstheoretische Betrachtungen des Tauchens geht von drei sich gegenseitig beeinflussenden Systemen aus:

  1. Die Person: der Taucher selbst
  2. Die Aufgabe: das Tauchen oder das Naturerlebnis
  3. Die Umwelt: das Gewässer, der Tauchpartner, die Tauchausrüstung, die Physik und Medizin

Der Tauchsport gibt einen klar definierten Handlungsspiel- und Dispositionsraum vor. Durch die zunehmende Erfahrung vergrößert der Tauchschüler seinen persönlichen Handlungsspielraum. Der eigene Handlungsspielraum kann jedoch nicht auf unangemessene Weise vergrößert werden, weil im Tauchsport klare und transparente Regeln und Brevertierungsstufen bestehen.[3] Dieser Dispositionsraum beruhen nicht auf Willkür, sondern auf den wissenschaftlichen Grundlagen der Medizin und Physik. Durch die direkte Erfahrung im Wasser (z. B. der Kälte, Atmen unter Wasser, ect.) hat der Jugendliche die Möglichkeit, die Grenzen seinen Handlungsspielraum praktisch zu erfahren. Wird der Dispositionsraum des Tauchsports nicht überschritten, droht nicht eine, von einer Autoritätsperson ausgedachte Strafe, sondern möglicherweise der Tod. Es ist theoretisch möglich, den vorgegebenen Dispositionsraum zu verlassen und beispielsweise tiefer als zulässig zu tauchen, sofern das gesundheitliche Risiko in Kauf genommen wird. Diese existenzielle Seite des Tauchsports führt meist zu einer selbstständigen Einschränkung des persönlichen Handlungsspielraums, was in der Praxis die Sicherheit gewährleistet.

Die Aufgabe des Tauchlehrers oder eines Buddys ist es das Verständnis für die Verhältnismäßigkeit und die Einschätzung der Umwelt und sich selbst im Jugendlichen zu fördern. Er zeigt dem Tauchschüler die Folgen seines Handles auf. Er muss fähig sein, sich in der Vorstellungswelt und Ängste des Kindes einzufühlen und entsprechend zu reagieren. Er nimmt einer Vorbildfunktion ein, an der sich der Jugendliche orientieren kann.

Langfristigkeit

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Der Tauchsport ist auf eine langfristige, meist mehrjährige Ausübung ausgelegt, weshalb das pädagogische Tauchen als Sofortmaßnahme oder einmaliger Event eher ungeeignet ist. Durch regelmäßiges Training und eine langfristige Ausrichtung, sowie der Möglichkeit einer nachträgliche Integration in einen Verein oder eine Tauchgruppe, ist es möglich eine Nachhaltigkeit zu erreichen.[3]

Tauchlehrer und Buddy

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Um die Lernmotivation zu erhalten sollen der Handlungsraum transparent strukturiert sein. Trotz aller pädagogischer Ziele, sollte der Anspruch an die Qualität der taucherischen Fähigkeiten und das Fachwissens nicht zurückstehen. Für den Jugendlichen soll die Erfahrung des Tauchens und das Erlernen einer der Sportart im Vordergrund stehen.[3] Auch die Erfahrung des abgebrochen, verbotenen oder abgesagten Tauchgangs sind ein Teile des Erlebnisses. Die Vorbereitung auf einen Tauchgang und die nachträglichen Interaktionen sind ebenso wichtig, wie der Tauchgang selbst. Bei verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen sind Probleme mit der Handlungsregulation zu erwarten. Tauchlehrer und Buddy sind deshalb vom ersten Schuppertauchen bis nach dem Abschuss einer möglicherweise höheren Brevetierung, ein ausgleichender Faktor des emotionalen wie sozialen Systems und können die Selbstregulation der Handlung des Schülers stärken.[1]

Lernmechanismen

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Verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche benötigen emotionale wie kognitiv spannende oder herausfordernde Erlebnis- und damit Handlungsräume, um aktiv ihr eigenes Handeln und Verhalten reflektieren zu können. Beim Tauchen lernen sie ihr eigenes Handeln modellhaft zu verstehen und ihr Verhalten zu bewerten. Durch die eher abstrakte Auseinandersetzung mit dem Tauchen kann der Jugendlichen in einem geschützten Rahmen, neue Erfahrungen sammeln und neue Verhaltensweisen einüben. In einem zweiten Schritt können diese Erfahrungen auf seinen Alltag übertragen und schlussendliche darin eingebaut werden.[1] Die Ausbildungen von Tauchorganisationen bilden deshalb beim pädagogischen Tauchen nur einen äußeren Rahmen.

Praktische Umsetzung

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Obwohl dem Tauchlehrer und Buddy beim pädagogisch Tauchen eine zentrale Rolle zukommt, ist eine enge Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten, Bezugspersonen, Lehrern, Jugendämtern, Psychologen und weiteren Stellen die sich mit dem Jugendlichen auseinandersetzen unerlässlich. Ein neutraler Supervisor der den Tauchlehrer im Hintergrund berät und überwacht, ist eine Entlastung für den Tauchlehrer selbst.[5] Idealerweise verfügt der Tauchlehrer oder Buddy selbst über eine pädagogische Ausbildung. Ist die Maßnahme in eine bestehende Tauchschule oder einen Tauchverein integriert, vereinfacht dies die soziale Einbindung in eine Gruppe und erleichtert die logistische Organisation.[6]

Grenzen des pädagogischen Tauchens

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Nicht alle Kinder und jungen Erwachsenden entwickeln ein Interesse am Tauchsport. Liegt ein grundsätzliches Desinteresse des Jugendliche gegenüber dem Wassersport oder dem Tauche im speziellen vor, ist eine alternative pädagogische Maßnahme zu suchen. Meist zeigt sich dies Desinteresse schon nach einem ersten Schnuppertauchen. Andere Einschränkungen können sich aus der medizinischen Tauchtauglichkeit ergeben. Immer noch sind nicht alle Folgen des Tauchens auf den waschenden Körper eines Kindes wissenschaftlich verstanden, weshalb bei tauchenden Kindern ein gesundheitliches Risiko nicht ausgeschlossen werden kann.[7]

Oftmals sind bei verhaltensauffällige Jugendlichen zuerst andere stabilisierende Maßnahmen erforderlich, bevor mit dem pädagogischen Tauchen begonnen werden kann. Das Kind oder der junge Erwachsene muss eine gewisse Reife entwickelt haben, um das Tauchen erlernen zu können. Währende bei Verhaltensauffälligkeiten gute Ergebnisse durch das pädagogisch Tauchen belegt sind, gilt dies nicht zwingend auch für anderen pädagogische und psychischen Problemen.[3]

Einzelnachweise

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  1. a b c d e Achim Bäumer: Pädagogisches Tauchen. Abtaucher – Schwere:los, abgerufen am 5. März 2014.
  2. Standards Children's Diving,. (PDF) Version 2008. CMAS, abgerufen am 6. März 2014.
  3. a b c d e f g Bernd Albert, Martin Helmchen und Prof. Karl Rossrucker: Sporttauchen als erlebnispädagogisches Konzept für die Soziale Arbeit mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen. (PDF) Diplomarbeit. Fachhochschule Heidelberg, Mai 2006, abgerufen am 4. März 2014.
  4. Heiner Fabry: Acht mutige Jungs tauchen ab. Erlebnis- und theaterpädagogische Projekttage mit Mutproben an der Friedrich-Ebert-Schule Schopfheim. In: Badische Zeitung. 22. Juli 2013, S. 23, abgerufen am 6. März 2014 (Alternative Quelle).
  5. Dagmar Himmel: Workshop für pädagogisches Tauchen. (PDF; 270 kB) TC-Aqua, 25. März 2008, abgerufen am 4. März 2014.
  6. Pädagogisches Tauchen. (PDF) Heinrich-Neumann-Schule, Remscheid, abgerufen am 6. März 2014.
  7. Evi Dombrowski, Martin Kusch, und Uwe Hoffmann: Tauchen mit Kindern und Jugendlichen. Sport und Buch Strauss, 2004.

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