Benutzer:Ziko/hvwa

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Handbuch der Vielsprachigen Wikipedia



Titelseite

Teil A. Allgemeines Teil B. Sprachversionen

Teil C. Hilfsmittel

Dieser Teil des HVW (Titelseite) beschäftigt sich mit allgemeinen Fragen zu den Sprachversionen der Wikipedia, nicht mit einzelnen Sprachversionen als solchen.


Existenzbedingungen einer Wikipedia-Sprachversion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Wikipedia hat etwas von einem soziolinguistischen Experiment: Man gibt einer Sprachgemeinschaft kostenlosen Webspace und das Konzept für eine Enzyklopädie, und man sieht sich die Resultate an. Möglicherweise sagt die Stärke einer Sprachversion auch etwas über das textproduktive Potential einer Sprachgemeinschaft aus.

Sprachgemeinschaft und Wikipedia-Potential[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erste Existenzbedingung einer Sprachversion ist die Existenz einer Sprachgemeinschaft. Folgende Faktoren sind für eine Wikipedia förderlich:

  • eine große Anzahl von Sprechern
  • ein hoher Bildungsstand
  • günstige wirtschaftliche Ausgangsbedingungen
  • Raum für Freizeit
  • eine weite Verbreitung von Internetanschlüssen, am besten Flatrates zu hause
  • eine enzyklopädische Tradition, d.h. Vorbilder und die Vertrautheit mit dieser Informationsweise; die betreffende Sprache wird tatsächlich bereits für Wikipedia-ähnliche Zwecke verwendet
  • Meinungs- und Redefreiheit

Die Gesamtzahl der Sprecher an sich besagt noch nicht viel. Von der Gesamtzahl sind zunächst diejenigen abzuziehen, die nicht an einer Wikipedia mitschreiben können: Minderjährige, eine Reihe von Kranken und Behinderten (beispielsweise Demenzkranke), Gefängnisinsassen, Analfabeten. Ferner bedarf es einer Vielzahl von Fertigkeiten wie ein sicherer Umgang mit der eigenen Sprache und mit Computern sowie gewisse soziale Kompetenzen. Außerdem zeigen nicht alle Menschen dieselbe Bereitschaft, unentgeltlich an einer Enzyklopädie mitzuschreiben. Darum ist die letztendliche Gruppe von Menschen, die theoretisch mitschreiben könnten, ziemlich klein. Dieses "Wikipedia-Potential" sollte die Zielgruppe für Wikipedia-Werbemaßnahmen sein, die die Anwerbung neuer Autoren zur Aufgabe haben.

Recht und Technik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einer der Wikimedia-Server in Paris

Betreiberin aller Wikipedia-Sprachversionen ist die Wikimedia Foundation, eine gemeinnützige Stiftung. Sie sammelt Spenden, die für den Betrieb der Server unerlässlich sind. Dies nimmt den entstehenden Wikipedia-Gemeinschaften viel Arbeit und Sorgen ab.

Grundsätze der Wikipedia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von einer Sprachversion wird erwartet, dass sie den Grundsätzen der (ersten, englischsprachigen) Wikipedia entspricht. Eventuelle Regelverstöße werden aber anscheinend nicht geahndet. Die wichtigsten, hier relevanten Grundsätze lauten:

  • Es geht um die Schaffung einer Enzyklopädie, um nichts anderes, also ein Sammelwerk bestimmter Inhalte in einer bestimmten Textsorte.
  • Die Inhalte der Wikipedia (Texte, Bilder usw.) müssen "frei" sein, das heißt, unter einer "freien Lizenz" stehen. Traditionelle Enzyklopädien hingegen beanspruchen für sich das Urheberrecht.
  • Das Verbot der "Theoriefindung" dürfte eigentlich bereits durch den Charakter einer Enzyklopädie gegeben sein.
  • Das gilt auch für den Grundsatz der Neutralität, doch es ist gut, ihn ausdrücklich festgeschrieben zu sehen.

Sprachliche Eingrenzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Beantragung einer Sprachversion durch die Wikimedia Foundation ist es wichtig, genau einzugrenzen, welche Sprache eine neue Sprachversion bedienen soll. Gerade bei Sprachen ohne ausreichende Sprachplanung können durch die Bezeichnung oder genauere Bestimmungen Varietäten ein- oder ausgeschlossen werden.

Wikipedia-Gemeinschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Israelisches Wikimedia-Treffen, Herzliya 2006

Als Gemeinschaft oder community bezeichnen die Wikipedianer diejenigen, die an der Wikipedia beteiligt sind; man kann auch im Plural sprechen und die Gemeinschaften der einzelnen Sprachversionen bzw. Schwesterprojekte meinen. Eine genaue Definition gibt es nicht.

Theoretisch könnte man den Eintritt in die Gemeinschaft mit der Registrierung gleichsetzen. Damit wären unangemeldete Bearbeiter ausgeschlossen, gerechtfertigterweise, denn die weitaus meisten Unangemeldeten machen nur einige wenige Bearbeitungen. Für die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Sprachversion ist eine gewisse Regelmäßigkeit der Beteiligung vonnöten, beispielsweise ein mindestens wöchentliches Nachschauen auf der eigenen Diskussionsseite. Eine genauere Definition für einen regelmäßigen "Benutzer" (user, angemeldeter Bearbeiter) steht noch aus. Ein Vorschlag:

  • Jemand, der innerhalb einer Woche mindestens eine Bearbeitung gemacht hat;
  • dessen erste Bearbeitung mindestens sechs Monate zurückliegt;
  • der zumindest zehn Bearbeitungen insgesamt gemacht hat (angelehnt an den "Wikipedianer" in der Wikimedia-Statistik;
  • und der der betreffenden Sprache überhaupt mächtig ist, ersichtlich an der Bearbeitung, Informationen auf der Benutzerseite oder Diskussionsbeiträgen.

Zu reden ist ferner über die Art der Beteiligung, ob nur Bearbeitungen zählen und wenn ja welche Bearbeitungen, oder ob Aktivitäten außerhalb der Wikipedia mitgemeint sind (zum Beispiel Lobby- und Werbearbeit).

Der Vollständigkeit halber sei auch an den Austritt aus der Gemeinschaft gedacht, wie Tod, Ausschluss (Sperre nach Regelverstößen) oder die Beendigung der Beteiligung aus eigenem Entschluss bzw. wegen einer Änderung der Lebensumstände.

Differenzierung der Gemeinschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine genauere Untersuchung müsste sich generell um die innere Gliederung der Gemeinschaft kümmern. Im Hinblick auf Sprachversionen, und vor allem kleinere, ist das Beherrschen der jeweiligen Sprache von großer Bedeutung. Das führt zur Einteilung in Sprachangehörige einerseits und Fremde Helfer andererseits.

Sprachangehörige beherrschen die betreffende Sprache der Sprachversion so gut, dass sie Sätze mit enzyklopädischem Inhalt schreiben können, also zum Kerngeschäft der Gemeinschaft beitragen können. Nach Bedarf kann zwischen Mutter-, Zweit- und Fremdsprachlern unterschieden werden.

Bei den Zweit- und Fremdsprachlern ist zu sehen, ob etwa eine bestimmte idealistische Motivlage hinzukommt, wie die Unterstützung einer schwachen Sprachversion. Das macht den Unterschied aus, ob ein Ostafrika lebender Deutscher besonderes Engagement für die Swahili-Wikipedia zeigt (und damit eine Entwicklungshilfe betreibt), oder ob ein in den Niederlanden lebender Deutscher sporadisch in der niederländischen Sprachversion mitschreibt. Die Fremdsprachler sind jedoch grundsätzlich als Sprachangehörige anzusehen, auch wenn sie vielleicht mehr sprachliche Fehler hinterlassen als Mutter- und Zweitsprachler. Sie können auch an Diskussionen teilnehmen.

Die Benutzer GerardM (links) und Siebrand, WCN 2008 in Utrecht

Fremde Helfer hingegen beherrschen die betreffende Sprache nicht oder kaum; die Grenze mag zwischen Niveau 2 und 3 liegen. Sie tauchen entweder sporadisch auf, um vor allem zum Inhalt beizutragen: So fügen sie Weblinks hinzu oder (oft von ihnen selbst gemachte) Fotos, wofür nicht unbedingt Sprachkenntnisse nötig sind. Oder aber Fremde Helfer sind in einem bestimmten Tätigkeitsbereich aktiv, deretwegen sie in vielen Sprachversionen Spuren hinterlassen. Bekannte Fremde Helfer sind Siebrand mit seinem Siebot, der automatisch Interwiki-Links legt, und Gerard Meijssen, der sich unter anderem mit der Übersetzung von MediaWiki-Anweisungen beschäftigt.

Vergleichbarkeit von Sprachversionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erik Zachte auf der WCN in Utrecht, 2008

Für Vergleiche von Wikipedia-Sprachversionen wird meist Erik Zachtes elektronische Statistik herangezogen (hier jeweils mit dem Stand vom Januar 2008, wenn nicht anders angegeben); sie kann als quasi-offizielle Statistik der Wikimedia Foundation gelten.

Allerdings ist die Statistik nicht ohne Weiteres zum Vergleichen geeignet, da sie keine einfachen Rückschlüsse auf die Qualität einer Sprachversion zulässt. Das liegt zum einen an der allgemeinen Schwierigkeit, aus rein informetrischen Daten Aussagen über den enzyklopädischen Wert eines Textes zu treffen. Außerdem treiben manche Wikipedianer bestimmte Daten über „ihre“ Wikipedia auf künstliche Weise nach oben, vor allem die Artikelanzahl, denn die Artikelanzahl wird meistens für das „Ranking“ zwischen den Sprachversionen benutzt. Daher wäre es fragwürdig, solche Daten unreflektiert aus Grundlage für Vergleiche zu verwenden.

Das künstliche Hochtreiben der Artikelanzahl wird durch die so genannten „Bots“ erleichtert. Ein Bot ist ein kleines Computerprogramm, mit dem man Bearbeitungen (edits) an einer Wikipedia automatisch vornehmen lassen kann; ein Bot hilft beispielsweise bei technischen Formatierungen oder der Korrektur von Tippfehlern. Zu den typischen Aufgaben von Bots gehört die Verlinkung der Sprachversionen untereinander, von einem Artikel zu seinem Pendant in einer Sprachversion, wie „Elephant“ in der englischsprachigen Wikipedia mit „Olifant“ in der niederländischsprachigen. Diese Links heißen „Interwikis“. Bots können aber nicht nur für sekundäre Aufräumarbeiten erledigen, sondern sogar Artikel erstellen („bot-generated articles“), die schematisch anhand von Datenbank-Informationen aufgebaut sind. Derartige serielle Artikel eignen sich gut für ein leichtes Hochjagen der Artikelanzahl.

In der Statistik gibt es eine Stelle, an der man den Bot-Anteil an der Gesamtzahl der Bearbeitungen pro Wikipedia sehen kann. Bei kleinen Wikipedias ist dieser Bot-Anteil übrigens tendenziell recht hoch, oftmals mit vierzig, fünfzig oder weitaus mehr Prozent. Das kann eine Folge der Interwiki-Verlinkung sein. Generell aber fließen die Bot-Änderungen in die einzelnen Statistikteile ein und sind dann nicht von den Bearbeitungen durch menschliche Benutzer zu trennen, das ist ein allgemeines Problem der Wikimedia-Statistik (das Poplar-Bluff-Syndrom, siehe weiter unten).

Artikel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Wikipedia-Artikel ist eine technische Einheit, die sich als solche durchaus gut zählen lässt. Die Artikelanzahl wird als wichtigstes oder alleiniges Rangkriterium verwendet, so listet auch die de.WP Wikipedia-Sprachversionen abgestuft nach Größenordnungen der Artikelanzahl auf.[1] Erik Zachte selbst weist bei seinen Statistik-Seiten darauf hin, dass die Anzahl nicht so bedeutend sei, denn manche Wikipedias hätten nur sehr kurze Artikel, andere Wikipedias hingegen weniger aber längere Artikel. Er spricht auch bereits das Problem der „bot generated articles“ an. Darum ordnet er in seiner Liste nach der Zahl der internen Links an,[2] was letzteres Problem aber nicht löst, da auch solche Artikel interne Links haben.

Bei den „bot generated articles“ geht es darum, dass manche Wikipedianer Bots schreiben, die automatisch Artikel nach den Informationen aus Datenbanken erstellen. Typischerweise werden dazu Artikel für Gemeinden einzelner Länder oder Landesteile erschaffen. Solche Artikel erhalten sehr schematisch Grundinformationen über die Gemeinde, meistens in einem Satz sowie einer Infobox. Aufgrund dieser Kürze spricht man auch von „geographical stubs“, obgleich ein „geografischer Stummelartikel“ auch ein von Hand erstellter, durchaus enzyklopädischer Artikel sein kann – wenn auch nur ein recht kurzer. Außerdem beinhaltet die Idee des Stummels, dass der Artikel ausbaufähig ist und ausgebaut wird. Dies ist für den Ersteller meist ein Vorwand, denn er muss sich dessen bewusst sein, dass der Ausbau zu einem enzyklopädischen Artikel mangels Mitarbeiter höchstens eine Sache der sehr fernen Zukunft ist.

Poplar Bluff und die Diskussion über die Volapük-Wikipedia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Abart des geografischen Miniartikels ist ein wesentlich längerer und auf den ersten Blick natürlich wirkender Artikel, der allerdings ebenfalls automatisch per Bot erstellt wurde. Die abermals völlig schematischen Informationen sind in ganze Sätze verarbeitet: „[Name] ist eine Stadt in [County], [Staat]. Seit der Zählung von [Jahr] beträgt die totale Einwohnerzahl [Zahl].“ Dazu gibt es Kapitel mit geografischen oder demografischen Grunddaten. Viele solcher Artikel hat die Wikipedia auf Volapük, einer Plansprache, die weltweit von allenfalls zwei Dutzend Interessierten verstanden wird. Nach dem Artikel Poplar Bluff über eine amerikanische Kleinstadt in Missouri könnte man von Artikeln des „Poplar Bluff“-Typs sprechen.

Geografische Miniartikel und Poplar Bluffs wurden vor allem im Herbst 2007 diskutiert, und zwar auf der projektübergreifenden Wikimedia-Site „Meta-Wiki“. Jemand hatte am 21. September die Schließung der Volapük-Wikipedia gefordert, da ein Volapük-Wikipedianer in jenem Jahr hunderttausend derartige Artikel erstellt hatte. Ein weiterer Antrag, vom 25. Dezember, forderte die Beseitigung dieser Art von Artikeln. Beide Male aber stellten sich viele Wikipedianer hinter die Volapük-Wikipedia, darunter auch der plattdeutsche Wikipedianer Slomox, der behauptete, in der vo.WP gäbe es auch viele gute Artikel. Slomox hatte selbst in seiner plattdeutschen Wikipedia geografische Miniartikel und Poplar Bluffs massenweise erstellt.[3] Ähnliches gilt für die Diskutanten Maksim (Esperanto), Chabi (Katalanisch) und Eukesh (Nepalesisch).

Wikipedia-Gründer Jimmy Wales kommentierte am 1. Januar 2008, die vo.WP entspräche nicht dem Wikipedia-Ziel: Menschen das Wissen der Welt in ihrer eigenen Sprache zu bringen. Schließlich gäbe es niemanden, der Volapük fließend spricht. Das Artikelbauen per Bot komme auch nicht dem Ziel von Sprachfreunden entgegen, die Freude am Volapük hätten. Man könne anerkennen, dass die vo.WP nicht Lesern, sondern Schreibern diene. Ein Schließen der Sprachversion würde er nicht begrüßen, aber das Löschen aller „Bot-Artikel“. Jedenfalls solle die vo.WP nicht in der Rangliste der größten Wikipedias erscheinen.[4]

Die Gefahren der Pseudoartikel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben geografischen Miniartikeln und Poplar Bluffs gibt es weitere Typen von Artikeln, deren enzyklopädischer Charakter in Frage zu ziehen ist und die im folgenden Pseudoartikel genannt werden:

  • Ein-Wort-Sätze, die eher einem Wörterbuch angemessen erscheinen. Beispiel: „En Leicht iss en Funeral“, der Inhalt des Artikels Leicht in der Pennsylfaanischen Wikipedia (pdc.WP).
  • Weitere Datenbank-artige Einträge. Beispiel: „De 02363 eß de Tellefoon Vüürwaal fun Datteln, en Wëßfal,“ im Artikel 02363 in der ripuarischen Wikipedia (ksh.WP), gemeint sind die Dialekte um Köln. Andere Beispiele wären Serien von kleinen astronomischen Objekten.
  • Artikel in der falschen Sprache. Beispiel: Der Text des Artikels Varsseveld (ein Dorf in den Niederlanden) in der ripuarischen Wikipedia wurde einfach aus der niederländisch-niedersächsischen Wikipedia (nds-nl.WP) kopiert. Gängiger sind, in manchen Wikipedias in Sprachen der Dritten Welt, herüberkopierte Texte aus der englischsprachigen Wikipedia. Diese Artikel wurden wahrscheinlich in der Hoffnung angelegt, jemand werde sie in die betreffende Sprache übersetzen.
Vandalismus-Beispiel in der Wikipedia

Bot-generierte serielle Artikel, ob über geografische oder andere Themen, können in der Aufbauphase einer Wikipedia durchaus sinnvoll sein und den Benutzern eintönige Arbeiten ersparen. Dies trifft vor allem für Gemeinde-Artikel für Gemeinden im betreffenden Sprachgebiet zu. Daher wäre es falsch, allzu voreilig stets manipulative Absichten zu vermuten. Vor allem die massenweise Erstellung von Artikeln, die Gemeinden außerhalb des betreffenden Sprachgebietes, dürften allein einem falschen Prestigebedürfnis mancher Wikipedianer entspringen. Die Gefahr von Pseudoartikeln besteht darin, dass sie auf Außenstehende keinen guten Eindruck machen. Außerdem kostet nicht nur die Erstellung, sondern vor allem auch die Nachsorge Arbeit, wie Aktualisierungen und die Beseitigung von Vandalismusschäden.

„Wirkliche“ Artikel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Artikel mit enzyklopädischem Inhalt und gewissen Mindestanforderungen werden hier „wirkliche“ Artikel genannt. Anhand der Funktion Zufälliger Artikel kann man ein Sample erstellen und den Prozentsatz „wirklicher“ Artikel pro Sprachversion errechnen. Bei einer kleinen Untersuchung durch den Verfasser, mit über fünfzig Srachversionen, schien es im März/April 2008, dass auf diese Weise die meisten Sprachversionen mindestens zehn Prozent ihrer Artikelanzahl verlieren. Bei großen Wikipedias ist dieser Wert eher klein, gerade bei kleineren oftmals recht hoch. Bei der korsischen Wikipedia lag er gar bei neunzig Prozent.

Anzahl der Wikipedianer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Wikimedia-Statistik bemüht sich auch, Angaben zur Anzahl der „Wikipedianer“ zu machen. Für diejenigen Menschen, die Bearbeitungen an der Wikipedia vornehmen, gibt es eine Reihe von Begriffen: Mitarbeiter, Autor, Beiträger. Dabei ist „Benutzer“ oft dem Registrierten vorbehalten, als direkte Übersetzung des englischen user. (Für diejenigen, die die Wikipedia nur lesen, findet man die Begriffe Leser und Nutzer.) Auch diese Zahlen können sehr irreführen, zum Beispiel, weil manche Leute verschiedene Computer mit unterschiedlichen IP-Adressen nutzen.

„Wikipedianer“ ist nach der Statistik jemand, der insgesamt mindestens zehn Änderungen in der Sprachversion vorgenommen hat. Ferner gibt es die „aktiven“ Beiträger, die mindestens fünf Änderungen pro Monat vorgenommen haben, und die „sehr aktiven“ mit mindestens hundert Änderungen pro Monat. Die Statistik schweigt sich aber auch darüber aus, um was für Änderungen es sich handelt, es können rein technische sein oder gar Vandalismus, die mutwillige Verschlechterung eines Artikels.

Eine weitere Methode, um die mutmaßliche Anzahl der Mitarbeiter einer Sprachversion zu ermitteln, ist das Zählen von Benutzerseiten. Ein registrierter Benutzer kann sich eine Benutzerseite anlegen, auf der er sich und seine Interessensgebiete vorstellt. Viele Benutzerseiten haben eine „Babelliste“, mit der Angabe, welche Sprachen der Benutzer auf jeweils welchem Niveau beherrscht. Das Spektrum lautet: M „Muttersprache“, vier „muttersprachliches Niveau“, drei „sehr gut“, zwei „mittleres Niveau“, eins „Grundkenntnisse“. Dazu kommt das Niveau null, das zunächst verwundert, da man eine Sprache normalerweise nicht angibt, wenn man sie nicht beherrscht. Aber es gibt Wikipedianer, die in einer Sprachversion dennoch registriert sind und eine Benutzerseite haben, weil sie Interwikis anlegen oder andere technische, oft viele Sprachversionen übergreifende Leistungen vollbringen.

Das Zählen der Babellisten kann aber ebenfalls nur einen ungefähren Eindruck vom Mitarbeiterstamm geben. Einige (wenige) Menschen schreiben oft an einer Sprachversion mit, registrieren sich aber nicht oder legen keine Benutzerseite oder keine Babelliste an. Umgekehrt muss man bei einigen Benutzern feststellen, dass das Anlegen der Babelliste ihr einziger Beitrag zur Sprachversion war.

Eine dritte Methode ist die Befragung von Wikipedianern, wie viele Menschen ihrer Meinung nach regelmäßig an der Sprachversion mitschreiben. Dies ist aber wenig sinnvoll, wenn man ohne genaue Definition eines „regelmäßig Beitragenden“ bleibt. Dasselbe Problem hat man mit der vierten und am besten kontrollierbaren Methode zur Zählung von Wikipedianern, nämlich der Blick in die „Letzten Änderungen“ und „Benutzerbeiträge“, wo man genau sehen kann, wer welche Bearbeitung gemacht hat.

Seitenaufrufe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahre 2008 wurden verstärkt Instrumente zum „Verkehr“ auf den Wikimedia-Seiten und sogar einzelnen Artikeln veröffentlicht. Dadurch lassen sich nicht nur Benutzer-Aktivitäten, sondern auch die Leser-Aktivitäten ansatzweise ermitteln. Die gesamte Wikipedia durchbrach im Mai 2008 erstmals die Grenze von zehn Milliarden Seitenaufrufe insgesamt in jenem Monat. Im September 2008 Jahres waren es 10,175 Milliarden, übrigens 399 Millionen pro Tag, 14,1 Millionen pro Stunde, 236.000 pro Minute und 3.900 pro Sekunde. Allein bei der deutschsprachigen Wikipedia gab es in jenem Monat 818 Millionen Aufrufe (an dritter Stelle nach der englischsprachigen und japanischsprachigen) und bei einer relativ kleinen wie der isländischen immerhin noch 1,8 Millionen.[5]

Übrigens sieht man in vielen Wikipedias einen erheblichen Rückgang dieser Klickraten in den Sommermonaten, vor allem im Juli, um etwa zehn Prozent, in einzelnen Sprachversionen auch zwanzig oder mehr als dreißig. Viele Leser der Wikipedia sind Schüler oder auch Berufstätige, die in den Ferien weniger Bedarf an der Online-Enzyklopädie haben.

Wie bei allen anderen Daten ist das Poplar-Bluff-Syndrom (siehe unten) zu berücksichtigen, so hatte die Volapük-Wikipedia im September 2008 2,7 Millionen Seitenaufrufe, obwohl weniger als dreißig Menschen auf der Welt Volapük beherrschen. Fast alle diese Seitenaufrufe scheinen auf neugierige Nicht-Volapükianer zurückzuführen zu sein, die sich den Wikipedia-Artikel zu ihrer Stadt auch in anderen Sprachversionen angeschaut haben. Ähnlich weist die Poplar-Bluff-beladene korsische Wikipedia verdächtig viele Aufrufe auf. Seitenaufrufe müssen also nichts mit dem Interesse von Sprechern der betreffenden Sprachversion zu tun haben.

Poplar-Bluff-Syndrom[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Poplar Bluffs und ähnliche Pseudoartikel tragen zu einem Phänomen bei, das weit über die Frage der Artikelanzahl hinausgeht. Nach der massenweise Erstellung (serieller) Artikel kommt es zu weiteren Aktivitäten, die die Statistik beeinflussen und somit schwer interpretierbar machen. Das Phänomen mit seinen Auswirkungen soll hier daher „Poplar-Bluff-Syndrom“ genannt werden, benannt nach jenem Artikel in der Volapük-Wikipedia.

Das Syndrom hat innerhalb einer Wikipedia-Sprachversion zur Folge:

  • Ein oftmals sprunghafter Anstieg der offiziellen Artikelzahlen
  • Je nach Gestaltung der Pseudoartikel auch ein Anstieg weiterer Werte in der Statistik
  • Ein Anstieg der Bearbeitungen, zunächst mit Bot-Bearbeitungen, die Interwiki-Links setzen
  • Längerfristig ein Anstieg der Bearbeitungen durch Menschen, die selbst Interwikis anlegen oder Weblinks oder ihre Fotos aus Commons einsetzen
  • Mehr registrierte Benutzer, auch wenn sie die Sprache nicht sprechen, sondern die zuvor genannten Arbeiten leisten
  • Unerwartet hohe Werte bei den Seitenaufrufen, denn Leser andersprachiger Wikipedias klicken aus Neugierde den Artikel über ihre Stadt auch in anderen Wikipedias an

Außerhalb der betreffenden Sprachversion hat das Syndrom ebenfalls Auswirkungen. Bots legen in anderen Sprachversionen, die entsprechende Artikel haben, Interwiki-Links an. Folglich steigt auch dort die Zahl der Bearbeitungen.

Allein an der Statistik lässt sich nicht ablesen, ob eine Sprachversion tatsächlich mit enzyklopädischem Inhalt wächst. Sprünge in den Werten, beispielsweise ein massenhafter Anstieg der neuen Artikel von einem Monat zum nächsten, sind meist gute Indizien, aber noch keine Beweise. Ebenso besagt ein hoher Bot-Anteil an den Bearbeitungen insgesamt an sich noch nicht allzu viel.

Das Poplar-Bluff-Syndrom ist nicht statisch, und möglicherweise nimmt es nach einiger Zeit deutlich ab. Zur Abnahme führt einerseits die Tatsache, dass ein einmal angelegter Pseudoartikel nicht ein zweites Mal angelegt werden muss. Andererseits haben die Diskussionen um die Volapük-Wikipedia das Anlegen von Poplar Bluffs und ähnlichen Pseudoartikeln entmutigt. Es lässt sich aber nicht ausschließen, dass neue Gründe auf Dauer das Syndrom aufrecht erhalten.

Vier Klassen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine einfache Aufteilung nach runden "wirklichen" Artikelanzahlen (ohne Pseudoartikel) kann in vier Gruppen erfolgen. Naturgemäß sind die Unterschiede an den runden wirklichen Artikelzahlen nur grob festzumachen. Die bairische Wikipedia muss nicht unbedingt "besser" sein als die des Scots, wobei die eine knapp über und die andere knapp unter der Tausender-Marke liegt. Aber es lassen sich im Vergleich mit den absoluten Artikelanzahlen gut die überschätzten, Pseudoartikel-beladenen Wikipedias erkennen. Das betrifft in erster Linie das Volapük, aber auch das Obersorbische und Korsische.

Diese Aufteilung nach Artikelanzahlen sollte mit weiteren Merkmalen untermauert oder hinterfragt werden.

Die vier Klassen:

  • Große Wikipedias mit über hunderttausend Artikeln sind beispielsweise die englischsprachige, die deutschsprachige, die schwedischsprachige und die japanischsprachige. Diese Gruppe umfasst Weltsprachen sowie größere europäische Sprachen; in der thematischen Breite deckt eine große Wikipedia das Wissen der Welt umfangreich ab. (Im Sample: en, de, fr, ja, it, pl, es, nl, sv, pt, ru, zh, no.)
  • Mittelgroße Wikipedias mit über zehntausend Artikeln haben unter anderem die Plansprache Esperanto, die kleine europäische Nationalsprache Dänisch, die größere asiatische Nationalsprache Vietnamesisch (eines Schwellenlandes) und das in seiner Sprachlichkeit umstrittene Luxemburgische. Das Spektrum an Sprachenarten ist also wesentlich breiter; thematisch sind die Lücken größer als bei den großen Wikipedias, bzw. die Themen werden oberflächlicher abgehandelt. (Im Sample: ca, eo, ar, da, id, vi, nn, is, lb, la, eu.)
  • Kleine Wikipedias mit über tausend Artikeln (darunter die Wikipedias des Afrikans, Swahili und Alemannischen) gibt es auch in kleineren Sprachen der Dritten Welt sowie Dialektgruppen. Eine kleine Wikipedia hat bereits sehr große Probleme, möglichst alle Wissensgebiete zumindest anzureißen. Oftmals ist nur ein Bruchteil der Anweisungen der Wikipedia-Software übersetzt. (Im Sample: af, bn, nds, fy, yi, sw, li, als, io, ksh, nds-nl, vls, ia, bar.)
  • Mikro-Wikipedias mit weniger als tausend Artikeln sind in der Regel kaum entwickelt und mehr oder weniger tot. (Im Sample: sco, fo, hsb, co, pdc, jbo, nov, zea, stq, ang, dsb, rm, tpi, ie, got, ak, vo.)
Groß Mittelgroß Klein Mikro-Wikipedia
Wirkliche Artikel mehr als 100.000 mehr als 10.000 mehr als 1.000 weniger als 1.000
Beispiele en, de, nl, zh ca, id, eo, lb fy, nds, yi, als sco, nov, zea, ang
Anteil wirkliche Artikel (Gruppen­durchschnitt) 82 Prozent 62 Prozent 65 Prozent 25 Prozent
Seitenaufrufe in Mio. (September 2008) 32 bis 1000

(en: 5480)

2 bis 25

(lb: 1)

0,3 bis 2

(nds-nl: 0,25)

0,02 bis 0,3

(fo: 0,43; vo: 2,7)

Übersetzung MediaWiki 90 bis 100 Prozent 60 bis 100 Prozent 2 bis 90 Prozent 2 bis 100 Prozent
Sehr aktive Wiki­pedianer 140 bis 1000

(en: 4000)

20 bis 90

(eo: 150)

2 bis 15

(af: 40)

0 bis 8

(vo: 16)

Alter 2001/2002 2001-2003 2003-2006

(af: 2001; fy: 2002)

2004-2008

(co, rm, vo: 2003)

Astronomen Newton, Huygens, Ångström Isaak Newton, Huygens, sehr selten Ångström in der Hälfte Newton, selten Huygens sehr selten Newton
Städtevergleich mehr als in anderer Sprachversion manchmal mehr weniger weniger

Tabelle: Vier Klassen der Sprachversionen

Einrichtung einer Sprachversion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus Sicht der betroffenden Sprachgemeinschaft bringt eine eigene Wikipedia mittlerweile ein gewisses Prestige mit sich; für das Deutsche oder Französische dürfte das zu vernachlässigen sein, nicht aber für eine wirklich schwache und kleine Sprache wie Korsisch oder Saterfriesisch. Für diese Sprachen ist die Wikipedia oftmals die erste wirkliche Enzyklopädie, die nicht auf das Eigenbezogene begrenzt ist, oder zumindest eine Chance dazu.

Dadurch erhält die Wikipedia auch die Funktion eines Werbemittels für eine Sprache, was in einer indirekten Weise durchaus toleriert wird. Der eigentliche Zweck der Wikipedia liegt jedoch darin, jedem Menschen das gesamte Wissen der Menschheit zur Verfügung zu stellen, wie es der Wikipedia-Gründer Jimmy Wales im Spendenvideo 2007 ausgedrückt hat. Dabei betonte er die Bedeutung der Wikipedia für Menschen in der Dritten Welt.[6] Den Wikipedia-Prinzipien widerspricht es aber, als „Werbeplattform“ oder Datenbank zu dienen;[7] das könnte sich eine dauerhaft sehr mangelhafte Wikpedia richten, deren Artikel kaum über das Niveau von Wörterbuch- oder Datenbankeinträgen hinausgehen.

Aus Sicht der Wikimedia Foundation stellt sich die Frage, ab wann es sinnvoll ist, eine Sprachversion der Wikipedia (bzw. eines Schwesterprojektes) einzurichten. Auf der projekteübergreifenden Site Meta Wiki wird durchaus lebhaft über entsprechende Anträge diskutiert.[8] Wikipedia-Gründer Jimmy Wales schrieb im November 2005, man wolle die Begeisterung von Neulingen hochhalten, aber auch nicht zu viele tote Wikipedias haben. Für „real languages“ wolle er nur ein kleines Zeichen des Interesses von Muttersprachlern oder wenigstens flüssig Sprechenden sehen. Wikipedias in „constructed languages“ (Plansprachen) sowie in Dialekten, die nicht genug verschieden von den Sprachen existierender Wikipedias sind, sollten zwar nicht verboten sein, aber die Hürden müssten hoch liegen, um Spaßprojekte zu verhindern und politische Fallen zu umgehen.[9]

Michael Snow verwies in der Wikipedia Signpost auf die vier Wikipedias auf Bosnisch, Kroatisch, Serbisch und Serbokroatisch, bei denen die Frage nach der Einzelsprachlichkeit stark politisiert sei. Wales habe eine Einrichtung jedoch für annehmbar gehalten, wenn eine Wikipedia-Sprachversion dazu dient, eine Sprache mit wenigen Sprechern zu bewahren, wie im Falle der Wikipedia auf Kornisch.[10]

Regeln[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach den Regeln, die schließlich Ende 2006 erstellt wurden, muss eine für eine Sprachversion vorgeschlagene Sprache

  • einen ISO-Code (der Internationalen Standardisierungsorganisation) haben;
  • so eigenständig sein, dass sie nicht in einer allgemeineren Sprachform existieren kann (lies: Abstand hat);
  • über ausreichend Muttersprachler verfügen, damit eine Gemeinschaft von Wikipedianern und Lesern entstehen kann; für „artificial languages as Esperanto“ wird ein „reasonable degree of recognition“ verlangt, worüber zu diskutieren sein werde;

schließlich muss eine neue Sprachversion sich in einer Testphase bewähren (im „Incubator“) und müssen die Software-Anweisungen übersetzt werden.[11]

Über die Einrichtung einer neuen Wikipedia entscheidet de facto das Sprachenkomitee, das dem Vorstand der Wikimedia Foundation Vorschläge macht. Dabei berücksichtigt das Komitee nicht nur die Leistungen der Kandidaten im Incubator, sondern auch die Meinung von Sprachwissenschaftlern und anderen Experten.

Die Regeln sollen vor allem praktikabel sein und offensichtlich unseriöse Vorschläge abwehren. Eine Erleichterung für die Foundation ist es, Entscheidungen teilweise an den Kriterien anderer Institutionen - der ISO - festzumachen. Die Regeln bedeuten allerdings auch, dass einige gut funktionierende Wikipedia-Sprachversionen heutzutage nicht mehr eingerichtet werden würden, wie die auf Esperanto ("künstliche Sprache"), Latein ("alte Sprache") und Luxemburgisch ("Dialekt").

Praxis und Diskussion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Strittig sind vor allem diejenigen Fälle, in denen eine Sprache mehrere Varietäten hat und sich die Frage stellt, ob eine oder mehrere Wikipedias eingerichtet werden. Ein bekannteres Beispiel des Jahres 2008 ist die Wikipedia auf Ägyptisch, deren Befürworter der Meinung sind, es sei genug unterschiedlich vom Standardarabisch.

Zwei unterschiedliche Grundauffassungen haben sich in den Diskussionen gezeigt. Eine restriktive Politik möchte die Hürden hochlegen und streng prüfen, ob eine Sprachversion gerichtet werden soll. Eine permissive Politik sieht weniger Probleme darin, wenn relativ viele Sprachversionen neu entstehen.

In bestimmten Fragen wird meist wie folgt argumentiert:

  • Eine oder mehrere Wikipedias
    • Restriktive: Wenn es mehrere statt einer gemeinsamen Sprachversion gibt (etwa im Falle des Arabischen), dann verteilen die Wikipedianer sich auf jeweils kleinere Sprachversionen. Das, obwohl die meisten Gemeinschaften sowieso nur etwa ein Dutzend Wikipedianer ausmachen.
    • Permissive: Die Wikipedianer sollen selbst entscheiden können, in welcher Sprachversion sie aktiv sein wollen. Man werde dann sehen, ob zum Beispiel die ägyptische Wikipedia sich entwickelt oder nicht.
  • Instrument der Sprachplanung
    • Restriktive: Es ist nicht Aufgabe der Wikipedia, Sprachplanung zu leisten. Erstens besagt das der Grundsatz no original research, zweitens wäre das kaum sinnvoll möglich. Erst muss die Sprache außerhalb der Wikipedia entwickelt werden.
    • Permissive: Gerade die Wikipedia habe die moralische Pflicht, diesen benachteiligten Sprachen zu helfen.
  • Nutzung des Speicherplatzes
    • Restriktive: Winzige, kaum funktionierende Wikipedias kosten Speicherplatz ohne jemandem zu dienen, vor allem, wenn massenweise Pseudoartikel erstellt werden. Sie ziehen Vandalen an.
    • Permissive: Gerade winzige Wikipedias kosten kaum Speicherplatz, und selbst die aufgeblähte Volapük-Wikipedia macht nur etwa 115 MB aus.
  • Eindruck auf die Außenwelt
    • Restriktive: Wikipedias in Dialekten oder anderen kaum entwickelten Sprachen machen an sich einen schlechten Eindruck auf potentielle Autoren.
    • Permissive: Die Auffassungen über bestimmte Sprachen oder Sprachformen muss die Wikimedia-Sprachenpolitik nicht beeinflussen, die Reputation erwächst sowieso aus der englischsprachigen Wikipedia (und anderen großen).

Arten von Sprachen und das Varietätenproblem[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sprachen, die eine Wikipedia-Sprachversion haben, können auf unterschiedliche Weise eingeteilt werden. Am naheliegendsten ist die Berücksichtigung der Sprachfamilie, wie es auch eine Seite auf der Meta-Wiki macht. Für Wikipedistik-Zwecke und die Diskussion über die Einrichtung neuer Sprachversionen werden folgende Gruppen berücksichtigt:

  • Ethnische Sprachen, unter Einschluss von Kreolsprachen: Für viele Wikipedianer, nicht nur aus der anglophonen Welt, ist dies der Normalfall. Dass eine ethnische Sprache eine Wikipedia "verdient", ist meist unumstritten. Ein Streitfall ergibt sich am ehesten bezüglich Sprachen der Dritten Welt, da deren Sprachgemeinschaften kaum dazu in der Lage sind, eine Wikipedia groß zu machen.
  • Dialekte: Seit der Einführung der Regeln von 2006 ist sehr schwer geworden, eine neue Dialekt-Wikipedia einzurichten. Allerdings gibt es Grenzfälle, in denen strittig ist, was eine bloße Varietät einer Sprache oder ein Dialekt ist.
  • Plansprachen: Ähnlich wie bei den Dialekten wird bei einer zu permissiven Politik gegenüber Plansprachen befürchtet, eine Flut an Wikipedias einrichten zu müssen. Eine Plansprache kann theoretisch das Ergebnis eines langweiligen Sonntagnachmittags eines Pubertierenden sein. In der Praxis jedoch haben nur sehr wenige Plansprachenprojekte das Stadium einer Sprache mit Sprachgemeinschaft erreicht.
  • Alte Sprachen: Ausgestorbene Sprachen sollen nach herrschender Meinung keine Wikipedia haben, da keine Sprachgemeinschaft sie schreiben könnte. Darum werden seit Einführung der Regeln von 2006 keine Vorschläge zu einer derartigen Wikipedia mehr angenommen. Deren Befürworter verweisen auf die erfolgreiche Wikipedia auf Latein; diese ist jedoch eine Ausnahme, da es tatsächlich eine neolatinistische Bewegung gibt, die Latein als moderne Fremdsprache fördert.

Plurizentrische Sprachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die spanischsprachige Welt

Manche Sprachen haben eine und nur eine Standardvariante, die den meisten Sprachangehörigen akzeptiert wird. Beispiele sind Isländisch und Esperanto. Eine plurizentrische Sprache jedoch hat mehr als eine Standardvarietäten. Die meisten Sprachen mit vielen Sprechern sind plurizentrisch, wie Englisch, Spanisch und Französisch, aber auch erstaunlich viele kleine. Das Entstehen mehrerer Standardvarietäten kommt normalerweise durch politische oder kulturelle Grenzen innerhalb der Sprachgemeinschaft.

Deutsch wird zunehmend als plurizentrische Sprache angesehen, obwohl in der Praxis viele Bundesdeutsche einer monozentrischen Sicht anhängen. Demzufolge verzeichnet der Duden typisch österreichische oder schweizerische Ausdrücke als österr. oder schweiz., während typisch bundesdeutsche Ausdrücke ohne Auszeichnung verbleiben. Diese Sicht wird durch die überragende Stärke Deutschlands gestützt: Die meisten Österreicher und Schweizer kennen viele bundesdeutsche Ausdrücke, allein schon durch das Fernsehen. Umgekehrt ist dies selten der Fall. Ebenso wird im nichtdeutschsprachigen Ausland, etwa bei Sprachlehrern, das Deutsch der Bundesrepublik bevorzugt. Verständlicherweise hat die monozentrische Sicht weniger Freunde bei den Österreichern und Schweizern, die ihre Standardvarietäten als Dialekte belächelt sehen (und entsprechend korrigiert werden).

Nach der plurizentrischen Sicht gibt es (mindestens) drei deutsche Standardvarietäten, Bundesdeutsch, Österreichisches Deutsch und Schweizer Hochdeutsch. Demzufolge heißt der erste Monatsname in der Bundesrepublik Januar, in Österreich Jänner. Beide Ausdrücke sind in ihrem jeweiligen Geltungsbereich korrekt, keiner ist an sich "falsch" oder "Dialekt". Unterhalb oder neben den Standardvarietäten gibt es in den drei Ländern durchaus auch Dialekte.

Beim Englischen werden in andersprachigen Lehrbüchern vor allem das Amerikanische und das Britische Englisch berücksichtigt. Außerdem gibt es eine Vielzahl weiterer Standardvarietäten, wie das Australische oder Neuseeländische Englisch. Amerikanisch hat die kulturelle Ausstrahlung der größten Volkswirtschaft der Welt hinter sich, aber aus historischen Gründen behält das Britische Englische - wegen des Empires - noch viel Prestige. Daher ist das Englische eine weniger asymmetrische plurizentrische Sprache als das Deutsche.

In der Wikipedia wird generell nach einem einheitlichen Stil gesucht. Das fördert tendenziell die monozentrische Sicht, doch wenn die Mehrheit der betreffenden Wikipedianer allein die sprecherstärkste Varietät akzeptieren würden, würde dies zu einer dauerhaften Unzufriedenheit der übrigen Sprecher führen. Eine Abspaltung wäre eine realistische Gefahr.

Umgang mit Varietäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Damit die Wikipedianer einer plurizentrischen Sprache einvernehmlich zusammenarbeiten können, wurden Regeln dafür entwickelt, welche Varietät wann zum Zuge kommt.

Die entsprechende Richtlinie in der englischsprachigen Wikipedia empfiehlt, sich an vier Prinzipien zu halten: Einheitlichkeit innerhalb eines Artikels, nationaler Bezug eines Themas, Behalten der existierenden Variante, Suche nach gemeinsamen Formen.[12]

In der deutschsprachigen Wikipedia sorgt man sich eher um die Unterschiede zwischen alter und neuer Rechtschreibung und weist in diesem Zusammenhang darauf hin, man solle in gut geschriebenen Passagen keine zulässige Schreibweise durch eine andere zulässige Schreibweise ersetzen. Innerhalb eines Artikels folge man den Präfererenzen dessen, der am Meisten beigetragen hat, und bemühe sich um eine einheitliche Schreibweise. In Artikeln mit Bezug zur Schweiz oder zu Liechtenstein solle kein ß verwendet werden.[13]

Die niederländischsprachige Wikipedia verweist auf die niederländisch-belgische Taalunie als oberste Autorität[14] und gibt die Empfehlung, typisch nordniederländische oder belgische Formen in Algemeen Nederlands zu verändern.[15]

Die vier Prinzipien der en.WP sind so oder so ähnlich oft wiederzufinden, lösen aber nicht alle Probleme. Das Nebeneinander von Standardvarietäten macht eine empfindliche Einschränkung des Wiki-Prinzips aus, demzufolge theoretisch jeder Leser jeden Artikel verbessern kann. Angenommen, ein bundesdeutscher Wikipedianer liest den Artikel Bundesrat (Schweiz) und findet das Wort Session. Im Sinne der Vermeidung von Fremdwörtern ersetzt er es durch das in Deutschland geläufige Sitzung. Die Ersetzung würde umgehend rückgängig gemacht werden, von Schweizern, die entweder geduldig den Schweizer Sprachgebrauch erläutern oder wutentbrannt die "Arroganz der Deutschen" anprangern. In der Folge wird der bundesdeutsche Wikipedianer es sich überlegen, ob er an einen Artikel mit Schweizbezug Hand anlegen will.

Jene Einschränkung des Wiki-Prinzips verschlimmert sich mit Grad und Art der Unterschiede. In der kurdischen Wikipedia schreiben sowohl die nördlicheren Lateinschriftler als auch die südlicheren Arabischschriftler mit. Zwar gibt es eine automatische Konversion zwischen den Schriftzeichen, diese betrifft aber nur die sichtbare Oberfläche eines Artikels. Beim Schreiben selbst, also der Bearbeitung des Quelltexts, tippt man entweder lateinische oder arabische Zeichen. Das hat dazu geführt, dass manche Lemmata in der ku.WP zwei Artikel haben, der zweite wurde meist von den Arabischschreibenden erstellt. Eine solche Doppeltheit von Wikipedia-Artikeln ist ein Unding, das eine künftige Spaltung wahrscheinlich macht.

Dialekte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dialekte haben zunächst einmal dasselbe Problem wie plurizentrische Sprachen: Es gibt meist keine einheitliche Standardvarietät, die von mehr oder weniger allen Sprechern anerkannt wird (eine Ausnahme ist etwa das Luxemburgische). Schlimmer noch, es gibt oft noch nicht einmal Standardvarietäten.

Das Niedersächsische, wie es im Osten der Niederlande gesprochen wird, hat kein einheitliches Wörterbuch. Nur für einzelne Regionen wie die Achterhoek, Twente oder Gronings sind Wörterbücher erstellt worden, die aber immer noch vielfältige Unterschiede berücksichtigen müssen. Das Wort "Provinz", niederländisch provincie, wird im "Niedersächsischen" (den niedersächsischen Dialekten) unterschiedlich ausgesprochen bzw. geschrieben: provinsie, provinzie, pervinsie, previnsie, previncie, perveensie finden sich in der nds-nl.WP, der Artikel selbst heißt pervincie. Wer einen neuen Artikel anlegen will, muss aufpassen, dass es diesen nicht bereits in einer ähnlichen Schreibweise existiert.

Dialekt-Wikipedias verwenden ähnliche Regeln für vier Prinzipien der en.WP. Darüber hinaus sieht man häufig einen Hinweis oberhalb eines Artikels, in welcher Varietät ein Artikel geschrieben ist. Da in den Dialekt-Wikipedias oft nur jeweils wenige Wikipedianer aktiv sind, kommt es kaum zu Zusammenstößen.

Für Sprachplaner ist das Erschaffen einer Standardvarietät eine heikle Sache. Einerseits scheint sie für ein schriftliches Kulturleben notwendig zu sein, denn ohne Schriftstandard ist das Lesen- und Schreibenlernen schwierig. Andererseits geht die Standardvarietät auf Kosten der alten Dialekte - Kritiker befürchten, dass eine künstliche Hochsprache entsteht, die für alle Sprecher eine Fremdsprache darstellt.

Über die Haltung zur Standardisierung gehen in den Sprachgemeinschaften die Auffassungen weit auseinander. Auch innerhalb von Dialekt-Wikipedias wünschen sich einige Wikipedianer die Schaffung einer Hochsprache, teilweise betreiben sie Schritte in diese Richtung. So hat die plattdeutsche Wikipedia (nds.WP) einen Schriftstandard angenommen, der vor allem den Norden des Sprachgebietes abdeckt und nicht allgemein akzeptiert wird.

Nah verwandte Sprachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Skandinavismus

Einige Sprachen sind so nah miteinander verwandt, dass sie mehr oder weniger problemlos für den jeweils anderen Sprecher verständlich sind. Es stellt sich dann eventuell die Frage, ob man eine oder mehrere Sprachversionen einrichten soll. Eine bekannte Gruppe nah verwandter Sprachen sind die skandinavischen Sprachen, vor allem das Dänische, Schwedische und das Norwegische (Bokmâl), ähnliches gilt für das Serbische und das Kroatische.

Im letzteren Falle gibt es die eine Richtung, die behauptet, Serbisch und Kroatisch seien zwei unterschiedliche Sprachen, die andere findet, es handele sich um zwei Standardvarietäten einer Sprache. Folglich wurde auch eine serbokroatische Wikipedia eingerichtet, und ebenso eine bosnische für die komplizierte Situation in Bosnien.

Mehrmals ist es vorgekommen, dass die Varietäten innerhalb einer Sprachversion sich nicht miteinander vertragen haben, mit der Folge, dass eine neue Sprachversion eingerichtet wurde. Ursprünglich gab es eine einzige norwegische Wikipedia, von der sich schließlich die Nynorsk-Sprecher abgespalten haben. Ebenso gab es eine einzige "niedersächsische" Wikipedia, aber die Niederländer und Deutschen darin mussten feststellen, dass sie einander nicht gut verstehen konnten. (Die vielleicht nicht von allen "Niedersachsen" akzeptierte Interpretation lautet, dass es sich um die Dialekte zweier unterschiedlicher Dachsprachen handelt.) Seit 2006 schreiben die niederländischen Niedersachsen in einer eigenen Sprachversion mit.

Sprachliche Unterschiede zwischen Varietäten oder ungenormten Dialekten an sich sind bereits für das Schreiben eine Behinderung: Ein Salzburger hat Schwierigkeiten, einen im Oberbayrischen begonnenen Artikel weiterzuschreiben. Der entscheidende Trennungsgrund scheint dann vorzuliegen, wenn die Wikipedianer einander auch nicht verstehen können. Allerdings ist nicht eindeutig auszumachen, wann eine gemeinsame Sprachversion möglich ist oder nicht - auch Standardvarietäten von plurizentrischen Sprachen weisen teilweise recht große Unterschiede auf.

Wegen der Existenz zweier oder mehrerer Sprachversionen haben einige Wikipedianer sich besondere Formen der Zusammenarbeit ausgedacht. Bei der Liste der Interwikis, also der Verweise auf den Artikel in anderen Sprachen, kann die verwandte Sprache oben stehen und nicht in der alfabetischen Reihenfolge. Einige skandinavische Wikipedias verweisen auf exzellente Artikel in anderen skandinavischen Sprachversionen. Die Suche in den beiden niedersächsischen Wikipedias liefert auch Resultate in der jeweils anderen Wikipedia.

Inhalte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Textspenden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einige Sprachversionen haben Texte aus älteren, daher meist bereits gemeinfreien Enzyklopädien übernommen. Dies ist unter den Wikipedianern nicht immer unbestritten, da die Texte dem heutigen Stand des Wissens nicht entsprechen und viel Überarbeitung kosten.

Das Eigenbezogene nach Kloss[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kloss hat für die Entwicklung neuer Schriftsprachen wie Friesisch oder Irisch eine „ganz bestimmte Scheidelinie“ ausgemacht, die von diesen meist nicht überschritten werde. Dazu teilt er die möglichen „Entfaltungsmöglichkeiten“ auf in ein Volksschulniveau, ein gehobenes Bildungsniveau und ein Hochschul- und Forscherniveau. Dazu kommen drei „Anwendungsbereiche“: die „eigenbezogenen“ Themen wie Sprache und Lebensraum (Heimatkunde, typische Gewerbe usw.) der betroffenen Sprachgemeinschaft selbst, übrige „kulturkundliche“ Fächer (Geisteswissenschaften), einschließlich Recht, Philosophie und Theologie, und drittens Naturwissenschaften und Technik. So erhält er ein Schema mit neun Feldern (drei mal drei).

Färöischer Student in nationaler Tracht

Auf dem niedrigsten Bildungsniveau (Volksschule) werden alle drei Anwendungsbereiche abgehandelt. Bereits auf der gehobenen Ebene ist mit einer nennenswerten Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen Themen nicht mehr zu rechnen, und auf der höchsten, wissenschaftlichen Ebene hat nur die Forschung zum Eigenbezogenen ihren Platz.[16] Tatsächlich beschränkt die Universität der Färöer-Inseln sich auf eigenbezogene Themen wie Sprache und Literatur des Färöischen sowie die Lehrerausbildung, ferner gibt es Hochschulen für Fischerei und Seefahrt, also für die Inselbevölkerung wichtige Gewerbe. (Es sei hinzugefügt, dass die obere rechte Ecke – die wissenschaftliche Forschung in Naturwissenschaften und Technik – heutzutage oft nur noch vom Englischen ausgefüllt wird, so wäre es kaum möglich, modernen Flugzeugbau allein auf Deutsch oder Französisch zu studieren.)

Für die Wikipedia bedeutet das, dass von den schwachen oder kleinen Sprachversionen kaum nennenswerte Aktivität in den weiß gebliebenen Feldern zu erwarten ist; die Artikel zu den Naturwissenschaften sind wahrscheinlich relativ kurz und auf einem eher basalen Niveau. Ihren Mehrwert kann eine kleine Wikipedia allenfalls auf dem Gebiet der eigenbezogenen Themen erlangen. Die Sprachversion widerspiegelt in etwa das Angebot der jeweiligen öffentlichen und Fachbibliotheken eines Landes.

Wikipedianer zum Eigenbezogenen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf die Frage, ob sie sich auf Themen der eigene Region und Kultur konzentrieren, also auf das Eigenbezogene nach Kloss, lauteten die Antworten der meisten Befragten, dass es eine solche Tendenz durchaus gebe. Die Menschen seien vor allem durch den Stolz auf den eigenen Dialekt motiviert und wollten etwas über und in ihrem Dialekt schreiben, so Servien von der Wikipedia auf Niedersächsisch.[17] In anderen Wikipedia-Sprachversionen oder allgemein finde man ja auch wenig zu luxemburgischen Themen, meinte Benutzer Tom von der lb.WP. Aber auch andere Themen wie die Alpen oder Isaak Newton würden behandelt werden, fast immer in Form einer Übersetzung, am ehesten aus dem Deutschen, aber auch aus dem Englischen, Französischen oder Niederländischen. Tom selbst übersetze manchmal aus der nl.WP, da die Artikel dort weniger ausschweifend seien als die in der de.WP.[18]

Die Wikipedianer der Dialekt-Wikipedias (und anderer kleiner Wikipedias) haben persönlich manchmal andere Interessen als das Eigenbezogene. Wenn jemand sich für die Geschichte der Astronomie interessiert und viele Artikel über bedeutende Astronomen aus dem Deutschen ins Luxemburgische übersetzt, ist die Bereicherung durch hochwertige Artikel durchaus zu begrüßen. Auf diese Weise lässt sich aber kein Mehrwert der lb.WP gegenüber der de.WP begründen. Die sechs Felder bei Kloss, die von einer kleinen Kultursprache belegt werden, schließen auch naturwissenschaftliche Themen auf Volksschul-Niveau mit ein. Dementsprechend wäre in der lb.WP ein ausführlicher und gut geschriebener Artikel „Astronomie“ sinnvoll, dazu einige Dutzend Artikel zu Unterthemen wie Planeten. Eine Serie über 162 Astronomen wie Carl Gustav Witt, James Bradley und Cornelis Johannes van Houten erscheint jedoch, so betrachtet, übertrieben. Gerade der autochthone Luxemburger kann sich über diese Forscher leicht mithilfe der de.WP informieren; für die lb.WP würden sich vor allem luxemburgische Persönlichkeiten lohnen, die in der de.WP eventuell nicht die Relevanzkriterien erfüllen.

Viele Dialekt-Wikipedianer betonen, dass sie bewusst den Rahmen des Eigenbezogenen überschreiten wollen. „Die Mitarbeit aller mir bekannten Mitarbeiter nährt sich vor allem aus Identifizierung mit der Sprache, nicht aus Identifizierung mit der eigenen Region“,[19] erklärt Slomox von der nds.WP. Sicher schreiben die Autoren als Erstes über Orte der eigenen Region, wenn sie über Orte schreiben, heißt es bei Mucalexx. Doch die bairische Wikipedia habe sich das Ziel gegeben, eben nicht regionallastig zu sein.[20] Wer wie Slomox in der eigenen Dialektgruppe bereits eine Standardsprache sieht oder wie Mucalexx eine Entwicklung zu einer Standardsprache begrüßen würde, der möchte auch beweisen, dass sich alles in dieser Sprache beschreiben lässt. Manche dieser Dialekt-Wikipedianer können sich ihre Wikipedia ferner als Vehikel für den Sprachausbau vorstellen. Zu diesem Punkt bemerkt der niederländische Niedersachse Ni'jluuseger berechtigterweise, dass die Wikipedianer zurückhaltend sein müssen, denn ein selbstvorgenommener Aufbau eines Wortschatzes widerspreche der Wikipedia-Grundregel „no original research“ (es soll nur bereits bestehendes Wissen durch die Wikipedia verbreitet werden).

Neben persönlichen Themeninteressen und Vollständigkeitsanspruch gibt es ein drittes Motiv, die Kräfte der kleinen Wikipedia-Gemeinschaft nicht auf das Eigenbezogene zu beschränken. Mit automatisch erstellten Pseudoartikeln lässt sich die offizielle Artikelanzahl leicht in die Höhe treiben. Da spätestens seit dem Fall Volapük ein Problembewusstsein für diese Vorgehensweise entstanden ist, dürfte der so erzielte Prestigegewinn in der internationalen Wikipedia-Gemeinschaft mittlerweile fraglich sein. Auch auf die einheimischen Leser macht es keinen guten Eindruck, wenn sie in „ihrer“ Wikipedia fast nur uninteressante Pseudoartikel finden.

Man könnte sich eine Mikro-Wikipedia mit wenigen, aber hochwertigen eigenbezogenen Artikeln vorstellen, die als respektables Ergebnis einer ernsthaften Enzyklopädie-Arbeit vorzeigbar wäre. So eine Mikro-Wikipedia gibt es allerdings nicht, eine möglichst hohe Artikelanzahl ist vielen Wikipedianern offensichtlich wichtiger.

Außerhalb der Wikipedia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vereinsbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Veranstaltung der niederländischen Wikimedia-Organisation

In einer Reihe von Ländern haben sich seit 2004 nationale Wikimedia-Organisationen gegründet, die so genannten chapters. Anscheinend hat die Gründung einer WM-Organisation keinen spürbaren Einfluss auf die Wikimedia-Statistik, wirbt an sich noch keine neuen Wikipedianer. Die meisten Organisationen sind relativ klein, selbst die größte, die deutsche, hat weniger als fünfhundert Mitglieder (2008).

Da die Organisationen klein sind, fehlt bislang meist eine innere Differenzierung nach Sprachversionen. Normalerweise steht für eine Organisation eine Sprachversion zentral. Beispielsweise in der Vereniging Wikimedia Nederland spricht man vor allem über die niederländischsprachige Wikipedia, obwohl auch der eine oder andere Friese Mitglied ist. Soweit bekannt gibt es auch keine offiziellen Beauftragten für die Sprachversionen von Minderheiten oder von Dialektgruppen. Allenfalls die Schweizer Organisation listet auf ihrer Web Site ausdrücklich Ansprechpartner mit den drei großen Landessprachen auf, so wie dies bei schweizerischen Vereinen üblich ist.

Die Wikimedia Foundation schließt Verträge zur Zusammenarbeit mit Organisationen in staatlichen Grenzen ab. Eventuell beschäftigen sich mehrere chapters mit einer Sprachversion, so sind die Mitglieder der britischen und der australischen Organisation hauptsächlich Autoren der englischsprachigen Wikipedia. Für Sprachen mit einer weit verstreut lebenden Sprachgemeinschaft ist dies jedoch keine Lösung, wie zum Beispiel für das Esperanto, das Latein und das Jiddischen. Das gilt auch für Sprachversionen, die hauptsächlich von Exilanten oder Entwicklungshelfern getragen werden wie Kurdisch und Swahili.

Kontakte zu anderen Institutionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nicht nur Wikipedianer beschäftigen sich mit teilweise schwachen Sprachen, wie Sprachen der Dritten Welt oder Dialekten, sondern auch zahlreiche Institute, Sprachakademien und Vereine. Für eine starke Sprache wie das Deutsche sind solche Kontakte nützlich, aber nicht unbedingt notwendig: Deutsche haben ihre Standardsprache bereits in der Schule gelernt, viele darüber hinaus eine tertiäre Ausbildung genossen. Es gibt relativ viele Deutsche, die die sprachlichen, technischen und sozialen Voraussetzungen mitbringen, um an der Wikipedia mitzuarbeiten. Gerade schwache Sprachversionen sollten nach Unterstützung suchen.

Viele vom Verfasser befragten Aktivisten antworteten, dass sie Kontakt mit Institutionen knüpfen wollten, dies aber nicht in einer Zusammenarbeit gemündet ist. Genauer bestand die Reaktion der Institutionen aus Desinteresse oder aber einem Unvermögen, zur Wikipedia beizutragen. Hintergrund dürfte teilweise die Generationenfrage sein: Viele Mitarbeiter der Institutionen sind eher älter und nicht internetaffin. Andererseits haben die Wikipedianer möglicherweise noch nicht deutlich genug herausgearbeitet, wie eine sinnvolle Zusammenarbeit aussehen könnte.

Große Fortschritte haben auf diesem Terrein die Esperanto- und die Latein-Wikipedianer gemacht, die nicht nur mit den jeweiligen Sprachbewegungen Kontakte haben, sondern persönlich ihnen meist angehören.

Von den befragten Dialekt-Wikipedianern hat nur ein einziger geantwortet, er sei Mitglied in einem Verein mit Bezug zum Dialekt: Lou Gruber ist Mitglied des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege, wo der Kontakt „freundlich und unaufgeregt“ sei, auch vom Verband Österreichische DialektautorInnen (ÖDA) käme keine unsachliche Kritik. Der Förderverein Bairische Sprache und Dialekte hingegen mache sich über die Versuche der Wikipedia, Bairisch zu verschriftlichen, lustig, obwohl der sich seiner Homepage zufolge selbst schwer mit schriftlichem Bairisch tue.[21] Der Förderverein erwähnt die Wikipedia zwar unter seinen Links auf der Web Site,[22] doch der Vorsitzende in Österreich meinte, er sähe in der bar.WP eher einen „folkloristischen bzw. humoristischen Beitrag“, mit Unterhaltungs-, nicht Informationswert.[23]

Manchmal suchen einige niedersächsische Wikipedianer Rat bei der Stiftung Streektaal-Organisatie in het Nedersaksisch Taalgebied oder der IJsselacademie;[24] manchmal fragen einzelne Wikipedianer, ob sie einen Text übernehmen dürfen, und im März 2008 wurde ein Pressebericht über zwei Jahre nds-nl.WP an die Medien und niedersächsische Organisationen verschickt;[25] manchmal erscheint etwas über die Wikipedia im Internet-Magazin An de Liende.[26] Dies sieht im Vergleich zu anderen Dialekt-Wikipedias bereits nach viel aus. Der Baier Manuel E. möchte gar keine Kontakte mit den Mundartvereinen, die seiner Meinung nach wenig innovativ-fortschrittlich seien;[27] Libellulia wendet sich gegen „Bayerntümelei“.[28]

Institut für Niederdeutsche Sprache im Schnoor (Bremen)

Ähnlich wie die bairischen Dialekt-Wikipedianer haben auch die plattdeutschen kaum Kontakte zu Sprachinstitutionen, obwohl es Versuche in der Richtung gegeben hat. Vielleicht ist das erklärlich durch die Haltung, die ein Mitarbeiter des Instituts Niederdeutsche Sprache (Bremen) erkennen lässt. Der Philologe und Kulturwissenschaftler Ulf-Thomas Lesle hat eine sehr negative Einstellung zu dem, was er „identitätsproduktive 'Selbsterfindung'“ von Nutzern kleiner Sprachformen im Internet nennt. Das sei das „krasse Gegenbild einer universalen aufgeklärten Moderne“, denn die plattdeutschen Varietäten würden seit zwei, drei Generationen kaum noch im Alltag gesprochen. Eine Parallelgesellschaft in der virtuellen Welt des 21. Jahrhunderts entdecke „das ethnische Potential des vorgeblich sprachlich Eigenen“, was in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die imaginierte „völkisch vorbildliche Art“ gewesen sei. „Was könnten angesichts dieses Neuen, das weithin den Mustern des Alten folgt, 'sinnvolle Ziele einer nds.Wikipedia' sein?“[29]

Ganz anders antwortete hingegen Hans-Hinrich Kahrs, ein Mitglied des Rates für Niederdeutsche Sprache. Er ist Plattdeutsch-Schriftsteller und kümmert sich beim Landschaftsverband Stade um niederdeutsche Angelegenheiten. Er arbeite an einer plattdeutschen Landeskunde mit und schaue oft in die nds.WP: „Mi dücht, dor sünd gode Bidrääg in.“[30] In den Sprachinstitutionen und -verbänden gibt es also durchaus unterschiedliche Haltungen, von denen die einen der Wikipedia mehr, die anderen weniger entgegenkommen.

Belege[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wikimedia-Statistik, zuletzt gesehen am 30. März 2008.
  2. Wikimedia-Statistik, zuletzt gesehen am 17. Oktober 2008 (Zitat unterhalb der Tabelle).
  3. Proposals for closing projects/Closure of Volapük Wikipedia, zuletzt gesehen am 15. Mai 2008. Auf der nds.WP hatte Slomox im Januar 2007 die Artikelerstellung per Bot angekündigt und keinen Widerspruch erhalten.
  4. Proposals for closing projects/Closure of Volapük Wikipedia, zuletzt gesehen am 15. Mai 2008.
  5. Siehe Wikimedia-Statistik, zuletzt gesehen am 22. November 2008.
  6. Donate 2007. Auch: „Jimmy Wales and Wikipedia“, beide zuletzt gesehen am 30. März 2008.
  7. Was Wikipedia nicht ist, zuletzt gesehen am 30. März 2008.
  8. Requests for new languages, zuletzt gesehen am 30. März 2008.
  9. Foundation-l, November 2005, zuletzt gesehen am 18. April 2008.
  10. Signpost 2005-11-28, zuletzt gesehen am 18. April 2008.
  11. Language_proposal_policy, zuletzt gesehen am 30. März 2008.
  12. Wikipedia:Manual of Style#National varieties of English, zuletzt gesehen am 13. Mai 2008.
  13. Wikipedia:Rechtschreibung, zuletzt gesehen am 13. Mai 2008.
  14. Help:Spellingsgids, zuletzt gesehen am 13. Mai 2008.
  15. Wikipedia:Belgisch-Nederlands, und Wikipedia:Nederlands-Nederlands, zuletzt gesehen am 13. Mai 2008.
  16. Nach Kloss 1978: 47-49.
  17. Schriftliche Mitteilung von Servien an ZvD, 22. April 2008.
  18. Schriftliche Mitteilung von Tom an ZvD, 18. April 2008.
  19. Schriftliche Mitteilung von Slomox an ZvD, 15. Mai 2008.
  20. Schriftliche Mitteilung von Mucalexx an ZvD, 16. April 2008.
  21. Schriftliche Mitteilung von Lou Gruber an ZvD, 20. April 2008.
  22. Raamadama, zuletzt gesehen am 22. Mai 2008.
  23. Schriftliche Mitteilung von Heinz-Dieter Pohl an ZvD, 23. Mai 2008.
  24. Schriftliche Mitteilung von Woolters an ZvD, 12. April 2008.
  25. Schriftliche Mitteilung von Ni'jluuseger an ZvD, 10. April 2008.
  26. Schriftliche Mitteilung von Servien an ZvD, 22. April 2008.
  27. Schriftliche Mitteilung von Manuel E. an ZvD, 14. April 2008.
  28. Schriftliche Mitteilung von Libellulia an ZvD, 18. April 2008.
  29. Schriftliche Mitteilung von Ulf-Thomas Lesle an ZvD, 15. Mai 2008.
  30. Schriftliche Mitteilung von Hans-Hinrich Kahrs an ZvD, 21. Mai 2008.