Benutzerin:Sarah E Huber/Artikelwerkstatt

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Industrialisierung

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Am 03. März 1848 – in den Anfängen der Badischen Revolution – trafen sich die Reutlinger zu einer Volksversammlung am Spitalhof und stellten die sogenannten "Märzforderungen" an König Wilhelm I. Diese aktive Beteiligung der Reutlinger an der Badischen Revolution könnte die Ursache für den um ein Jahrzehnt verzögerten Anschluss an das Eisenbahnnetz sein, da die Stadt und ihre Bevölkerung beim König in Ungnade gefallen waren.[1] Nach der Inbetriebnahme der Eisenbahnstrecke von Plochingen ging es in Reutlingen sehr schnell und intensiv voran mit dem weiteren Streckenausbau. Viele Personen reisten in die nahegelegenen Städte. Doch vor allem die Wirtschaft in Reutlingen profitierte vom Eisenbahnanschluss – mit der Eisenbahn hielt auch die Industrialisierung Einzug.[2] Eine regionale Besonderheit im Verkehr war das Büschlesbähnle, das von der Nachbargemeinde Eningen nach Reutlingen fuhr. Die Eninger benannten ihre Bahn nach dem beliebten Anfeuerholz „die Büschle“.[3] Die erste Dampfmaschine fuhr 1899 nach Reutlingen, ab 1912 wurde sie von einer elektrischen Bahn abgelöst. Diese Bahn fuhr auch in Teilorte Reutlingens wie zum Beispiel Rommelsbach und Altenburg.[4]

Prägende Industrien für Reutlingen waren vor allem die Maschinen-, Papier- und Textilindustrie. Die Industrialisierung der Papierherstellung begann in Reutlingen in den 1830er Jahren an der Echaz. Die zuvor verwendete Herstellungsmethode war wesentlich anstrengender und zeitaufwändiger gewesen. Nach einem Brand in der Reutlinger Papierfabrik entschloss sich deren Inhaber, Gottlob Christian Braun, eine moderne Papiermaschine aus England zu erwerben, die einen schnelleren und effizienteren Produktionsablauf ermöglichte. So wurde auch die Produktivität gesteigert.[5] Diese Veränderung hatte auch Nachteile, denn das in einer langen Ausbildung erworbene Wissen der Experten, die früher Papier von Hand hergestellt hatten, war nicht mehr gefragt. Die Tradition der Textilproduktion in Reutlingen reichte bis in das 14. Jahrhundert zurück. Zunächst wurde sie in Heimarbeit erledigt. Durch die erste Handstrickmaschine, die 1878 nach Reutligen kam, sollte die Arbeit erleichtert und beschleunigt werden. Zunächst wurden solche Maschinen vereinzelt von einem Verleger an Heimarbeiterinnen verliehen. Dieser Zustand war jedoch nur von kurzer Dauer, denn die Nachfrage nach der sogenannten „Boertlinsware“ beziehungsweise dem „Reutlinger Artikel“ war erheblich gestiegen. Mit der Industrialisierung wandelte sich die Reutlinger Arbeitswelt. Weniger Verbrauchsgüter wie Papier und Textilien wurden direkt in Handarbeit hergestellt. Dafür entstand eine Maschinenindustrie, die zum Teil bis heute in Reutlingen besteht.[6]

Die Firma Heinrich Stoll und Co. wurde 1873 in Riedlingen vom Strickmaschinenbauer Heinrich Stoll gegründet und fünf Jahre später nach Reutlingen verlegt. Durch die links-links Strickmaschine kam es zu größerer Arbeitssicherheit und einer größeren Präzision. Trotz weiterer Standorte in verschiedenen Ländern, ist die Firma weiterhin in Reutlingen vertreten und exportiert ihre Strickmaschinen weltweit.[7] Emil Adolff verlegte 1877 seine Firma nach Reutlingen. Der Betrieb stellte Hartpapierspulen her. Die hohe Qualität der Produkte sorgte für internationalen Erfolg. Die schnell wachsende Firma spielte in Reutlingen eine wichtige Rolle, da sie vielen Menschen einen Arbeitsplatz bot.[8][9] Die Reutlinger Maschinenfabrik Burkhardt und Weber wurde 1888 von den Unternehmern Louis Burkhardt und Johannes Weber gegründet. Ursprünglich produzierten sie Stockflinten, Nähmaschinen und Überwendlingsnähmaschinen (das waren Nähmaschinen, mit denen der Stoff in einem Schritt genäht, gesäubert und abgeschnitten wurde). Heute werden dort größtenteils verschiedene Maschinen, Bearbeitungszentren und Dieselmotoren hergestellt.[10] Zu den die Industrialisierung prägenden Personen gehörte Friedrich List, der Reutlinger Vorkämpfer für den Freihandel. Eine dauerhafte industrielle Entwicklung Deutschlands könne ohne Schutzzoll nicht eintreten, behauptete er später im amerikanischen Exil.[11]





  1. Wilhelm Borth, Bernd Breyvogel, Wolfgang Jung: Vergangenheit trifft Zukunft Reutlingen von der Reichsstadtherrlichkeit zur selbstbewussten Großstadt. Reutlingen 2013, S. 134–138.
  2. Georg Morlok: Die königlich württembergische Staatseisenbahnen. Stuttgart 1966, S. 89–91.
  3. Vom Büschelesbähnle zur Elektrischen. Abgerufen am 12. Februar 2019.
  4. Stadtarchiv-Ausstellung: Eröffnung der elektrischen Straßenbahn 1912. Abgerufen am 12. Februar 2019.
  5. Martina Schröder: Mühlen und Maschinen Der Beginn der Industrialisierung an der Echaz. Hrsg.: Heimatmuseum beim Schul- und Kulturamt der Stadt Reutlingen. Reutlingen 1999, S. 55–56.
  6. Wilhelm Borth, Bernd Breyvogel, Wolfgang Jung: Vergangenheit trifft Zukunft Reutlingen Von der Reichstadtherrlichkeit zur selbstbewussten Großstadt. Reutlingen 2013, S. 141–148.
  7. Meilensteine / Geschichte. Abgerufen am 12. Februar 2019.
  8. Stadtschultheisamt Reutlingen / Handelskammer Reutlingen: Papierspulen und Hülsenfabrik. Hrsg.: Deutscher Architektur- und Industrieverlag. Berlin-Halensee 1925.
  9. Westdeutsche Wirtschaftschronik: Spulen- und Hülsenfabrik, Papier- und Pappenfabrik, Herstellung von Gelatinefolien, Maschinenfabrik, Kunstharzpreßwerk. Hrsg.: Paul Weber Verlag. Stuttgart 1954.
  10. Karl Langenbacher: Vielspindlig denken Eine Festschrift zum 75-jährigen Bestehen der Firma Burkhardt & Weber. Reutlingen 1963, S. 9–19.
  11. Toni Pierenkemper: Geschichte des modernen ökonomischen Denkens: Große Ökonomen und ihre Ideen. Stuttgart 2012, S. 107.