Depolarisierungsfaktor

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Depolarisierungsfaktor beschreibt den Einfluss der Form (Depolarisierungseffekt) eines dielektrischen Körpers auf dessen Polarisation und Dipolmoment.

Feld- und Materialgrößen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dielektrischer Körper im elektrischen Feld

Für ein homogenes Medium der Dielektrizitätszahl ist der Zusammenhang von elektrischer Feldstärke und dielektrischer Verschiebung durch die Gleichung

gegeben, mit der elektrischen Feldkonstante . Für die Polarisation gilt

,

wobei die elektrische Suszeptibilität ist.[1][2]

Depolarisierungseffekt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erzeugt man im Vakuum () ein homogenes elektrisches Feld , und bringt einen dielektrischen (, ) Körper endlicher Größe in dieses Feld (Abbildung) entsteht ähnlich wie im homogenen Material eine Polarisation . Diese führt hier jedoch zu Oberflächenladungen, die ihrerseits ein zusätzliches elektrisches Feld hervorrufen – das depolarisierende Feld , das im Inneren des Körpers dem ursprünglichen Feld entgegengesetzt ist und dieses abschwächt.

Die Polarisation ist mit dem elektrischen Feld im Inneren des Körpers

verknüpft:
.

Im Allgemeinen sind das depolarisierende Feld und damit auch die Polarisation räumlich inhomogen und hängen in komplizierter Weise von der Form des Körpers ab, so dass diese Größen nur mittels numerischer Verfahren (z. B. Finite-Elemente-Methode) berechnet werden können. Ist der Körper ein Ellipsoid (Halbachsen ) und das äußere elektrische Feld parallel zu einer der Achsen lässt sich die Feldverteilung durch analytische Lösung der Potenzialgleichung bestimmen[3]. In diesem Fall sind das depolarisierende Feld im Inneren des Ellipsoids homogen und antiparallel zum äußeren Feld, so dass sich der Zusammenhang mittels eines einfachen Zahlenfaktors , dem Depolarisierungsfaktor darstellen lässt:

Die Werte des Depolarisierungsfaktors liegen zwischen 0 und 1. Ein wichtiger Spezialfall ist die Kugel (), für die man erhält. Bei in Feldrichtung lang gestreckten Ellipsoiden sind die Oberflächenladungen weiter voneinander entfernt als bei der Kugel, was zu einer Abschwächung des depolarisierenden Feldes und damit einem kleineren Wert () des Depolarisierungsfaktors führt. Im Gegensatz dazu ist bei abgeplatteten Ellipsoiden der Abstand der Oberflächenladungen kleiner, was zu einem stärkeren depolarisierenden Feld und damit zu einem größeren Wert () des Depolarisierungsfaktors führt. Aus den obigen Gleichungen erhält man schließlich den Zusammenhang der Polarisation und des depolarisierenden Feldes mit dem äußeren Feld:

Der in den Gleichungen vorkommende Faktor , der die dielektrischen Eigenschaften des Körpers und die Form beschreibt, wird auch als externe Suszeptibilität bezeichnet.[4] Damit lässt sich der Zusammenhang von Polarisation und äußerem Feld analog zum homogenen Medium beschreiben:

Ersetzt man die Suszeptibilität durch die Dielektrizitätszahl erhält man:

und speziell im Falle der Kugel () ergibt sich daraus die in der Festkörperphysik wichtige Clausius-Mossotti-Formel[2]

Berechnung der Depolarisierungsfaktoren von Ellipsoiden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Allgemeiner Fall (dreiachsiges Ellipsoid)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für ein Ellipsoid mit den Halbachsen , und ist der auf die Halbachse bezogene (d. h. parallel zur entsprechenden Achse) Depolarisierungsfaktor [3]

Die Faktoren für die beiden anderen Achsen und ergeben sich durch Vertauschung von , und . Die Summe der Werte für die drei Achsen ist . Im Falle eines dreiachsigen Ellipsoids () lässt sich das Integral nur numerisch berechnen.

Rotationsellipsoid[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Analytische Formeln erhält man für Rotationsellipsoide, wobei die beiden Fälle eines gestreckten und eines abgeplatteten Rotationsellipsoids zu unterscheiden sind.

Form Halbachsen Depolarisierungsfaktor Exzentrizität
gestreckt
Kugel
abgeplattet

Grenzfälle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine in zwei Richtungen unendlich ausgedehnte Platte, sowie ein unendlich langer elliptischer (oder kreisförmiger) Zylinder können als Grenzfälle des Ellipsoids angesehen werden.

Form Halbachsen Depolarisierungsfaktoren
unendliche Platte
unendlich langer elliptischer Zylinder

Dielektrikum als äußeres Medium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Befindet sich der dielektrische Körper nicht im Vakuum, sondern in einem anderen dielektrischen Medium (Dielektrizitätszahl ), so lassen sich obige Gleichungen verallgemeinern, indem durch das Verhältnis von innerer und äußerer Dielektrizitätszahl ersetzt wird[3]. Die Polarisation des Ellipsoids ist dann

.

Depolarisierungstensor[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein äußeres Feld, das nicht parallel zu einer der Achsen des Ellipsoids ausgerichtet ist, kann in die Komponenten bezüglich der drei Achsen zerlegt werden. Obige Betrachtungen sind dann für jede Achse einzeln durchzuführen. Die Felder und sind dann im Allgemeinen nicht mehr parallel zum äußeren Feld, da auf die einzelnen Komponenten unterschiedliche Depolarisierungsfaktoren wirken. Mathematisch lässt sich der Zusammenhang zwischen den Vektoren und durch einen Depolarisierungstensor ausdrücken:

bzw. in Matrixform

Sind die Achsen des Ellipsoids () parallel zu den Koordinatenachsen () ausgerichtet, hat der Tensor nur Diagonalelemente, die den oben beschriebenen Faktoren entsprechen ().

Anwendungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lichtstreuung an Nanoteilchen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wird Licht an einem Teilchen gestreut, das wesentlich kleiner ist als die Wellenlänge, kann das elektrische Feld am Ort des Teilchens als homogen betrachtet werden (quasistatische Näherung).[5] Damit kann das Dipolmoment des Teilchens (Volumen ) unter Verwendung obiger Gleichungen formuliert werden.

Besonders interessant ist der Fall von Metallnanoteilchen (z. B. Gold, Silber, Aluminium), die sich im sichtbaren Spektralbereich durch eine stark frequenzabhängige komplexe Dielektrizitätszahl mit z. T. negativem Realteil beschreiben lassen. Das führt dazu, dass der Realteil des Nenners in der letzten Gleichung bei einer bestimmten Frequenz null werden kann, was zu einem starken Anstieg des Dipolmoments und damit einem Maximum der Lichtstreuung führt (Plasmonenresonanz). Der Depolarisierungseffekt ist eine notwendige Voraussetzung für diese Resonanz, da anderenfalls () der Nenner konstant wäre. Die Gleichung erklärt auch den Einfluss der Teilchenform auf Lage der Resonanz.

Magnetische Messtechnik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die hier für das elektrische Feld angestellten Betrachtungen gelten ganz analog auch für Körper aus magnetischen Materialien im Magnetfeld. Der entsprechend definierte Entmagnetisierungsfaktor[3] ist bei der Auswertung von Messungen an magnetischen Materialien relevant.

Einzelnachweise und Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ch. Gerthsen, H. O. Kneser, H. Vogel: "Physik", Springer, Berlin, 1992
  2. a b Ch. Kittel, "Einführung in die Festkörperphysik", Oldenbourg, München, 2002
  3. a b c d L. D. Landau, E. M. Lifshitz, "Lehrbuch der theoretischen Physik, Bd. VIII, Elektrodynamik der Kontinua, Akademie-Verlag, Berlin, 1990
  4. I. Ponomareva, L. Bellaiche, R. Resta, "Dielectric Anomalies in Ferroelectric Nanostructures", Phys. Rev. Lett., 99, 227601 (2007)
  5. C. F. Bohren, D. R. Huffman, "Absorption and Scattering of Light by Small Particles", Wiley, New York, 1983