(S)-2-Methyl-3,4,5,6-tetrahydropyrimidin-4-carbonsäure

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Strukturformel
Strukturformel von Ectoin
Allgemeines
Name (S)-2-Methyl-3,4,5,6-tetrahydropyrimidin-4-carbonsäure
Andere Namen
  • (4S)-2-Methyl-1,4,5,6-tetrahydropyrimidin-4-carbonsäure
  • ECTOIN (INCI)[1]
Summenformel C6H10N2O2
Kurzbeschreibung

farbloses Pulver[2]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 96702-03-3
PubChem 126041
ChemSpider 112069
Wikidata Q414414
Eigenschaften
Molare Masse 142,2 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

280 °C (Zersetzung)[2]

Löslichkeit

gut in Wasser (390 g·l−1)[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

(S)-2-Methyl-3,4,5,6-tetrahydropyrimidin-4-carbonsäure (synonym Ectoin) ist ein zur Gruppe der kompatiblen Solute bzw. der Extremolyte gehörender Naturstoff. Es wird unter anderem von halophilen (salzliebenden) Bakterien gebildet. Diese schützen sich so vor extremen Umweltbedingungen, wie z. B. starken Temperaturschwankungen, hoher Salzkonzentration, Austrocknung oder UV-Strahlung. Ein Überleben dieser extremophilen Organismen unter solchen Stressbedingungen wird so ermöglicht.

Vorkommen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ectoin ist eines der am weitest verbreiteten kompatiblen Solute. Es wurde 1985 erstmals in dem Purpurbakterium Halorhodospira halochloris nachgewiesen (früher Ectothiorhodospira halochloris genannt, wovon sich der Trivialname Ectoin ableitet), das aus einem Salzsee in Wadi El Natrun, Ägypten (Sketische Wüste) stammte.[3] Heute ist bekannt, dass Ectoin in einer Vielzahl gramnegativer und grampositiver Bakterien auftritt.

Um bei hohen Salzkonzentrationen den osmolytischen Effekt auszugleichen und einem Wasserverlust vorzubeugen, bilden diese extremophilen Bakterien das Ectoin im Zytoplasma in zum Teil sehr hohen Konzentrationen. Ectoin dient hierbei einerseits zur Regulation des osmotischen Stresses, andererseits schützt und stabilisiert es Proteine, Enzyme, Nukleinsäuren und Zellmembranen ohne in den Stoffwechsel der Bakterien einzugreifen.

Eigenschaften und Wirkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zwitterionstruktur des Ectoins in wässriger Lösung

Ectoin ist eine zyklische Aminosäure. In wässriger Lösung liegt sie als mesomeriestabilisiertes Zwitterion vor. Ectoin wirkt hydratisierend und umgibt auch benachbarte Strukturen wie etwa Proteine und Zellmembranen mit einer schützenden Wasserschicht (preferential hydration). In Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass diese Wasserschicht sehr stabil ist.[4] Man geht davon aus, dass neben der Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen auch andere Mechanismen wirksam sind, die unter anderem durch den zwitterionischen Charakter des Ectoins bedingt sind.[3] Ectoin geht selber keine Verbindung mit Proteinen ein, noch ist es in der Lage, in eine Zelle vorzudringen.

Herstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Herstellung von Ectoin kann sowohl fermentativ, chemisch als auch enzymatisch erfolgen. Im industriellen Maßstab wird Ectoin heute fermentativ produziert. Hierzu wird ein spezifischer, nicht gentechnisch veränderter Stamm der halophilen Bakterien Halomonas elongata genutzt. Die Aufreinigung erfolgt mit Hilfe von z. B. Mikro-/Ultrafiltration, Elektrodialyse und Chromatographie. Die Herstellung von Ectoin im industriellen Maßstab erfolgt beispielsweise bei der bitop AG (Ectoin®) in Witten, Deutschland, und bei Merck (RonaCare®) in Darmstadt.

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kosmetik und Medizin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ectoin wirkt befeuchtend und stabilisiert die natürliche Struktur von Biopolymeren wie Proteinen, Nukleinsäuren und Biomembranen. Es wird daher in der kosmetischen Pflege zum Schutz der Haut vor Schäden durch Stressfaktoren wie UV-Strahlung, Trockenheit, Feinstäube oder Allergene angewendet. Darüber soll es bestehende Falten reduzieren und die Haut vor der Bildung neuer Falten bewahren.

Darüber hinaus wird Ectoin in der medizinischen Pflege – als Medizinprodukt – etwa bei Reizungen oder entzündlichen Erkrankungen der Haut oder der Schleimhäute verwendet. Dazu zählen Erkältungen,[5] Allergien,[6] Atemwegserkrankungen,[7][8] trockene Nase und Augen, Mukositis, Juckreiz oder Entzündung des äußeren Gehörgangs oder entzündliche Hauterkrankungen[9] wie Neurodermitis, Psoriasis oder Ekzeme.

Gegenanzeigen und unerwünschte Wirkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei einer Überempfindlichkeit gegen Ectoin dürfen Ectoin-haltige Produkte nicht verwendet werden. Es liegen derzeit keine Daten zur Anwendung von Ectoin-haltigen Produkten während der Schwangerschaft und in der Stillzeit vor. Es sind keine wiederholt auftretenden oder anhaltenden Nebenwirkungen bekannt. Nach Anwendung auf der Haut wurde in Einzelfällen nach dem Auftragen ein vorübergehendes, örtlich begrenztes Brennen beobachtet.

Fertigpräparate[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

actiMare FACE Anti Aging (D), Ectoin Dermatitis Cream 7 % (D), Hylo Protect Augentropfen (A, D), MedEctoin (D), Olynth Ectomed Nasenspray (D), PARI ProtECT Inhalationslösung (D), Sanactiv Antiallergischer Nasenspray (CH), Sanactiv Antiallergische Augentropfen (CH), Sanadermil EctoinAcute/EctoinAcute Creme (CH), SOS Allergie-Nasenspray (D), Triofan Heuschnupfen/Naturel Nasenspray (CH)

Biochemie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ectoin wird in der Biochemie zur Stabilisierung von biologisch aktiven Substanzen wie z. B. Proteinen, Nukleinsäuren oder Zellen eingesetzt. Mit Hilfe von Ectoin können biologisch aktive Substanzen bei der Lagerung (z. B. Einfrieren/Auftauen) geschützt und Antikörper oder Enzyme sowohl in Stammlösungen als auch in verdünnten Gebrauchslösungen (z. B. für die PCR) stabilisiert werden.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Eintrag zu ECTOIN in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 28. Dezember 2019.
  2. a b c d e Datenblatt Ectoine bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 15. Mai 2017 (PDF).
  3. a b W. Schuh et al.: Die Kristallstruktur des Ectoin, einer neuen osmoregulatorisch wirksamen Aminosäure. Z. Naturforsch. 40c, 780–784 (1985).
  4. R. Graf, S. Anzali, J. Buenger, F. Pfluecker, H. Driller: The multifunctional role of ectoine as a natural cell protectant. In: Clinics in Dermatology. 26(4), Jul-Aug 2008, S. 326–333, doi:10.1016/j.clindermatol.2008.01.002.
  5. A. Eichel, J. Wittig, K. Sha-Hosseini, R. Mösges: A prospective, controlledstudy of SNS01 (ectoine nasal spray) compared to BNO-101 (phytotherapeutic dragées) in patients with acute rhinosinusitis. In: Curr Med Res Opin. 29(7), Jul 2013, S. 739–746.
  6. U. Sonnemann: Die nächste Generation der natürlichen Heuschnupfen-Produkte. pharmaJournal, 36. (GENERIC) 2013.
  7. K. Unfried, U. Sydlik, H. Peuschel, C. Albrecht, A. Bilstein, J. Krutmann: The compatible solute ectoine prevents neutrophilic lung inflammation induced by environmental model nanoparticles in vivo. In: European Respiratory Journal. Nr. 36, 2010 (iuf-duesseldorf.de [abgerufen am 28. Oktober 2016]).
  8. K. Unfried, U. Krämer, U. Sydlik, A. Autengruber, A. Bilstein, S. Stolz, A. Marini, T. Schikowski, S. Keymel, J. Krutmann: Reduction of neutrophilic lung inflammation by inhalation of the compatible solute ectoine: a randomized trial with elderly individuals. In: International Journal of Chronic Obstructive Pulmonary Disease. Band 11, Nr. 1. Dove Press, 18. Oktober 2016, S. 2573–2583, doi:10.2147/COPD.S115061 (dovepress.com [abgerufen am 28. Oktober 2016]).
  9. A. Marini, K. Reinelt, J. Krutmann, A. Bilstein: Ectoine-Containing Cream in the Treatment of Mild to Moderate Atopic Dermatitis: A Randomised, Comparator-Controlled, Intra-Individual Double-Blind, Multi-Center Trial. In: Skin Pharmacol Physiol. 27, 2014, S. 57–65.