Eduard Elbogen

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Eduard Elbogen (25. Januar 1857 in Prag30. August 1931 in Wien) war ein österreichischer Talkum-Industrieller.

Seine Eltern waren Jakob Samuel Elbogen (1820 in Prag – 1920 in Wien) und Marie, geb. Schulhof (23. Mai 1833 in Prag – 1922 in Wien). Seine Geschwister waren Friedrich (1854–1909; Hof- und Gerichtsadvokat und Vater von Franz), Hermine Silzer und Julius (Gyula).[1]

Verheiratet war Eduard mit Jenni Melanie, geb. Kadelburg, (23. Oktober 1864 in Budapest – 1942). Das Paar hatte vier Kinder: Lilli Agathe Elbogen; Auguste Klarmann; Edgar Dagobert Elbogen (1899–1953) und Lothar Stefan Elbogen (19. Juni 1900 in Mödling – 1941 vermutlich in Zasavica bei Sabac)[2]. Seine Frau wurde am 28. Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert und am 23. September weitertransportiert nach Treblinka.[3]

Briefumschlag Eduard Elbogen, Wien 3-2.(versandt am 21. Januar 1915 nach Chicago, Illinois)
Firmenwerbung 1892

1886 wurde die Firma Eduard Elbogen gegründet. Dem anfänglichen Verkauf von Talkum folgte um die Jahrhundertwende dann noch zusätzlich auch die Herstellung von Talkum. Der Kauf eines Talkum-Bergwerkes auf dem Rabenwald, der Jocherl-Grube in Floing, der sich ebenfalls auf dem Rabenwald befindlichen Hummelbauer-Grube und der Erwerb der Mittermühle läuteten den Beginn einer stetig wachsenden Vergrößerung der Firma ein, die sich im Laufe der Jahrzehnte zum leistungsfähigsten Betrieb und Marktführer seiner Branche in Österreich entwickelte.[4] Eduard war auch Begründer der Verarbeitung von Talkum in der Papierfabrikation.

Weitere Produktionspalette

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Der Führungswechsel

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Nach Eduards Tod 1931 leitete Lothar die Talkumbergbau- und Großhandelsfirma Edward Elbogen Nachf., die das Alleinverkaufsrecht für italienisches Talkum in den USA hatte.[2] Nach Kriegausbruch 1939 befürchteten sie einen Kriegseintritt der USA und einen Entzug der amerikanischen Vermögenswerte. Wie sie dem Reichswirtschaftministerium in Berlin gegenüber angaben, war dadurch eine Tarnung durch Übertragung unumgänglich geworden. Sie beantragten eine Übertragung ihrer amerikanischen Vermögenswerte nach Amsterdam.

Lothar Elbogen war im Sommer 1938 verhaftet worden. Als Haftgrund wird Widerstand gegen die Staatsgewalt oder Devisenvergehen genannt.[2] Als kommissarischer Verwalter des Werks war Egon Iby eingesetzt, der sich jedoch in acht Monaten kaum 10 Mal sehen ließ und Ende März 1939 abberufen wurde. Der neue kommissarischer Verwalter Edwin Hauser (* 1901 in Wien) hat ihn in der Haft beleidigt.[9]

Elbogen sah sich gezwungen, sein Unternehmen zu verkaufen. Zum vereinbarten Kaufpreis gibt es unterschiedliche Angaben: 380.000 RM oder 130.000 RM, wobei bei Letzterem auch Schulden des Unternehmens beim Bankhaus zu tilgen waren. Verbindlichkeiten bei Lothars Bruder Edgar waren auch zu begleichen. Nach dem Krieg wurde der Wert gutachterlich auf 1 Mio. ö.S. veranschlagt.[10]

Da die Reichsfluchtsteuer in der Praxis 100 % betragen sollte, stellte er zu einem am 27. September 1938 überlassenen Vertragsentwurf mit Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg fest, dass er „buchstäblich ein Bettler“ wäre, sobald er das Land verlassen hätte.[11] Des Herzogs Vermögensverwalter war Paul Knoke.[12] Lothar hatte sich vertraglich verpflichten müssen, seinem Anwalt (Otto Loeb (Advokat)) „beglaubigte, unwiderruflich Vollmachten zu erteilen, durch welche dieser ermächtigt wird, ohne weiteres Wissen und Einvernehmen des Verkäufers für diesen sämtliche zur Durchführung dieses Vertrages erforderlichen und nützlichen Erklärungen abzugeben und Urkunden zu zeichnen.“ Der Leiter der Österreichischen Kontrollbank, Walther Kastner, hielt auf Grund dieses Passus eine Aufhebung des „Devisensicherungsgewahrsams“ von Elbogen für angebracht. Nicht jedoch die um die Erfüllung des Vertrages bangenden „Ariseure“. Diese Angelegenheit sollte aber binnen weniger Tage geklärt sein. Helmut Foltinek, der zu dieser Zeit im „landschaftlich einzigartig schönen “Urlaubsdomizil Hintersee bei Berchtesgaden weilende zuständige Bearbeiter der Kontrollbank, empfahl, in dieser Sache doch „Exz. Dr. Knoke“, den Generalbevollmächtigten das Herzogs, zu konsultieren und der Devisenstelle mitzuteilen, dass sie vom endgültigen Besitzer der Fa. Auskunft erhält. Der Herzog bzw. sein Bevollmächtigter Knoke, über die Notwendigkeit der Haftverlängerung für Elbogen befragt, ließ durch seinen Vertrauensmann Ing. Herbert Uebersberger (* 1908) kurz darauf mitteilen, dass eine Ausreise von Lothar und Franz Elbogen vor vertraglicher Sicherungen unerwünscht sei.[13][14]

Seine Verlobte (und spätere Erbin) Grete Klug,[15] deren Eltern das Café Herrenhof betrieben,[16] und Cousin Franz (Mit-Hauptaktionär) durften ausreisen. Im Juni 1939 war der Zwangsverkauf an die Kontrollbank perfekt. Im selben Monat flehte seine Mutter den Herzog an, ihn freizulassen.[17] Im Spätherbst 1939 konnte Lothar ohne Pass und Geld nach Jugoslawien flüchten. Beim Einmarsch der Wehrmacht 1941 geriet er dort erneut in Gefangenschaft und kam dabei um.

Im Juli 1941 nennt die Kontrollbank noch 96 weitere durchgeführte Arisierungsfälle.[18]

1941 konnte sich Herzog Ernst August zu Braunschweig und Lüneburg gegenüber seinen Mitbewerbern durchsetzen und wurde neuer Eigentümer. Die bisherigen Besitzanteile der Brüder Ludwig und Franz Hintz wurden 1948 auf Christian Hintz übertragen. Uebersberger erwarb auch die Firma Gebrüder Wiedenhofer in Anger (Steiermark), Ranacher-Talkum-Werke, Federweiss-Werke und Greinitzer A.G., vereinte sie zur Firma Deutsche Talkumindustrie und wurde zum Alleinprokuristen, Geschäftsführer und Betriebsführer der Werke ernannt.[19] 1953 befand sich der Gesamtbesitz im Eigentum der Österreichischen Talkumindustrie Ernst August Herzog zu Braunschweig und Lüneburg. 1959 erwarben die Talkumwerke Naintsch - Kiwisch und Co.[20] aus Graz das Unternehmen der Österreichischen Talkumindustrie und somit auch den Besitz bei Fusch. 1978 wurde der Firmenbesitz an Privat veräußert und somit das Interesse an dem Standort aufgegeben.[21] Mglw. war das Unternehmen 1955 an die Erben Elbogens restituiert und Lothar ein Opfer des Kladovo-Transports.[22] 1956 sind als Gesellschafter genannt: Prinz Ernst August d.J., Nordstemmen, Grete Rappaport, London; Dr. Edgar Elbogen, Zürich.[23]


Der Arisierungsfall Ed. Elbogen war nach 1945 Gegenstand mehrerer Strafverfahren.[24]

  • Theodor Venus, Alexandra-Eileen Wenck: Die Entziehung jüdischen Vermögens im Rahmen der Aktion Gildemeester. Eine empirische Studie über Organisation, Form und Wandel von „Arisierung“ und jüdischer Auswanderung in Österreich 1938–1941. (=Nationalsozialistische Institutionen des Vermögensentzuges, Band 2) Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission, Verlag Oldenbourg, Wien/München 2004, ISBN 3-7029-0496-4
  • Eduard Elbogen Bergwerksbesitzer (Seite 686). In: Das neue Wien: Städtewerk Das neue Wien / hrsg. unter offizieller Mitw. d. Gemeinde Wien. Wien : Das neue Wien ; Wien : […] Wienbibliothek im Rathaus, 1927, abgerufen am 9. Januar 2024.
Commons: Eduard Elbogen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. https://web.archive.org/web/20240617122801/https://www.geni.com/people/Jakob-Elbogen/6000000019594518901
  2. a b c Katharina Kniefacz, Herbert Posch: Lothar Elbogen. In: Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938. Universität Wien, abgerufen am 18. Juni 2024.
  3. https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/49514-melanie-elbogen/
  4. https://web.archive.org/web/20231209111811/https://www.jewish-places.de/DE-MUS-975919Z/facility/b8933024-6be1-4f10-9db1-3c4dfae01ba0/Bergwerkbesitzer%20%20-%20%20Eduard%20Elbogen
  5. Adressbuch aller Länder der Erde der Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbtreibenden, Gutsbesitzer etc Zugleich Handelsgeographie, Produkten- u. Fabrikanten-Bezugs-Angabe · Band 13. Leuchs, Nürnberg 1891, S. 11b (google.de).
  6. Adressbuch aller Länder der Erde der Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbtreibenden, Gutsbesitzer etc Zugleich Handelsgeographie, Produkten- u. Fabrikanten-Bezugs-Angabe · Band 13. Leuchs, Nürnberg 1891, S. 117b (google.de).
  7. Adressbuch aller Länder der Erde der Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbtreibenden, Gutsbesitzer etc Zugleich Handelsgeographie, Produkten- u. Fabrikanten-Bezugs-Angabe · Band 13. Leuchs, Nürnberg 1891, S. 86b (google.de).
  8. Adressbuch aller Länder der Erde der Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbtreibenden, Gutsbesitzer etc Zugleich Handelsgeographie, Produkten- u. Fabrikanten-Bezugs-Angabe · Band 13. Leuchs, Nürnberg 1891, S. 42b (google.de).
  9. https://collections.ushmm.org/findingaids/RG-17.003M_03_fnd_de.pdf
  10. https://hiko.univie.ac.at/PDF/20-2.pdf ; https://archive.ph/mQzpp
  11. https://webcitation.org/6RvYv0ohq
  12. https://taz.de/Interview-mit-Professorin-Cornelia-Rauh/!5359255/
  13. Verena Pawlowsky, Harald Wendelin: Arisierte Wirtschaft: Raub und Rückgabe : Österreich von 1938 bis heute; 2005; S. 142
  14. https://web.archive.org/web/20220626013245/https://weltexpresso.de/index.php/kino/3760-adel-verpflichtet-aber-nicht-zur-humanitaet
  15. https://www.archivportal-d.de/item/MYEOTOH7JX26J2PHCRDP4YA5TNF4Q5CV
  16. https://www.legacy.com/us/obituaries/washingtonpost/name/annie-parolini-obituary?id=1633312
  17. https://www.sueddeutsche.de/wissen/geschichte-geoeffnete-akten-zeigen-ns-verstrickungen-der-welfen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-161117-99-214723
  18. https://archive.ph/ieG8G Hans Safarin, Hans Witek: Und keiner war dabei
  19. https://collections.ushmm.org/findingaids/RG-17.003M_03_fnd_de.pdf
  20. https://www.sagen.at/doku/bergbau/Talk_Naintsch.html
  21. Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Band 148 (2008); S. 337
  22. https://web.archive.org/web/20240617142458/https://www.sn.at/wiki/Lothar_Elbogen
  23. Österreichisches Montan-Handbuch, Band 30 (1956), S. 189
  24. Wobei Lothars einstiger Rechtsanwalt Otto Loeb Verteidiger von Uebersberger war: https://collections.ushmm.org/findingaids/RG-17.003M_03_fnd_de.pdf