Erich Eyck

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Erich Eyck, um 1927

Erich Eyck (* 7. Dezember 1878 in Berlin; † 23. Juni 1964 in London) war ein deutsch-britischer Jurist und Historiker.

Eyck entstammte einer bürgerlichen, liberalen, jüdischen Familie. Sein Vater, der Kaufmann Joseph Eyck, und dessen Frau Helene hatten insgesamt sechs Kinder. Eyck studierte nach dem Gymnasium Rechts-, Staatswissenschaften und Geschichte in Berlin und in Freiburg im Breisgau. Das Studium schloss er 1904 mit einer Dissertation über den Vereinstag Deutscher Arbeitervereine als Dr. phil. ab. Von 1906 bis 1937 war er hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig. Im Jahr 1910 heiratete er Hedwig (geb. Kosterlitz), mit der er drei Kinder hatte: Irene (* 1911, verheiratete Reuter; † 2004)[1], Eleanor (* 4. Oktober 1913; † 12. September 2009, verheiratete Alexander)[2] und Frank Eyck (1921–2004)[3], der später in Exeter und Calgary Geschichte lehrte.[4] Eyck wandte sich gegen den Zionismus und wurde Mitglied im Hauptvorstand des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (C.V.).

Beeindruckt von Friedrich Naumann und Theodor Barth schloss sich Eyck der Fortschrittlichen Volkspartei an. Neben seiner beruflichen Tätigkeit war er von 1915 bis 1933 als politischer Publizist tätig. Im Ersten Weltkrieg, an dem Eyck aus Gesundheitsgründen nicht teilnehmen musste, arbeitete er für die linksliberale Zeitung Die Hilfe, die von Theodor Heuss geleitet wurde. Zeitweise war Eyck Herausgeber der juristischen Beilage „Recht und Leben“ der Vossischen Zeitung. Als Linksliberaler, nach dem Krieg Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei, gehörte er von 1915 bis 1920 und von 1928 bis 1930 der Stadtverordnetenversammlung von Charlottenburg an.

Im Jahr 1919 veröffentlichte Eyck mit dem Werk Des deutschen Bürgertums Schicksalsstunde eine erste größere historische Arbeit. Ihr folgte 1924 das Buch Monarchie Wilhelms II., das auch ins Englische übersetzt wurde. Eine juristische Schrift Krise der deutschen Rechtspflege erschien 1926.

Als Jude verlor er 1934 das Notariat. Eyck floh zusammen mit seiner Familie 1937 über Italien nach Großbritannien. Die Familie lebte dabei zunächst vorwiegend von der Pension, die Eycks Ehefrau betrieb. Dies ermöglichte es Eyck, sich historischen Studien zu widmen. Als erstes Werk im Exil erschien 1938 eine Biographie über William Ewart Gladstone. Eyck erhielt 1946 die britische Staatsangehörigkeit.

Danach veröffentlichte Eyck zwischen 1941 und 1944 seine dreibändige Biographie über Otto von Bismarck (Bismarck. Leben und Werk). Diese war eine der ersten kritischen Auseinandersetzungen mit der Person des Reichsgründers. Einige seiner Thesen lösten in der Fachwelt eine scharfe Kontroverse aus, haben die Bismarck Forschung aber insgesamt belebt. Unter anderem argumentierte Eyck, die deutsche Einigung sei auch ohne Bismarck möglich gewesen. Hinzu kam der Vorwurf, Bismarck habe sich machiavellistischer Methoden bedient und sei letztlich für das Scheitern der Demokratie in Deutschland verantwortlich gewesen.[5]

Später beschäftigte Eyck sich mit dem englischen Parlamentarismus (Die Pitts und die Fox). Im Jahr 1948 erschien sein Werk über das persönliche Regiment von Wilhelm II., es folgte 1950 das in verschiedene Sprachen übersetzte Buch Bismarck und das deutsche Reich und 1951 eine politische Geschichte Englands seit der Magna Charta.

1954 erschien der erste Band von Eycks zweibändiger Gesamtdarstellung der Geschichte der Weimarer Republik. Der zweite Band folgte 1957. Dabei konnte er teilweise auf bis dahin unveröffentlichte Quellen zurückgreifen. Im Jahr 1963 gab Eyck noch einen Band mit Essays heraus, in denen er bedeutende deutsche Parlamentarier der Vergangenheit porträtierte (Auf Deutschlands politischem Forum).

Eyck war einer der historischen „Außenseiter links von der Mitte“, der erheblichen Einfluss hatte auf die kritische Neuausrichtung der deutschen Geschichtswissenschaft seit den späten 1960er Jahren.[6] Von seinem langjährigen persönlichen Freund Theodor Heuss wurde Eyck 1953 das große Bundesverdienstkreuz verliehen.

als Autor
  • Der Vereinstag deutscher Arbeitervereine 1863–1868. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Verlag De Gruyter, Berlin 1904, ISBN 3-11-108889-8.
  • Die Sozialdemokratie. Buchverlag der „Hilfe“, Berlin-Schöneberg 1912.
  • Des deutschen Bürgertums Schicksalsstunde. Teubner, Berlin 1919.
  • Die Monarchie Wilhelms II. nach seinen Briefen, seinen Randbemerkungen und den Zeugnissen seiner Freunde. Ullstein, Berlin 1924.
  • Die Krisis der deutschen Rechtspflege. Verlag für Kulturpolitik, Berlin 1926.
  • Deutsches Judentum und Rechtskrisis. Drei Vorträge, gehalten auf der Tagung des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens zu Berlin vom 18.–19. Juni 1927. Juristentagung des C. V.; Jacques Stern, Bruno Weil. Vorwort Julius Brodnitz. Philo, Berlin 1927.[7]
  • Gladstone („Gladstone“, 1938). Rentsch, Erlenbach-Zürich 1938.
  • Bismarck. Leben und Werk. 3 Bände, Rentsch, Erlenbach 1941/44.
  1. 1941.
  2. 1943.
  3. 1944.
  • Die Pitt's und die Fox. Väter und Söhne. Zwei Paar verschlungener Lebensläufe. Rentsch, Erlenbach 1946.[8]
  • Das persönliche Regiment Wilhelms II. Politische Geschichte des deutschen Kaiserreiches von 1890 bis 1914. Rentsch, Erlenbach 1948.
  • Bismarck after fifty years. Vortrag vor der Historical Association. Historical Association, London 1968. (Nachdr. d. Ausg. London 1948).
  • Politische Geschichte Englands. Von der Magna Charta bis zur Gegenwart. Cornelsen, Bielefeld 1951.
  • Geschichte der Weimarer Republik. 2 Bände. Rentsch, Erlenbach 1954/56.
  1. Vom Zusammenbruch des Kaisertums bis zur Wahl Hindenburgs. 1954.
  2. Von der Konferenz von Locarno bis zu Hitlers Machtübernahme. 1956.
  • Bismarck und das Deutsche Reich („Bismarck and the German empire“, 1950). Rentsch, Erlenbach 1955.
  • Auf Deutschlands politischem Forum. Deutsche Parlamentarier und Studien zur neuesten deutschen Geschichte. Rentsch, Erlenbach 1963 (= Politisch-Historische Aufsätze).
als Herausgeber
  • Kommentar zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909. Verlag Guttentag, Berlin 1910.
  • Erich Eyck im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
  • Frank Eyck: Erich Eyck (1878–1964). In: Hartmut Lehmann, Otto Gerhard Oexle (Hrsg.): Nationalsozialismus in den Kulturwissenschaften. Band 2: Leitbegriffe – Deutungsmuster – Paradigmenkämpfe. Erfahrungen und Transformationen im Exil. Göttingen 2004, S. 545–548.
  • Frank Eyck: A Historian’s Pilgrimage Memoirs and Reflections, Vogelstein Press, 2016 (Das Buch wird nur als Kindle-Ebook über Amazon vertrieben. Ein Kapitel daraus, das sehr viele Informationen über die Familie Eyck enthält, kann als PDF-Datei heruntergeladen werden: Frank Eycks Erinnerungen).
  • Ewald Grothe: Die liberale Zerstörung einer Legende. Erich Eycks Bismarck-Biographie und ihre Rezeption. In: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung 27 (2015), S. 103–118.
  • Klaus Hildebrand: Erich Eyck. In: Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.): Deutsche Historiker. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1973, ISBN 3-525-36158-8, S. 206–227.
  • Joachim H. Knoll: Werk und Methode des Historikers Erich Eyck. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht. 16 (1965), S. 277–285.
  • William H. Maehl: Erich Eyck 1878–. In: Samuel Halperin (Hrsg.): Some 20th century historians. Essays on eminent Europeans. Chicago 1961, S. 227–253.
  • Siegfried Riemer: Politik und Ethik. Versuch einer Auseinandersetzung mit der Bismarckbiographie von Erich Eyck. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht. 5 (1954), S. 513–529.
  • Hans Schleier: Erich Eyck. In: Manfred Asendorf, Rolf von Bockel (Hrsg.): Demokratische Wege. Deutsche Lebensläufe aus fünf Jahrhunderten. Stuttgart/Weimar 1997, S. 160–162.
  • Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Band 1: Politik, Wirtschaft, Öffentliches Leben. Saur, München 1980, S. 163.
  • Eyck, Erich. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Band 6: Dore–Fein. Hrsg. vom Archiv Bibliographia Judaica. Saur, München 1998, ISBN 3-598-22686-1, S. 446–451.

Einzelnachweise

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  1. Irene Eyck heiratete 1936 in London Fritz Reuter und wanderte mit ihm zusammen nach Australien aus. „Irene Reuter, an active member of various university-related associations including the U Committee, was convener of the first Book Fair.“ About Irene Reuter. Zu Fritz Reuter: Biographical Profile of Fritz Reuter.
  2. Eleanor Eyck studierte zunächst Medizin, bevor sie im Frühjahr 1933 Deutschland verließ. Über Rolândia in Brasilien kam sie 1937 in die USA, wo sie Paul Alexander heiratete. 1961 setzte sie ihre Ausbildung fort und erhielt 1967 in Michigan ihren M. A. in Französischer Literatur. Von 1968 bis 1983 lehrte sie an der University of California, Berkeley und widmete sich danach schriftstellerischen Aufgaben. Siehe hierzu den biografischen Abriss im Vorspann zu: Eleanor Alexander: A Year in the Brazilian Interior. An Eyewitness Report. In: Sibylle Quack: Between Sorrow and Strength. Women Refugees of the Nazi Period. German Historical Institute: Cambridge University Press, Cambridge (England)/New York, 1995, S. 159 ff. Sibylle Quack: Between Sorrow and Strength im WorldCat & Sibylle Quack: Between Sorrow and Strength in Google-Books: „Born in Berlin in 1913, Eleanor Alexander (née Eyck) was educated at the Auguste Viktoria Realgymasíum. After earníng the Abitur in 1932, she attended medical schools in Berlin and Heidelberg before leavlng Germany for Paris in the spring of 1933. The followíng year she went to London as an au pair and eventually found a job teaching at a girls school. Her stay in Rolândia, Brazil - the focus of this eyewítness account – lasted from the spring of 1936 to the spring of 1937. From there she left for Cambridge, Massachusetts, to marry Paul Alexander. The couple spent the war years in Washington, D. C., where two of their three children were born. The third child was born in Geneva, New York, where Professor Alexander was teaching at Hobart College. Later, he taught at Brandeis, Michigan, and Berkeley. He died in 1977. Eleanor Alexarıder returned to school in 1961, earníng a B.A. (1963) und an M.A. in French literature (1967) at Michigan. After teaching at the University of California Extension in Berkley from 1968 to 1983, she turned to writng book reviews and essays on French and German literature. Her memoirs, Stories of My Life, were published in 1986.“ Eleanor Alexander starb am 12. September 2009 in Peterborough, New Hampshire. (ELEANOR ALEXANDER OBITUARY (Memento vom 17. April 2017 im Internet Archive)).
  3. University of Calgary: Frank Eyck fonds (Memento vom 19. April 2017 im Internet Archive).
  4. Frank Eyck: Erich Eyck (1878–1964). In: Hartmut Lehmann, Otto Gerhard Oexle (Hrsg.): Nationalismus in den Kulturwissenschaften. Band 2: Leitbegriffe – Deutungsmuster – Paradigmenkämpfe. Erfahrungen und Transformationen im Exil. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-35862-8, S. 545–548; Frank Eyck, Rosemarie Eyck: A Historian's Pilgrimage. Memoirs and Reflections, Calgary 2010.
  5. Wilfried Loth: Das Kaiserreich. Obrigkeitsstaat und politische Mobilisierung. (= Deutsche Geschichte der neuesten Zeit. Band 5). dtv, München 1996, ISBN 3-423-04505-1, S. 205.
  6. Klaus Hildebrand: Erich Eyck. S. 206.
  7. darin Eyck: Die Stellung der Rechtspflege zu Juden und Judentum. S. 31–66; Stern: Völkische Rechts- und Staatsphilosophie, S. 5–30. – Diese beiden Vorträge sind auch separat erschienen. Weil: Der politische Prozess, S. 61 ff. Weil lebte 1883 (Saarlouis) – 1961 (New York), er war Mitglied im C. V.-Hauptvorstand.
  8. Henry Fox, 1. Baron Holland (1705–1774), Charles James Fox (1749–1806), William Pitt der Ältere (1708–1778) und William Pitt der Jüngere (1759–1806).