Freihandelsabkommen EU-Japan

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Japan-EU Free Trade Agreement
Lage von EU und Japan
Europaische UnionEU, Europäische Union JapanJapan
EU Japan

Das Freihandelsabkommen EU-Japan (kurz JEFTA von englisch Japan-EU Free Trade Agreement) ist ein Freihandels- und Investitionsschutzabkommen zwischen der Europäischen Union und Japan; es wurde von 2013 bis 2017 verhandelt. Es soll das bisher umfangreichste bilaterale Handelsabkommen der EU werden und die Form eines völkerrechtlichen Vertrags haben. Da das Freihandelsabkommen JEFTA 30 Prozent des Welt-Bruttoinlandsprodukts und 40 Prozent des globalen Handels umfasst, bezeichnete es Japans Premierminister Shinzō Abe in Brüssel als „die Geburt der größten Wirtschaftszone der Welt“.[1]

Am 8. Dezember 2017 hatte der japanische Premierminister Shinzō Abe nach einem Telefonat mit Juncker den Abschluss der Verhandlungen bestätigt und angekündigt, dass JEFTA Mitte 2018 unterzeichnet werden und Anfang 2019 in Kraft treten solle.[2] Beim Investitionsschutz konnte man sich Berichten zufolge jedoch noch nicht vollständig einigen; diesbezügliche Verhandlungen sollen deshalb fortgeführt werden.[3] Nachdem eine geplante Einigung Ende 2016 fehlgeschlagen war, einigten sich am 6. Juli 2017, dem Vorabend des G20-Gipfels in Hamburg, die EU-Staaten auf den Abschluss von JEFTA.[4]

Das Abkommen wurde am 17. Juli 2018 unterzeichnet.[5]

Hintergrund: Umfang der Handelsbeziehungen zwischen der EU und Japan

Der japanische Premierminister Shinzō Abe, EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei einer Pressekonferenz bezüglich des Freihandelsabkommens im März 2017

Japan ist nach China der zweitgrößte Handelspartner der EU in Asien und der sechstgrößte weltweit:[6]

Exporte 2016 von [in Mrd. Euro] Anteil am gesamten Extra-EU-28-Handel
EU nach Japan 58,1 3,3 %
Japan nach EU 66,5 3,9 %
Deutschland nach Japan 18,4 1,5 %
Japan nach Deutschland 22,0 2,3 %

Japan ist für die EU auch ein wichtiger Investor:[7]

Summe der Extra-EU-Direktinvestitionen 2011–2014 von [in Mrd. Euro] Anteil
EU nach Japan 12,3 0,88 %
Japan nach EU 24,8 1,68 %

Inhalt des Abkommens

„[JEFTA] signalisiert den USA, dass Geschäfte zur Not auch ohne sie abgeschlossen werden können, in Richtung China zeigt es, wer in Asien die besten Investitionsbeziehungen besitzt, und für Europa öffnet es einen Weg in den asiatischen Markt, der nicht direkt durch China führt.“

Martin Schulz, Volkswirt am Fujitsu Research Institut in Tokio[8]

Absenkung von Zöllen

Exporteure aus der EU bezahlen momentan ca. EUR 1 Mrd. pro Jahr an Zöllen für die Einfuhr von Produkten nach Japan.[9] Landwirtschaftliche Produkte sind im Schnitt mit Zöllen von 21 Prozent belegt. Umgekehrt betrug 2016 das durchschnittliche Zollniveau für Importe aus Japan in die EU 4 Prozent, davon für Agrargüter ca. 12,9 Prozent und für industrielle Waren ca. 2,5 Prozent.[10]

JEFTA soll die japanischen Zölle auf Rindfleisch, Schweinefleisch und Wein senken und 85 % der Zölle auf landwirtschaftliche Produkte beseitigen. Japan soll über 200 geschützte geographische Bezeichnungen wie Roquefort und Feta anerkennen. Auch Zölle auf Textilprodukte werden gesenkt. So sollen die Zölle auf Schuhe von 30 Prozent zunächst auf 21 Prozent sinken und nach zehn Jahren ganz abgeschafft werden. Der aktuelle Zollsatz von 10 % auf japanische Autos soll innerhalb von sieben Jahren gesenkt werden.[9]

Investitionsschutz

Die EU möchte zum Investitionsschutz auch bei JEFTA statt der üblicherweise vereinbarten Schiedsgerichte den im Rahmen der Verhandlungen zu CETA entwickelten Plan eines internationalen Investitionsschutzgerichtshofs umsetzen. Japan lehnt das bisher ab.[11]

Klimaschutz

Es ist das erste Handelsabkommen, in dem sich die Unterzeichner explizit zum Pariser Klimaabkommen bekennen.[12]

Prognostizierte Vorteile von JEFTA und Zusicherungen der EU

Die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström sagte beim Japan Business Round Table bezogen auf CETA:[13]

„Mit Japan haben wir jetzt gezeigt, dass es möglich ist, dieses Modell in die Welt zu tragen. […] Wir können unseren Unternehmen, unseren Arbeitern, unseren Verbrauchern einen wirtschaftlichen und sozialen Schub anbieten, ob sie nun in Tokio, Tallinn oder Toulouse leben.“

Die EU-Kommission erhofft sich durch das Abkommen:[14]

  • Die Exporte der EU nach Japan könnten sich nach einer Studie der London School of Economics um mehr als ein Drittel erhöhen, die Wirtschaftsleistung der EU nach einer unabhängigen Studie um 0,76 Prozent.
  • Die über 600.000 in der EU mit Exporten nach Japan verbundenen Jobs und die fast gleichgroße Zahl von in japanischen Firmen in der EU beschäftigten Arbeitskräfte könnten zunehmen.
  • Als Branchen, von denen erwartet wird, dass sie besonderes von dem Abkommen profitieren, werden Arzneimittel und Medizinprodukte, Nahrungsmittel sowie Kraftfahrzeuge und Transportmittel genannt.
  • Japanische Produkte sollten für den Endkunden in der EU billiger werden.
  • Europäische Standards für Produkte, insbesondere die Standards für Nahrungsmittel und landwirtschaftliche Produkte sollen nicht betroffen sein

Nach einer Studie des Ifo-Instituts und der Bertelsmann-Stiftung vom 3. März 2017 wäre nach einer Anlaufphase von zehn Jahren für Deutschland ein Zuwachs der Exporte von 8,6 Mrd. Euro jährlich zu erwarten, ein Einkommenszuwachs von 3,4 Mrd. Euro jährlich und ein BIP-Wachstum von 0,11 Prozent.[15]

Kritik

JEFTA wurde in überwiegend nicht-öffentlichen Verhandlungen vorangetrieben: Die EU-Kommission hatte bis Juni 2017 nur vier Dokumente veröffentlicht (EU-Vorschläge zu Kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), zur regulatorischen Zusammenarbeit, zur 17. und 18. Verhandlungsrunde); das EU-Verhandlungsmandat blieb bis zu seiner Veröffentlichung im September 2017 geheim.[16]

Am 23. Juni 2017 enthüllte die niederländische Greenpeace-Sektion 200 Seiten JEFTA-Verhandlungstexte; sie zeigen laut Greenpeace:[17]

  • JEFTA mache es auf nationaler und kommunaler Ebene schwieriger, neue Umwelt- oder Arbeitsschutzregeln zu erlassen, weil diese als „nichttarifäres Handelshemmnis“ gälten.
  • Japan bestehe darauf, dass vor „privaten Schiedsgerichten“ geklagt werden könne, wenn wegen „nichttarifärer Handelshemmnisse“ Profite entgangen wären. Einen Investitionsgerichthof à la CETA konnte die EU bisher nicht durchsetzen: „Dieser Bereich werde ausgespart für die Endverhandlungen, er werde also nicht im grundsätzlichen Abkommen enthalten sein“.[18]
  • Beim öffentlichen Beschaffungswesen wolle Japan weiter einheimische Firmen bevorzugen.
  • Bei Landwirtschaftsprodukten bestehe Japan auf Standards, die weit unter CETA-Standards und allenfalls auf dem Niveau der von US-Präsident Donald Trump gekündigten TPP liegen. Bei Gentechnik wolle Japan seine „laxere Politik als Teile der EU“ durchsetzen.
  • Insgesamt seien die Umweltschutzregeln „viel schwächer“[19] als im von Trump gekündigten TPP.
  • Illegaler Holzhandel (aus Rumäniens Urwäldern nach Japan) werde „nicht […] durch konkrete Verpflichtungen“ eingeschränkt; es gebe nur die unverbindliche Aufforderung, „den Schutz der Wälder zu fördern“, nicht einmal „die seit 2013 geltende Holzregulierung der EU […] werde erwähnt.“ Bei CETA und TPP seien „die Wald-Paragrafen strenger formuliert.“
  • Japans Walfang werde nicht ausdrücklich verboten.[Anm 1] „EU-Kommissarin Malmström und die EU-Kommission ignorieren die Aufforderungen des EU-Parlaments und des Bundestags, die Beendigung des Walfangs in den Handelsabkommen zu thematisieren“, sagt Christoph von Lieven von Greenpeace.

Attac fasst seine Kritik an JEFTA wie folgt zusammen: „Mit JEFTA drohen eine Erosion von Verbraucherschutz, schärfere Standortkonkurrenz zu Lasten von Beschäftigten in der EU und in Japan und eine undemokratische Paralleljustiz zugunsten von internationalen Investoren.“[20]

Uneinigkeit besteht darüber, inwieweit das EU-Japan-Abkommen die Privatisierung der bisher überwiegend von der öffentlichen Hand betriebenen Trinkwasserversorgung sowie der Abwasserentsorgung erleichtern wird. Die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft sieht dieses Problem durch die Verwendung von Negativ- statt Positivlisten gegeben. Die Negativlisten würden die Wasser-Bereiche nicht eindeutig, explizit und dauerhaft ausklammern. Das Abkommen bleibe damit hinter dem diebsezüglich präziseren Abkommen mit Kanada (CETA) zurück.[21] Dem gegenüber stellt die Europäische Kommission klar, dass das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen keine nationale Regierungen zu einer Privatisierung oder Deregulierung zwingen würde. Auch sichere der Vorbehalt 21, dass eine etwaige Entscheidung zur Privatisierung jederzeit rückgängig gemacht werden könne.[22]

Geplante Verabschiedung

Die EU-Kommission stufte JEFTA in ihrer Sitzung am 22. Mai 2018 „als ein EU only-Abkommen ein; Bundestag und Bundesrat dürfen nach dieser Lesart nicht über das Abkommen abstimmen.“[23] Dazu splittete die EU-Kommission den Vertrag in zwei Teile. „Beim größeren und bedeutenderen Teil, der nun ausverhandelt ist, sollen die nationalen Parlamente nicht gefragt werden.“

Die deutsche Bundesregierung ging Mai 2017 „davon aus, dass das Abkommen mit Japan wie CETA als Gemischtes Abkommen abgeschlossen wird“[24] und deshalb teilweise außer für das EU-Parlament auch für die EU-Mitgliedsstaaten zustimmungspflichtig sein wird. Eine abschließende Beurteilung dieser Frage sei jedoch erst möglich, wenn der Europäische Gerichtshof sein Gutachten nach Art. 218 Abs. lV AEUV über die Zuständigkeitsverteilung zwischen der EU und den EU-Mitgliedsstaaten in Bezug auf das Freihandelsabkommen mit der Republik Singapur (EUSFTA) vorgelegt habe.

Siehe auch

Weblinks

Anmerkungen

  1. Seit einem Beschluss des Internationalen Gerichtshofs 2014 ist es der japanischen Regierung untersagt, Jagden in der Antarktis zu dulden. Diese werden jedoch im Nordpazifik sowie seit 2015 trotz des Verbots wieder in der Antarktis weiterhin durchgeführt, siehe Deutsche Welle – Japan setzt Walfang im Nordpazifik fort und CNN – Japan defies world as 'research' ship embarks on minke whale kill.

Einzelnachweise

  1. EU-Japan-Handelsabkommen: „Die größte Wirtschaftszone der Welt“. 6. Juli 2017, abgerufen am 7. Juli 2017.
  2. 日欧EPA 交渉が妥結 19年初めの協定発効目指す. 8. Dezember 2017, abgerufen am 8. Dezember 2017.
  3. Japan, EU finalize trade deal, aim at implementation in early 2019. 8. Dezember 2017, abgerufen am 8. Dezember 2017.
  4. Beschluss der EU-Staaten: Freihandelsabkommen mit Japan kommt. 6. Juli 2017, abgerufen am 17. Juli 2018.
  5. Fanal gegen Trump: EU und Japan besiegeln ihr bislang größtes Handelsabkommen. Spiegel Online, 17. Juli 2018, abgerufen am 17. Juli 2018.
  6. Statistisches Bundesamt: Deutsche Exporte im Jahr 2016 um 1,1 % gestiegen. Abgerufen am 12. Juli 2017.
  7. European Commission: Trade: Countries and regions: Japan. Abgerufen am 12. Juli 2017.
  8. Handelsblatt vom 6. Juli 2017
  9. a b www.economist.com
  10. Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage der Fraktion der LINKEN (S. 5). (PDF) 23. Mai 2017, abgerufen am 7. Juli 2017.
  11. www.tagesschau.de
  12. @1@2Vorlage:Toter Link/www.zeit.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Juli 2018. Suche in Webarchiven) zeit.de
  13. Cecilia Malmström: The Benefits of an EU-Japan Free Trade Agreement. 11. Juli 2017, abgerufen am 12. Juli 2017.
  14. How much difference will an agreement make to trade between the EU and Japan? 18. Mai 2017, abgerufen am 7. Juli 2017 (englisch).
  15. www.bertelsmann-stiftung.de
  16. EU-Japan trade negotiating directives made public. Europäischer Rat, 14. September 2017, abgerufen am 20. Dezember 2017.
  17. Leak: Handelsabkommen zwischen EU und Japan mit schwachen Umweltschutzstandards. 23. Juni 2017, abgerufen am 7. Juli 2017.
  18. Investoren werden in EU-Handelspakt mit Japan bevorzugt, Lagebericht Bundesregierung. 23. Juni 2017, abgerufen am 7. Juli 2017.
  19. Joshua P. Meltzer, Brookings Institution, in: Europe and Japan Near Trade Deal as U.S. Takes Protectionist Path. 23. Juni 2017, abgerufen am 7. Juli 2017.
  20. Attac kritisiert Erklärung zu EU-Japan-Abkommen. 6. Juli 2017, abgerufen am 7. Juli 2017.
  21. Christa Hecht: AöW-Stellungnahme zum Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und Japan. Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V. (AöW), 14. Mai 2018, abgerufen am 18. Juli 2018.
  22. Katrin ABELE: Klarstellung: EU-Japan-Abkommen führt nicht zu Wasserprivatisierung - Deutschland - European Commission. 6. Juli 2018, abgerufen am 18. Juli 2018.
  23. Netzwerk Gerechter Welthandel: JEFTA so nicht ratifizieren! Offener Brief an die Bundestagsabgeordneten. 22. Mai 2018, abgerufen am 3. Juni 2018.
  24. Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage der Fraktion der LINKEN (S. 2). (PDF) 23. Mai 2017, abgerufen am 7. Juli 2017.