Georg Jungclas
Georg Max Walter „Schorsch“ Jungclas (* 22. Februar 1902 in Halberstadt; † 11. September 1975 in Köln)[1] war ein trotzkistischer Politiker und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.
Leben
In einer sozialdemokratischen Arbeiterfamilie aufgewachsen, die 1904 nach Hamburg übersiedelte, schloss Jungclas sich 1915 der Freidenker-Jugend, 1916 der die Burgfriedenspolitik der SPD ablehnenden Freien Jugendorganisation von Hamburg-Altona, die später in der Freien Sozialistischen Jugend aufging, an. 1919 trat er auch der KPD bei und gehörte zur kleinen Minderheit der Hamburger Partei, die sich 1920 nicht der KAPD anschloss. Der nach einer kaufmännischen Lehre als Buchhändler arbeitende Jungclas nahm 1921 an der Märzaktion und 1923 als Mitglied des militärischen Apparates der KPD am Hamburger Aufstand teil und war für die Partei als Wanderlehrer und Schulungsreferent tätig und bis 1926 in einer KPD-Buchhandlung angestellt. Nach 1923 gehörte Jungclas dem linken Parteiflügel an und nahm an der innerparteilichen Opposition gegen die Parteiführung um Ernst Thälmann teil, mit Hugo Urbahns gehörte er zu den bekannteren Oppositionellen in Hamburg und schloss sich dem 1928 gegründeten Leninbund an, mit dessen trotzkistischer Minderheit gründete er 1930 die Linke Opposition der KPD (LO). Mit Trotzkis Sohn Lew Lwowitsch Sedow in Kontakt stehend, traf er Trotzki 1932 in Kopenhagen persönlich.
1933, kurz nach der Machtübergabe an die NSDAP, emigrierte Jungclas nach Kopenhagen, wo er eine Exilgruppe der in IKD umbenannten Organisation aufbaute und eine wichtige Rolle bei dem Zusammenschluss der dänischen Trotzkisten spielte. 1940, nach der Besetzung Dänemarks durch die Wehrmacht, musste Jungclas, der sich zuvor mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser gehalten hatte, untertauchen; während der Besatzung war er an der Herstellung verschiedener Untergrundzeitungen maßgeblich beteiligt. Im September 1943 nahm Jungclas gemeinsam mit seinen dänischen Genossen an der Rettungsaktion für die dänischen Juden teil. Im Mai 1944 von der Gestapo verhaftet, nach Deutschland verschleppt und in den Zuchthäusern Hamburg-Fuhlsbüttel, Moabit und Bayreuth (dort gemeinsam in einer Zelle mit Eugen Gerstenmaier) inhaftiert, entging Jungclas einem zu erwartenden Todesurteil wegen Hochverrat nur durch die Vernichtung der Akten bei der Bombardierung des Volksgerichtshofes; Mitte April 1945 schließlich wurde er von alliierten Soldaten befreit.
Nach der Befreiung begann Jungclas umgehend mit dem Wiederaufbau der Sektion der Vierten Internationale in Deutschland; von 1946 bis 1967 war er deren hauptamtlicher Sekretär. Bis Ende der sechziger Jahre war er neben Willy Boepple und Jakob Moneta die prägende Gestalt der Organisation. Er gehörte 1951 zu den Initiatoren der kurzlebigen UAPD und schloss sich dann, zwecks entristischer Arbeit gemeinsam mit dem Rest der IKD der SPD an, wo er die Marxistischen Arbeitskreise (MAK) und die Zeitschrift Sozialistische Politik ins Leben rief und in der Schulungsarbeit, v. a. in Falken- und Juso-Gruppen aktiv war. Daneben lagen Jungclas’ Schwerpunkte in der Algerien-Solidaritätsarbeit, wo er als Herausgeber der Zeitschrift Freies Algerien fungierte und in der Friedensbewegung. Nach der Trennung der SPD vom SDS solidarisierte sich Jungclas öffentlich mit dem SDS, verließ die SPD und schloss sich der SDS-Fördergesellschaft an, wodurch er in der deutschen Sektion der Vierten Internationale in eine Minderheitsposition geriet. Alters- und gesundheitsbedingt zog er sich von 1967 an nach und nach aus der praktischen politischen Arbeit zurück. 1969 an der offenen Neukonstituierung der deutschen Sektion der Vierten Internationale unter dem Namen GIM beteiligt, war er bis zu seinem Tod 1975 weiterhin publizistisch aktiv.
Jungclas war seit 1962 mit Helene „Leni“ Perz (1917–2009) verheiratet, der Tochter des Widerstandskämpfers Wilhelm Perz.[1][2] Die Grabstätte der Eheleute befindet sich auf dem Kölner Südfriedhof (Flur 1 U Nr. 61).
Werke
- „The Tragedy of the German Proletariat“. In: Ernest Mandel (Hrsg.): Fifty Years of World Revolution (1917-1967): an international Symposium. Pathfinder, New York 1968, S. 107–145.
- Die Formen des kapitalistischen Staates. Frankfurt/Main 1971
- Aus der Geschichte der deutschen Sektion der IV. Internationale. isp, Hamburg 1972.
- Zur Geschichte der Mai-Demonstration. isp, Frankfurt/Main 1976.
Literatur
- Von der proletarischen Freidenkerjugend im Ersten Weltkrieg zur Linken der siebziger Jahre: Georg Jungclas (1902-1975). Eine politische Dokumentation. Mit einem Vorwort von Ernest Mandel, Hamburg:Junius 1980 ISBN 3-88506-106-6
- Jungclas, Georg. In: Hermann Weber, Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945. 2., überarbeitete und stark erweiterte Auflage. Karl Dietz, Berlin 2008, ISBN 978-3-320-02130-6.
Weblinks
- Literatur von und über Georg Jungclas im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Text über die Untergrundarbeit der dänischen Trotzkisten 1940-45 (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ a b Sterbeurkunde Nr. 2754 vom 15. September 1975, Standesamt Köln West. In: LAV NRW R Personenstandsregister. Abgerufen am 7. Mai 2018.
- ↑ Wilfried Dubois und Helmut Wendler: Nachruf auf Leni Jungclas. In: SoZ - Sozialistische Zeitung. Abgerufen am 7. Mai 2018.
Personendaten | |
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NAME | Jungclas, Georg |
ALTERNATIVNAMEN | Jungclas, Georg Max Walter (vollständiger Name); Jungclas, Schorsch (Spitzname) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (SPD) und Widerstandskämpfer |
GEBURTSDATUM | 22. Februar 1902 |
GEBURTSORT | Halberstadt |
STERBEDATUM | 11. September 1975 |
STERBEORT | Köln |
- Person (dänischer Widerstand 1940–1945)
- NS-Opfer
- Leninbund-Mitglied
- GIM-Mitglied
- KPD-Mitglied
- SPD-Mitglied
- Teilnehmer am Mitteldeutschen Aufstand
- Teilnehmer am Hamburger Aufstand
- Häftling im KZ Fuhlsbüttel
- Emigrant aus dem Deutschen Reich zur Zeit des Nationalsozialismus
- Deutscher
- Geboren 1902
- Gestorben 1975
- Mann