Gerhart Panning

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Gerhart Panning (* 10. Juni 1900 in Erfurt; † 22. März 1944 bei Calw in Württemberg) war ein deutscher Gerichtsmediziner und Hochschullehrer. Als Oberstabsarzt nahm er tödliche Menschenversuche an jüdischen Kriegsgefangenen vor.

Werdegang

Panning war der Sohn eines Lehrers. Er besuchte das humanistische Gymnasium und schloss seine Schullaufbahn kriegsbedingt mit dem Notabitur im Juni 1918 ab. Von Mitte September 1917 bis Mitte Mai 1919 war er Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg und wurde mehrfach ausgezeichnet. Zunächst studierte er zwei Semester Philosophie an der Universität Halle. Nach seinem Medizinstudium in München, Jena und Berlin bestand er am 9. Juli 1925 das Staatsexamen. Sein Medizinalpraktikum leistete im Erfurter Krankenhaus sowie dem Virchow-Krankenhaus in Berlin ab. Am 1. Juli 1926 erhielt er die Approbation und promovierte am 29. Januar 1927 zum Dr. med. Nach sechsjähriger Assistenzzeit u. a. an den Pathologischen Instituten der Universitäten Halle/Salle und Königsberg und an der Pathologischen Anstalt der Stadt Magdeburg wurde Panning im Oktober 1933 Assistent am Berliner Institut für Gerichtliche Medizin unter Victor Müller-Heß. Von 1933 bis zu seiner Übernahme in die Wehrmacht Anfang Mai 1938 war er Mitglied im NSKK. Am 1. Mai 1938 übernahm Panning die Leitung der gerichtlich-medizinischen Untersuchungsstelle in der pathologischen Abteilung der Militärärztlichen Akademie. Am 11. Juli 1939 wurde er mittlerweile zum Oberstabsarzt aufgestiegen mit seiner Arbeit über Die vitale Reaktion am Knochen habilitiert.[1] Ab 1. Dezember 1942 wurde Panning zunächst vertretungsweise als Dozent mit dem Lehrstuhl des Instituts für Gerichtliche Medizin in Bonn betraut und schließlich dort am 28. April 1943 zum Ordinarius für gerichtliche und soziale Medizin berufen[2]. Panning war beratender Gerichtsmediziner beim Heeres-Sanitätsinspekteur.[3] Am 22. März 1944 starb Panning an den Folgen einer Lungentuberkulose im Lazarett 'Waldsanatorium Schömberg' im Kreis Calw in Württemberg.[4] Seit Ende April 1933 war Panning mit Anneliese Ilse, geborene Vorhauer, verheiratet. Das Paar bekam zwei Söhne und eine Tochter.[1]

Als Leiter der im Rahmen der pathologisch-anatomischen Abteilung der Militärärztlichen Akademie zum 1. Mai 1938 neu geschaffenen gerichtlich-medizinischen Untersuchungsstelle,[5] führte Panning vom 21. September bis 6. Dezember 1939 133 Sektionen und 11 Leichenschauen an exhumierten sogenannten Volksdeutschen durch, die im Rahmen des sogenannten Bromberger Blutsonntags umgekommen waren. Dabei ging es um die Identifizierung der Opfer, der Todesursachen und der Tatwaffen, insbesondere jedoch um die Frage, inwieweit polnische Militärgewehre die Schussverletzungen hervorgerufen hätten.[6][7]

Nach dem Überfall auf die Sowjetunion führte Panning vom 24. Juni bis 15. August 1941 in der Nähe von Schytomyr Schussversuche mit erbeuteter sowjetischer Infanteriemunition spezieller Art (Sprengmunition) durch. Dabei hätten ihm, nach Ermittlungen des Darmstädter Schwurgerichts aus dem Jahre 1968 im sogenannten Callsen-Prozess, die üblichen Untersuchungsmethoden mit Schussversuchen auf unbelebte Ziele nicht genügt. Deshalb stellte SS-Standartenführer Paul Blobel, der Kommandeur des Sonderkommandos 4a der Einsatzgruppe C auf Vermittlung des Ic-Offiziers der 6. Armee, Oberst Paltzo, und des Oberkriegsgerichtsrats der Armee, Dr. Neumann, Panning sechs jüdische Kriegsgefangene und eine Gruppe von Schützen der SS zur Verfügung:[8][9]

„Die Gefangenen mussten in der Nähe dieses Hauses in unterschiedlicher Entfernung von den Schützen stehen, knien oder sich hinlegen. Dr. P. bezeichnete den Schützen jeweils die Körperteile, auf die sie mit den von Dr. P. mitgebrachten russischen Gewehren und der russischen Explosivmunition zu schießen hatten. Die Opfer bekamen zunächst einen Schuss auf Arme, Beine oder Rumpf beigebracht, der sie nur verwunden sollte und durch den sie regelmäßig trotz der schrecklichen Wirkung des Geschosses noch nicht tödlich getroffen waren. Dann erst mit dem 2. oder 3. Schuss erfolgte der tödliche Schuss auf den Kopf des Opfers. […] Die getöteten Gefangenen wurden in das Haus gebracht und ausschließlich von Dr. P. seziert.“[10]

Die Veröffentlichung seiner „Untersuchungs-Ergebnisse“ in Der Deutsche Militärarzt verschwieg allerdings die tatsächlichen Umstände der Schussversuche.[11] In einem Brief berichtete Helmuth James Graf von Moltke seiner Frau Freya am 12. September 1941 von den Experimenten Pannings und nannte sie einen „Höhepunkt der Vertiertheit und Verkommenheit“, strafrechtliche Konsequenzen seien wünschenswert.[12]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • G. Panning: Die vitale Reaktion am Knochen (Veröffentlichungen aus der Konstitutions- und Wehrpathologie, Heft 45), Gustav Fischer Verlag, Jena 1940.
  • G. Panning: Der Bromberger Blutsonntag. Ein gerichtsärztlicher Bericht, in: Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 34, 1941, S. 7–54.
  • G. Panning: Wirkungsform und Nachweis der sowjetischen Infanteriesprengmunition, in: Der Deutsche Militärarzt 7, 1942, S. 20–30.

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b Ralf Forsbach: Die Medizinische Fakultät der Universität Bonn im „Dritten Reich“, München 2006, S. 126
  2. Nachrichtenblatt der Deutschen Wissenschaft und Technik, Organ des Reichsforschungsrates (Hrsg.): Forschungen und Fortschritte. Personalnachrichten. Ernennungen. Band 19, 23/24, 1943, S. 252.
  3. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 448
  4. vgl. Ralf Forsbach: Die Medizinische Fakultät der Universität Bonn im „Dritten Reich“, München 2006, S. 134
  5. Friedrich Herber: Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz. Militzke, Leipzig 2002, ISBN 3-86189-249-9, S. 268–269.
  6. Friedrich Herber: Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz. Militzke, Leipzig 2002, ISBN 3-86189-249-9, S. 300.
  7. Vgl. auch: Gerhart Panning: Der Bromberger Blutsonntag. Ein gerichtsärztlicher Bericht in: Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 34, 1941, S. 7–54.
  8. Friedrich Herber: Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz, Militzke Verlag, 2002, 276f.
  9. Christian Streit: Das Schicksal der verwundeten sowjetischen Kriegsgefangenen, erschienen in Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944, Zweitausendeins, 1995, ISBN 3-86150-198-8, S. 82
  10. A. Streim: Zum Beispiel: Die Verbrechen der Einsatzgruppen in der Sowjetunion, S. 89 in: A. Rückerl: NS-Prozesse/Nach 25 Jahren Strafverfolgung: Möglichkeiten – Grenzen – Ergebnisse, C. F. Müller Verlag, Karlsruhe 1972, 65–106.
  11. Friedrich Herber: Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz, Militzke Verlag, 2002, 278.
  12. VEJ 7/80.