Ghada al-Samman

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Ghada al-Samman

Ghada al-Samman (arabisch غادة السمّان, DMG Ġāda as-Sammān; * 1942 in Damaskus, Syrien) ist eine syrische Schriftstellerin und Journalistin, die seit Mitte der 1980er Jahre in Paris lebt. Ihre Werke befassen sich unter anderem mit dem Zionismus und der Situation der Palästinenser sowie mit den gesellschaftlichen und politischen Problemen im Libanon. Weiterhin gilt sie aufgrund ihrer zahlreichen Texte, die soziale und psychologische Diskriminierung von Frauen in der arabischen Welt behandeln, als feministische Autorin. Mehrere ihrer Romane wurden auf Englisch, Französisch und Deutsch veröffentlicht. Ihre Bücher zählen zu den bekanntesten Werken der zeitgenössischen syrischen Literatur.

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Al-Samman entstammt einer alteingesessenen, konservativen Damaszener Familie. Sie ist entfernt mit dem syrischen Dichter Nizar Qabbani verwandt. Ihr Vater war einige Zeit lang Präsident der Universität Damaskus und danach Minister für Kultur. Ihre Jugend wurde durch ihren Vater sehr geprägt, da ihre Mutter starb, als sie noch ein Kleinkind war. 1962 veröffentlichte sie ihre erste Sammlung von Kurzgeschichten mit dem Titel Deine Augen sind mein Schicksal. Im Jahr darauf schloss sie mit einem Bachelorexamen im Fach Englische Literatur ihre Studien an der Universität Damaskus ab und ging danach an die Amerikanische Universität Beirut, um dort den Master of Arts in Theaterwissenschaften zu erlangen. Al-Samman kehrte in der Folgezeit nicht mehr nach Damaskus zurück. Ihre weiteren Publikationen behandeln unter anderem den Sechs-Tage-Krieg und die Probleme vor und während des Libanesischen Bürgerkriegs, der 1975 begann.

In den späten 1960er Jahren heiratete al-Samman einen Verleger, mit dem sie einen Sohn hat. Im eigenen Verlag veröffentlichte sie die meisten ihrer Werke. In den 1960er Jahren wurde ihr eine Verbindung mit einigen palästinensischen Schriftstellern und Dichtern nachgesagt, so mit dem Journalisten Nasr Eddin Nashashibi und dem Dichter Kamal Nasir. Ihre Veröffentlichung einer Anzahl von Liebesbriefen, die der Schriftsteller Ghassan Kanafani in den 1960er Jahren an sie schrieb, wurde von einigen Zeitgenossen verurteilt, obgleich diese Beziehung niemals ein Geheimnis gewesen war.[1][2]

Al-Samman begann in den 1960er Jahren, belletristische Werke zu veröffentlichen und investigative Reportagen zu schreiben. Ihr erster Band mit Kurzgeschichten, Deine Augen sind mein Schicksal, erschien 1962. Alle folgenden Romane und Kurzgeschichten drücken ein starkes arabisch-nationalistisches Gefühl aus und kritisieren den Zionismus, indem sie sich auf die Seite der Palästinenser stellen. In einigen ihrer Romane, wie Beirut '75, der auch auf Deutsch erschien, entlarvt sie Klassenunterschiede, Geschlechterkonflikte und Korruption in der libanesischen Hauptstadt und sagt indirekt den bald darauf folgenden Bürgerkrieg voraus. In Ein Laib Brot schlägt wie ein Herz thematisiert sie die politische Korruption in der arabischen Welt sowie die Misshandlung von Frauen. Ein weiteres Buch, Die unvollständigen Werke (1979), handelt von ihren Erinnerungen an verschiedene Reisen in arabische und europäische Länder. In einem anderen, vom Krieg inspirierten Roman, Alptraum in Beirut, erzählt sie von ihren Erlebnissen in einem Hotel, in dem sie eingeschlossen war, als die Feindseligkeiten im ersten Jahr des libanesischen Bürgerkriegs ausbrachen. Die Kurzgeschichten in Der quadratische Mond basieren auf ihren Erfahrungen in Paris und dem Kulturkonflikt, den sie als Folge ihres Lebens im französischen Exil empfand. Aufgrund ihrer auch biografisch bedingten Vertrautheit mit der modernen westlichen Welt benutzt al-Samman literarische Stilmittel der westlichen Erzählkunst, wie den Bewusstseinsstrom, fiktive Selbstgespräche, die Vielfalt der Erzählperspektiven und die Aufhebung der Grenzen, die beim Erzählen von Geschichten das Reale vom Imaginären trennen.

Literaturkritische Analyse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In seiner 2011 auf arabisch erschienenen Studie „Das Bild des westlichen Anderen im Werk Ghada al-Sammans“ untersuchte der syrische Literaturwissenschaftler Abdo Abboud mehrere ihrer Werke in Bezug auf die Darstellung arabischer Erzählfiguren, die konfliktreiche Liebes- oder sexuelle Beziehungen zu westlichen Partnern unterhalten. Weitere Beispiele für ein problembeladenes Verhältnis von westlichen und arabischen literarischen Figuren betreffen Prosatexte, in denen al-Samman brutale Erniedrigung und Folter von Algeriern durch französischer Soldaten im Algerienkrieg darstellt. Abboud stellt dabei fest, dass in beiden Fällen der „westliche Andere“ als Feind dargestellt wird, „der in der arabischen Seele Gefühle von Hass, Groll und Trotz weckt.“ Andererseits erscheint das Leben im Westen als Zufluchtsort, an den jene Araber fliehen, die die grassierende politische Unterdrückung, Bürgerkriege und Menschenrechtsverletzungen in ihren Heimatländern satthaben. Weiterhin stellt al-Samman das Leben in Europa als idyllisch überhöht dar, was sich zum Beispiel in ihrer Beschreibung der Schweiz im Roman Die Nacht der Milliarde erkennen lässt. - Aufgrund dieser Analysen stellt Abboud fest: „Das Erscheinungsbild des Westens, das eine zivilisierte, moralische und moralische Herausforderung für die traditionelle arabische Gesellschaft darstellt, setzt Araber einem Kulturschock aus, der aus dem großen Widerspruch zwischen den Werten resultiert, mit denen sie aufgewachsen sind, und der Gesellschaft und Werte der westlichen Gesellschaft, in die sie kamen.“[3]

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1962: Deine Augen sind mein Schicksal. Kurzgeschichten.
  • 1965: Kein Meer in Beirut. Kurzgeschichten.
  • 1966: Fremde, Nächte. Kurzgeschichten.
  • 1973: Liebe. Gedichte.
  • 1975: Beirut 75. Roman. Dar Al-Adab, Beirut, Libanon.
  • 1976: I declare Love on you. Gedichte.
  • 1977: Nachtgespenster in Beirut. Roman.
  • 1994: Der quadratische Mond: Ausserirdische Erzählungen. Kurzgeschichten.
  • 1997: Der unmögliche Roman: Damaszener Mosaik. Autobiographie.
  • 2003: Eine Kostümfeier für die Toten.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Riad Ismat: Ghada Samman: Mosaic of Memory. In: Artists, Writers and The Arab Spring (= Middle East Today). Springer International Publishing, Basel 2019, ISBN 978-3-03002668-4, S. 45–51, doi:10.1007/978-3-030-02668-4_5.
  2. Ghada Samman: A Writer of Many Layers | Al Jadid. Abgerufen am 19. Oktober 2023.
  3. Abdo Abboud: صورة الآخر الغربي في أدب غادة السمّان. [Das Bild des westlichen Anderen im Werk Ghada al-Sammans]. startimes.com, 7. Januar 2011, abgerufen am 20. Oktober 2023 (arabisch).