Giorgia Meloni

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Giorgia Meloni (2022)

Giorgia Meloni (* 15. Januar 1977 in Rom) ist eine italienische Politikerin. Seit 2006 ist sie in Italien als freie Journalistin im Journalistenverband registriert. Sie ist seit 2014 Vorsitzende der Partei Fratelli d’Italia (FdI) und seit September 2020 Präsidentin der Europapartei Europäische Konservative und Reformer (EKR).[1] Im vierten Kabinett von Silvio Berlusconi war sie von Mai 2008 bis November 2011 Ministerin für Jugend und Sport. Bei der Parlamentswahl in Italien 2022 trat sie als Spitzenkandidatin ihrer Partei an und konnte diese mit großer Mehrheit gewinnen.[2]

Jugend

Meloni wuchs mit ihrer älteren Schwester Arianna und ihrer Mutter im römischen Viertel Garbatella auf. Ihr Vater, Francesco Meloni, ein aus Sardinien stammender Steuerberater, den sie in einem Interview 2006 als überzeugten Kommunisten bezeichnete,[3] verließ die Familie, als sie drei Jahre alt war.[4][5]

Ihre aus Sizilien stammende Mutter, Anna Paratore, selbst im neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI) und später in der Nachfolgepartei Alleanza Nazionale (AN) tätig,[6] hat unter dem Pseudonym Josie Bell über 140 Liebesromane verfasst.[7]

Giorgia Meloni besuchte das neusprachliche Gymnasium, das sie mit Bestnoten abschloss.[8]

Mit 15 Jahren trat sie der Fronte della Gioventù („Jugendfront“) bei, der Jugendorganisation des MSI,[9] denn die habe eigener Aussage zufolge »mit den Gaunereien und der Korruption jener Jahre« nichts zu tun gehabt.[10]

Außerdem gründete und organisierte sie noch als Schülerin die Protestbewegung Gli Antenati (deutsch: „Die Vorfahren“, aber auch der italienische Name der Zeichentrickserie Familie Feuerstein) gegen die von der christdemokratischen Unterrichtsministerin Rosa Russo Iervolino eingeleitete Schulreform. 1996 schloss sie eine Sprachenausbildung an einer Hotelfachschule ab.[11] Nach eigenen Angaben arbeitete sie zeitweilig als Kellnerin, als Barfrau in der Diskothek Piper und als Kindermädchen im Haushalt des Showmasters Fiorello.[12]

Politischer Werdegang

1996 wurde sie an die Spitze der „Azione Studentesca“, der Studentenorganisation der Partei Alleanza Nazionale (AN) (die sich zwischenzeitlich formal vom Faschismus distanziert hatte), gewählt und vertrat diese im vom Bildungsministerium geschaffenen Forum aller Studentenvereinigungen. Von 1998 bis 2002 saß sie für ihre Partei im Provinzrat von Rom. Im Jahr 2000 rückte sie an die Führungsspitze der „Azione Giovane“ (Jugendorganisation der Alleanza Nazionale) auf und wurde 2004 als erste Frau zur Präsidentin der Organisation gewählt.[4]

Bei den Parlamentswahlen in Italien 2006 trat sie für die Alleanza Nazionale in dem Wahlbezirk Latium 1 an. Sie wurde in die Camera dei deputati (Abgeordnetenkammer) gewählt und bekleidete in der 15. Legislaturperiode (2006–2008) als jüngste Abgeordnete das Amt der Vizepräsidentin der unteren Parlamentskammer. Nach ihrer Wiederwahl bei den Parlamentswahlen in Italien 2008 und dem Gewinn von Berlusconis neuem Mitte-rechts-Bündnis Popolo della Libertà (PdL) wurde sie am 8. Mai 2008 mit 31 Jahren, als jüngste Ressortchefin in der Geschichte der italienischen Republik,[10] Jugend- und Sportministerin. Dieses Amt hatte sie bis November 2011 inne. Nachdem Alleanza Nazionale und Forza Italia 2009 zur PdL fusioniert hatten, wurde sie Vorsitzende von deren Jugendorganisation „Giovane Italia“ (Junges Italien), die sie bis 2012 führte.

Aus Unzufriedenheit mit Berlusconis Führungsstil gründete Meloni im Dezember 2012 zusammen mit Ignazio La Russa und anderen die Partei Fratelli d’Italia, von der sie im März 2014 zur Vorsitzenden gewählt wurde. Bei der Europawahl 2014 erreichte die FdI nicht das Quorum von 4 %, auch wenn Meloni bei der Wahl 348.000 Stimmen auf sich vereinigen konnte.[4] Bei der Kommunalwahl in Rom 2016 trat sie als Kandidatin für das Amt der Bürgermeisterin an und kam mit 20,7 Prozent auf den dritten Platz.

Seit April 2022 wird Giorgia Meloni als eine wichtige Hoffnungsträgerin der italienischen Postfaschisten genannt und trat bei der Parlamentswahl im selben Jahr als Spitzenkandidatin ihrer Partei an.[13][14]

Positionen

In einem Interview 1996 mit dem französischen Nachrichtensender Soir 3 erklärte die damals 19-jährige Meloni, dass „Mussolini ein guter Politiker gewesen sei, der beste der letzten 50 Jahre“.[6] Zehn Jahre später gab sie in einem Interview mit Claudio Sabelli Fioretti an, dass sie zum Faschismus ein „unbeschwertes“ Verhältnis habe und diesen als Teil der italienischen Geschichte ansehe. Meloni zufolge habe Mussolini „einige Fehler gemacht, wie die Rassengesetze, den Kriegseintritt und die Errichtung eines autoritären Systems. Historisch habe er aber auch viel geschaffen, was ihn aber nicht rette(n)“ würde. Es gebe „Werte wie Freiheit und Bürgerrechte, die mehr wert seien als die Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe“.[3]

Meloni spricht sich für eine konservative Gesellschaftspolitik aus und spart dabei Agitationen gegen Homosexuelle nicht aus. Insbesondere bekämpft sie die gleichgeschlechtliche Ehe, eingetragene Partnerschaften, Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare sowie vorbeugende Maßnahmen gegen Homophobie und Transphobie, wobei sie gleichzeitig betont, dass „die Schwulen nicht diskriminiert werden“. Sie hat sich dafür ausgesprochen, die Regenbogenfamilie als verfassungsfeindlich verbieten zu lassen.[15] Eigenen Angaben zufolge habe sie sich nie rassistisch und homophob geäußert.[10]

Sie spricht sich für die Beibehaltung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch aus, obwohl sie Abtreibungen grundsätzlich ablehnt.[16]

Über die Gründung der FdI sagte Meloni, dass die Rechte in der Spätphase Berlusconis damals zu verschwinden drohte und dass sie und ihre FdI-Mitgründer den Gedanken nicht ertragen hätten, „als die Generation in die Geschichtsbücher einzugehen, die die Rechte ermordet hatte“. Sie wolle die Rechte „stärker denn je“ machen und der „italienischen Nation wieder eine patriotische Regierung geben“.

Außenpolitisch vertritt Meloni dezidiert USA-freundliche, transatlantische Positionen[17] und tritt – anders als etwa ihre rechtslastigen potentiellen Bündnispartner Salvini oder Berlusconi – ausdrücklich für die weitere Unterstützung der Ukraine durch Italien gegenüber Russland in dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine ein, und zwar auch in Form von Waffenlieferungen.[18]

Der Europäischen Union steht Meloni sehr kritisch gegenüber. Zwar strebt sie keinen Austritt Italiens mehr an, sie lehnt aber etwa den Vertrag von Lissabon ab; europäische Gesetze sollen den nationalen wieder unterstellt werden. Zudem wetterte sie wiederholt gegen Mario Draghi, der Italien zu einer „Sklavin Europas“ gemacht habe:[19][20] Ebenso kritisierte sie wiederholt die „internationale Finanzwelt“ und lehnt den Europäischen Fiskalpakt ab. Ihre frühere Ablehnung zum europäischen Corona-Wiederaufbauprogramm, aus dem Italien 191 Milliarden Euro bekommen soll, revidierte sie allerdings im italienischen Wahlkampf zur Parlamentswahl 2022.[21][22]

Nachdem die Ratingagenturen Standard & Poor’s und Moody’s Analytics den Ausblick für die Bonität Italiens nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Draghi senkten, reagierte Meloni im Wissen um die Wichtigkeit der von ihr kritisierten internationalen Finanzmärkte und der EU für die italienische Wirtschaft mit einem Beruhigungsvideo auf Englisch, Französisch und Spanisch, indem sie versuchte die Angst vor ihrer Partei aus der faschistischen Tradition zu nehmen.[23]

Eine Zusammenarbeit mit der gemäßigt linken Demokratischen Partei und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung lehnt sie kategorisch ab.

Privates

Giorgia Meloni ist Mutter einer Tochter, die aus ihrer Beziehung mit dem italienischen Fernsehjournalisten Andrea Giambruno stammt.

Literatur

  • Barbie Latza Nadeau: Femme Fascista: How Giorgia Meloni became the star of Italy's far right. In: World Policy Journal. Vol. 35, Nr. 2, Summer 2018, S. 14–21 (Digitalisat).
  • Giorgia Meloni: Io sono Giorgia, le mie radici, le mie idee (Ich bin Giorgia, meine Wurzeln, meine Ideen). Rizzoli, Rom 2021, ISBN 978-88-17-15468-0 (italienisch, 336 S., rizzolilibri.it).
Commons: Giorgia Meloni – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Press release: ECR party elects new presidency. In: ecrparty.eu. 29. September 2020, abgerufen am 30. September 2020 (englisch).
  2. Rechtsruck in Italien: Meloni klare Nummer eins. In: orf.at. 25. September 2022, abgerufen am 26. September 2022.
  3. a b Giorgia Meloni – Corriere Magazine. In: interviste.sabellifioretti.it. 7. Dezember 2006, abgerufen am 18. August 2022 (italienisch).
  4. a b c Biografia di Giorgia Meloni. In: cinquantamila.it. 31. Mai 2012, abgerufen am 18. August 2022 (italienisch).
  5. Giorgia Meloni: biografia, studi e carriera politica, curriculum. In: theitaliantimes.it. 6. März 2020, abgerufen am 18. August 2022 (italienisch).
  6. a b Giorgia Meloni nel 1996: “Mussolini è stato un buon politico, il migliore degli ultimi 50 anni”. In: repubblica.it. 16. August 2022, abgerufen am 18. August 2022 (italienisch).
  7. Lucrezia Carnevale: Anna Paratore, chi è la madre di Giorgia Meloni? Età, marito, figli, lavoro, scrittrice, libri, romanzi. In: donnapop.it. 27. Juli 2022, abgerufen am 18. August 2022 (italienisch).
  8. Giorgia Meloni, la nuova stella della destra italiana. In: genteditalia.org. 8. August 2020, abgerufen am 18. August 2022 (italienisch).
  9. Giorgia Meloni: gli inizi nel Fronte della Gioventù. In: Corriere del Veneto, 9. Mai 2019.
  10. a b c Frank Hornig: Italien – Giorgia Meloni: Ich, ich, ich. In: Der Spiegel. Abgerufen am 9. August 2021.
  11. Biografia di Giorgia Meloni. Governo italiano, Stand November 2011, abgerufen am 4. Juni 2019.
  12. Giorgia Meloni: «Io militante ventenne e i Lego con la figlia di Fiorello». In: Corriere della Sera (online), 17. Januar 2013.
  13. Hoffnung der Faschisten | WOZ Die Wochenzeitung
  14. Parlamentswahl in Italien: Nationalisten ohne Antiamerikanismus
  15. „Das Verbot der Adoption für gleichgeschlechtliche Paare gehört in die Verfassung“ gaypost.it, 29. Januar 2018
  16. Italien vor den Wahlen: Gewinnt Giorgia Meloni? Wird Italien dann faschistisch? Abgerufen am 25. September 2022 (österreichisches Deutsch).
  17. Wird diese Faschisten-Hoffnung bald Italien regieren? Abgerufen am 22. Juli 2022.
  18. Salzburger Nachrichten: Meloni will bei Wahlsieg weiter Waffen an Kiew liefern. Abgerufen am 22. Juli 2022.
  19. Wahlen in Italien - Was ein Sieg der Fratelli d'Italia für Europa bedeuten würde. 18. September 2022, abgerufen am 25. September 2022.
  20. Meloni, Salvini, Berlusconi: Gewinnen Italiens Rechtspopulisten die Wahl – oder zerlegen sie sich selbst? Abgerufen am 25. September 2022.
  21. RedaktionsNetzwerk Deutschland: Italien vor der Wahl: Giorgia Meloni warnt EU mit nationalistischen Aussagen. Abgerufen am 25. September 2022.
  22. tagesschau.de: Rechtsextreme in Italien: Wer ist Giorgia Meloni? Abgerufen am 25. September 2022.
  23. Ulrike Sauer: Nach Draghi: Wie gefährlich ist Giorgia Meloni für die Wirtschaft? Abgerufen am 25. September 2022.