Gruppenkohäsion in der Sportpsychologie

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Gruppenkohäsion oder auch Teamkohäsion stammt vom lateinischen cohaerere = „zusammenhängen“ und beschreibt grundsätzlich im weitesten Sinne den inneren Zusammenhalt einer Gruppe. Gruppenkohäsion als Phänomen wird vor allem in der Sozialpsychologie und ihren Anwendungsfeldern der Sportpsychologie sowie der Wirtschaftspsychologie erforscht. Die Bindung Einzelner innerhalb sozialer Systeme nimmt zentralen Platz in der Theorie der Gruppendynamik ein.[1][2]

Gruppenkohäsion in der Sportpsychologie

Begriffsklärung

In der Sportpsychologie wird Gruppenkohäsion gängigerweise nach Albert Carron als ein dynamischer Prozess verstanden, der sich so auswirkt, dass eine Gruppe zusammenhält und zusammen bleibt zur Erreichung ihrer Ziele und oder zur Befriedigung der emotionalen Bedürfnisse der einzelnen Mitglieder. Gruppenkohäsion ist somit mehr als „sich mögen“, weil immer Ziele enthalten sind. Diese Ziele können dabei sowohl einfach emotionale Unterstützung und die Gemeinsamkeit mit anderen sein (soziale Kohäsion), aber auch sportliche Ziele wie z.B. der Aufstieg oder persönliche sportliche Weiterentwicklung (aufgabenbezogene Kohäsion).

Wichtig ist bei Gruppenkohäsion, dass sie nie stabil ist, sondern sich auch ändern kann, beispielsweise durch Ereignisse wie verlorene Wettkämpfe / Spiele, durch das Hinzukommen oder Wegfallen von Mannschaftsmitgliedern oder auch einfach im Laufe der Zeit.

Theoretisches Modell zur Gruppenkohäsion

In der Sportpsychologie wird in der Regel das theoretische Modell von Albert Carron und Kollegen verwendet, wenn über Gruppenkohäsion gesprochen wird. Laut Modell lässt sich Gruppenkohäsion in vier verschiedene Faktoren aufteilen. Zum einen kann man unterscheiden zwischen aufgabenbezogener und sozialer Kohäsion (siehe oben). Zum anderen wird aber auch getrennt in die Einheit der Gruppe als ganzes (also wie gut der Zusammenhalt der Gesamtgruppe ist) und die persönliche Eingebundenheit einzelner Personen in die Gruppe (wie gut man sich persönlich integriert fühlt). Der Unterschied zwischen den letzten beiden Aspekten ist vor allem an einem Beispiel gut deutlich zu machen. So könnte es sein, dass man eine Mannschaft hat, bei der neun von zehn Teammitgliedern viel zusammen unternehmen und gut befreundet sind. Eine Person ist allerdings eine Art Außenseiter und geht nur selten mit den Kollegen weg. Fragt man nun diese Person nach der Einheit der Gruppe, so müsste sie sagen, dass sie hoch ist, denn für die Gesamtgruppe stimmt das ja. Aber die Person selbst ist dort nicht integriert - die eigene Eingebundenheit in die Gruppe ist demnach niedrig.

Sowohl die Einigkeit der Gruppe als auch die Eingebundenheit einzelner Personen in die Gruppe ist nun einmal für den sozialen Bereich, aber auch für den sportlichen, aufgabenbezogenen Bereich vorstellbar und so ergeben sich nach Carron die vier Faktoren der Gruppenkohäsion: Einigkeit der Gruppe - sozial, Einigkeit der Gruppe - aufgabenbezogen, Eingebundenheit des Einzelnen - sozial und Eingebundenheit des Einzelnen - aufgabenbezogen. In Untersuchungen werden diese vier Faktoren in der Regel getrennt voneinander betrachtet, allerdings bestehen selbstverständlich große Zusammenhänge zwischen den einzelnen Teilen der Gruppenkohäsion.

Messung von Gruppenkohäsion

Gemeinsam mit ihrem Modell entwickelte die Arbeitsgruppe um Albert Carron auch einen Fragebogen zur Erfassung von Gruppenkohäsion, den „Group Environment Questionnaire“. Dieser Fragebogen wird von jedem Sportler einzeln ausgefüllt und enthält 18 Fragen zu den vier oben beschriebenen Faktoren. Die Gruppenkohäsion einer Mannschaft wird dann berechnet, indem für jeden Faktor der Mittelwert der Fragen für die Gesamtgruppe ausgerechnet wird. Der Group Environment Questionnaire wurde zunächst entwickelt, um Gruppenkohäsion nur in „echten“ Sportteams zu messen, also in der Regel in Sportspiel-Mannschaften wie Fußball, Handball, Basketball, Volleyball, Hockey etc. Mittlerweile gibt es aber auch eine angepasste englische Version für Einzelsportarten, in denen in der Gruppe trainiert wird, also beispielsweise Leichtathletik oder Schwimmen. Zudem existiert eine englische Version für den in Amerika sehr populären Fitnessport.

In Deutschland gibt es einen Fragebogen, der ebenfalls auf dem Modell von Carron beruht, aber sowohl in Mannschaftssportarten als auch in Einzelsportarten anwendbar ist, da die Formulierungen entsprechend angepasst wurden. Zudem wird an der Deutschen Sporthochschule Köln gerade an der Übersetzung der Fitnessversion des englischen Fragebogens gearbeitet, um diesen dann für die Forschung im Gesundheits- und Freizeitsport einsetzen zu können.

Wozu braucht man Gruppenkohäsion im Sport?

Gruppenkohäsion ist im Sport vor allem deswegen wichtig, weil nachgewiesen werden konnte, dass Mannschaften mit einer höheren Gruppenkohäsion auch erfolgreicher sind (und umgekehrt übrigens auch). Ein sehr gutes Beispiel dafür sind in der Fußball-Bundesliga die Aufsteiger von der TSG Hoffenheim in der Saison 2008/2009. Aber auch in Einzelsportarten konnten die Forscher zumindest im englischsprachigen Raum nachweisen, dass höhere Gruppenkohäsion mit mehr Erfolg zusammenhängt. Daher kann man davon ausgehen, dass Gruppenkohäsion in fast allen Sportarten ein wichtiger Faktor ist und auf dem Weg zum Erfolg nicht unterschätzt werden sollte. Nach Meinung einiger Forscher ist Gruppenkohäsion sogar der wichtigste Aspekt innerhalb einer Gruppe.

Im Rahmen von Gesundheits- oder Freizeitsport spielt natürlich der sportliche Erfolg weniger eine Rolle. Hier ist es vor allem aus Sicht der Gesundheitsforschung spannend, ob Gruppenkohäsion dazu beitragen kann, dass Menschen häufiger zum Gesundheitssport gehen oder seltener wieder damit aufhören. Für das deutsche Sportsystem ist diese Frage bisher noch nicht geklärt worden. In der englischsprachigen Forschung gibt es aber bereits erste Studien, die darauf hindeuten, dass tatsächlich in Fitnessgruppen mit hoher Gruppenkohäsion die Teilnehmer häufiger hingehen und auch insgesamt länger dabeibleiben als in Gruppen mit niedrigerer Gruppenkohäsion. Auch in diesem Bereich ist die Gruppenkohäsion also ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Siehe auch

Quellen

  • Carron, A. V., Hausenblas, H. A. & Eys, M. A. (2005). Group dynamics in sport. Morgantown: Fitness Information Technology.
  • Carron, A. V., Colman, M. M., Wheeler, J. & Stevens, D. (2002). Cohesion and performance in sports: A meta-analysis. Journal of Sport and Exercise Psychology, 24, 168-188.
  • Carron, A. V., Widmeyer, W. N. & Brawley, L. R. (1985). The development of an instrument to assess cohesion in sport teams: the Group Environment Questionnaire. Journal of Sport Psychology, 7, 244-266.
  • Ohlert, J. (2008). Der Mainzer Fragebogen zur Atmosphäre in Sportmannschaften (MaFAS): Ein Instrument zur Erfassung von Gruppenkohäsion im Team- und Einzelsport. In G. Sudeck, A. Conzelmann, K. Lehnert & E. Gerlach (Hrsg.), Differentielle Sportpsychologie - Sportwissenschaftliche Persönlichkeitsforschung (S. 95). Hamburg: Czwalina.
  • Ohlert, J. (2012). „Kohäsionsfragebogen für Individual- und Teamsport - Leistungssport (KIT-L)“: A German-language instrument for measuring group cohesion in individual and team sports. International Journal of Sport & Exercise Psychology, 10, 39-51. doi:10.1080/1612197X.2012.645129
  • Linz, L. (2006). Erfolgreiches Teamcoaching (2. Aufl.). Aachen: Meyer & Meyer.

Einzelnachweise

  1. Bruno Klein, Rainer Marr: Das Sozialpotential betriebswirtschaftlicher Organisationen. Berlin 1979, S. 81.
  2. Rüdiger Arnscheid: Gemeinsam sind wir stark? Zum Zusammenhang zwischen Gruppenkohäsion und Gruppenleistung. Münster und New York 1999, S. 19 ff.