Heinrich Vogtherr der Ältere

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Heinrich Vogtherr der Ältere, Selbstporträt, 1537 (Holzschnitt)
Das Jüngste Gericht (Detail), Fresko, um 1523, Stadtkirche Bad Wimpfen
Turm der Grammatik, 1548
Ansicht von St. Gallen, 1545
Wappen Karls. V., 1548

Heinrich Vogtherr (der Ältere) (* 1490 in Dillingen an der Donau; † 1556 in Wien) war ein Künstler der Reformationszeit. Er war Maler, Zeichner, Holzschneider, Radierer, Buchdrucker, Verleger, Verfasser von Flugschriften, Dichter geistlicher Lieder, Autor medizinischer Schriften und Augenarzt.

Leben

Vogtherr genoss eine humanistische Bildung. Sein Vater Konrad, bei dem er seine medizinischen Fachkenntnisse erwarb, war Augenarzt und Chirurg. Sein Bruder Georg Vogtherr (1487–1539) predigte als Priester und Reformator in Feuchtwangen, sein Bruder Bartholomäus (149?-1536) war Hofaugenarzt beim Augsburger Bischof Christof Graf von Stadion und Autor medizinischer Bücher. Sein Sohn war der Maler Heinrich Vogtherr der Jüngere (1513–1568). Vogtherrs malerische Ausbildung scheint in Augsburg stattgefunden zu haben. Es wird angenommen, dass er dort von 1506 bis 1509 bei Hans Burgkmair (d. Ä.) in die Lehre ging. Seine Wanderjahre führten ihn nach Erfurt und Leipzig. 1518 kehrte er nach Augsburg zurück und unterstützte in Bild und Schrift mit einem Großteil seiner Arbeiten die Lehre Luthers (»Der Ablaßhandel in einer Kirche«, die »Totenfresser«). 1522 bis 1525 hielt er sich in Wimpfen auf, um im Auftrag des reformatorisch gesinnten Dietrich von Gemmingen Fresken für die Stadtpfarrkirche zu malen. Zudem veröffentlichte er im Geist der Reformation zahlreiche Schriften und Flugblätter wie »Der vergottet Mensch« oder »Der Bom (Baum) des Glaubens«. Seine schönste geistliche Lieddichtung »Aus tiefer Not schrei ich zu dir« gab er dort 1524 als Einblattdruck heraus. In Wimpfen stand er mit dem kommenden Bauernführer Wendel Hipler in Kontakt und lernte vermutlich auch Götz von Berlichingen kennen, weshalb sein Engagement im Bauernkrieg nicht verwundert. Als Obrist der Hegauer Bauern war er Mitte 1524 bei der letztlich (im Juli 1525) misslungenen Belagerung von Zell (Radolfzell) am Bodensee dabei. Er konnte fliehen und war etliche Monate später wohlbehalten im reformationsfreundlichen Straßburg anzutreffen, wo er sich 1526 mit seiner Familie niederließ. Auf Grund der dortigen religiösen Verhältnisse hatte sich allerdings die Auftragslage für Malerei stark reduziert (Von den Straßburger Künstlern jener Zeit wurde eigentlich nur noch Hans Baldung Grien, einer der bedeutendsten Maler der Dürerzeit, mit Gemälde-Aufträgen (vorwiegend Porträts) bedacht), weshalb Vogtherr nun vorwiegend in der Anfertigung von Buchillustrationen sein Auskommen fand. Er wurde für fast alle Straßburger Drucker tätig, schuf z. B. für das 1527 bei Grüninger erschienene „Neue Testament“ 8 ganzseitige Holzschnitte, welche nach Carl von Lützow „ganz erfüllt sind von der bilderreichen Erzählungskunst der Burgkmair´schen Schule“[1]. 1536 gründete er sein eigenes Offizin, in welchem er ausschließlich eigene Werke druckte wie z. B. das »Christliches Losbuch«, zwei »Anatomien« und das ungemein populäre, mehrfach nachgedruckte »Kunstbüchlein«, ein Musterbuch für Kunsthandwerker. Um 1538 begann er sich nach Basel zu orientieren. Seine Familie in Straßburg konnte er in späterer Folge (ab 1542) nur sporadisch sehen, da er aus finanziellen Gründen gezwungen war, fortwährend umherzureisen. So begab er sich nach Speyer, Basel, wieder nach Straßburg, mehrfach nach Augsburg und schließlich nach Zürich, wo er 1544 bis 1546 beim angesehenem Drucker Christoph Froschauer wohnte. Für dessen Werkstatt schuf er in diesem relativ kurzen Zeitraum ein überraschend umfangreiches und qualitätvolles Werk, u. a. mehr als 400 Holzschnitte für die »Schweizer Chronik» (1547/48) von Johannes Stumpf. Vogtherrs endgültiger Abschied von Straßburg war letztlich dem Mangel an Aufträgen für Buchillustrationen geschuldet. 1550 soll er von König Ferdinand I. als des „Kaysers okulist und Mahler“ nach Wien berufen worden sein. Kaiser war zu dieser Zeit noch dessen Bruder Karl V., der 1556 (in Vogtherrs Todesjahr) abdankte. Heinrich Vogtherr d. Ä. war dreimal verheiratet und Vater von 7 Söhnen und 3 Töchtern. Er verwendete auch das Pseudonym »Henricus (bzw. Heinrich) Satrapitanus«, weswegen er (nicht unumstritten) mit dem Monogrammisten »H. S. mit dem Kreuz« identifiziert wird.

Werke

Vogtherr ist insbesondere über seine Druckwerke fassbar. Seine geistlichen und medizinischen Schriften und ein Großteil seiner Holzschnitte sind in Sammlungen, Bibliotheken und Archiven (London, Wien, Straßburg, Berlin, Augsburg, Dillingen, München, Coburg und Wolfenbüttel) erhalten:

  • Das Urteil des Salomo, Erfurt 1510
  • Der Ablaßhandel, Augsburg um 1521
  • Todtentantz, Augsburg 1542/44, gilt als erste deutsche Buchausgabe der "Bilder des Todes" nach Hans Holbein d. J. [2]
  • Die Geschichte Judiths, Riesenholzschnitt, Basel 1544
  • Turm der Grammatik, Zürich 1548
  • Buchillustrationen u. a. in folgenden Werken:
  • Grüninger-, Köpfel-, Rühel- und Froschauer Bibel
  • Kunstbüchlein, 1538
  • Augsburger Geschlechterbuch (Mitarbeit)
  • Schweizer Chronik, von Johannes Stumpf, 1547/48

Es gibt nur wenige Beispiele für sein malerisches Werk:

  • Anbetung der Hirten, dat. 1518, Privatbesitz (vermutlich für die Wimpfener Familien Koberer/Baumann gefertigt, deren Wappen auf dem Gemälde zu sehen sind. Ein weiteres Wappen auf dem Bild wird als Wappen Vogtherrs gedeutet.)
  • Altarflügel für die Stadtkirche Schwaigern (1520 vollendet). Sie galten einst als Werke Jerg Ratgebs, wurden jedoch anhand des Monogramms H. V. als Werke Vogtherrs identifiziert, heute im Württembergischen Landesmuseum Stuttgart.
  • Das jüngste Gericht, 8 m hohes Fresko in der Stadtkirche Bad Wimpfen, um 1523. 1870 restauriert und leider dem Zeitgeschmack entsprechend stark übermalt.

Vogtherr wird verschiedentlich mit dem Meister der Erasmusmarter gleichgesetzt. Aus dieser Identifikation rührt die Zuschreibung von weiteren Gemälden her, darunter:

  • Martyrium des heiligen Erasmus, Öl auf Lindenholz, 97,2 x 80,2 cm, 1516, Aschaffenburger Staatsgalerie (Signatur: HS mit dem Kreuz), Urheberschaft von Frank Muller mit ziemlicher Gewissheit zugeschrieben[3][4]
  • Christus und die Ehebrecherin, Öl auf Lindenholz, 113 x 91,5 cm, um 1521, Köln, Wallraf-Richartz-Museum ( Link zur Abbildung unter Einzelnachweise Ziffer 5 )[5][6]

Einzelnachweise

  1. C. von Lützow: Geschichte des deutschen Kupferstiches und Holzschnittes, Berlin 1891, S. 172
  2. Hans Georg Wehrens: Der Totentanz im alemannischen Sprachraum. „Muos ich doch dran - und weis nit wan“. Regensburg 2012, S. 152
  3. Frank Muller: Heinrich Vogtherr l´Ancien (1490–1556) - Un Artiste entre Renaissance et Réforme, Wiesbaden 1997, S. 118 ff.
  4. Thomas Schauerte (Hrsg.): Der Kardinal Albrecht von Brandenburg – Renaissancefürst und Mäzen, Regensburg 2006, Bd. 1, S. 157 ff., Kat.72.
  5. http://www.museenkoeln.de/home/bild-der-woche.aspx?bdw=2009_14#prettyPhoto/1/
  6. Thomas Schauerte (Hrsg.): Der Kardinal Albrecht von Brandenburg – Renaissancefürst und Mäzen, Regensburg 2006, Bd. 1, S.158 ff., Kat. 73.

Literatur

  • Karl Schorbach: Vogtherr, Heinrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 40, Duncker & Humblot, Leipzig 1896, S. 192–194.
  • Friedrich Vogtherr: Geschichte der Familie Vogtherr im Lichte des Kulturlebens", Ansbach 1908.
  • Frank Muller: Heinrich Vogtherr, alias Satrapitanus, alias the Master with the Cross. In: Print Quaterly IV, 3", London 1987, S. 274–282.
  • Frank Muller: Heinrich Vogtherr der Ältere (1490–1556). Aspekte seines Lebens und Werkes, Sonderdruck aus dem Jahrbuch des Historischen Vereins Dillingen an der Donau, XCII. Jahrgang 1990, S. 173–274.
  • Frank Muller: Heinrich Vogtherr l´Ancien – Un artiste entre Renaissance et Réforme, Wiesbaden 1997.
  • Christoph Reske: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Wiesbaden 2007, S. 887 f.

Weblinks