KZ Oranienburg

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Konzentrationslager Oranienburg: Gedenktafel an der ehemaligen Lagermauer

Das Konzentrationslager Oranienburg wurde im März 1933 auf dem Gelände einer ehemaligen Brauerei von der Oranienburger SA mitten in der brandenburgischen Stadt Oranienburg eingerichtet. Damit war es eines der ersten nationalsozialistischen Konzentrationslager. Bis zur Schließung im Juli 1934 wurden in den Brauereigewölben insgesamt 3.000 Männer und drei Frauen festgehalten. Mindestens 16 Gefangene wurden von der Wachmannschaft ermordet, unter ihnen auch Erich Mühsam, der am 9. Juli 1934 ums Leben kam.

Ab 1936 wurde am Rande von Oranienburg ein weiteres KZ errichtet, das Konzentrationslager Sachsenhausen. Es ist weder zeitlich noch örtlich mit dem KZ Oranienburg identisch.

Geschichte

Vorgeschichte

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 ging mit Staatsverbrechen einher, denen mit dem Verlust an Menschlichkeit, Zivilisation und Kultur Millionen von Menschen zum Opfer fallen sollten. Die frühen Konzentrationslager waren ein zentrales Element des Terrorsystems der Nationalsozialisten. In der spontanen Gründerwelle wurde ein flächendeckendes Netz von Lagern errichtet, wobei vorhandene Gefängnisse, Lager, Kloster und Fabriken umfunktioniert wurden. Das Konzentrationslager Oranienburg ist eine der Einrichtungen in dieser ersten Phase der Verbrechen. Die "Schutzhaft" wurde ausschließlich von Exekutivorganen befohlen und war jeglicher richterlicher Kontrolle entzogen. Auch unterlag sie keinerlei Rechtsmittel oder Rechtsbehilf.

Das Gelände gehörte seit 1925 der Aktiengesellschaft für Ost- und Überseehandel (AGO), die es von dem Münchener Brauhaus erworben hatte. Die Produktion von Radiogeräten und –teilen, die hier angesiedelt war, wurde wegen geringen Bedarfs eingestellt. Da für dieses Gelände kein Käufer oder Mieter gefunden werden konnte, wurde das Grundstück mit dem leer stehenden Fabrikgebäude der SS-Standarte 208 im Februar 1933 als Unterkunft für arbeits- und wohnungslose SA-Männer zur Verfügung gestellt. Das Gelände befand sich 35 km von der Prinz-Albrecht-Straße entfernt und war mit der S-Bahn günstig zu erreichen. Es war an einer Seite durch eine Fabrikmauer begrenzt, von den anderen Seiten war es durch die Zäune und den Stacheldraht von den benachbarten Grundstücken mit Einfamilienhäusern einzusehen.

Errichtung des Lagers

Am 21. März 1933 nahm die Oranienburger SA-Standarte 208 in der Stadt und in den umliegenden Gemeinden vierzig Kommunisten gefangen. Diese wurden als erste Gefangene in die verlassenen Räume einer ehemaligen Brauerei in der Berliner Straße gebracht. Das Gelände der Alten Brauerei befand sich in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum, die Berliner Straße war damals eine belebte Ausfallstraße nach Berlin.

Die Gefangenen unterlagen der so genannten „Schutzhaft“, in der Regel ohne konkreten Tatvorwurf und ohne Beteiligung der Justizorgane. Die meisten Häftlinge wurden nach einigen Wochen aus dem KZ entlassen, andere über ein Jahr festgehalten und für manche war Oranienburg nur die erste Station auf einem langen Weg durch die Folterstätten des „Dritten Reiches“. Das Konzentrationslager Oranienburg übernahm in den folgenden Monaten eine Schlüsselstellung bei der Verfolgung der Opposition in der Reichshauptstadt.

Die ersten Häftlinge mussten nach und nach das Grundstück und die Gebäude säubern und herrichten. Zuerst wurden in den Kühlkellern, Wach- und Verwaltungsräumen Schlafstätten aus Stroh aufgeschüttet. Das Stroh begann in der hohen Luftfeuchtigkeit schon nach wenigen Tagen zu faulen, weswegen bald Pritschen errichtete wurden. Außerdem wurde eine Küche eingerichtet, zu der auch eine Wasserpumpe gehörte, Wasser- und Elektroleitungen wurden gelegt, Toiletten und Waschgelegenheiten eingerichtet. Ende des Jahres 1933 wurde eine ausgediente Lokomotive zum Heizen eingesetzt. Auf dem Dach eines Lagergebäudes war ein leichtes Maschinengewehr postiert.

Am 16. Mai 1933 wird das Konzentrationslager als Regierungslager anerkannt. Damit wurden alle benötigten Mittel durch den Staat bereitgestellt.

Häftlinge

Oranienburg war in erster Linie ein Lager für Berlin und das Land Brandenburg. Die ersten vierzig misshandelten politischen Häftlinge wurden am 21. März 1933 von SA-Leuten des Sturmbannes III der Standarte 208 auf einem Lastkraftwagen eingeliefert. Am 11. Juli 1933 trafen 79 Gefangene aus dem Konzentrationslager Börnicke und 26 Gefangenen aus dem KZ Alt Daben in Oranienburg ein. Am 29. November 1933 kamen unter anderem 168 Gefangene aus dem KZ Moringen an.

Die Zugehörigkeit zur jüdischen Religionsgemeinschaft war zu dieser Zeit noch kein Grund zur Inhaftierung. Eine Gruppe von 40 Jugendlichen im Alter von 13 bis 20 Jahren kam aus dem jüdischen Erziehungsheim Wolzig. Die jungen Männer wurden der kommunistischen Agitation bezichtigt.

Ab dem 27. März 1933 wurden Häftlingsnummern beginnend mit „1“ vergeben. In der Folge des Eintreffens wurden die Häftlingsakten weiter nummeriert, am 30. Juni 1934 wurde als letztes die Nummer „2874“ vergeben. Nummern ausgeschiedener Häftlinge wurden nicht neu an andere Häftlinge vergeben. Im Konzentrationslager Oranienburg wurden bis zur Auflösung im Juli 1934 etwa 3.000 Menschen (überwiegend Kommunisten und Sozialdemokraten) inhaftiert, unter ihnen drei Frauen. Dabei befanden sich nicht mehr als 1.200 Gefangene gleichzeitig im Lager. Die Zusammensetzung der Häftlinge entsprach den Feindbildern der Bewegung der Nationalsozialisten in der so genannten „Kampfzeit“. Mindestens 16 Gefangene, darunter der anarchistische Schriftsteller Erich Mühsam, wurden von den Wachmannschaften des Lagers ermordet.

In dieser frühe Phase der Konzentrationslager waren auch Entlassungen möglich, das betraf größere Gruppen am 1. Mai und zu Weihnachten. Die Entlassenen hatten sich schriftlich zu verpflichten, sich nicht über die Haft zu äußern und keine Regressansprüche zu stellen. Aus der Zeit des Bestehens des KZ Oranienburg sind nur zwei Fälle von Flucht aus den Außenlagern bekannt, am 11. September 1933 Arthur Plötzke und am 4. Dezember 1933 Gerhart Seger.

Seger gelang die Flucht nach Prag, wo er einen Erlebnisbericht mit dem Titel "Oranienburg" verfasste. Versehen mit einem Vorwort von Heinrich Mann erregte dieser 1934 veröffentlichte erste "authentische Bericht" aus einem Konzentrationslager internationale Aufmerksamkeit und machte Oranienburg zu einem Synonym für das nationalsozialistische Terrorregime.

Siehe auch:

Lagerleitung

Lagerkommandant war der SA-Sturmbannführer Werner Schäfer, ab März 1934 der SA-Sturmbannführer Hörnig, Adjutant der SA-Obersturmführer Hans-Hugo Daniels. In der Vernehmungsabteilung arbeiteten SA-Sturmbannführer Krüger, später SA-Sturmführer Hans Stahlkopf und Horst Wassermann. Willy Braune war für die Verwaltung verantwortlich, die Gefangenenabteilung unterstand SA- Sturmführer Werner Eve, die Wachabteilung SA Obertruppführer Kurt Tausch und die Sanitätsabteilung SA-Standartenarzt Dr. Carl Lazar.

Siehe auch:

Lageralltag

Der Häftlingstag begann um 5:30 Uhr mit dem Wecken. Nach dem Aufräumen der Schlafstätten und dem Appell gab es von 6:30 – 7:00 Uhr Frühstück: Ersatzkaffee, zwei Scheiben Brot mit Marmelade oder Pflaumenmus. Zum Mittagessen um 12:30 Uhr gab es gekochte Kartoffeln, Rüben, Kohl oder ähnliches, ohne Fleisch. Häftlinge in Außenkommandos bekamen außerdem noch zwei Scheiben Brot mit Schmalz. Um 17:00 bis 18:00 Uhr kehrten die Arbeitskolonnen von der Arbeit zurück. Nach dem Abendessen, das aus einer Doppelschnitte mit Schweineschmalz bestand, mussten die Gefangenen um 19:30 in der Unterkunft sein. Um 21:00 Uhr begann die Nachtruhe.

Die Häftlinge mussten lange Zeit ihre Privatkleidung tragen, mit der sie in das Lager eingeliefert wurden. Später wurden alte Polizeiuniformen ausgegeben. Der im Lager inhaftierte Graphiker Willi Horst Lippert aus Rathenow musste für das Lager Geldscheine entwerfen, die in der Reichsdruckerei hergestellt wurden. Die Häftlinge wurden gezwungen, Bargeld und Überweisungen von den Verwandten gegen Lagergeld einzutauschen. Dabei behielt die Lagerleitung 30 % ein, dem Häftling wurden also anstatt einer Mark nur 70 Pfennige Lagergeld ausgezahlt. Mit diesem Geld konnten die Gefangenen zusätzliche Lebensmittel oder Zigaretten kaufen.

Mehrmals im Monat war es gestattet, einen Brief zu schreiben und Päckchen zu empfangen. Als Strafe wurde aber auch Postverbot erteilt, so dass eine gewisse Zeit weder Briefe geschrieben noch Päckchen empfangen werden durften. In der Anfangszeit waren Besuche von Familienangehörigen drei Mal pro Woche für je eine Stunde gestattet, später nur noch jeden Sonntag.

Gearbeitet wurde zuerst beim Aufbau des Lagers, dem Einrichten der Lagergebäude und des Geländes. Es entstanden eine Gärtnerei, eine Wäscherei und Werkstätten. In der Schneiderei, der Schusterei, der Schlosserei, der Schmiede, in der Tischlerei und in der so genannten Waffenmeisterei des Konzentrationslagers verrichteten die Gefangenen Reparaturarbeiten für Kunden aus Oranienburg, aus Berlin und für die Reichswehr. Außerdem mieteten die Stadtverwaltung und sogar Privatpersonen KZ-Häftlinge tageweise für Zwangsarbeiten. Gefangene des Konzentrationslagers renovierten Häuser, reparierten Straßen, legten einen Fahrradweg und ein Strandbad in Oranienburg an, gestalteten die Inselweide und den Volkspark, schachteten Entwässerungsgräben aus und arbeiteten in den Wäldern der Umgebung.

Außenkommandos gab es ab dem 15. Juli 1933 in Börnicke beim Bau der SA-Gruppenführerschule, in der Ziegelei bei schweren Arbeiten und im Gut Elisenau bei Blumberg. Insgesamt wurden 30.000 Arbeitstage für die Stadt und 50.000 Arbeitstage außerhalb des Ortes geleistet. Die Bezahlung betrug 0,50 RM für einen Häftling. Diesen minimalen Lohn kassierte die Lagerleitung. Jüdische Häftlinge waren im Lager einer besonderen Schikane ausgesetzt. Sie waren in der so genannten Judenkompanie zusammengefasst und mussten zur Kennzeichnung Armbinden tragen. Häufiger als andere Häftlinge wurden sie Opfer schwerer körperlicher Misshandlungen. Zu entwürdigenden Arbeiten wie das Reinigen der Toiletten mit bloßen Händen wurden sie bevorzugt herangezogen.

Öffentlichkeit und Propaganda

Das Konzentrationslager Oranienburg spielte in der nationalsozialistischen Propaganda eine wichtige Rolle. Werner Schäfer, der erste Kommandant des KZ Oranienburg verfasste 1934 ein propagandistisches "Anti-Braunbuch" über das Lager, in dem die Misshandlung von Häftlingen geleugnet oder verharmlost wurden.

In- und ausländische Journalisten besichtigten das Lager. Im April fanden Fotoaufnahmen statt, später wurde ein Film für die Wochenschau gedreht. Die vorgetäuschte Lagerpolitik des „gläsernen KZ“ hatte das Ziel, der „jüdisch-bolschewistischen Hetzkampagne“ ein Bild von Korrektheit und Disziplin entgegenzustellen, das Konzentrationslager als Erziehungsmaßnahme zu zeigen, in der „Verhetzte“ und „Irrgeleitete“ eine Umerziehung durch schwere Arbeit erfuhren und das Recht der Sieger auf Rache zu demonstrieren.

Auflösung des Lagers

1934 legten Heinrich Himmler und der im Mai 1934 zum Inspektor der Konzentrationslager ernannte SS-Brigadeführer Theodor Eicke die Grundzüge für das künftige, allein von der SS kontrollierte System der Konzentrationslager fest. Die meisten der früheren Lager wurden geschlossen. Lediglich eine SS-Einheit, die das KZ Columbia-Haus in Berlin bewachte, blieb im Schloss Oranienburg stationiert. 1936 wurden auch Häftlinge dieses Konzentrationslagers gezwungen, die Pläne zu zeichnen, nach denen noch im gleichen Jahr das KZ Sachsenhausen am Stadtrand von Oranienburg erbaut wurde.

In der Nacht zum 2. Juli 1934 besetzte daraufhin eine Einheit der Landespolizeigruppe das Oranienburger Lager und entwaffnete die SA-Mannschaften. Theodor Eicke rückte am 4. Juli 1934 mit etwa 150 SS-Leuten an. Diese brachten die Häftlinge am 13. Juli in das Konzentrationslager Lichtenburg (Prettin/ Sachsen-Anhalt). Am 14. Juli 1934 wurde das Konzentrationslager in der Alten Brauerei Oranienburg aufgelöst, wurde jedoch weiterhin als „Reservelager für Berlin für etwa eintretenden Bedarf“ mit sechs SS-Leuten und einem SS-Führer erhalten.

Personen

Bekannte Internierte

Ermordete

Von den Wachmannschaften des Lagers wurden mindestens 16 Gefangene ermordet. Nur von einigen sind die Namen bekannt.

  • Am 16. Juni 1933 erhängte sich der Kommunist Walter Klausch nach einer „Vernehmung“ mit seinen Hosenträgern.
  • Hermann Hagedorn verstarb am 20. Juni nach schweren Misshandlungen.
  • Max Sens wurde am 28. Juni erschlagen.
  • Nach schwerer Folter verstarb Max John am 1. September 1933 im Staatskrankenhaus Berlin.
  • Gerhard Schibinski verstarb nach Misshandlungen am 2. September im Kreiskrankenhaus Oranienburg.
  • Erich Mühsam wurde nach 11-monatiger Haft am 2. Februar 1934 in das Konzentrationslager Oranienburg gebracht und in der Nacht vom 9. zum 10. Juli 1934 ermordet.

Erinnerung

Datei:Gedenkstein Erich Mühsam Oranienburg.jpg
Konzentrationslager Oranienburg: Gedenktafel für Erich Mühsam

An der Mauer, die das ersten Konzentrationslagers von der benachbarten Brauerei trennte, erinnert seit 1950 eine Tafel an die Opfer. 1974 wurde vor dem Polizeigebäude ein Gedenkstein zu Ehren Erich Mühsams errichtet. In der Inschrift wird ein Gedicht des Schriftstellers zitiert:

Ihr treibt das Rad: Ihr wirkt die Zeit;
Das Feuer flammt; jetzt und hier;
Euch mahnt das Feuer; Macht Euch bereit;
Erkennt Eure Kraft! Seid hier!

1994 wurde dieser Stein auf den kleinen gepflasterten Platz an der ehemaligen KZ-Mauer versetzt. Eine Informationstafel gibt kurz Auskunft über das hier Geschehene.

Siehe auch: Liste der Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus

Literatur

  • Gerhart Seger: Oranienburg : erster authentischer Bericht eines aus dem Konzentrationslager Geflüchteten. Mit einem Geleitwort von Heinrich Mann. Karlsbad, 1934.
  • Günter Morsch: Konzentrationslager Oranienburg. Berlin 1994
  • Bundeszentrale für politische Bildung: Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation. Berlin 1999
  • Hans Biereigel: Mit der S-Bahn in die Hölle. Wahrheiten und Lügen über das erste Nazi-KZ. Berlin 1994
  • Hans Biereigel: Schweigen ist Gold - Reden Oranienburg. Zur Geschichte des ersten Konzentrationslagers der Nazis in Preußen. Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift. Heft 9/2000

Weblinks