Karl Brunner (Pädagoge)
Karl Brunner (* 9. Juli 1872[1] in Bernstein, Bezirksamt Wunsiedel; † 1944 in Prien am Chiemsee) war ein deutscher Gymnasiallehrer. Bekannt wurde er als Literatur- und Kinozensor in Berlin 1911 bis 1922.
Familie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Brunner war ein Sohn des königlichen Pfarrers Georg Martin Brunner und dessen Ehefrau Maria (geborene Hager) aus Hof. Er hatte einen älteren Bruder Georg Heinrich Brunner (* 18. Dezember 1869), der Theologie studierte und später als Gefängnisgeistlicher tätig war.[2] Er heiratete am 5. April 1899 Emma Hartmann, die aus Salzburg stammte. Sie hatten vier Söhne und eine Tochter.
Ausbildung und Lehrtätigkeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach Besuch der Lateinschule mit Internat in Windsbach und Bestehen der Reifeprüfung im Herbst 1891 am Gymnasium in Bayreuth absolvierte Brunner zunächst sein Militärjahr in Erlangen. Anschließend studierte er ab 1892 Geschichte, germanische und klassische Philologie, sowie Kunstgeschichte in Erlangen, 1893 in Heidelberg und 1894 in München. Zu seinen Lehrern gehörten unter anderem der Historiker Bernhard Erdmannsdörffer, die Philologen Karl Zangemeister und Iwan von Müller, sowie der Philosoph Kuno Fischer.
In Heidelberg wurde er 1895 mit einer Dissertation über der pfälzischen Wildfangstreit unter Kurfürst Karl Ludwig zum Dr. phil. promoviert. Im Folgejahr absolvierte Brunner die badische Oberlehrerprüfung in Karlsruhe und war anschließend bis 1897 als Erzieher beim Baron Lotzbeck in München tätig. Während seiner Studienzeit trat er dem Erlanger, Heidelberger und später auch dem Karlsruher Wingolf bei. Von 1897 bis 1902 war er im Generallandesarchiv Karlsruhe tätig. 1901 wurde er außerordentliches Mitglied der Badischen Historischen Kommission, für die er bereits 1897 tätig war. Von 1902 bis 1911 lehrte er als Privatdozent für Geschichte an der Technischen Hochschule in Karlsruhe. Parallel dazu unterrichtete er von 1903 bis 1911 als Professor am Reuchlin-Gymnasium Pforzheim.[3]
Literatur- und Kinozensor in Berlin
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1911 wurde Brunner zum Leiter der „Zentralpolizeistelle zur Bekämpfung unzüchtiger Bilder und Schriften“ in Berlin ernannt und behielt diese Position bis 1922.[4] Dort setzte er sich vor allem für das Verbot sog. Schundliteratur ein, die in seinen Augen die Sittlichkeit der Jugend gefährdete. Er bekämpfte u. a. die im Kaiserreich populären Detektivromane. In der Zeit der Weimarer Republik bekämpfte er vor allem die Darstellung von Sexualität in Literatur, Kinofilm und Theater. So erreichte er ein Verbot des Spielfilms Anders als die Andern von Richard Oswald (1919). 1921 versuchte er, die Theaterzensur in Preußen wiedereinzuführen und ein Aufführungsverbot für Arthur Schnitzlers Stück Reigen durchzusetzen. Dies führte zu scharfer Kritik von Autoren wie Franz Blei, Paul Cassirer, Otto Flake, Siegfried Jacobsohn, Heinrich Mann und Walter Mehring sowie einer Stellungnahme des Kulturpolitikers Konrad Haenisch, alle in der Zeitschrift Die Weltbühne.[5][6][7][8] Brunner wurde nach dieser Affäre in den Ruhestand versetzt.
Schulgründer am Chiemsee
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1923 betrieb er die Gründung einer privaten Realschule in Prien am Chiemsee sowie einer Traditionsgemeinschaft Treudeutsch.[4] Sie sollten Keimzelle einer Volksbewegung für Militarismus und Keuschheit werden. Brunner überwarf sich jedoch 1925 mit den anderen Lehrkräften und wurde aus der Schule verdrängt, die 1930 aufgelöst wurde, als Behörden wegen der Unterschlagung von Sozialabgaben ermittelten. Brunner trat zum 1. August 1932 in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 1.275.625[9]), widmete sich seitdem der Förderung des Tourismus am Chiemsee und wurde aus dem Wingolf ausgeschlossen. 1937 wurde er vom Landgericht Rosenheim wegen Unterschlagung von Sozialabgaben zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Im Mai 1942 erhielt er auf Betreiben eines seiner Söhne sowie seines ehemaligen Schülers Fritz Todt die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft.
Auszeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Eisernes Kreuz als Hauptmann der Reserve und Batallionsführer im Königlich Bayerischen 7. Infanterie-Regiment
- Adlerschild des Deutschen Reiches, zum 70. Geburtstag 1942
Werke (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Der pfälzische Wildfangstreit unter Kurfürst Karl Ludwig (1664–1667). Wagner’sche Universitäts-Buchhandlung, Innsbruck 1896, S. 68, doi:10.11588/diglit.61465 (Dissertation).
- Die Bekämpfung der Schundliteratur. In: Gegen die Schundliteratur. Verhandlungen und Beschlüsse der 39. Hauptversammlung der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung am 3. und 4. Oktober 1909 in Dortmund. Berlin 1909, S. 52–91.
- Von der Geistesnahrung niedriger Art. Eine ernste Warnung. In: Thomas Westerich (Hrsg.): Das Jugendgeleitbuch. Gedenke, daß Du ein Deutscher bist. Leipzig 1914, S. 349–364.
- Im schönen Chiemgau. Ein Führer und Berater, Rosenheim 1935.
Als Herausgeber
- Unser Volk in Gefahr! Ein Kampfruf gegen die Schundliteratur. Pforzheim 1909.
- Die Hochwacht. Monatsschrift zur Wahrung und Pflege deutscher Geisteskultur. 1910–1915.
- Deutsche Taten. 1912–1914 (Buchreihe).
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Mirjam Storim: Literatur und Sittlichkeit. Die Unterhaltungsliteraturdebatte um 1900. In: Mark Lehmstadt, Andreas Herzog (Hrsg.): Das bewegte Buch. Buchwesen und soziale, nationale und kulturelle Bewegungen um 1900. Wiesbaden 1999, S. 369–396.
- Florian G. Mildenberger: Karl Brunner – Sittenwächter im Wartestand. In: Traunsteiner Tagblatt. 17. Februar 2018 (traunsteiner-tagblatt.de).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Karl Brunner: Lebenslauf. In: Der pfälzische Wildfangstreit unter Kurfürst Karl Ludwig (1664–1667). Wagner’sche Universitäts-Buchhandlung, Innsbruck 1896, S. 68 (digi.ub.uni-heidelberg.de – Dissertation).
- ↑ Georg Brunner: Lebenslauf. In: Geschichte der Reformation des Klosters und Stiftlandes Waldsassen bis zum Tode des Kurfürsten Ludwig VI 1583 … Fr. Junge, Erlangen 1901, S. 215–216 (Textarchiv – Internet Archive – Hochschulschrift, Friedrich-Alexander-Universität).
- ↑ Bunner, Karl, Dr. phil., Prof. In: Degeners Wer ist’s? Degener, Berlin 1935, S. 213.
- ↑ a b Florian G. Mildenberger: Karl Brunner – Sittenwächter im Wartestand. In: Traunsteiner Tagblatt. 17. Februar 2018, abgerufen am 3. Juni 2022.
- ↑ Gutachten über Brunner. In: Die Weltbühne. Nr. 46. Berlin November 1921, S. 501 f. (Textarchiv – Internet Archive).
- ↑ Gutachten über Brunner II. In: Die Weltbühne. Nr. 47. Berlin November 1921, S. 521–525 (Textarchiv – Internet Archive).
- ↑ Gutachten über Brunner IV. In: Die Weltbühne. Nr. 49. Berlin Dezember 1921, S. 570 ff. (Textarchiv – Internet Archive).
- ↑ Gutachten über Brunner V. In: Die Weltbühne. Nr. 50. Berlin Dezember 1921, S. 598 ff. (Textarchiv – Internet Archive).
- ↑ Bundesarchiv R 9361-II/123934
Personendaten | |
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NAME | Brunner, Karl |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Gymnasiallehrer |
GEBURTSDATUM | 9. Juli 1872 |
GEBURTSORT | Bernstein, Bezirksamt Wunsiedel |
STERBEDATUM | 1944 |
STERBEORT | Prien am Chiemsee |