„Kastrat“ – Versionsunterschied

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== Problematische Praxis ==
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Schon von der [[Spätantike]] an wurden vor allem in [[Italien]] viele Knaben kastriert, mit dem Ziel, ihnen eine Laufbahn als erfolgreicher Sänger zu ermöglichen. Dafür bot die Kastration freilich nicht die geringste Gewähr. Da der Eingriff vor Einsetzen der [[Pubertät]] vorgenommen werden musste, war nicht abzusehen, wie sich Stimme und das musikalische Talent des betroffenen Knaben entwickeln würden.
Schon von der [[Spätantike]] an wurden vor allem in [[Italien]] viele Knaben kastriert, mit dem Ziel, ihnen eine Laufbahn als erfolgreicher Sänger zu ermöglichen. Dafür bot die Kastration freilich nicht die geringste Gewähr. Da der Eingriff vor Einsetzen der [[Pubertät]] vorgenommen werden musste, war nicht abzusehen, wie sich Stimme und das musikalische Talent des betroffenen Knaben entwickeln würden.



Version vom 5. November 2009, 20:22 Uhr

Als Kastraten bezeichnete man einen Sänger, der vor der Pubertät der Kastration unterzogen worden war, um den Stimmwechsel zu unterbinden und seine Knabenstimme (Sopran oder Alt) zu erhalten. So erlangte der junge Mensch die Größe eines Erwachsenen, behielt aber die hohe Stimme und konnte mit ihr so kräftig singen wie ein Mann.

Problematische Praxis

Datei:Penis, in Deutschland beschnitten (45-jähr., mit 25 beschn.).jpg
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Schon von der Spätantike an wurden vor allem in Italien viele Knaben kastriert, mit dem Ziel, ihnen eine Laufbahn als erfolgreicher Sänger zu ermöglichen. Dafür bot die Kastration freilich nicht die geringste Gewähr. Da der Eingriff vor Einsetzen der Pubertät vorgenommen werden musste, war nicht abzusehen, wie sich Stimme und das musikalische Talent des betroffenen Knaben entwickeln würden.

Nur die wenigsten der vielen Tausend Kastraten fanden den Weg auf die Bühne. Diese begeisterten jedoch mit „überirdischer Stimme“ ihr Publikum über die Maßen.

Den weitaus meisten Kastrierten gelang die erhoffte Sängerkarriere nicht, und die verstümmelten Männer hatten ein schweres Leben. Selbstverständlich waren es nach einer Kastration nicht allein die Stimmbänder, deren Wachstum anders verlief. Dem männlichen Körper fehlten in der entscheidenden Wachstumsphase wichtige Hormone: Viele Kastrierte wurden übermäßig groß und dick und waren Riesen mit verhältnismäßig hoher Sprechstimme, die etwa der eines hohen Tenors glich.

Geschichte

Kastraten in der Kirchenmusik

Im Christentum lehnte die Mehrzahl der Gelehrten die Kastration ab, es gab aber auch Befürworter. Erst Papst Sixtus V. hat am 7. Juni 1587 ein eindeutiges Verbot erlassen. Doch schon 1588 war ein Kastrat päpstlicher Sänger, und noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Knaben kastriert. Den Opfern der verbotswidrig fortgesetzten Praxis boten die Päpste seit Clemens VIII. eine Existenz als Sänger für hohe Stimmen in der päpstlichen Kapelle. 1922 starb Alessandro Moreschi, der letzte Kastrat der päpstlichen Kapelle und der einzige, von dem Tondokumente erhalten sind.

Kastraten seit dem Barock

Kastraten waren im europäischen Musikleben des 17. und 18. Jahrhunderts beliebt und genossen oft hohes Ansehen. Zu den berühmtesten Kastraten des 18. Jahrhunderts zählen Senesino, Farinelli, Caffarelli und Antonio Bernacchi. Sie gehörten zu den ersten Superstars der Musik, ihr Genre war vorzugsweise die Oper. Der 1792 geborene Gioachino Rossini soll durch Intervention seiner Mutter vor der Karriere als Sängerkastrat bewahrt worden sein. Er selbst schrieb sein Alterswerk Petite Messe solennelle im Jahre 1863 für „zwölf Sänger der drei Geschlechter“[1], wohl wissend, dass es keine Kastraten mehr gab, eine merkwürdig-ironische Äußerung eines Mannes im Alter seiner „Altersünden (Péchés de vieillesse)“.

Ersatz im 20. Jahrhundert

Seit der Abschaffung der Kastrationspraxis stellt die Besetzung von Männerrollen in Sopran-oder Altlage ein besonderes Problem für die Aufführung Alter Musik dar. Im 20. Jahrhundert war es lange üblich, solche Rollen in typische Männerlagen zu transponieren, um den von Werken des 19. Jahrhunderts geprägten Hörerwartungen zu entsprechen (→ Heldentenor). Mit der Entwicklung der Historischen Aufführungspraxis hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass eine Änderung der Stimmlage die Struktur der Musik beeinträchtigt – insbesondere etwa bei Liebesduetten in Barockopern, bei denen die beiden Stimmen oft in der gleichen Lage miteinander verwoben sind. Deshalb behilft man sich mit Frauenstimmen oder Countertenören, deren Falsett aber deutlich anders klingt als eine Knabenstimme, wie Kastraten sie hatten.

Die Möglichkeiten digitaler Klangmanipulation wurden im Film über den Kastraten Farinelli (1994) angewandt, um aus den Stimmen einer Sopranistin und eines Countertenors eine synthetische Kastratenstimme zu mischen. Grundlage dafür waren Tondokumente des letzten Kastraten Moreschi und zeitgenössische Beschreibungen. Eine grundlegende Idee der Kastratenstimme im 17. Jahrhunderts war es, eine Stimme zu schaffen, die alles Menschenmögliche übersteigt. Insofern kommt die Idee, für den Film technisch eine Stimme zu kreieren, die es in der Realität nicht gibt, nämlich die Mischung von weiblicher Sopran- und männlicher Altus-Stimme, der historischen Kastratenstimme nicht nur auf eine sehr originelle, sondern auch technisch sehr aufwändig realisierte Art nahe.

Kastraten als Thema in der Literatur

  • Im Buch „Melodien“ von Helmut Krausser wird die Figur des Kastraten und Komponisten Marc Antonio Pasqualini (1614-1691) mit einer fiktiven Vita beschrieben und besonders auf seinen Leidensweg und seine Stellung in der Gesellschaft eingegangen.
  • Erzählung „Sarrasine“ von Honoré de Balzac [1]
  • Roman „Der Virtuose“ von Margriet de Moor (deutsch 1994)
  • Im Kriminalroman „Das Gift der Engel“ von Oliver Buslau (2006) bildet ein Musikwissenschaftler in einem abgelegenen Anwesen einen operierten Knaben zu einem Kastraten aus.
  • In den historischen Kriminalromanen "Imprimatur", "Secretum" und "Veritas" des italienischen Autorenpaares Rita Monaldi und Francesco Sorti ist der (historisch belegte) Kastrat Atto Melani eine der zentralen Figuren.
  • In dem Roman "Falsetto" von Anne Rice wird die Geschichte des Marco Antonio Treschi, genannt Tonio, erzählt, der als 15 jähriger in Venedig entdeckt und durch eine Intrige zum Kastraten wird. Erfolgreich und berühmt sinnt er auf Rache.

Siehe auch

Weblinks

Literatur

  • Richard Somerset-Ward: Angels & monsters: male and female sopranos in the story of opera, 1600 - 1900, Yale Univ. Press, 2004
  • Hans Fritz: Kastratengesang: hormonelle, konstitutionelle und pädagogische Aspekte, Schneider, 1994 ISBN 978-3-7952-0797-7
  • Hubert Ortkemper: Engel wider Willen. Die Welt der Kastraten. Eine andere Operngeschichte, Berlin 1993

Einzelnachweise

  1. Rossini in Passy 1863, zitiert nach Joachim Risch