Ludwig Dexheimer

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Ludwig Dexheimer
Porträt, unbekanntes Datum
Unterschrift Ludwig Dexheimers

Ludwig Friedrich Dexheimer (* 6. August 1891 in Nürnberg[1]; † 7. Oktober 1966 in Offenbach am Main) war ein deutscher Chemie-Ingenieur und Schriftsteller.

Leben

Dexheimer, Sohn eines Nürnberger Kaufmanns, besuchte nach dem Abitur von 1909 bis 1911 für ein viersemestriges Studium der Chemietechnik das Königlich Bayerische Technikum (heute: Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm).[2][3] Von 1911 bis zum Übergang des Werkes an die I.G. Farbenindustrie AG im Jahre 1926 arbeitete und forschte Dexheimer im analytischen Labor der Chemischen Fabrik Griesheim-Elektron, Werk Offenbach. Während des Ersten Weltkriegs war er im gleichen Werk als vereidigter Chemiker für Munitionsuntersuchungen tätig, weshalb er vom Militärdienst freigestellt war.[1] Wegen Stilllegung mehrerer Betriebsteile verlor er 1929 seinen Arbeitsplatz und betätigte sich anschließend als Autor von Fachartikeln.[4] Im Jahre 1937 konnte er in seinen erlernten Beruf zurückkehren. In den 1950er Jahren arbeitete er in einem Chemielabor der US Army.[5]

Von 1949 an war er Schatzmeister der in Frankfurt am Main ansässigen Südwestdeutschen Gesellschaft für Weltraumforschung.[6]

Dexheimer blieb unverheiratet.[6]

Wirken als Schriftsteller

Unter dem Pseudonym Ri Tokko veröffentlichte Dexheimer sein einzig bekanntes literarische Werk Das Automatenzeitalter – ein prognostischer Roman. Das Buch erschien im November 1930 im Amalthea-Verlag, Wien, vordatiert auf 1931. Die Ideenfülle und die Treffsicherheit seiner Prognosen machen den Roman zu einer der faszinierendsten Utopien des 20. Jahrhunderts.[6] So beschreibt er zum Beispiel die von Papier losgelöste Wissensvermittlung über ferntechnische Apparate aus Zentralbibliotheken, zeitgleich nutzbar von unzähligen Lesern. Hierbei handelt es sich um einer der ersten Formulierungen der Idee des Internets. Auch die Wiedererschaffung ausgestorbener Arten (im Roman konkret: Dinosaurier) durch die Kunst der Biologen skizziert er als Zukunftstraum. Hormonelle Empfängnisverhütung, Recycling und geklonte Menschen sind neben vielem anderen ebenfalls Gegenstand seiner Visionen.[7]

Das Automatenzeitalter stellt zudem wegen Dexheimers pazifistisch-liberaler Einstellung eine Rarität in der deutschen Science Fiction der Vorkriegszeit dar[6]:

„Das Automatenzeitalter von Ri Tokko gehört zu den faszinierendsten Utopien des 20. Jahrhunderts, nicht aus literarischen Gründen, sondern wegen der Fülle der Ideen, der Modernität der Bilder, der Treffsicherheit der Prognosen und der pazifistisch-liberalen Einstellung des Verfassers – eine Rarität in der deutschen Science Fiction der Vorkriegszeit. Die Qualitäten des Romans überstrahlen bedenkliche Eigenschaften wie etwa die Hochschätzung der Eugenik und machen ihn auch 74 Jahre nach der Erstausgabe noch lesenswert. Die Lektüre ermöglicht zudem den Einblick in das Denken und Fühlen eines Mitglieds der technischen Intelligenz am Ende der Weimarer Republik.“

Ralf Bülow in Das Automatenzeitalter[8]

Das Buch wurde zum 31. Dezember 1938 von der nationalsozialistischen Reichsschrifttumskammer wegen pazifistischer Stellen[9] in die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ aufgenommen und damit faktisch verboten.[10]

Sonstiges

  • Das Pseudonym Tokko kommt vermutlich aus dem buddhistischen Sprachraum und bezeichnet ein Zauberinstrument, auch Dokko genannt, das der Priester Kūkai einsetzte, um einem Felsen warmes Wasser zur Heilung eines Kranken zu entlocken[11]
  • In Offenbach existiert ein Ludwig-Dexheimer-Kreis, der sich unter anderem dafür einsetzt, dass eine Straße nach dem Autor benannt wird[12]

Werke

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Ludwig Dexheimer: Das Automatenzeitalter. Hrsg.: Ralf Bülow. Shayol, Berlin 2004, ISBN 3-926126-37-X, S. 16 f. (Eigenhändiger Lebenslauf Dexheimers vom 13. August 1937 [PDF]). (PDF; 492 kB)
  2. Das Kgl. Bayer. Technikum in Nürnberg. Bericht über das 3. Studienjahr 1909–1910, S.14. (PDF; 2,3 MB)
  3. Das Kgl. Bayer. Technikum in Nürnberg. Bericht über das 4. Studienjahr 1910–1911, S.15. (PDF; 2,49 MB)
  4. Exemplarisch: Stiefkinder unseres Verkehrswesens: Telephon und Rohrpost. In: Deutsche-Bergwerks-Zeitung, vom 1. November 1934. Auf: epilog.de, abgerufen am 7. Dezember 2013
  5. Ralf Bülow: Der Mann aus Offenbach, der die Zukunft kannte. focus.de, 5. November 2013, abgerufen am 5. Dezember 2013.
  6. a b c d Ri Tokko: Das Automatenzeitalter. Mit Wilhelm Ostwald ins Jahr 2500. (PDF; 2,2 MB) Vortrag von Ralf Bülow. Auf: fksfl.de, vom 19. November 2004, abgerufen am 5. Dezember 2013
  7. Made in Franken. Radiofeature von Bayern 2, dort 9:40–15:50 min. Auf: br-online.de, vom 8. Januar 2012, abgerufen am 11. Dezember 2013. (Mp3; 48,96 MB)
  8. Ludwig Dexheimer: Das Automatenzeitalter. S. 9 ff. (Einführung von Ralf Bülow zu Das Automatenzeitalter [PDF]). (PDF; 492 kB)
  9. Ludwig Dexheimer: Das Automatenzeitalter. S. 14 (Einführung von Ralf Bülow zu Das Automatenzeitalter [PDF]). (PDF; 492 kB)
  10. Online-Veröffentlichung der Liste der von den Nationalsozialisten verbotenen Schriften. Auf: berlin.de, abgerufen am 5. Dezember 2013
  11. Goedart Palm: Ri Tokko oder die Liebe zum Automaten. heise.de, 16. April 2006, abgerufen am 5. Dezember 2013.
  12. Treffen Ludwig-Dexheimer-Kreis. Auf: fr-online.de, vom 3. Dezember 2013, abgerufen am 5. Dezember 2013