Otto Normalverbraucher

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Otto Normalverbraucher (auch Otto Normalbürger oder kurz Otto Normal) ist eine fiktive Person mit den durchschnittlichen Bedürfnissen bzw. Eigenschaften der Gesamtbevölkerung. Der Name beschreibt in der Marktforschung den durchschnittlichen Verbraucher. Er ist einer von mehreren deutschen Platzhalternamen.

Entstehung und Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Populär wurde der Name durch den deutschen Spielfilm Berliner Ballade von 1948, eines der ersten Filmprojekte der Nachkriegszeit. Gert Fröbe spielt darin den nach Berlin heimgekehrten Wehrmachtssoldaten Otto Normalverbraucher. Drehbuchautor Günter Neumann legte ihn als Durchschnittsmann und ehrlichen Typen an, der sich in der zerstörten Reichshauptstadt durch das Leben schlägt. Arbeit findet er in einer Druckerei, die Schilder mit dem Aufdruck „Ware noch nicht eingetroffen“ herstellt.[1]

Der Nachname „Normalverbraucher“ stammt von Lebensmittelmarken, die im Zweiten Weltkrieg und noch mehrere Jahre nach Kriegsende ausgegeben wurden. Marken mit dem Aufdruck „Nur für Normalverbraucher“ gingen an Personen, denen kein besonderer Bedarf zuerkannt wurde – anders als etwa Schwerstarbeitern, Schwangeren oder Kriegsversehrten.[1]

Otto hieß seit der Kaiserzeit im Berlinischen eine Sache, über die in expressiven Anredesätzen Hochachtung ausgedrückt wurde, einen Braten etwa: „Das ist aber ein Otto!“ Der Schauspieler Hans Albers, der um 1930 zum Star wurde, popularisierte die Wendung und trug selbst den Spitznamen „Otto-Otto“. Neumann kannte Hans Albers, als er das Drehbuch für die „Berliner Ballade“ schrieb. In der Vorlage, Neumanns Kabarettprogramm „Schwarzer Markt“ von 1947, fehlte die Figur noch.[1]

In seinem Buch Hitlers Volksstaat schrieb der Historiker Götz Aly, der Name „des seither sprichwörtlichen Otto Normalverbrauchers“ entstamme bereits der Kriegszeit um 1942. Die Aussage ist nicht belegt.[2]

Als ähnliche Bezeichnungen kommen in der Gegenwartssprache auch Otto Normalbürger[3] oder Otto Normal[4][5] vor.

Ablösung des Typs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit der Ausdifferenzierung des Konsumverhaltens in der Bundesrepublik Deutschland in den 1970er Jahren verlor der Typ an Aussagekraft. Eine Studie stellte 1979 neue „Sinus-Milieus“ fest.[1] „Der Regelkonsument ‚Otto Normalverbraucher‘“, schrieb der Markt- und Verbraucherforscher Rüdiger Szallies, „wird abgelöst durch den postmodernen anything-goes-Typ ‚Markus Möglich‘, der für alle Optionen offen ist.“[6] Zudem war Otto Normalverbraucher ein Mann, während viel neues Umsatzwachstum von Frauen ausging. Auch das unterschiedliche Konsumverhalten west- und ostdeutscher Haushalte ab 1990 konnte sich in einem Otto Normalverbraucher nicht wiederfinden.[1] In Umgangssprache und Medien ist der Begriff bis heute gebräuchlich.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Otto Normalverbraucher – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e Dietmar Bartz: Superstar Otto Normalverbraucher. In: Die Tageszeitung. 1. Februar 2003, abgerufen am 17. August 2023.
  2. Götz Aly: Hitlers Volksstaat – Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus, Frankfurt am Main 2005, S. 206.
  3. Joe Sixpack – Otto Normalbürger. In: leo.org. 2. Januar 2009, abgerufen am 29. Oktober 2019.
    Otto Normalbürger. In: OpenThesaurus. 2019, abgerufen am 29. Oktober 2019.
  4. Prof. Dr. Otto Normal rät … In: dfg.de. Deutsche Forschungsgemeinschaft, 2019, abgerufen am 29. Oktober 2019.
  5. ARD-Morgenmagazin: Sportschlau, 29. Oktober 2019.
  6. Rüdiger Szallies, Wertewandel und Konsum. Landsberg/Lech 1990, S. 53, zitiert nach Kai-Uwe Hellmann, Der ideale Kunde: möglichst gebunden und immer treu. In: Heike Jacobsen, Stephan Voswinkel (Hrsg.), Der Kunde in der Dienstleistungsbeziehung. Beiträge zur Soziologie der Dienstleistung, Wiesbaden 2005, S. 101.