Micraster
Micraster | ||||||||||
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Micraster | ||||||||||
Zeitliches Auftreten | ||||||||||
Kreide bis Paläogen | ||||||||||
93,5 bis 56 Mio. Jahre | ||||||||||
Fundorte | ||||||||||
Europa, Nordamerika, ehem. Sowjetunion | ||||||||||
Systematik | ||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||
Micraster | ||||||||||
Agassiz, 1836 |
Die Gattung Micraster umfasst fossile, ehemals im Substrat lebende (geophage) Seeigel (Echinoidea), deren äußere Form an ein Herz erinnert. Im Deutschen werden sie daher auch als Herzigel bezeichnet. Ihre Schale setzt sich aus Calcit mit hohem Mg-Gehalt zusammen. Seeigel der Gattung Micraster werden vor allem in der Schreibkreide gefunden und können aufgrund ihrer typischen Morphologie und guter Erkennbarkeit zur Biostratigraphie verschiedener Gesteinshorizonte verwendet werden.[1][2]
Beschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die herzförmige bis ovale Kalkschale von Micraster-Seeigeln kann eine Größe von bis zu 10 cm vorweisen. Micraster verfügen über eine bilaterale Symmetrie mit fünf sternartig vertieften Kalkelementen (Ambulakralfeldern, Pelatoiden) um den Scheitelschild (Apikalsystem), an dem die Neubildung der Kalkelemente stattfindet. Diese reichen von der Oberseite bis zur Unterseite und sind mit Ambulakralfüßchen versehen, welche durch Poren in den Innenraum des Seeigels reichen. Das Peristom (Mundöffnung) befindet sich an der Unterseite (oral), jedoch im vorderen Bereich (anterior), unterhalb der sichtbaren Einkerbung, nicht mittig wie bei anderen Echinoideen. Das Periprokt (After) liegt ebenfalls nicht mittig, sondern an der Oberseite (aboral) im hinteren Bereich (posterior). Beide sind durch eine Verdickung der Kalkschale zusätzlich geschützt. Zu Lebzeiten bot die asymmetrische Anordnung sowohl Schutz vor möglichen Fressfeinden als auch verbesserte Mobilität im Substrat.[3][4][5][6][7]
Klassifikation / Systematik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Gattung Micraster gehört zur Familie der Micrasteridae in der Unterordnung Micrasterina, welche der Ordnung der Spatangoiden (Spatangoida) angehört. Diese sind der Klasse Echinoidea (Seeigel) untergeordnet, welche zum Stamm Echinodermata (Stachelhäuter) gehören. Diese gehören wie die Kiemenlochtiere (Hemichordata) zum ranglosen Taxon Ambulacraria und zum Überstamm der Neumünder (Deuterostomia).[5][8]
Alter und Fundstellen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Micraster lebten vermutlich in der Zeitspanne zwischen 93,5 Ma (Turonium, Kreide) und 56 Ma (Paläozän, Paläogen). Sie können sowohl in Europa, Nordamerika und im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion gefunden werden. Die bekanntesten Fundstellen in Deutschland befinden sich in Wüllen bei Ahaus, Halle/Westfalen, Coesfeld und Höver/Misburg.[5][8]
Forschungsgeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Erste Funde und Beschreibungen von Echinoideen der Gattung Micraster wurden bereits im 18. Jahrhundert gemacht. Im 19. Jahrhundert beschrieb und klassifizierte der Paläontologe Louis Agassiz erstmalig die Gattung Micraster und legte die Grundlage für deren systematische Kategorisierung. Detaillierte paläontologische Untersuchungen folgten im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert durch Forscher wie Thomas Wright und Mortensen. Diese trugen erheblich zur Beschreibung, Taxonomie und Systematik bei. Im Laufe des 20. Jahrhunderts begann die Anerkennung von Micraster als biostratigraphisches Leitfossil für die Oberkreide. Studien zur Paläobiogeographie halfen, die Verbreitungsmuster und die evolutionäre Entwicklung von Seeigeln in der Kreidezeit zu rekonstruieren.[8]
Ökologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Micraster belebte den küstennahen flachmarinen Raum und lebte teilweise im Sediment eingegraben (semi-infaunal), um sich vor Fressfeinden zu schützen. Die Form ihres Gehäuses ermöglichte ein erleichtertes Fortbewegen durch einen gerichteten Strom des wassergesättigten Substrats. Micraster ernährten sich durch die Filterung von Nährstoffen aus den sie umgebenden Ablagerungen und Sedimenten (Ablagerungs-Fresser, Detritusfresser[9]).[5][8][3]
Arten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Micraster acutus
- Micraster americanus
- Micraster bibicensis
- Micraster brevis
- Micraster burgiensis
- Micraster carinatus
- Micraster coranguinum
- Micraster coranguinum simpsoni (Unterart)
- Micraster coravium
- Micraster corbovis
- Micraster cortestudinarium
- Micraster cracoviensis
- Micraster depressus
- Micraster desori
- Micraster eysdenensis
- Micraster gappi
- Micraster glyphus
- Micraster leskei
- Micraster montensis
- Micraster norfolkensis
- Micraster piriformis
- Micraster pseudorostratus
- Micraster rogalae
- Micraster schroederi
- Micraster schroederi planus (Unterart)
- Micraster subglobosus
- Micraster trangahyensis
- Micraster uddeni
- Micraster vistulensis
- Micraster (Gibbaster) (Untergattung)
- Micraster (Gibbaster) gibbus
- Micraster (Gibbaster) norfolkensis
- Micraster (Plesiaster) (Untergattung)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Smith, A.B. (1992) Echinoid distribution in the Cenomanian: an analytical study in biogeography. Paleogeography, Paleoclimatology, Paleoecology. Volume 92, Issues 3–4, Pages 263–276.
- Gale, A.S. (1996) Turonian correlation and sequence stratigraphy of the Chalk in southern England. Geological Society, London, Special Publications. Volume 103, Pages 177–195.
- Zamora, S. et al. (2008) The infaunal echinoid Micraster: Taphonomic pathways indicated by sclerozoan trace and body fossils from the Upper Cretaceous of northern Spain. Volume 41, Issue 1, January–February 2008, Pages 15–29.
- Kermack, K. A. (1954). A Biometrical Study of Micraster coranguinum and M. (Isomicraster) senonensis. Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Series B, Biological Sciences, 237(649), 375–428.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Siegfried Taake: Micraster "Ein Herz von einem Seeigel". .
- Micraster, auf mineralienatlas.de
- Micraster L. Agassiz, 1836, p. 184, auf nhm.ac.uk
- Micraster (Agassiz), auf chalk.discoveringfossils.co.uk (englisch)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Siegfried Taake: fossile Seeigel, Fossilien, Geschiebe, Fossilien-Flohmarkt und vieles mehr. Abgerufen am 29. Juli 2024.
- ↑ MICRASTER. Abgerufen am 29. Juli 2024.
- ↑ a b Samuel Zamora, Eduardo Mayoral, José A. Gámez Vintaned, Sergio Bajo, Eduardo Espílez: The infaunal echinoid Micraster: Taphonomic pathways indicated by sclerozoan trace and body fossils from the Upper Cretaceous of northern Spain. In: Geobios (= Taphonomy, the understanding of fossilization processes in paleontology and archeology). Band 41, Nr. 1, 1. Januar 2008, ISSN 0016-6995, S. 15–29, doi:10.1016/j.geobios.2007.01.010 (sciencedirect.com [abgerufen am 29. Juli 2024]).
- ↑ Andrew B. Smith: Echinoid distribution in the Cenomanian: an analytical study in biogeography. In: Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology (= Biogeographic Patterns in the Cretaceous Ocean). Band 92, Nr. 3, 1. April 1992, ISSN 0031-0182, S. 263–276, doi:10.1016/0031-0182(92)90086-K (sciencedirect.com [abgerufen am 29. Juli 2024]).
- ↑ a b c d e Fossilienatlas – Micraster. In: Mineralienatlas. Geolitho Stiftung, abgerufen am 26. Juli 2024.
- ↑ Andrew S. Gale: Turonian correlation and sequence stratigraphy of the Chalk in southern England. In: Geological Society, London, Special Publications. Band 103, Nr. 1, Januar 1996, ISSN 0305-8719, S. 177–195, doi:10.1144/GSL.SP.1996.103.01.10 (lyellcollection.org [abgerufen am 29. Juli 2024]).
- ↑ K. A. Kermack: A Biometrical Study of Micraster coranguinum and M. (Isomicraster) senonensis. In: Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Series B, Biological Sciences. Band 237, Nr. 649, 1954, ISSN 0080-4622, S. 375–428, JSTOR:92561.
- ↑ a b c d Micraster – Natural History Museum. Abgerufen am 29. Juli 2024.
- ↑ Sedimentfresser, auf mineralienatlas.de