Neoklassizismus (Musik)
Neoklassizismus bezeichnet die ästhetische Strömung, die die gesamte europäische Musikkultur ab etwa 1920 durchzog. In deutlicher Ablehnung von spätromantischer Expressivität, von Impressionismus und Expressionismus ist der Neoklassizismus gekennzeichnet durch das Streben nach Klarheit und Einfachheit. Im Neoklassizismus entstand eine neue, tonale und weitgehend linear bestimmte Musik, wobei das 18. Jahrhundert (Spätbarock und Vorklassik) häufig Vorbild für Satztechniken, Formen und Gattungen ist.
Begriff[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der musikhistorische Begriff des Neoklassizismus (nicht zu verwechseln mit der Dark-Wave-Neoklassik der 1980er Jahre der oder der Neoklassik der 2000er Jahre) entstand nach 1920 in Paris im Umfeld von Künstlern wie Igor Strawinski, Jean Cocteau und der Groupe des Six. Jean Cocteau forderte „eine vom Individuum abgelöste, objektive Kunst, die den Hörer bei klarem Bewusstsein lässt“.
Die kompositorische Strömung des Neoklassizismus beschränkt sich nicht auf Rückgriffe auf die Wiener Klassik, in besonderem Maße typisch sind Elemente des Barock (worauf mit dem Terminus Neobarock[1] hingewiesen wird), aber auch Vorbilder aus der romantischen Epoche werden verarbeitet. Als Adjektiv wird manchmal "neoklassisch" statt neoklassizistisch verwendet, auch wenn dies heute zu Verwechslungen mit der weitaus späteren Musikrichtung der Neoklassik führen kann.
Werke und Komponisten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Wesentliche Elemente des Neoklassizismus zeigen sich bereits in Werken wie Maurice Ravels „Menuet Antique“ (1895) oder Sergej Prokofjews „Symphonie Classique“ (1916/17, UA 1918).
Neoklassizistisch geprägte Werke schrieben neben den Komponisten der Groupe des Six (Georges Auric, Louis Durey, Arthur Honegger, Darius Milhaud, Francis Poulenc, Germaine Tailleferre), ferner (in alphabetischer Reihenfolge):
- Claude Arrieu
- Grażyna Bacewicz
- Aram Chatschaturjan
- Johann Nepomuk David
- Jean Françaix
- Paul Graener
- Philipp Jarnach
- Paul Hindemith
- Zoltán Kodály
- Ernst Krenek
- Theophil Laitenberger
- Frank Martin
- Bohuslav Martinů
- Peter Mieg
- Goffredo Petrassi
- Sergej Prokofjew
- Ottorino Respighi
- Joaquín Rodrigo
- Albert Roussel
- Thomas Schmidt-Kowalski
- Dmitri Schostakowitsch
- Igor Strawinski
- Viktor Ullmann
- Rosy Wertheim
Orgelbau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Orgelbau bezeichnet Neoklassizismus einen vor allem in Frankreich zwischen ca. 1925 und 1975 dominierenden Instrumententyp, der französisch-barocke („klassische“), französisch-romantische und norddeutsch-barocke Klangelemente mit modernster Technik zu verbinden sucht („l’orgue néoclassique“). Diese Strömung fand in der Orgelbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Höhepunkt.
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Markus Bandur: Neoklassizismus [1994], in: Handwörterbuch der musikalischen Terminologie, hg. von H. H. Eggebrecht [Loseblattausgabe], Franz Steiner, Wiesbaden, später Stuttgart, 1971–2006 (Digitalisat); CD-ROM, Stuttgart 2012; wiederveröffentlicht in: Terminologie der Musik im 20. Jahrhundert, herausgegeben von H. H. Eggebrecht, Franz Steiner, Stuttgart 1995 (= Handwörterbuch der musikalischen Terminologie, Sonderband 1), S. 278–298.
- Gerd Sannemüller: Der „Klassizismus“ in der Musik des 20. Jahrhunderts. In: Schweizer Monatshefte 46 (1966/67), ISSN 0036-7400, S. 463–472 (online).
- Rudolf Stephan: Klassizismus. II. 20. Jahrhundert. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Sachteil, Band 5 (Kassel – Meiningen). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 1996, ISBN 3-7618-1106-3 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Beispiel für die Verwendung des Begriffs Neobarock im Zusammenhang mit musikalischem Neoklassizismus: Giselher Schubert: Paul Hindemith und der Neobarock. Historische und stilistische Notizen. In: Susanne Schaal/Luitgard Schader (Hrsg.): Über Hindemith. Aufsätze zu Werk, Ästhetik und Interpretation. Mainz 1996, Seite 121–141.