Otto Czernin
Otto Czernin (* 27. August 1875 in Dimokur, Böhmen; † 14. Juni 1962 in Salzburg; geboren als Otto Rudolf Theobald Ottokar Maria Graf Czernin von und zu Chudenitz[1]) war ein Diplomat Österreich-Ungarns vor und in der Zeit des Ersten Weltkrieges.
Herkunft und Familie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Czernin entstammte dem alten böhmischen und österreichischen Hochadelsgeschlecht der Grafen Czernin von und zu Chudenitz. Theobald Graf Czernin (1836–1893) und Anna Maria geb. von Westphalen zu Fürstenberg (1850–1924) waren seine Eltern. Er war jüngerer Bruder des k.u.k. Minister des Äußeren Ottokar Czernin.
Am 27. Juli 1903 heiratete Otto Czernin in London Lucy Katherine Beckett (* 1884), Tochter von Ernest William Beckett, 2. Baron Grimthorpe. Die Ehe wurde kurz nach Kriegsausbruch 1914 wieder geschieden. 1939 heiratete er in Preßburg Marialisa Pfeiffer (1899–1983).[2]
Söhne aus der ersten Ehe:
- Paul (* 1904) ⚭ 1935 Elisabeth Freiin von Gudenus (* 1914)
- Edmund (* 1907)
- Manfred (1913–1962) ⚭ Maud Hamilton, Scheidung 1947
Manfred ging nach der Scheidung der Eltern mit der Mutter nach Italien und wurde im Vereinigten Königreich ausgebildet. Manfred war RAF-Pilot und ab 1943 Mitglied des britischen Geheimdienstes Special Operations Executive (SOE) und verantwortlicher Offizier für Einsätze in Österreich.[3]
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nachdem Otto Czernin an der Diplomatenakademie, dem Theresianium studiert hatte, trat er in den auswärtigen Dienst Österreich-Ungarns ein und wurde als Botschaftssekretär nach London und 1904 nach Rom entsandt. Dort war er unter anderem Provisor im Verwaltungsrat des Päpstliches Institut Santa Maria dell’Anima.[4]
Sein Lehrmeister war der spätere Außenminister Alois Lexa von Ährenthal, dessen aktivistische expansive Politik er, etwa in der Bosnischen Annexionskrise unterstützte.[5]
Vor Beginn des Krieges war er Legationsrat und interimistischer Geschäftsträger (Botschafter) an der Botschaft in Sankt Petersburg und als direkter Verhandlungspartner des russischen Außenministers Sasonow unmittelbar an der Julikrise und damit der Entstehung des Ersten Weltkrieges beteiligt.
Zurück in Wien wurde Czernin in der Nachrichtenabteilung der k.u.k. Armee verwendet und informierte sich bei zahlreichen Frontbesuchen über die wirkliche Lage, wobei er nach Möglichkeit auch an Kampfhandlungen teilnahm.[6]
Als Gesandter der Monarchie in Sofia vom Jänner 1917 bis 4. November 1918 hatte Czernin wesentlichen Einfluss auf die Politik Bulgariens innerhalb des Mittelmächte-Bündnisses.[7] Der „schöne Graf“ war nach Meinung vieler der bessere Diplomat, als sein charismatischer, sprunghafter Bruder Ottokar.[8]
Nach dem Krieg schied Czernin 1919 aus dem Staatsdienst aus und vertrat die Interessen der adeligen deutschsprachigen Landbesitzer in der Tschechoslowakei. Er und seine Standesgenossen versuchten weitgehend erfolglos Enteignungen abzuwehren und angloamerikanisches Kapital zu gewinnen.[9]
In den 1930ern sympathisierte er offenbar mit der NSDAP, denn er veröffentlichte im Dezember 1933 als Gesandter in Ruhe einen Beitrag in der Hetzzeitschrift Der Stürmer unter dem „aggressiven Titel“ Pan-Juda im Kleide Pan-Europas.[10] Nach dem Zweiten Weltkrieg näherte sich Otto Czernin in zahlreichen Begegnungen mit Otto von Habsburg in Bayern wieder der Paneuropabewegung und den Habsburgern an.[11]
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Siehe Adelsaufhebungsgesetz 1919
- ↑ Hans Friedrich von Ehrenkrook (Hrsg.): Genealogisches Handbuch der adeligen Häuser. Band 28, Starke, Limburg 2005, ISBN 3-7980-0838-8, S. 146.
- ↑ Peter Pirker (Hrsg.), Patrick Martin-Smith: Widerstand vom Himmel. Österreicheinsätze des britischen Geheimdienstes SOE 1944. Verlag Czernin, Wien 2004, ISBN 3-7076-0182-X, S. 36ff.
- ↑ Schmidlin Joseph: Geschichte der Anima. Herder, Wien 1906, S. 477–478.
- ↑ Ralph Melville (Hrsg.): Deutschland und Europa in der Neuzeit. Festschrift für Karl Otmar Frhr. von Aretin zum 65. Geburtstag. Steiner, Stuttgart 1988, ISBN 3-515-05053-1, Band 1, S. 663.
- ↑ Heinrich Benedikt: Damals im alten Österreich. Erinnerungen. Amaltea, Wien 1979, ISBN 3-85002-109-2, S. 292.
- ↑ Elisabeth Kovács: Untergang oder Rettung der Donaumonarchie? Band 2: Politische Dokumente zu Kaiser und König Karl I. (IV.) aus internationalen Archiven. Böhlau, Wien 2004, ISBN 3-205-77238-5, S. 322.
- ↑ Erwin Matsch (Hrsg.): November 1918 auf dem Ballhausplatz. Erinnerungen Ludwigs Freiherrn von Flotow, des letzten Chefs des Österreichisch-Ungarischen Auswärtigen Dienstes 1895–1920. Böhlau, Wien 1982, ISBN 3-205-07190-5, S. 108 und 321.
- ↑ Eagle Glassheim: Noble nationalists. The transformation of the Bohemian aristocracy. Harvard University Press, Cambridge (Mass.) 2005, ISBN 0-674-01889-3, S. 109.
- ↑ Michael Gehler: Der lange Weg nach Europa. Österreich vom Ende der Monarchie bis zur EU. Studien-Verlag, Innsbruck/Wien 2002, ISBN 3-7065-1537-7, S. 497.
- ↑ Stephan Baier, Eva Demmerle: Otto von Habsburg. Die autorisierte Biografie. Amaltea, Wien 2002, ISBN 3-85002-486-5, S. 216.
Personendaten | |
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NAME | Czernin, Otto |
ALTERNATIVNAMEN | Czernin von und zu Cudenitz, Otto Rudolf Theobald Ottokar Maria Graf |
KURZBESCHREIBUNG | österreichisch-ungarischer Diplomat |
GEBURTSDATUM | 27. August 1875 |
GEBURTSORT | Dimokur |
STERBEDATUM | 14. Juni 1962 |
STERBEORT | Salzburg |