Positive Psychologie

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Der Begriff Positive Psychologie wurde 1954 von dem US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow erstmals verwendet und fand in den 1990er Jahren durch den US-amerikanischen Psychologen Martin Seligman breite Aufmerksamkeit.[1] Im Gegensatz zur meist defizitorientierten klinischen Psychologie konzentriert sich die Positive Psychologie auf die positiven Aspekte des Menschseins; so stehen etwa Glück, Optimismus, Geborgenheit, Vertrauen, individuelle Stärken, Verzeihen (Vergebung) oder auch Solidarität im Mittelpunkt der Betrachtung. Inzwischen bezeichnet der Begriff eine Strömung (oder Schule) innerhalb der Psychologie.[2]

Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff „Positive Psychology“ wurde 1954 von Abraham Maslow geprägt.[3] Die Positive Psychologie knüpft mit ihrer Sichtweise an Ideen der Humanistischen Psychologie an. Viele ihrer Aspekte sind bereits in der ressourcenorientierten Psychotherapie zu finden. Der Blick auf die positiven Seiten der menschlichen Existenz ist in der Geschichte der wissenschaftlichen Psychologie nicht neu, jedoch das Bemühen um wissenschaftliche Fundierung auf breiter Basis. Im Jahr 1998 gewann der Begriff „Positive Psychology“ erneut an Popularität, als der US-amerikanische Psychologe Martin Seligman das Konzept der Positiven Psychologie aufgriff und als Thema für seine Amtszeit als Präsident der American Psychological Association wählte.[4]

Schwerpunkte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im US-amerikanischen und angelsächsischen Raum spielen Charakterstärken bzw. Tugenden (virtues) eine bedeutende Rolle in der Forschung zur Positiven Psychologie. Christopher Peterson und Martin Seligman[5] unterscheiden sechs Tugenden, denen insgesamt 24 Charakterstärken zugeordnet sind:

  • Weisheit und Wissen (kognitive Stärken): Kreativität, Neugier, Aufgeschlossenheit, Lernfreude, Perspektive
  • Courage (emotionale Stärken): Tapferkeit, Beharrlichkeit, Integrität, Vitalität
  • Menschlichkeit (interpersonale Stärken): Liebe, Freundlichkeit, soziale Intelligenz
  • Gerechtigkeit (zivile Stärken): soziale Verantwortung, Fairness, Führungsstärke
  • Mäßigung (Stärken, die gegen Exzesse schützen): Vergeben und Mitleid, Demut und Bescheidenheit, Besonnenheit, Selbstregulation
  • Transzendenz (spirituelle Stärken, die mit Bedeutsamkeit zu tun haben): Wertschätzung von Schönheit und Exzellenz, Dankbarkeit, Hoffnung, Humor, Spiritualität.

Park, Peterson und Seligman führten zahlreiche empirische Studien in Verbindung mit der Identifikation menschlicher Charakterstärken durch.[6][7][8] Auch in der kontinental-europäischen Forschung zur Positiven Psychologie im Bildungskontext spielen Kernqualitäten eine wichtige Rolle, beispielsweise in Untersuchungen zur Förderung der persönlichen Fähigkeiten von Menschen durch positive Aktivitäten.[9]

Anwendungsbereiche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit der Begründung der Positiven Psychologie macht sich auch die Unternehmenspraxis deren Erkenntnisse zunutze, beispielsweise in Form des Positive-Leadership-Konzepts im angelsächsischen Raum. Erziehung und Bildung sind weitere Anwendungsbereiche, in denen die Positive Psychologie in der Arbeitswelt zunehmend an Bedeutung gewinnt.[10]

Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Positive Psychologie ist kein fester Bestandteil der universitären Ausbildung in Deutschland. Aus- und Weiterbildungen im deutschen Sprachraum werden bislang vorwiegend von privaten Instituten realisiert. Seit 2015 besteht die Möglichkeit ein CAS an der Universität Zürich zu absolvieren.[11] Mit dem Wintersemester 2018/2019 wurde erstmals auch in Deutschland ein einsemestriges universitäres Weiterbildungsstudium an der Universität Trier unter der Leitung von Michaela Brohm-Badry angeboten: Zukunftsmanagement und Positiver Wandel (ZUPO) – Positive Psychologie, Bildung und Philosophie.[12][13] Seit 2021 ist es nun auch in Deutschland möglich, ein vollständiges Masterstudium in Positiver Psychologie und Coaching zu absolvieren[14]. Deutschlands erster Masterstudiengang steht unter der Leitung von Judith Mangelsdorf und ist im Rahmen einer Kooperation der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie (DGPP)[15] und der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport (DHGS) in Berlin, Hamburg und Ismaning studierbar.

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Positive Psychologie steht in der Kritik. Insbesondere wird ihr vorgeworfen, die Anhänger würden unter dem Deckmantel eines „positiven Menschenbildes“ einer Ideologie anhängen, die einen Menschentyp nach den Maßgaben ökonomischer Verwertbarkeit proklamiert und glaubt, Menschen umprogrammieren zu können.[16][17][18] Insbesondere der Charaktertest der Positiven Psychologie müsse sich den Gütekriterien der wissenschaftlichen Psychologie stellen.[19] Nach der Überprüfung einiger Studien konnten positive Auswirkungen auf an Depressionen erkrankte Menschen überhaupt nicht mehr festgestellt werden.[20]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • A. E. Auhagen (Hrsg.): Religiosität und Spiritualität. Kapitel Positive Psychologie. Anleitung zum „besseren“ Leben. BeltzPVU, Weinheim 2004, ISBN 3-621-27555-X, S. 67–85.
  • Cabanas, Edgar / Illouz, Eva: Das Glücksdiktat und wie es unser Leben beherrscht. Suhrkamp, Berlin 2019, ISBN 978-3-518-46998-9.
  • Cederström, Carl: Die Phantasie vom Glück. Edition TIAMAT, Berlin 2019, ISBN 978-3-89320-242-3.
  • Cederström, Carl / Spicer, André: Das Wellness-Syndrom. Die Glücksdoktrin und der perfekte Mensch. Edition TIAMAT, Berlin 2016, ISBN 978-3-89320-205-8.
  • Grubner, Angelika: Die Macht der Psychotherapie im Neoliberalismus. Eine Streitschrift. Mandelbaum Verlag, Wien 2017, ISBN 978-3-85476-663-6.
  • Michaela Brohm, Wolfgang Endres: Positive Psychologie in der Schule: Die »Glücksrevolution« im Schulalltag. Mit 5x8 Übungen für die Unterrichtspraxis. Beltz, Weinheim/ Basel 2015, ISBN 978-3-407-62924-1.
  • Michaela Brohm: Positive Psychologie in Bildungseinrichtungen: Konzepte und Strategien für Fach- und Führungskräfte (essentials). Springer, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-658-13048-0.
  • Rich Gilman, E. Scott Huebner, Michael J. Furlong (Hrsg.): Handbook of Positive Psychology in Schools. Routledge, New York 2009.
  • Stefanie Elfriede Haub: Positive Psychologie: Versuch einer ideologie-kritischen Inhaltsanalyse – Diplomarbeit an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Mai 2011.
  • Nansook Park, Christopher Petersen, Martin P. Seligman: Strengths of Character and Well-Being. In: Journal of Social and Clinical Psychology. Volume 23, Nr. 5, 2004.
  • Anthony D. Ong, Manfred H. M. van Dulmen (Hrsg.): Oxford Handbook of Methods in Positive Psychology. Oxford University Press, Oxford 2007, ISBN 978-0-19-517218-8.
  • Peter Alex Linley u. a.: Character Strengths in the United Kingdom: The VIA Inventory of Strengths. In: Personality and Individual Differences. Volume 43, 2007.
  • Shane J. Lopez, Matthew W. Gallagher: A case for positive psychology. In: Shane J. Lopez, C. R. Snyder (Hrsg.): The Oxford Handbook of Positive Psychology. 2. Auflage. Oxford University Press, New York 2009, ISBN 978-0-19-986216-0, S. 3–6.
  • Abraham H. Maslow: Motivation and personality. Brandeis University, New York 1954.
  • Peter Ruit, Fred Korthagen: Bewustwording en ontwikkeling van kernkwaliteiten bij leerlingen. In: Tijdschrift voor orthopedagogiek. 51, 2012. (deutsche Übersetzung des Artikels)
  • Christopher Peterson, Martin E. P. Seligman: Character strengths and virtues: A handbook and classification. Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-516701-5.
  • Martin E. P. Seligman: Der Glücks-Faktor. Warum Optimisten länger leben. Lübbe 2005, ISBN 3-404-60548-9.
  • Martin E. P. Seligman: Flourish – Wie Menschen aufblühen. Kösel-Verlag, München 2012, ISBN 978-3-466-30934-4.
  • Georg Steinmeyer: Die Gedanken sind nicht frei. Coaching: eine Kritik Lukas Verlag, Berlin 2018, ISBN 978-3-867-32307-9
  • Michael Tomoff: Kritisch hinterfragt – Positive Psychologie – Erfolgsgarant oder Schönmalerei? Springer, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-662-50386-7.
  • Michaela Brohm-Badry, Corinna Pfeifer, Julian M. Greve (Hrsg.): Positive-Psychologische Forschung im deutschsprachigen Raum – State of the Art. Pabst Science Publishers, Kengerich. 2017. ISBN 978-3-95853-310-3

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Shane J. Lopez, Matthew W. Gallagher: A case for positive psychology. In: Shane J. Lopez, C. R. Snyder (Hrsg.): The Oxford Handbook of Positive Psychology. 2. Auflage. Oxford University Press, New York 2009, S. 3–6.
  2. Franz-Josef Hücker, Margot Jung: Update on Positive Psychology. Ist die Positive Psychologie eine Anleitung zum Glücklichsein und Wohlbefinden? In: Sozial Extra. 38. Jg., 6, VS Verlag, Wiesbaden 2014, S. 6–9.
  3. Abraham H. Maslow: Motivation and personality. Brandeis University, New York 1954.
  4. Claudia Wallis: The Science of Happiness. Time Magazine, 2004, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 11. Juli 2006; abgerufen am 22. Juli 2019 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.authentichappiness.sas.upenn.edu
  5. Christopher Peterson, Martin E. P. Seligman: Character strengths and virtues: A handbook and classification. Oxford University Press, New York 2004.
  6. Nansook Park, Christopher Peterson, Martin P. Seligman: Strengths of Character and Wellbeing. In: Journal of Social and Clinical Psychology. Vol. 23(5), 2004, S. 603–619.
  7. Nansook Park, Christopher Peterson, Martin P. Seligman: Reply Strengths of Character and Wellbeing: A Closer Look at Hope and Modesty. In: Journal of Social and Clinical Psychology. Vol. 23(5) 2004, S. 628–634.
  8. P. Alex Linley u. a.: Character Strengths in the United Kingdom: The VIA Inventory of Strengths. In: Personality and Individual Differences. Vol. 43(2) 2007, S. 341–351.
  9. Peter Ruit, Fred Korthagen: Bewustwording en ontwikkeling van kernkwaliteiten bij leerlingen. In: Tijdschrift voor orthopedagogiek. 51, 2012, S. 491–505.
  10. Rich Gilman, E. Scott Huebner, Michael J. Furlong (Hrsg.): Handbook of Positive Psychology in Schools. Routledge, New York 2009.
  11. Eintrag bei der Uni Zürich
  12. Uni Trier: Erziehungs- und Bildungswissenschaften – Zukunftsmanagement und Positiver Wandel. Abgerufen am 13. Juli 2018.
  13. Wintersemester 2019/2020. In: Zukunftsmanagement und Positiver Wandel. Abgerufen am 10. Januar 2019 (deutsch).
  14. Master Positive Psychologie & Coaching ▷ DHGS ↓. In: Deutsche Hochschule für Gesundheit und Sport. Abgerufen am 5. März 2022 (deutsch).
  15. DGPP | Deutsche Gesellschaft für Positive Psychologie in Berlin. Abgerufen am 5. März 2022.
  16. https://www.lukasverlag.com/ebooks/titel/493-die-gedanken-sind-nicht-frei.html
  17. Ideologien statt Methoden - Rezension des Buches „Die Gedanken sind nicht frei“ von Georg Steinmeyer, Bärbel Schwertfeger in Psychologie heute, 2018.
  18. Zur Kritik der Positiven Psychologie, Philipp Mayring im Social Science Open Access Repository, GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, PDF, 2012.
  19. Coaching – Achtung Ideologie!, Georg Steinmeyer in Wirtschaftspsychologie heute, 2020.
  20. Schluss mit lustig!- Positive Psychologie in der Kritik, Pia Masurczak für Deutschlandfunk, 2021.