Römisches Forum Lahnau-Waldgirmes

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Das Römische Forum Lahnau-Waldgirmes ist ein befestigter römischer Handelsplatz am Rande der Ortschaft Waldgirmes in der Gemeinde Lahnau an der Lahn in Hessen. Die Anlage ist der früheste Beleg für Steinmauern in der Magna Germania.

Es handelt sich um Reste einer der Städte und Marktzentren östlich des Rheines und nördlich der Donau, die von den Römern offenbar planmäßig und auf Zuwachs angelegt gegründet wurden. Sie ist aber nie völlig fertig gestellt worden. Da es keinerlei schriftliche Überlieferungen dafür gibt und am Ort auch keine Inschriften gefunden wurden, ist der ursprüngliche Name des Ortes bislang unbekannt.

Befundsituation und Fundaufkommen

Das Gelände nordwestlich von Waldgirmes, nahe der östlichen Stadtgrenze von Wetzlar, wird seit 1993 archäologisch untersucht. Unter den gefundenen Resten dieser Siedlung befand sich ein prächtiges römisches Forum, an dem ein Hauptgebäude (Basilika) mit zwei Apsiden stand. Weitere Gebäude aus römischem Fachwerk, verputzt und bemalt, mit Holzschindeln gedeckt und auf steinernem Fundament errichtet, wurden gefunden.

Die Anlage war von einer hölzernen Palisadenmauer umgeben, versehen mit einem doppelten Graben und drei Toren; an der Stelle des Nordtores stand ein Turm. Sie ähnelte damit von außen einem Militärlager, innen war sie jedoch ein Handelsplatz mit Markt, zwei kreuzenden Straßen mit Graben (Abwasser oder Brauchwasser) in der Mitte, Remisen, Speichern, Tavernen und Häusern mit Laubengängen; insgesamt wurden (bis 2006) 24 Häusergrundrisse sowie ein 4 m tiefer Brunnen ergraben. Ein Tempel wurde nicht gefunden, was vielleicht aus der kurzen Siedlungszeit erklärbar ist, denn sonst ähnelte alles einer gehobenen römischen Siedlungsanlage, nichts erinnert an germanische Bauten.

Wohl der bedeutendste Fund sind die 200 Teile eines lebensgroßen Reiterstandbilds aus vergoldeter Bronze (vermutlich des Augustus), die weit über die benachbarten Gebiete und germanischen Siedlungen verstreut waren. Außerdem enthielt der Siedlungsschutt zahlreiche, kostbare Kleinfunde, so eine Glasgemme mit einer Darstellung aus dem Mythos der Niobe, eine Mosaikglasperle mit der Darstellung des Apis, weitere Schmuckstücke und Rohbernstein. Neben römischer Keramik gibt es aber auch, zu etwa 20%, einfache, ungedrehte germanische Töpferware. Offenbar wohnten verschiedene Bevölkerungsteile nebeneinander in der Stadt. Münzfunde datieren die Siedlung in die Zeit zwischen 5 vor und 9 n. Chr., das Jahr der Varusschlacht.

Geschichte

Seit Theodor Mommsen nahm man an, dass die Operationen der Römer in Germanien sich auf Erkundungszüge und auf kleinere, temporäre Handelsstationen beschränkte. Allerdings gibt Cassius Dio 56,18,2 an, dass zur Zeit des Varus bereits erste Städte gegründet waren. Eine solche Stadt war offenbar auch Waldgirmes, bestimmt für den Handel mit Germanien sowie zur Versorgung der römischen Truppen. Etwa 20 km entfernt wurde um 20 v. Chr. das keltische Oppidum Dünsberg aufgegeben.

Waldgirmes scheint eine planmäßige Gründung auf grüner Wiese gewesen zu sein. Dendrochronologische Untersuchungen an den Resten eines hölzernen Brunnens ergaben eine Fällung des Baumes im Jahre 4 v. Chr. Die Siedlung dürfte also schon um diese Zeit in Bau gewesen sein. Sie lag sehr günstig im Schutz der Hügel auf einem Sporn, der in die Lahn ragt, und das römische Gebiet am Rhein war per Schiff schnell zu erreichen. Möglich ist auch - hierfür spricht die Anlage des überdimensionierten Forums im Zentrum der Siedlung - dass die Siedlung als Hauptort einer civitas geplant war und ihre Anlage in engem Zusammenhang mit der geplanten Provinzialisierung Germaniens stand.

Die Stadt blieb aber unfertig, wie weite unbebaute Areale zeigen. Nach der Varusschlacht, als so gut wie alle Stützpunkte jenseits des Rheines verloren gingen, wurde auch Waldgirmes verlassen, allerdings offenbar in geordnetem Rückzug, wie die Fundsituation zeigt. Zwischen 9 und 16 n. Chr., während der römischen Vergeltungszüge, diente Waldgirmes als römisches Militärlager, danach wurde es von römischen Soldaten zerstört.

Literatur

  • Armin Becker, Gabriele Rasbach: „Städte in Germanien“: Der Fundplatz Waldgirmes. In: Rainer Wiegels (Hrsg.): Die Varusschlacht. Wendepunkt der Geschichte?. Theiss, Stuttgart 2007 (Archäologie in Deutschland, Sonderheft), ISBN 978-3-8062-1760-5, S. 102-116.
  • Gabriele Rasbach, Armin Becker: Die spätaugusteische Stadtgründung in Lahnau-Waldgirmes. Archäologische, architektonische und naturwissenschaftliche Untersuchungen. In: Germania 81 (2003), S. 147–199.
  • Michael Zick: Rom an der Lahn. In: Abenteuer Archäologie 2006, 1, S. 46ff. ISSN 1612-9954 (online)

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