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Regenerative Landwirtschaft

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Untersaat in einem Kürbisfeld durchwurzelt den Boden.

Regenerative Landwirtschaft (auch Aufbauende Landwirtschaft oder Regenerativer Ackerbau) bezeichnet eine Form der Landbewirtschaftung, die darauf abzielt, die Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität und Wasserhaltefähigkeit langfristig zu verbessern und degradierte Ökosysteme wiederherzustellen.[1][2]

Sie integriert Elemente konventioneller Landwirtschaft, ökologischer Landwirtschaft, Permakultur, Agrarökologie, Agroforstwirtschaft und konservierender Bodenbearbeitung.[3]

Ziel ist eine Bewirtschaftung, die ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit miteinander verbindet.

Die Förderung regenerativer landwirtschaftlicher Praktiken, welche die ökologischen Grundlagen einer nachhaltigen Ernährung sichern, ist ein zentrales Element der Ernährungswende.[4]

Die Idee der regenerativen Landwirtschaft geht auf den US-amerikanischen Agrarpublizisten J. I. Rodale zurück, der bereits in den 1940er-Jahren eine „organische Regeneration“ der Böden forderte. Sein Sohn Robert Rodale prägte in den 1980er-Jahren den Begriff regenerative agriculture und richtete das Rodale Institute auf entsprechende Forschungsprogramme aus.[5]

Seit 1981 untersucht das Rodale Institute in Langzeitversuchen die Auswirkungen ökologischer, konventioneller und regenerativer Bewirtschaftung auf Erträge, Kohlenstoffspeicherung und Biodiversität.[5]

Ab den 1990er-Jahren griffen landwirtschaftliche Pilotprojekte in den USA, Brasilien und Australien die Konzepte auf. Später förderte die FAO ähnliche Ansätze im Rahmen der „Conservation Agriculture“.[6]

Nach Fachmedienberichten begannen ab etwa 2010 erste Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit Umstellungen hin zu regenerative Landwirtschaft.

In Europa gewann das Thema ab 2015 mit der französischen „4 per 1000“-Initiative an Sichtbarkeit, die das Ziel verfolgt, den Kohlenstoffgehalt der Böden jährlich um 0,4 % zu erhöhen.[7]

Praktiken und Methoden

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Typische Maßnahmen der regenerativen Landwirtschaft sind:

  • Direktsaat (No-Till) und minimale Bodenbearbeitung, um Bodenstruktur und Mykorrhiza zu erhalten.
  • Zwischenfrucht und Mischkulturen, die Bodenbedeckung sichern und Nährstoffkreisläufe schließen.
  • Kompost, organische Düngung, Komposttee und Biostimulanzien zur Förderung der Bodenbiologie.
  • Agroforstsysteme und Heckenpflanzungen zur Erhöhung der Artenvielfalt und Kohlenstoffbindung.
  • Ganzheitliches Weidemanagement (Holistic Grazing) mit rotierender Beweidung, um Humusaufbau zu fördern.

Diese Praktiken sollen die organische Substanz im Boden vermehren, Erosion mindern und die Wasserspeicherfähigkeit erhöhen.[8][9]

Regenwurm in einer Bodenprobe für die regenerative Landwirtschaft.

Die regenerative Landwirtschaft verfolgt das Ziel, landwirtschaftliche Praktiken so zu gestalten, dass sie langfristig ökologisch, wirtschaftlich und sozial nachhaltig sind. Im Fokus stehen dabei:

  • Durch den Aufbau von organischer Substanz im Boden sollen Nährstoffe und Wasser besser gespeichert, die Bodengesundheit gefördert und die landwirtschaftliche Produktivität langfristig gesichert werden.
  • Regenerative Praktiken wie Mischkulturen, Agroforstsysteme und der Verzicht auf chemische Betriebsmittel tragen dazu bei, Lebensräume für Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen zu schaffen und die Artenvielfalt zu erhöhen.
  • Der Aufbau von Humus im Boden und die Integration von Bäumen und Sträuchern in landwirtschaftliche Systeme sollen Kohlenstoff binden und so zur Minderung von Treibhausgasemissionen beitragen.
  • Durch bodenschonende Bewirtschaftungspraktiken wird die Wasseraufnahme und Wasserspeicherung im Boden verbessert, während Erosion und Nährstoffauswaschung verringert werden.
  • Die regenerative Landwirtschaft zielt darauf ab, landwirtschaftliche Betriebe widerstandsfähiger gegenüber klimatischen und wirtschaftlichen Risiken zu machen und gleichzeitig ländliche Gemeinschaften zu stärken.

Die regenerative Landwirtschaft gewinnt weltweit zunehmend an Bedeutung, insbesondere in Europa. Obwohl genaue Zahlen zur Verbreitung fehlen, zeigen verschiedene Initiativen und Programme eine wachsende Akzeptanz und Umsetzung dieser Praktiken.

Europäische Union

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Die Europäische Union fördert die regenerative Landwirtschaft durch verschiedene politische Rahmenwerke und Finanzierungsprogramme:

  • Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) 2023–2027: Die GAP bietet Anreize für umweltfreundliche Bewirtschaftungsmethoden, einschließlich solcher, die die Bodengesundheit und Biodiversität fördern.
  • European Green Deal: Diese Strategie zielt darauf ab, die Landwirtschaft klimaneutral zu gestalten, indem chemische Betriebsmittel reduziert und ökologische Anbauweisen gefördert werden.

Einzelne EU-Länder

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  • Frankreich engagiert sich mit der "4 per 1000"-Initiative, die 2015 ins Leben gerufen wurde. Ziel ist es, den Kohlenstoffgehalt in Böden jährlich um 0,4 Prozent zu erhöhen, um so den Klimawandel zu bekämpfen und die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern.
  • Schweden führt den Hof "Ridgedale Farm" in Värmland als führendes Zentrum für regenerative Landwirtschaft und bietet Schulungen für Landwirte aus ganz Europa an.

Unternehmensinitiativen

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Große Unternehmen investieren verstärkt in regenerative Landwirtschaft:

  • Unilever plant, bis 2030 regenerative Anbaumethoden auf einer Million Hektar Land umzusetzen.
  • Bayer AG strebt an, regenerative Praktiken auf über 160 Millionen Hektar weltweit zu fördern.

Diese Entwicklungen zeigen, dass die regenerative Landwirtschaft in Europa und weltweit zunehmend an Bedeutung gewinnt, unterstützt durch politische Maßnahmen, unternehmerische Initiativen und das Engagement von Landwirten.

Kritiker der regenerativen Landwirtschaft bemängeln vor allem fünf Punkte:[10]

  • Die Einführung regenerativer Landwirtschaft erfordert Investitionen in neue Technologien, Schulungen und eine Umstellungsphase, die finanziell belastend sein kann. Besonders kleinere Betriebe haben Schwierigkeiten, diese Anfangskosten zu tragen, da sie oft nicht über ausreichende Rücklagen verfügen.
  • Aufgrund von Mischkulturen, Agroforstsystemen und extensiver Viehwirtschaft benötigt die regenerative Landwirtschaft in vielen Fällen mehr landwirtschaftliche Fläche als intensive Produktionssysteme. Diese Flächenintensität kann in Regionen mit begrenztem Landangebot problematisch sein.
  • Regenerative Praktiken erfordern oft mehr manuelle Arbeit und ein spezialisiertes Wissen, das nicht immer leicht zugänglich ist. Für Landwirte bedeutet dies nicht nur höhere Arbeitsbelastungen, sondern auch die Notwendigkeit, sich kontinuierlich weiterzubilden. Dies kann vor allem in strukturschwachen Regionen ein Hindernis darstellen.
  • In der Umstellungsphase und teilweise auch langfristig kann die regenerative Landwirtschaft geringere Erträge im Vergleich zu intensiven Bewirtschaftungsformen liefern. Besonders in Regionen mit hohen Produktionsanforderungen und einem begrenzten Zugang zu Unterstützungssystemen wird dies als bedeutendes Risiko wahrgenommen.
  • Viele der positiven Effekte der regenerativen Landwirtschaft, wie die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und der Biodiversität, sind oft erst nach mehreren Jahren sichtbar. Dies stellt Landwirte vor Herausforderungen, insbesondere wenn kurzfristige wirtschaftliche Zwänge dominieren. Diese zeitliche Verzögerung kann zudem zu Skepsis gegenüber der Methode führen.
  • Gabe Brown: Aus toten Böden wird fruchtbare Erde: Eine Familie entdeckt die regenerative Landwirtschaft. Kopp Verlag e.K., Rottenburg am Neckar 2020, ISBN 978-3864457326
  • Daniel Etter: Feldversuch: Mein Hof und die Suche nach der Zukunft der Landwirtschaft. Penguin Verlag, München 2024, ISBN 978-3328603016.
  • Levin Keller: Regenerative Landwirtschaft: Praktiken und Prinzipien zur Verbesserung der Regeneration des Mutterbodens, der Biodiversität und des Wasserkreislaufs. Independently published, 2021, ISBN 979-8766893257.
  • Jan-Hendrik Cropp: Praxishandbuch Bodenfruchtbarkeit: Humus verstehen | Direktsaat- und Mulchsysteme umsetzen | Klimakrise meistern. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2021, ISBN 978-3818611798
  • Dietmar Näser: Regenerative Landwirtschaft: Bodenleben und Pflanzenstoffwechsel verstehen. 2., erw. Aufl., Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-8186-1366-2.
  • Vandana Shiva: Agrarökologie und echte regenerative Landwirtschaft: Nachhaltige Lösungen für Hunger, Armut und Klimaveränderungen. / Mit einem Vorw. von Hans Rudolf Herren, Verlag Neue Erde, Saarbrücken 2023, ISBN 978-3-89060-842-6.

Einzelnachweise

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  1. Lal, R. (2020): Regenerative agriculture for food and climate. In: Journal of Soil and Water Conservation, 75(5):123A–124A.
  2. European Academies Science Advisory Council (EASAC) (2023): Regenerative Agriculture in Europe – Concepts and Evidence. Halle (Saale).
  3. Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) (2021): State of Knowledge of Soil Biodiversity – Status, Challenges and Potential Actions. Rom.
  4. Entwicklung von politischen Handlungsansätzen für nachhaltige Ernährungssysteme. In: Umweltbundesamt. 2023, abgerufen am 14. Oktober 2025.
  5. a b Rodale Institute (2021): Farming Systems Trial 40-Year Report. Kutztown, Pennsylvania.
  6. FAO (2017): Conservation Agriculture – History and Future. Rom.
  7. Ministère de l’Agriculture (2015): Initiative 4 pour 1000 – Les sols pour la sécurité alimentaire et le climat. Paris.
  8. Johann Heinrich von Thünen-Institut & BMEL (2018): Bodenzustandserhebung Landwirtschaft – Kurzfassung. Braunschweig.
  9. Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) (2022): Regenerative Agriculture and Soil Health. Frick (CH).
  10. Jürg Vollmer: Regenerative Landwirtschaft in 10 Punkten erklärt und im Vergleich mit IP-Suisse, Bio & Demeter. In: Countryside.info. Abgerufen am 19. Januar 2025.