Regionalwährung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 1. Oktober 2006 um 15:51 Uhr durch Podpedia (Diskussion | Beiträge) (→‎Vorteile). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Regiogeld (auch Regionalgeld) ist ein zwischen Verbrauchern, Anbietern, Vereinen und Kommunen demokratisch vereinbartes Medium, das innerhalb einer Region als Zahlungs-, Investitions- und Schenkungsmittel verwendet wird.

Es bewegt sich auf Grundlage eines global entwickelten Wertestandards mit anderen sozialen Institutionen auf horizontaler (z. B. andere Regiogelder) und vertikaler Ebene (andere wertschöpfungsfördernde Systeme in der Region) so, dass sich der Lebensstandard in der Region auf Dauer positiv entwickeln soll.

Viele Regiogeldsysteme sind aus der Antiglobalisierungsbewegung heraus entstanden. Dabei finden sich Gedanken in zwei Merkmalen wieder:

Vorteile

Das Ziel von Regiogeldsystemen ist es, die regionale Wirtschaft zu fördern und zu stabilisieren. Durch den kleinen Raum, in dem das Regiogeld verwendet wird, bleibt die Kaufkraft für damit getätigte Geschäfte in der Region, statt ins Ausland oder in Finanzmarkttransaktionen abzuwandern. Dadurch soll der Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland entgegengewirkt werden.

Das Geldsystem ist ein bedeutender Bestandteil der sozialen Umwelt der Menschen. Die Konditionen dieser Umwelt in ihren wesentlichen Aspekten innerhalb möglichst überschaubarer Strukturen selbst beeinflussen zu können, ist eine Grundvoraussetzung für demokratisches Engagement. In diesem Sinn entsprechen regionale Geldsysteme dem Prinzip der Subsidiarität. Sie stehen der Behauptung politischer Alternativlosigkeit entgegen und sollen die Behauptung globaler finanzpolitischer Sachzwänge im Sinne des Thatcherismus widerlegen, indem sie den demokratischen Handlungsspielraum der Menschen erweitern.

Durch die Stärkung der regionalen Vernetzung und einen direkteren Kontakt zwischen Herstellern und Endverkäufern erhoffen die Befürworter darüber hinaus:

  • Ein geringeres Transportaufkommen, das die Umwelt entlastet.
  • Eine bessere Kontrolle der Produktionsbedingungen in Bezug auf Umweltverträglichkeit und soziale Standards.
  • Durch kleinere Abnahmemengen mehr Möglichkeiten zur Herstellung individueller Produkte, die Erwartungen und Bedürfnissen der lokalen Kunden besser gerecht werden und zum Erhalt regionaltypischer Eigenheiten beitragen.
  • Eine Verbesserung der Zahlungsmoral zwischen den Teilnehmern, da sich durch das Zurückhalten des Regiogelds keine Vorteile ergeben.
  • mehr Stammkunden aus Bewusstsein
  • Allgemeine Bewusstseinsbildung für die Wirtschaftsstruktur des eigenen Umfeldes

Im Allgemeinen wirkt eine Umlaufsicherungsgebühr der Geldhortung entgegen und der Zins pendelt je nach Marktentwicklung um Null, statt wie bei herkömmlichem Geld immer positiv zu sein. Sofern sich im Regiogeldsystem ein funktionierender Finanzmarkt herausbildet, sind zinsgünstige Kredite damit die Regel. Außerdem wird durch das praktische Wirtschaften mit Regionalgeld das Bewusstsein über das Wesen des Geldes geschärft.

Aus Sicht der meisten Befürworter von Regionalgeld handelt es sich bei Zinseinnahmen, die die Summe aus erwartetem Verlustrisiko und Verwaltungsaufwand übersteigen, um nicht gerechtfertigte sogenannte "leistungslose Einkommen", die lediglich auf Grund der Struktur des Geldsystems erzielbar seien und auf Kosten der Kreditnehmer wie Staat, Produzenten, Dienstleister oder Privatpersonen beansprucht würden.

Das bestehende Finanzsystem beinhaltet dieser Sichtweise zufolge implizit einen Wachstumszwang für die Wirtschaft, da ohne Wirtschaftswachstum bestehende Kredite und Zinsforderungen nicht zurückgezahlt werden könnten. Befürworter von Regiogeldsystemen sehen hierbei vor allem die Gefahr, dass einerseits Wachstum mehrheitlich rein quantitativ (statt qualitativ) erfolgt und dass dadurch andererseits die begrenzten Ressourcen der Erde überschritten werden (Verbrauch an Fläche, Trinkwasser, Energieträgern und sonstigen Rohstoffen).

Die Geldflüsse bei Regiogeld sind generell wahrnehmbar und übersichtlich. Es können keine Gelder "verschwinden". Je weiter Geldströme über Grenzen und verschiedene Banken gehen, desto größer ist die Möglichkeit der Wirtschaftskriminalität.

Nachteile

Sowohl die regionale Begrenzung des Geldumlaufs als auch die Umlaufsicherungsgebühr können kritisiert werden:

Mit Regiogeld können Produkte, die von außerhalb des Währungsraums kommen, nicht bezahlt werden. Um eigene Produkte in anderen Regionen verkaufen zu können bzw. um von außerhalb importierte Güter bezahlen zu können, ist entweder eine Komplementärwährung notwendig oder eine Möglichkeit zum Tausch zwischen den verschiedenen Währungen - beispielsweise über interregionale Verrechnungsstellen (Clearinghäuser). Dies verursacht jedoch Transaktionskosten und wirkt also wie ein Zoll auf Produkte, die von außerhalb der Region "importiert" werden. Dies ist zwar gerade der Sinn von Regiogeld, bringt aber die üblichen negativen Zollwirkungen (bspw. Handelsbegrenzung, Rückgang von Produzenten- und Konsumentenrente) mit sich.

Ist das Regiogeld als Komplementärwährung konzipiert, so werden diese Nachteile für extraregionale Unternehmen abgemildert. Allerdings stellt sich dann die Frage nach dem Sinn des Regiogeldsystems; für die Bürger bietet das Regiogeld dann nämlich einen geringeren Nutzen als das supraregionale Geld, da man zwar mit beiden Währungen regionale Anbieter bezahlen kann, aber nur das supraregionale Geld als Zahlungsmittel für supraregionale Anbieter taugt. Somit ist es wahrscheinlich, dass das Regiogeld hauptsächlich von denjenigen Haushalten nachgefragt wird, die sowieso regionale Anbieter stärken würden.

Auch der Nutzen einer Umlaufsicherungsgebühr kann hinterfragt werden. (Diese Hinterfragung stellt bei den Freigeldsystemen keinerlei Bedeutung dar und ist sogar als die elementare Wurzel zu sehen!) Ziel der Umlaufsicherungsgebühr ist es, die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel gegenüber der Funktion als Wertaufbewahrungsmittel zu stärken - also den Konsum gegenüber dem Sparen zu bevorzugen. Zum einen stellt dies gemäß Kritikern eine Einschränkung der Handlungs- und Entschließungsfreiheit der Wirtschaftssubjekte dar. Obwohl das Sparen über Wertpapiere als auch über Investitionen weiterhin möglich ist!

Zum anderen bemängeln Kritiker von Regiogeldsystemen, (es besteht innerhalb der Bewegung ein Diskurs zu diesem Thema; im wesentlichen zwischen einer wirtschaftlichen und einer politischen Betrachtungsweise) dass diese durch die Umlaufsicherungsgebühr entgegen der eigentlichen Intention nicht zu einer Begrenzung des kritisierten quantitativen Wachstums beitragen. Ansatzpunkt ist hierbei wieder die Bevorzugung von Konsum gegenüber Sparen. Gemäß der neoklassischen Wachstumstheorie gibt die Konsumnachfrage hauptsächlich kurzfristige Wachstumsimpulse, während für ein nachhaltiges, langfristiges Wachstum das Sparen unerlässlich ist. Gemäß der keynesianischen Theorie können jedoch auch kurzfristige Nachfragesteigerungen langfristige Wohlfahrtseffekte haben.

Deckung

Um den Regiogeldern einen Wert zu geben, sind diese i.d.R. gedeckt. Die meisten in Deutschland befindlichen Regiogelder sind durch Euro gedeckt. Die Emission erfolgt dabei durch Eintausch von Euro im Verhältnis 1:1. Der Rücktausch ist zu einem Festkurs (meist ca. 95%) garantiert. Neuere Regiogelder sind durch Leistungsgarantien oder Akzeptanzverpflichtungen der teilnehmenden Unternehmen gedeckt. Bei diesen erfolgt die Emission durch eine vertragliche Verpflichtung in der Zukunft. Der Rücktauschkurs ist dabei meistens nicht garantiert und entwickelt sich daher meist am Markt. Einige wenige Regiogelder sind reine Verrechnungssysteme oder zumindest vorranging Verrechnungssysteme und entsprechen damit von der Funktionsweise eher den Bartersystemen.

Historische Initiativen

Rückseite eines Arbeitswertscheins aus Wörgl, Österreich 1932/33

Folgende historische Freigeldexperimente waren ihrer Umsetzung nach Regionalgelder:

Am bekanntesten wurde das Freigeld von Wörgl in Österreich auf Initiative des Bürgermeisters Michael Unterguggenberger in den Jahren 1932/33. Durch die Verwendung von Freigeld als Zweitwährung gelang es die Regionalwirtschaft wieder anzukurbeln und damit die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise wesentlich zu mildern. Es beruhte auf von der Gemeinde ausgegebenen Arbeitsgutscheinen, die mit hinterlegten Schilling gedeckt und mit einer monatlichen Umlaufsicherungsgebühr von 1 Prozent versehen waren, also 12 Prozent im Jahr. Doch muss angemerkt werden, dass das Wörgl ein halbes Jahr später auch ohne Verbot beendet worden wäre, weil es eine feste Anbindung an den Schilling besaß. Deshalb besitzt echtes Freigeld einen Wechselkurs!

Funktionsweise: Auf die Vorderseite musste monatlich eine Marke mit 1 % des Wertes geklebt werden.

Wära-Gutscheine, Herausgeber: Tauschgesellschaft Erfurt 1931. Stückelung 0,5; 1; 2 und 5 Wära. Umlaufsicherungsgebühr von ebenfalls 12 Prozent jährlich. (Fotographien von Wära-Gutscheinen beim Deutschen Historischen Museum (DHM) - Vorderseite im Bauhaus-Stil gestaltet)

Wära in Ulm (1931). Markengeld mit einer jährlichen Abwertung von etwa 6 Prozent. Abb.: (DHM)

Geraer Tauscher (1931). Tabellengeld mit einer jährlichen Abwertung von etwa 20 Prozent. Abb.: (DHM)

Heutige Initiativen

Deutschland

überregional

  • Regiogeld e.V.
  • jährlicher Kongress

mit Umlaufsicherung

  • AUGUSTA Regional in Göttingen (Niedersachsen). Umlaufsicherung von etwa 12%/Jahr. Wertmarke wird in regelmäßigen Abständen aufgeklebt.
  • Bergtaler. Umlaufsicherung von etwa 12%/Jahr. Wertmarke wird monatlich aufgeklebt. Es gibt beim Erwerb einen Bonus von 3%, um Kunden zum Mitmachen zu bewegen.
  • Berliner Regional in Berlin. Halbjährliche Umlaufsicherungsgebühr in Höhe von 2 Prozent des Nennwerts? Ablaufgeld.
  • Bremer Regional in Bremen. Umlaufsichung von etwa 12%/Jahr. Sind als Tabellengeld ausgeführt, der jeweilige Wert ist auf den Gutschein aufgedruckt und fällt im Lauf des Jahres monatlich um 1 Prozent des Nennwerts.
  • Carlo Regional in Karlsruhe (Baden-Württemberg). Umlaufsicherung wie Chiemgauer.
  • Chiemgauer in der Region Chiemgau (Bayern). Umlaufsicherung von etwa 8%/Jahr. Alle drei Monate muss eine Gebührenmarke von 2 Prozent des Nennwerts aufgeklebt werden.
  • DreyEcker Schopfheim, Baden Württemberg. Befindet sich im Aufbau. Umlaufsicherung 8%. 2% pro Quartal an gemeinnützige Vereine und Organisationen.
  • Elbtaler (ab 2006) gültig im Ballungsraum Oberes Elbtal (Sachsen), Umlaufsicherung 5-10% pro Jahr, Lochung des Ablaufmonats, Holographiemarke für Jahresfelder, Mischkonzept euro- und leistungsgedeckter Regionalgutscheine
  • Erzregio, Leistungsdeckung, Umlaufsicherung: 6% pro Jahr, Werbung, Spezialpapier
  • Havelblüte Potsdam, Brandenburg Umlaufsicherung 2% in Marken pro Quartal, leistungsgedeckt, Start 24. Juni 2006
  • KANNWAS in Schleswig-Holstein. Umlaufsicherung von 5%/Jahr (Ablaufgeld). 3% pro Jahr an gemeinnützige Vereine und Organisationen.
  • Sterntaler Regional. Umlaufsicherung von etwa 12%/Jahr mit Quartals-Gebührenmarke von 3% des Nennwerts
  • UrstromTaler Umlaufsicherung bei Gutscheinen 5% im Jahr (Ablaufgeld). Konten 1,2% (monatlich 0,1%)

ohne Umlaufsicherung

Weitere Beispiele für freigeldähnliche Komplementärwährungen:

Kanada

  • Gogo in Kanada. Ablaufgeld, verfällt nach Ablauf seiner Gültigkeit.

Für 5% der Gutscheinsumme kann aber neu emmitiert werden!

Österreich

  • Waldviertler Regional. Umlaufsicherung von etwa acht Prozent pro Jahr. Alle drei Monate muss eine Gebührenmarke von zwei Prozent des Nennwerts aufgeklebt werden.
  • Gösingtaler. Regionalwährung der Romantikrepublik Gösing. Wird in Gösing, eines Ortes der Gemeinde Puchenstuben und verschiedenen Partnerbetrieben der Region eingelöst. Ein Gösingtaler entspricht wertmäßig einem Euro.
  • Tiroler Stunde. Regionalwährung für Tirol. Maßeinheit ist eine (Arbeits-)Stunde, zur ersten Orientierung bewertet mit 20 Euro.

Schweiz

  • WIR, seit 1934, nach 1948 ohne Umlaufsicherung, weltgrößter Tauschring, heute WIR-Bank
  • Talent, ein Buchgeld-Verrechnungs-Projekt mit Umlaufsicherung

Italien

  • Credito in der Föderation Damanhur

Kongresse

  1. Regiogeld-Kongress fand im März 2003 in Prien am Chiemsee statt, 150 Teilnehmer
  2. Regiogeld-Kongress war vom 19. bis 21. März 2004 in Prien am Chiemsee, 200 Teilnehmer
  3. Regiogeld-Kongress: 5. bis 8. Mai 2005 in Prien am Chiemsee, 250 Teilnehmer
  4. Regiogeld-Kongress: 30. September bis 1. Oktober 2006 in Weimar

Des Weiteren:

  • Komplementärwährungen in Europa vom 19. bis 22. Juli 2004 im Katholisch-Sozialen Institut in Bad Honnef
  • Internationaler Regionalwährungskongress vom 18. bis 21. August 2005 in Schrems im Waldviertel (Österreich) statt
  • Zweitgeld-Kongress in Vorarlberg vom 30. bis 31. Oktober 2006 in St. Arbogast

Rechtliche Fragen

In Deutschland ist die rechtliche Zulässigkeit von Regiogeld nicht abschließend geklärt.

Einerseits verfügen Europäische Zentralbank und Deutsche Bundesbank laut EG-Vertrag über ein Geldmonopol, genau genommen über ein Monopol zur Ausgabe von Banknoten (siehe Art106.(1).Satz3 des Gründungsvertrags, Art. 16 Abs. 1 S. 3 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank, Art. 10 S. 2 VO (EG) 974/98 (ABl. EG Nr. L 139/1) über die Einführung des Euro in der durch VO (EG) 2596/2000 (ABl. EG Nr. L 300/2) geänderten Fassung sowie in § 14 Abs. 1 S. 2 des Bundesbankgesetzes).

Andererseits gestattet die rechtlich geschützte Vertragsfreiheit, dass Vertragspartner die Charakteristika ihrer Vereinbarung frei bestimmen können. Somit kann, beispielsweise durch Gründung eines entsprechenden Vereins, die Ausgabe des Regiogeldes auf eine privatrechtliche Basis gestellt werden.

Literatur