Ritchie Boys

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Als Ritchie Boys bezeichnet man die Absolventen des Military Intelligence Training Center oder Camp Ritchie genannten Ausbildungszentrums der United States Army während des Zweiten Weltkriegs. Die Teilnehmer waren vorwiegend junge Deutsche, meist Juden, die in den Vereinigten Staaten eine neue Heimat gefunden hatten.

Geschichte

In Camp Ritchie, Maryland, wurden sie mit einem speziellen Trainingsprogramm auf ihren Einsatz in Europa vorbereitet. In Zusammenarbeit mit den amerikanischen Streitkräften sollten sie Deutschland besetzen.

Viele bekannte Persönlichkeiten wurden im Camp ausgebildet, darunter Hans Habe, Stefan Heym, Hanus Burger, David Robert Seymour, Victor Brombert und Werner Angress.

Als Deutschland den USA den Krieg erklärte, wurden die „Ritchie Boys“ zu einer kriegswichtigen Waffe der Alliierten. Keiner kannte die Deutschen besser als die Deutschen selbst. Sie kannten die psychische Befindlichkeit und die Sprache. Im Camp Ritchie wurden ihnen Konzepte der modernen psychologischen Kriegführung beigebracht. Daraus ergab sich auch ihr Aufgabengebiet: den Gegner zu erforschen, zu demoralisieren und somit zur bedingungslosen Kapitulation zu bewegen.

Auch Klaus Mann war für knapp einen Monat im Camp stationiert. Er wurde dort sogar zum Staff Sergeant befördert, durfte dann aber doch nicht mit dem Truppentransport im Mai 1943 zur Landung auf Sizilien (Operation Husky) auslaufen, weil er zu diesem Zeitpunkt noch keine amerikanische Staatsbürgerschaft besaß; erst Anfang 1944 wurde er der 5. US-Armee zugeteilt und in Süditalien eingesetzt.

Die Ritchie Boys trafen am D-Day, dem 6. Juni 1944, zusammen mit den anderen alliierten Truppen in Europa ein. Kurz nach Erreichen des Festlandes verließen sie ihre eigentlichen Einheiten und verfolgten ihre Spezialaufgaben. So konnten sie die Alliierten mit wichtigen Informationen versorgen. Des Weiteren sorgten sie dafür, dass der Widerstand Stück für Stück gebrochen wurde, in dem sie in offenen und verdeckten Aktionen den Gegner bekämpften.

Systematisch wurden Kriegsgefangene und Überläufer verhört. So konnten die Ritchie Boys Informationen über Truppenstärke, Truppenbewegungen und die physische und psychische Situation der Deutschen an die Alliierten weitergeben.

Durch gezielte Desinformation mittels gefälschter Zeitungsmeldungen, aber auch über Flugblätter, Radiosendungen und Lautsprecherwagen wurden die deutsche Bevölkerung und die Soldaten aufgefordert, die Kampfhandlungen einzustellen.

Nach dem Krieg gründeten die Ritchie Boys in den Westzonen die lizenzierten großen Tageszeitungen (z.B. FAZ, SZ etc.) und Rundfunkanstalten. Für viele der Ritchie Boys war der Krieg nur eine kurze Phase ihres Lebens. Viele von ihnen machten anschließend Karriere in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.

Obwohl diese Abteilung durch ihre Arbeit entscheidenden Einfluss auf die heutige Militärtaktik hatte, blieb sie der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt, bis sich der Dokumentarfilmer Christian Bauer 2004 ihrer Geschichte annahm.

Die meisten Dokumente betreffend Camp Ritchie waren im U.S. Nationalarchiv in St. Louis eingelagert. Bei einem Feuer im Jahr 1973 wurden beinahe 80 Prozent der Dokumente zerstört, sodass Informationen in erster Linie auf mündlicher Basis beruhen.[1]

Fort Hunt

Noch weniger bekannt war das geheime Lager »Fort Hunt« des militärischen Geheimdienstes MID, südlich von Washington D.C. im Wald gelegen, das zu Verhören von deutschen Kriegsgefangenen während des 2. Weltkrieges diente. Von Dezember 1941 bis November 1946 wurden in »Fort Hunt« mehr als 4.000 Kriegsgefangene verhört.[2]

Film

  • Die Ritchie Boys. Dokumentarfilm, 93 Min., Buch und Regie: Christian Bauer, Produktion: Tangram Christian Bauer Filmproduktion, Ko-Produktion: BR, WDR, MDR u.a., Uraufführung: 23. April 2004, Hot Docs Toronto
    Hass auf Hitler: Die Ritchie Boys. Kurzfassung, 45 Min., Erstausstrahlung: ARD, 9. Mai 2005

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Refugees in the American Armed Forces during World War II, Seite 53
  2. „Scham ist stärker als Schweigen“, Süddeutsche Zeitung, 7. November 2007