Spontane Ordnung

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Spontane Ordnung ist das spontane, ungeplante Aufkommen von Ordnung aus vermeintlichem oder tatsächlichem Chaos. Beispiele für Systeme spontaner Ordnung sind die Evolution des Lebens auf der Erde, Sprache, Wikipedia, Freie Marktwirtschaft, Ökosysteme und das Universum.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Laut Murray Rothbard verwendete Zhuangzi (369-286 v. Chr.) erstmals das Konzept, lange vor Pierre-Joseph Proudhon und Friedrich Hayek. Laut Zhuangzi resultiere Ordnung spontan, wenn man die Dinge sich selbst überlasse.[1] Proudhon vertrat die Auffassung, dass, sobald politische durch industrielle Funktionen ersetzt wären, Markttransaktionen allein eine soziale Ordnung schaffen würden.[2] Laut Proudhon sei die Freiheit eher eine Voraussetzung für spontane Ordnung als eine Folge. Die Freiheit ist „nicht die Tochter, sondern die Mutter der Ordnung“.[3]

Denker der schottischen Aufklärung beschäftigten sich eingehender mit dem Markt als System spontaner Ordnung. Adam Ferguson bezeichnete den Markt als „Resultat menschlichen Handelns, aber nicht von Design“.[4][5]

Die Österreichische Schule, angeführt von Carl Menger, Ludwig von Mises und Friedrich Hayek elaborierte das Konzept weiter. Obwohl viele Vertreter der Österreichischen Schule und andere liberale Denker wie Milton Friedman mit Proudhons Position übereinstimmten, verfochten sie nicht den Anarchismus derart dezidiert wie Rothbard; viele Libertäre hingen eher dem Minarchismus an.

In der Thermodynamik folgt spontane Ordnung aus der gebrochenen Symmetrie zwischen dem Prinzip der Entropie und der Maximum-Entropie-Methode, was die Präferenz der Natur für den Weg des geringsten Widerstandes widerspiegelt.[6]

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Märkte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Viele klassische Ökonomen, wie Hayek, sehen die Marktwirtschaft als Mechanismus an, spontane Ordnung zu erreichen. Der Markt ermögliche eine „effizientere Verteilung der Ressourcen einer Gesellschaft als jede Art von Design.“[7] Sie nehmen an, dass die durch Märkte hervorgerufene spontane Ordnung einer Planwirtschaft aufgrund der effizienten Informationsverarbeitung überlegen sei. Zentrale, abstrahierte statistische Daten seien ein schwacher Ersatz für die Details einer Einzelsituation.[8] Planerisches Eingreifen führe eher zu unbeabsichtigten Konsequenzen. Der Markt aggregiere die Information und das Wissen von Einzelpersonen effizienter mit Hilfe des Preismechanismus. Diese Idee wird illustriert durch das von Adam Smith geprägte Konzept der unsichtbaren Hand.

Game studies[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Konzept der spontanen Ordnung wird auch innerhalb der Ludologie verwendet. Bereits in den 1940er Jahren schrieb der Historiker Johan Huizinga, dass „die wichtigen Instinktkräfte der Zivilisation in Mythos und Ritual ihren Ursprung haben: Recht und Ordnung, Handel und Profit, Handwerk und Kunst, Poesie, Weisheit und Wissenschaft. Alle wurzeln im Boden des Spiels“. Hayek schrieb später, dass „Ein Spiel ein klares Beispiel für einen Prozess sei, in dem die Befolgung allgemein gültiger Regeln seitens Elementen mit unterschiedlichen und konkurrierenden Interessen in Ordnung resultiert“.

Anarchismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anarchisten vertreten die Auffassung, der Staat sei eine künstliche Kreation der herrschenden Klasse, und dass spontane Ordnung auf die Elimination des Staates folgen würde. Nach dieser Auffassung würde spontane Ordnung die freiwillige Kooperation von Individuen einschließen. Laut dem Oxford Dictionary of Sociology sei „die Arbeit vieler symbolischer Interaktionisten größtenteils mit der anarchistischen Sichtweise vereinbar, da sie die Gesellschaft als eine Erscheinung spontaner Ordnung ansieht.“[9]

Sobornost[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Konzept der spontanen Ordnung wurde auch in den Arbeiten der russischen Slawophilen, insbesondere bei Dostojewski verwendet und ist verwandt mit dem Konzept der Sobornost. Diese nahm Tolstoi als Grundlage der Ideologie des Christlichen Anarchismus. Lenin diente die Sobornost als Basis seiner Reformen, um eine vereinigende Kraft der Obschtschina im präsowjetischen Russland zu bezeichnen.[10]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Murray Rothbard: Concepts of the Role of Intellectuals in Social Change Toward Laissez Faire In: The Journal of Libertarian Studies. Vol IX No. 2, Herbst 1990, (PDF; 1,3 MB).
  2. Pierre-Joseph Proudhon: The Federal Principle.
  3. Proudhon: P. J. Proudhon's Solution to the Social Problem. New York: Vanguard, 1927, S. 45
  4. Adam Ferguson (Memento des Originals vom 9. Mai 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/cepa.newschool.edu on The History of Economic Thought Website
  5. Adam Ferguson: An Essay on the History of Civil Society. T. Cadell, London, 1767.
  6. S. P. Mahulikar, H. Herwig: Conceptual investigation of the entropy principle for identification of directives for creation, existence and total destruction of order. In: Physica Scripta. 70(4), 2004, S. 212–221.
  7. Hayek cited. Christian Petsoulas: Hayek's Liberalism and Its Origins: His Idea of Spontaneous Order and the Scottish Enlightenment. Routledge. 2001. S. 2
  8. Hayek zitiert. David Boaz: The Libertarian Reader. The Free Press. 1997. S. 220
  9. Gordon Marshall, Diane Barthel, Ted Benton, David Bouchler, Joan Busfield, Tony Coxon, Ian Craib, Fiona Devine, Judith Ennew, Diana Gittins, Roger Goodman, George Kolankiewicz, Catherine Hakim, Michael Harloe, David Lee, Maggy Lee, Mary McIntosh, Dennis Marsden, Maxine Molyneux, Lydia Morris, Sean Nixon, Judith Okely, Ken Plummer, Kate Reynolds, David Rose, Colin Samson, Alison Scott, Jacqueline Scott, Nigel South, Oriel Sullivan, Bryan Turner, Richard Wilson, Anthony Woodiwiss: Oxford Dictionary of Sociology. Hrsg.: Gordon Marshall. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1998, ISBN 0-19-280081-7, S. 19–20 (englisch, [1994]).
  10. Harold Joseph Berman: Faith and Order. Wm. B. Eerdmans Publishing, 1993, ISBN 9780802848529, S. 388. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche