Walter Levinthal

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Walter Michel Levinthal (* 12. April 1886 in Berlin; † 17. November 1963 in Edinburgh) war ein deutsch-britischer Bakteriologe. Er wurde u. a. als Entdecker des Psittakoseerregers bekannt.

Leben und Tätigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stolperstein am Haus, Barbarossaplatz 3, in Berlin-Schöneberg

Nach dem Schulbesuch studierte Levinthal Medizin an den Universitäten Berlin, Freiburg und München. Seine Schwerpunkte legte er auf Zoologie, Serologie und Bakteriologie. 1909 bestand er das Staatsexamen. Er promovierte in Berlin. 1914 wurde er Assistent. Als Labordirektor widmete er sich der Untersuchung des sogenannten Influenzabazillus. 1918 entwickelte er das Levinthal agar.

Zum 1. Januar 1919 trat Levinthal als wissenschaftlicher Assistent in das Robert-Koch-Institut in Berlin ein. Dort setzte er seine Studien über die Influenza fort und war mehrere Jahre lang stellvertretender Direktor der Forschungsabteilung. In dieser Stellung war er auch Prüfer an der staatlichen Schule für Desinfektionspersonal.

1924 verbrachte Levinthal drei Monate am Rockefeller-Institut in New York. Danach setzte er seine Forschungen über Pneumokokken und die Variabilität von Diphtheriebazillen in Berlin fort. Als Experimentalforscher machte er sich einen Namen durch die Entwicklung einer Methode für die Kultivierung einzelner Zellen: Mithilfe einer manuell gesteuerten Glasnadel manipulierte er eine einzelne Zelle innerhalb einer mikroskopischen Kammer und beobachtete ihre Teilung.

Im Zuge seiner Forschung über Anaerobier führte er den von Fildes entwickelten Apparat für die Erforschung anaerober Kulturen in die Arbeit des Instituts ein.

Politisch war Levinthal links orientiert. Ab November 1926 redigierte er zusammen mit seinem Freund Kurt Großmann die Zeitschrift Die Menschenrechte für die Deutsche Liga für Menschenrechte, wobei Großmann nach außen hin als verantwortlicher Redakteur zeichnete.[1]

1926 heiratete er die katholische Anna Maria Julia Clerens, die aus Mettecoven in Belgien stammte. Der Sohn Claude Walter wurde 1926 geboren.

Vom 1. April 1928 an war Levinthal Oberassistent von Fred Neufeld, später arbeitete er mit Kleine zusammen.

Am 24. März 1930 demonstrierte Levinthal im Rahmen einer Sitzung der Berliner Mikrobiologischen Gesellschaft in der Perikardialflüssigkeit von künstlich infizierten Versuchspapageien winzige filtrierbare Kokkoide, wodurch er diese als Erreger der Ornithose nachweisen konnte. Für diese Entdeckung erhielt er 1931 den Paul-Ehrlich-Preis. In der Literatur der angelsächsischen Länder ist zudem in Anerkennung des Umstandes, dass Levinthal seine Entdeckung etwas vor seinen Kollegen Alfred C. Coles und Ralph Douglas Lillie – die unabhängig von ihm dasselbe feststellen konnten – machte, auch von Levinthal-Coles-Lillie-Bodies die Rede.[2]

Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 wurde Levinthal aus dem Dienst des Robert-Koch-Instituts entlassen. Am 15. März 1933 war er in direkter Weise mit dem damals herrschenden wilden SA-Terror in Berührung gekommen, als ein SA-Trupp ihn nach einer Denunziation durch Institutsmitarbeiter beim Verlassen seiner Arbeitsstätte verhaftete und wegen angeblicher defätistischer Äußerungen über Nacht im Polizeigefängnis festhielt. Er siedelte nach Großbritannien über, wo er nacheinander in London, Bath und Edinburgh lebte. In Bath war er für das Centre of Treatment of Rheumatism tätig. In Edinburgh forschte er am Royal College of Physicians Laboratory, auf der er bis in die 1950er Jahre blieb.

In Deutschland wurde Levinthal derweil von den nationalsozialistischen Polizeiorganen als Staatsfeind eingestuft. Im Frühjahr 1940 wurde er vom Reichssicherheitshauptamt auf die Sonderfahndungsliste G.B. gesetzt, ein Verzeichnis von Personen, die im Falle einer erfolgreichen Invasion und Besetzung der britischen Insel durch die Wehrmacht von den Besatzungstruppen nachfolgenden Sonderkommandos der SS mit besonderer Priorität ausfindig gemacht und verhaftet werden sollten.[3]

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Levinthal als NS-Verfolgter anerkannt und erhielt die Pension eines Professor emeritus des Robert-Koch-Instituts zugesprochen.

Seit 1942 war er Mitglied (Fellow) der Royal Society of Edinburgh.[4]

Am 7. Oktober 2022 wurde vor seinem ehemaligen Wohnort, Berlin-Schöneberg, Barbarossaplatz 3, ein Stolperstein verlegt.

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Zum Abbau des Xanthins und Coffeins im Organismus des Menschen, 1912. (Dissertation)
  • Die Grippe Pandemie von 1918 – Epidemiologie, Ätiologie, Pathomorphologie und Pathogenese der Grippe, zusammen mit Max H. Kuczynski, Erich K. Wolff, J. F. Bergmann Verlag, 1921, ISBN 978-3-662-33364-8
  • Recent Observations on Psittacosis, 1935.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Nachruf in: Zentralblatt für Bakteriologie, Bd. 139, 1964, S. 137–139. (Übersetzung ins Englische in: Royal Socienty of Edinburgh: Year Book, 1963, S. 29–31)
  • Benjamin Kuntz: Walter Levinthal 12.04.1886 in Berlin – 17.11.1963 in Edinburgh. In: Esther-Maria Antao / Benjamin Kuntz (Bearb.): Erinnerungszeichen / Remembering. Im Gedenken an die zwölf jüdischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die 1933 das Robert Koch-Institut verlassen mussten / In memory of the twelve employees who were forced to leave the Robert Koch Institute in 1933. Museum im Robert Koch Institut, Berlin 2022, ISBN 978-3-89606-313-7, S. 86–91 (online).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Walter Levinthal – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kurt Großmann: Ossietzky, 1963, S. 55.
  2. Peter Krebsz: Die Erforschungsgeschichte der Ornithosen, P. Lang, 1995, S. 30.
  3. Eintrag zu Walter Levinthal auf der Sonderfahndungsliste G.B. (Wiedergabe auf der Website des Imperial War Museums in London).
  4. Fellows Directory. Biographical Index: Former RSE Fellows 1783–2002. (PDF-Datei) Royal Society of Edinburgh, abgerufen am 1. Januar 2020.