Wassili Wassiljewitsch Kapnist

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Wassili Kapnist

Wassili Wassiljewitsch Kapnist (russisch Васи́лий Васи́льевич Капни́ст; * 12. Februarjul. / 23. Februar 1758greg. in Welikaja Obuchowka, Regiment Mirgorod bei Poltawa, Hetmanat, Russisches Reich; † 28. Oktoberjul. / 9. November 1823greg. Kibinzy, Gouvernement Poltawa, Russisches Reich) war ein russischer Dichter und Dramaturg; Adelsmarschall des Gouvernements Poltawa. Die im 19. Jahrhundert populäre Abhandlung Geschichte der Rus wurde ihm als einem von mehreren möglichen Autoren zugeschrieben.[1][2]

Herkunft und Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kapnist war ein Nachkomme der venezianischen Adelsfamilie Capnissi (dessen Name sich vom Zakynthos-Nachnamen Καπνίσης[3] ableitet). Sein Großvater väterlicherseits war ein venezianischer Kaufmann griechischer Herkunft von der Insel Zakynthos. Kapnist verbrachte sein ganzes Leben auf dem Gut Obuchiwka in der Nähe von Poltawa. Laut Familienüberlieferung war Kapnists Mutter eine türkische Leibeigene.[4]

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ausweitung der Leibeigenschaft im Russischen Reich bestürzte Kapnist und führten zu seinen beiden bemerkenswertesten Gedichten, Ode an die Sklaverei (1783) und Ode zur Abschaffung der Sklaverei in Russland (1786), in denen er die Leibeigenschaft als Hauptplage der zeitgenössischen russischen Gesellschaft tadelte. Die Oden waren ein Protest gegen die Versklavung der ukrainischen Bauern und wurde durch den Ukas vom 3. Mai 1783 sanktioniert.[5] Seine späteren Gedichte gehören der horatischen Tradition an und nehmen die russische Romantik in ihrem Sozialpessimismus und ihrer Bewunderung für einfache Familienfreuden vorweg.

Kapnist offenbarte sich in seinem berühmtesten Werk, einem satirischen Versdrama, das auf dem Prozess des Dichters gegen einen Nachbarn basiert und den treffenden Titel Schikane trägt (1798), als wilder Satiriker. Seine Opfer sind die Richter und Justizbeamten, die er als unerlösten Haufen von Dieben und Erpressern darstellt. Das Stück ist in ziemlich hartem Alexandriner gehalten, entfaltet aber durch die Kraft seines leidenschaftlichen Sarkasmus eine starke Wirkung. Das Werk basiert auf der russischen Tradition, Richter staatlicherseits zu ernennen, während zur Zeit des Kosaken-Hetmanats die Richter zuvor gewählt wurden.

Obwohl Kapnist sein Stück Kaiser Paul widmete, wurde es von der Zensur als skurril und libertär denunziert. Es wurde nach nur vier Aufführungen verboten. Erst 1805 wurde es wieder in St. Petersburg aufgeführt. Laut Dmitri Petrowitsch Swjatopolk-Mirski verdanken die beiden größten russischen Komödien des 19. Jahrhunderts, Verstand schafft Leiden von Alexander Sergejewitsch Gribojedow und Gogols Der Revisor, nicht wenig der rohen und primitiven Komödie von Kapnist.[6]

Kapnist war eng mit dem Staatsmann Iwan Matwejewitsch Murawjow-Apostol (dem Vater des Dekabristen Sergei Iwanowitsch Murawjow-Apostol) befreundet.

Seine lebenslange Freundschaft mit Nikolai Alexandrowitsch Lwow und Gawriil Romanowitsch Derschawin geht auf die frühen 1770er Jahre zurück, als alle drei in der Leibgarde dienten. Derschawin heiratete später Kapnists Schwägerin und besuchte den Dichter und seine Frau mehr als einmal in Obuchiwka.

Brief an Friedrich von Hertzberg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1896 hat der polnische Historiker Bronisław Dembiński ein Dokument gefunden, das heute als sogenannter Brief an Friedrich von Hertzberg bekannt ist. Im April 1791 hatte jemand namens „Kapnist“ ein geheimes Treffen mit dem preußischen Kanzler Ewald Friedrich von Hertzberg, um die preußische Regierung davon zu überzeugen, Russland den Krieg zu erklären, falls ein Aufstand der Saporoger Kosaken gegen die russische Herrschaft beginnt, jedoch verweigerte Friedrich Wilhelm II. eine Zustimmung zu einer solchen Aktion.[7]

Obwohl Bronisław Dembiński diesen Brief Wassili Kapnist zuschrieb, ist immer noch unklar, ob Wassili Kapnist wirklich der Autor dieses Briefes ist. Des Weiteren ist unklar und unwahrscheinlich, dass der Autor in dem Dokument seinen Klarnamen verwendete. Laut Olexandr Ohloblyn gibt es mindestens drei relevante Kandidaten, die einen solchen Brief unter dem Namen „Kapnist“ hätten schreiben können.[8][9]

Privat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kapnist war mit Alexandra Alexewna Djakowa verheiratet. Kapnists Sohn Alexei Wassiljewitsch wurde nach dem Dekabristen-Aufstand im Dezember 1825 verhaftet und verhört, danach aber wieder auf freien Fuß gesetzt.

Ehrung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Zuge der Dekommunisierung wurden in der Ukraine Straßen zu Ehren von Wassyl Kapnist umbenannt:

  • 2015 – Poltawa
  • 2015 – Dnipro
  • 2016 – Sumy

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Walentin Janin u. a.: Otetschestwennaja istorija: istorija Rossii s drewneischich wremen do 1917 goda : Tom 2. Bolschaja Rossijskaja enziklopedija, Moskau 1996, S. 490. ISBN 5-85270-049-5. (russisch)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Wassili Kapnist – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Роман Пуйда/Roman Puida.: Geschichte der ukrainischen Kultur: eine Zusammenfassung von Vorlesungen für Studenten aller Fachrichtungen und Bildungsformen [Archiviert am 2. März 2021 in Wayback Machine.] S. 73, abgerufen am 23. Juni 2022
  2. Тарас Дишкант/Taras Dischkant. "Geschichte der Rus": die Suche nach dem Autor www.web.archive.org, abgerufen am 23. Juni 2022
  3. B.O. Unbegaun, Russkie familii (Moscow: Univers, 1995), ". S. 275.
  4. Brown, William Edward (1980), A History of 18th Century Russian Literature, Ardis Publishing, S. 455, ISBN 978-0-88233-341-0, D. Vasily Vasilievich Kapnist (1758-1823): The fourth and longest-lived poet of the Lvov circle was Vasily Vasilievich... there is a family tradition that his own mother was, like Zhukovsky's, a captive Turkish woman...
  5. Georg Sacke: V. V. Kapnist und seine Ode „Na rabstvo“. In: Zeitschrift für Slavische Philologie. Vol. 17, No. 2. Universitätsverlag WINTER GmbH, Heidelberg 1940, S. 291–301.
  6. D.S. Mirsky. A History of Russian Literature. Northwestern University Press, 1999. ISBN 0-8101-1679-0. S. 56.
  7. Zenon Kohut. Roots of Identity. Studies on Early Modern and Modern Ukraine. Krytyka, Kyiv, 2004. S. 67.
  8. Ohloblyn, Olexandr: Берлінська місія Капніста 1791 року. Die Kapnistische Mission in Berlin 1791.
  9. Bronislaw Dembinski: Tajna misya Ukrainca w Berlinie w r. 1791. (Die geheime Mission eines Ukrainers in Berlin im Jahre 1791.). Czas, Krakau 1896 (polnisch).