Wassily Kandinsky

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Wassily Kandinsky

Wassily Kandinsky (russisch Василий Васильевич Кандинский/ Wassili Wassiljewitsch Kandinski, wiss. Transliteration Vasilij Vasil'evič Kandinskij; * 4. Dezember 1866 in Moskau; † 13. Dezember 1944 in Neuilly-sur-Seine, Frankreich) war ein russischer Maler, Graphiker und Kunsttheoretiker, der auch in Deutschland und Frankreich lebte und wirkte. Häufig wird Kandinsky als Schöpfer des ersten abstrakten Bildes der Welt (datiert 1911) genannt.

Leben

Kandinsky war ein Künstler des Expressionismus und vor allem der abstrakten Kunst. Er stammte aus einer wohlhabenden Teehändlerfamilie aus Moskau, die aber bald nach Odessa zog. Die Eltern trennten sich in seiner Kindheit, so dass er weitgehend ohne Vater aufwuchs. Nach dem Abitur begann er in Moskau Jura, Nationalökonomie und Ethnologie zu studieren. Auch während seines Studiums malte er nebenher, er war danach Dozent an der Moskauer Universität. 1889 unternahm er eine Expedition in das nördliche Ural-Gebirge, um dort das Rechtssystem der Syrjanen zu studieren. Ihn faszinierten die mythischen, abstrakten Bemalungen der Trommeln dieses Urvolkes. Der Einfluss dieser Eindrücke ist in Kandinskys Frühwerk deutlich zu erkennen. [1] 1892 wurde er Assistent der Juristischen Fakultät an der Moskauer Universität und heiratete seine Cousine Anna Tschimjakin.

1896 zog er nach München und studierte dort zuerst an einer privaten Kunstschule, danach an der Kunstakademie München bei Franz von Stuck. 1901 war er zusammen mit Wilhelm Hüsgen einer der Gründer der Künstlergruppe „Phalanx“, wo er Gabriele Münter begegnete, die seine Lebensgefährtin wurde, obwohl er in Russland schon verheiratet war. 1906 bis 1907 verbrachte er in der französischen Stadt Sèvres, wo er sich dem Expressionismus zuwandte. Ab 1908 lebte er dann mit seiner Geliebten Gabriele Münter im bayerischen Murnau, das er wegen seiner Lichtverhältnisse besonders schätzte und schuf dort zahlreiche Landschaftsgemälde. In diesem Jahr lernte er auch Rudolf Steiner kennen, dessen damalige Theosophie und nachherige Anthroposophie sein späteres Schaffen inspirierte und beeinflusste [2].

1909 gründete er zusammen mit Gabriele Münter, Alexej von Jawlensky, Adolf Erbslöh, Marianne von Werefkin, Alexander Kanoldt, Wladimir von Bechtejeff, Karl Hofer und Alfred Kubin die Neue Künstlervereinigung München. In dieser Vereinigung, die sich das Ziel gesetzt hatte, „Kunstausstellungen in Deutschland, wie im Ausland zu veranstalten“, fungierte er zunächst als Vorsitzender. Innerhalb dieses Kreises kam es zu drei bedeutenden Gemeinschaftsausstellungen in der Modernen Galerie Heinrich Thannhauser in München. In diese Zeit fällt auch seine Entwicklung hin zur abstrakten Malerei. Als bei der dritten Ausstellung der „Neuen Künstlervereinigung“ die Jury Kandinskys fast vollständig abstrakte „Komposition V“ ablehnte, traten er, Franz Marc, Gabriele Münter und Alfred Kubin aus der Künstlervereinigung aus. Am 18. Dezember 1911 eröffneten Kandinsky und Franz Marc die erste Ausstellung der neu gegründeten Künstlervereinigung „Blauer Reiter“ in der Galerie Thannhauser in München. Begleitend zur Ausstellung brachten beide 1912 den gleichnamigen Almanach „Blauer Reiter“ heraus. 1912 erschien Kandinskys einflussreiche kunsttheoretische Schrift Über das Geistige in der Kunst. Die hier zusammengetragenen Gedanken waren für die weitere Entwicklung der abstrakten Malerei von grundlegender Bedeutung.

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Moskau I. 1916. Tretjakov Gallery, Moskau

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs konnte er nicht in Deutschland bleiben und floh 1914 mit Gabriele Münter in die Schweiz. Er reiste von dort aus alleine weiter nach Russland. Dort ging er u.a. einer Tätigkeit als Professor in den „Freien staatlichen Kunstwerkstätten“ und in anderen staatlichen Institutionen nach. Am 11. Februar 1917 heiratete er seine zweite Frau Nina Andreewsky, nachdem er bereits 1911 von seiner ersten Frau geschieden war und mit Gabriele Münter nach einem letzten Treffen in Stockholm 1916 gebrochen hatte. Nach der russischen Revolution verlor er sein Vermögen, das dank der Erbschaft von einem Onkel nicht unbedeutend gewesen war. 1920 starb sein Sohn Vsevolod. Die Verhältnisse in der neuen Sowjetunion, die Einschränkungen der Kunstfreiheit durch die neuen Machthaber, wurden für ihn zunehmend unerträglich, so dass er gerne dem Ruf von Walter Gropius folgte, am Bauhaus in Weimar als Lehrer tätig zu werden. Er konnte legal ausreisen, konnte aber seine Bilder von dort nicht mitnehmen.

Bis 1933 war Kandinsky als Lehrer am Bauhaus in Weimar, Dessau und Berlin tätig, wo er in Kontakt mit dem russischen Konstruktivismus kommt. In dieser Zeit setzten sich endgültig die geometrischen Strukturen in seinen Bildern durch. In Dessau war er einer der Bewohner der „Meisterhäuser“ des Bauhauses. 1924 gründete er mit Lyonel Feininger, Paul Klee und Alexej von Jawlensky die Künstlergruppe „Die Blauen Vier“. 1926 erschien seine theoretische Schrift: „Punkt und Linie zu Fläche“. 1928 erwarb er die deutsche Staatsbürgerschaft.

1930 traf er in Dessau mit Solomon R. Guggenheim zusammen. Diese Begegnung hatte Hilla von Rebay vermittelt, die den „Kupferkönig“ Guggenheim dazu hatte bewegen können, eine Sammlung abstrakter zeitgenössischer Kunst anzulegen. Guggenheim kaufte einige Bilder; nach und nach wurde daraus mit über 150 Arbeiten eine der größten Sammlungen von Kandinsky-Werken, die im „Museum of Non-Objective Painting”, dem heutigen Guggenheim-Museum zu sehen sind.

Mit der Schließung des Bauhaus 1933 verließ Kandinsky Deutschland und ging nach Frankreich. In den 30er Jahren war er Mitglied der Künstlerbewegung Abstraction-Création in Paris. 1936 nahm er an den Ausstellungen „Abstract and Concrete“ in London und „Cubism and Abstract Art“ teil. 1939 nahm er die französische Staatsbürgerschaft an und beendete seine letzte große Arbeit „Komposition X“. 1937 wurden 57 seiner Werke in deutschen Museen beschlagnahmt und einige dann von den Nationalsozialisten in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt. Einige dieser Werke wurden postum auf der documenta 1 (1955), der documenta II (1959), der documenta III (1964) und auch der documenta 8 im Jahr 1987 in Kassel gezeigt. 1944 fand seine letzte Ausstellung, die er miterlebte, in der Pariser Galerie l'Esquisse statt.

1944 starb Kandinsky in seinem Wohnort Neuilly-sur-Seine bei Paris.

Farbtheorie

Farben & Formen

Kandinsky besaß eine außergewöhnliche bildnerische Intelligenz und hatte ein ausgeprägtes Empfinden für Farbe und Form. Er ordnete den Farben tiefere Bedeutungen und Assoziationen zu und stellte sie in Gegensatzpaaren gegenüber:

  • Blau (kalt, Himmel, Übersinnliches, Unendlichkeit und Ruhe, konzentrisch) – Gelb (warm, irdisch bis zu aufdringlich, aggressiv, exzentrisch)
  • Schwarz (dunkel) – Weiß (hell)
  • Rot – Grün
  • Orange – Violett

Kandinsky ging von der Synästhesie (Verschmelzen verschiedener Sinneseindrücke) aus und ordnete den Farben verschiedene andere Sinneseindrücke zu, der Farbe Blau bspw. die Eigenschaften „weich“ und „aromatisch“, der Farbe Gelb hingegen „scharf“ und „stechend“.

„Der Punkt ist Urelement, Befruchtung der leeren Fläche. Die Horizontale ist kalte, tragende Basis, schweigend und „schwarz“. Die Vertikale ist aktiv, warm, „weiß“. Die freie Geraden sind beweglich, „blau“ und „gelb“. Die Fläche selbst ist unten schwer, oben leicht, links wie „Ferne“, rechts wie „Haus“.“

Wassily Kandinsky: Punkt und Linie zu Fläche (1925)

Des weiteren versuchte er die Zugehörigkeit bestimmter Farben zu bestimmten Formen nachzuweisen:

  • Blau - Kreis
  • Rot - Quadrat
  • Gelb - Dreieck

Parallelen zur Musik

Mit dem zunehmenden Abstraktionsgrad seiner Bilder entwickelte Kandinsky eine Art Grammatik, die es ihm möglich machte, in der Gegenstandslosigkeit zu arbeiten. Als Vorbild diente ihm hierbei die Musik, wo es möglich ist, Gefühle durch Noten auszudrücken. Ähnlich wie in der Musik teilte er seine Werke in drei Gruppen ein:

  • „Impressionen“: Eindruck aus der äußeren Natur
  • „Improvisationen“: unbewusste, plötzliche Vorgänge in der „inneren Natur“, dem Charakter
  • „Kompositionen“: sich langsam bildende Ausdrücke des Charakters, die beinahe pedantisch geprüft und ausgearbeitet werden; das Bewusste steht im Vordergrund.

Die Grundidee bei diesen Bildern ist das Hören von Farben, bzw. das Sehen von Klängen. Ziel der Kunst ist die Farbharmonie und das Berühren der menschlichen Seele. Dazu ordnet er „Farbklänge“ zu „Farbsymphonien“ an, die ähnlich wie die Töne und Klänge in der Musik, Harmonie- oder Dissonanzgefühle auslösen.

Vergleiche:

  • die Form = eine Klaviertaste
  • grellgelb = hohe Trompetentöne
  • helles Blau = Flöte
  • dunkles Blau = Cello
  • tiefer gehendes Blau = Ton eines Kontrabasses
  • tiefes, feierliches Blau = Klang einer tiefen Orgel

Werke

Kandinsky war ein Synästhet, empfand also Farben nicht nur als optische, sondern z. B. auch als akustische Reize. Er ordnete den Farben Klänge, Gerüche, Formen usw. zu. So empfand er gelb als eine „spitze“ Farbe, die sich in Verbindung mit der spitzen Form des Dreieckes steigere. Daher versuchte er Bilder zu malen, wie man Musik komponiert; er sprach von „Farbklängen“ und verglich die Harmonie von Farben mit der Harmonie von Klängen. Kandinsky sah auch die Gefahren für die abstrakte Kunst und schrieb, dass die Schönheit der Farbe und der Form kein genügendes Ziel der Kunst sei.

  • 1903, „Gabriele Münter beim Malen in Kallmünz“, München, Lenbachhaus
  • 1909, „Friedhof und Pfarrhaus in Kochel“, München, Lenbachhaus
  • 1909, „Murnau – Aussicht mit Eisenbahn und Schloss“, München, Lenbachhaus
  • 1909, „Grüngasse in Murnau“, München, Lenbachhaus
  • 1910, „Aquarell ohne Titel“, oft als erstes abstraktes Bild genannt; rückdatiert, tatsächliches Entstehungsjahr eher 1913 (Datierung umstritten)
  • 1910, „Improvisation 9“, Stuttgart, Staatsgalerie
  • 1913, „Landschaft mit Kirche“, Essen Museum Folkwang
  • 1921, „Roter Fleck II“, München, Lenbachhaus
  • 1928, Inszenierung von Modest MussorgskysBilder einer Ausstellung“ am Dessauer Theater

Die größte Sammlung von Werken Kandinskys befindet sich mit über 150 Arbeiten im Guggenheim-Museum New York.

Name

Die hier verwendete Namensschreibung Wassily Kandinsky entspricht der vom Künstler in Frankreich angenommenen französischen Transkription.

Literatur

  • Kindlers Malerei Lexikon. DTV Deutscher Taschenbuch, 1984, ISBN 3-4230-5995-8
  • Werner Broer u.a.: Kammerlohr - Epochen der Kunst, Bd. 5: 20. Jahrhundert: Vom Expressionismus zur Postmoderne. 2. Auflage. München 1997, ISBN 3-486-87525-6
  • Wassily Kandinsky: Über das Geistige in der Kunst. Insbesondere in der Malerei. Revidierte Neuauflage. Benteli, Bern 2004. ISBN 3-7165-1326-1
  • Wassily Kandinsky: Punkt und Linie zu Fläche. Beitrag zur Analyse der malerischen Elemente. 8. Auflage. Benteli, Bern 2002. ISBN 3-7165-0182-4
  • Annegret Hoberg: Wassily Kandinsky und Gabriele Münter. Prestel Verlag, München 2005, ISBN 3-7913-3358-5.
  • Kandinsky. Malerei 1908-1921, Hrsg. von Harwig Fischer und Sean Rainbird, Kunstmuseum Basel, Basel 2006, ISBN 978-3-7757-1855-4 oder ISBN 978-3-7204-0166-1

Einzelnachweise

  1. Die Magie Sibiriens. Wassily Kandinsky als Ethnograf und Schamane. ZDF Aspekte
  2. Becker, Kurt E.: Anthroposophie - Revolution von innen, Leitlinien im Denken Rudolf Steiners. Fischer, Frankfurt am Main 1984; ISBN 3-596-23336-4; Seite 73 sowie [1], [2], [3] (Zugriff jeweils am 2. Februar 2006)

Weblinks

Commons: Wassily Kandinsky – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien