Wilhelm von Kügelgen
Wilhelm Georg Alexander von Kügelgen (* 20. November 1802 in Sankt Petersburg; † 25. Mai 1867 in Ballenstedt) war ein deutscher Porträt- und Historienmaler, Schriftsteller, Hofmaler und Kammerherr am herzoglichen Hof von Anhalt-Bernburg. Sehr bekannt geworden ist er aber vor allem durch seine posthum veröffentlichten Jugenderinnerungen eines alten Mannes, die ein lebendiges und anschauliches Bild des geistigen und bürgerlichen Lebens der Frühromantik geben. Das Werk erlebte bis heute zahlreiche Auflagen in mindestens 17 Verlagen.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wilhelm von Kügelgen war ein Sohn des Porträt- und Historienmalers Gerhard von Kügelgen und dessen Ehefrau Helene Marie Zoege von Manteuffel (1773–1842). Er verlebte seine frühe Kindheit in Dresden im jetzt so genannten Kügelgenhaus. Konfirmiert wurde er 1816 in der Pfarrkirche von Lausa von Pfarrer Samuel David Roller, der mit der Familie von Kügelgen befreundet war und später auch Wilhelms jüngeren Bruder Gerhard (1806–1884) konfirmierte. Wilhelm von Kügelgen besuchte dann das Gymnasium in Bernburg (Saale) und studierte an der Kunstakademie Dresden. Die Ermordung seines Vaters am 27. März 1820 verursachte eine tiefe Lebenskrise; zudem litt er an zunehmender Farbenblindheit. 1825/1826 hielt er sich in Rom auf, wo er sich mit Ludwig Richter (1803–1884) anfreundete.
Befreundet war Kügelgen auch mit Caspar David Friedrich (1774–1840), Johan Christian Clausen Dahl (1788–1857) und Carl Gottlieb Peschel (1798–1879). In seinen Jugenderinnerungen gibt es darüber hinaus wichtige Hinweise und Schilderungen zum umfangreichen Freundeskreis der Familie, der im Zentrum der Frühromantik stand.
Er heiratete 1827 Julie Krummacher (* 25. Oktober 1804 in Duisburg; † 22. Mai 1909 in Dessau), Tochter des Anhalt-Bernburger Landessuperintendenten Friedrich Adolf Krummacher,[1] bei dem er als Gymnasiast gewohnt hatte. Aus der Ehe stammten sechs Kinder: Bertha (* 14. April 1828), Anna (* 7. Februar 1831), Gerhard (* 27. Mai 1833), Adolph (* 9. Mai 1835), Benno (* 18. April 1837) und Elisabeth (* 22. September 1839). Ein Enkel (Sohn von Benno v. K.), Oberstleutnant a. D. Wilhelm von Kügelgen, war in den Jahren 1919 bis 1925 als persönlicher Sekretär Adjutant des Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg.
1833 wurde er Hofmaler in der Anhalt-Bernburgischen Sommerresidenz Ballenstedt, wo er bis zu seinem Tode 1867 blieb. 1840 ging dort der Neffe seiner Mutter, Otto Zoege von Manteuffel, für einige Zeit bei ihm in die Ausbildung.
Kügelgen war ein leidenschaftlicher Schachspieler. Am 9. Januar 1837 war er Gründungsmitglied des Schachklubs Ballenstedt. In den Jahren 1837 bis 1841 wurde von einem Dr. Ziegler ein Protokollbuch geführt, für dessen Frontispiz Kügelgen eine Handzeichnung beisteuerte. Diese zeigt eine den Klub symbolisierende Dame, in deren Schoß sich Kügelgen und Ziegler am Schachbrett gegenübersitzen. Das Protokollbuch wurde 1928 vom Städtischen Museum Ballenstedt erworben, nachgedruckt und als „eine neue Kügelgenreliquie“ bezeichnet.[2]
1853 wurde er Betreuer des geisteskranken Herzogs Alexander Carl von Anhalt-Bernburg. Im Sommer 1858 begleitete er die Herzogin auf eine Badereise nach Föhr.[3] Seine 1870, durch den Verleger Philipp von Nathusius posthum erschienenen Jugenderinnerungen eines alten Mannes waren eines der Lieblingsbücher des deutschen Bürgertums; sie erschienen 1922 in der 230. Auflage. Aufgrund der lebensnahen Schilderungen haben diese heute noch kulturhistorischen Wert. Im Vorwort zu der 1924 im Verlag von K. F. Koehler, Leipzig, erschienenen Ausgabe schrieb der Herausgeber des Buches, Johannes Werner:
„Wenn der bescheidene, zurückhaltende Alte Mann es wüßte, was seine Persönlichkeit jetzt, sechzig Jahre nachdem er schwach und krank im stillen Kügelgenhaus zu Ballenstedt mit Bienenfleiß an seinen ‚Jugenderinnerungen‘ feilte, dem deutschen Volke bedeutet, und daß die Selbstbezeichnung, die er mit stiller Resignation und leiser Ironie prägte, ihm längst schon zum in Alldeutschlands Gauen volkstümlichen Ehrennamen geworden ist!!“
Und in der Ausgabe des Wilhelm Langewiesche-Brandt-Verlages, Ebenhausen bei München, erschienen 1908, „Frau Julie von Kügelgen zu Dessau in Ehrfurcht gewidmet, der Witwe des Verfassers, die am 23. Oktober 1908 das hundertundvierte Jahr ihres Lebens vollendete“, steht:
- „Die Jugenderinnerungen, die erst nach seinem Tode erschienen, werden die Spur von seinen Erdentagen nie untergehen lassen.“
Kügelgens Haus in Ballenstedt, Kügelgenstraße 35 a, ist bis heute erhalten – wie auch die Familiengrabstätte auf dem Ballenstedter Friedhof. Seit 1993 wird vom Bernburger „Kunstkreis Sachsen-Anhalt“ das Wilhelm von Kügelgen Stipendium an bildende Künstler vergeben. Das Ballenstedter Stadtmuseum „Wilhelm von Kügelgen“ ist ihm zu Ehren benannt und zeigt in zwei Räumen eine Ausstellung zu seinem Leben.
Werke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gemälde
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Altarbild für die St.-Olai-Kirche in Reval
- Geschichte des Reichs Gottes in Bildern (mehrere Hefte)
- zahlreiche Porträts der Familien von Krosigk, von Veltheim und von Westphalen sowie Historienbilder
Schriften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Drei Vorlesungen über Kunst. Georg Heyse, Bremen 1842
- Von den Widersprüchen in der Heiligen Schrift für Zweifler. Berlin 1850. (Digitalisat in der Digitalen Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern)
- Jugenderinnerungen eines alten Mannes, hrsg. von Philipp von Nathusius. W. Hertz, Berlin 1870 Digitalisat
- Lebenserinnerungen eines alten Mannes, aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen. Bearbeitet und hrsg. von Paul Siegwart von Kügelgen und Johannes Werner. Koehler, Leipzig 1923
- Zwischen Jugend und Reife des alten Mannes 1820–1840, aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen zusammengestellt von Johannes Werner. Koehler & Amelang, Leipzig 1925[4]
- Bürgerleben. Die Briefe an den Bruder Gerhard 1840–1867, hrsg. und mit einer Einleitung versehen von Walther Killy. München 1990
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Adalbert Elschenbroich: Kügelgen, Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 13, Duncker & Humblot, Berlin 1982, ISBN 3-428-00194-X, S. 185 f. (Digitalisat).
- Konrad von Krosigk: Ludwig von Westphalen und seine Kinder. Bruchstücke familiärer Überlieferungen. In: Zur Persönlichkeit von Marx’ Schwiegervater Johann Ludwig von Westphalen. Trier 1973, S. 43–79 (Schriften aus dem Karl-Marx-Haus Heft 9)
- May Redlich: Lexikon deutschbaltischer Literatur. Eine Bibliographie. Herausgegeben von der Georg-Dehio-Gesellschaft. Verlag Wissenschaft und Politik Berend von Nottbeck, Köln 1989, ISBN 3-8046-8717-2, Eintrag S. 198 unten
- G. Reich: Wilhelm von Kügelgen als religiöse Persönlichkeit und theologischer Denker, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte, 4 (1952)
- Hans Schöner: Wilhelm von Kügelgen. Sein Leben und seine Bilder. Selbstverlag, Mönkeberg 1992
- Susanne Siebert: Wilhelm von Kügelgen. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 4, Bautz, Herzberg 1992, ISBN 3-88309-038-7, Sp. 747–749 .
- Volker Ebersbach: Köstliche Perlen finden sich reichlich – ein Kügelgen-Brevier. Janos Stekovics, Halle/Saale 2002, ISBN 3-89923-024-8
- Carola L. Gottzmann / Petra Hörner: Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs. 3 Bände; Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-019338-1. Band 2, S. 789–793.
- Volker Klimpel: Wilhelm von Kügelgen. Ein Künstler als Therapeut. Ärzteblatt Sachsen 2016
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Wilhelm von Kügelgen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Wilhelm von Kügelgen in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Werke von Wilhelm von Kügelgen im Projekt Gutenberg-DE
- Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Kügelgen, Wilhelm v.. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
- Kügelgen-Kulturverein Ballenstedt
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Genealogisches Handbuch der baltischen Ritterschaften, Teil 2.1: Estland. Bd. 1, Görlitz 1930, S. 627.
- ↑ Binnewirtz/Fresen: Der Tradition verpflichtet...Eine Bibliographie der Festschriften deutscher Schachvereine, gegründet bis 1914. Venedig 2008, S. 28 (Info zum Schachklub), S. 31 (Frontispiz).
- ↑ Ulrich Schulte-Wülwer: Föhr, Amrum und die Halligen in der Kunst. Heide 2012, S. 38–42.
- ↑ Wilhelm von Kügelen: Erinnerungen 1802–1867 [in drei Bänden]. Zuerst erschienen ist Band 3, Lebenserinnerungen des alten Mannes in Briefen an seinen Bruder Gerhard 1840–1867. Bearbeitet und herausgegeben von Paul Siegwart von Kügelgen und Johannes Werner. K. F. Koehler, Leipzig 1923. XXXII, 399 S., zahlreiche Tafeln. Dem folgten Band 1 und 2 = Band 1 Jugenderinnerungen eines alten Mannes 1802–1820. Herausgegeben von Johannes Werner. Koehler & Amelang, Leipzig 1924. XXIV, 360 S., zahlreiche Tafeln. - Band 2 Zwischen Jugend und Reife des Alten Mannes 1820–1840. Herausgegeben von Johannes Werner. Koehler & Amelang, Leipzig 1925. XVI, 414 S., zahlreiche Tafeln.
Personendaten | |
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NAME | Kügelgen, Wilhelm von |
ALTERNATIVNAMEN | Kügelgen, Wilhelm Georg Alexander von (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Maler und Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 20. November 1802 |
GEBURTSORT | Sankt Petersburg |
STERBEDATUM | 25. Mai 1867 |
STERBEORT | Ballenstedt |
- Maler (Deutschland)
- Hofmaler
- Autor
- Literatur (19. Jahrhundert)
- Literatur (Deutsch)
- Person (Bernburg (Saale))
- Schachspieler (Deutschland)
- Schachspieler
- Autobiografie
- Person (Ballenstedt)
- Gerhard von Kügelgen
- Familienmitglied des Adelsgeschlechts Kügelgen
- Russe
- Russlanddeutscher
- Deutscher
- Geboren 1802
- Gestorben 1867
- Mann