Wissmann-Denkmal (Hamburg)

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Das Wissmann-Denkmal in Daressalam (1909)

Das Wissmann-Denkmal ist ein zu Ehren des 1905 verstorbenen Kolonialgouverneurs Hermann von Wissmann von dem Bildhauer Adolf Kürle geschaffenes Standbild mit bewegter Geschichte. Geschaffen wurde es für Daressalam in der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika (heute überwiegend Tansania). Politisch später heftig umstritten, ist es heute in Hamburg musealisiert.

Das Figurenensemble umfasst drei Bronzefiguren, die auf einem 2,20 Meter hohen Sandsteinsockel angeordnet waren. Es hatte eine Höhe von etwa 4,5 Metern.

Der Sockel war eine Arbeit aus den Werkstätten des Hofsteinmetzmeisters L. Niggl aus Breslau, zu der das Material aus den firmeneigenen Brüchen bei Albendorf in Schlesien gewonnen wurde.[1]

Auf den Steinsockel wurde das 2,6 Meter hohe Standbild Wissmanns in Bronze gesetzt: in der aufrechten Pose eines Eroberers, in Uniform und mit Tropenhelm, gestützt auf ein niedergelassenes Schwert, in die Weite blickend. Am Fuß des Sockels und zu Füßen der Wissmann-Skulptur, zu dieser aufblickend, stand die 1,7 Meter hohe Figur eines Askari, in der typischen Uniform mit bebänderter Kappe. Sie hielt eine gesenkte Reichsflagge über die dritte Figur, einen erlegten Löwen. Auf der Vorderseite des Sockels war eine Tafel mit den Lebensdaten Wissmanns angebracht, auf der Rückseite befand sich eine Inschrift in deutscher Sprache, die die Taten und Eigenschaften Wissmanns rühmte. Auf der linken Seite war ein Text in Arabisch und auf der rechten eine Ansprache in Swahili in lateinischen Buchstaben eingelassen: „Unser Herr von früher, er hat die Küste beruhigt und uns auf den richtigen Weg gewiesen.“[2]

In den Assistenzfiguren des Askari und des Löwen, im Aufbau und in der Größe ist Wissmanns koloniale Macht über Mensch und Tier ausgedrückt. Die Haltung und der Blick des Askari verdeutlicht die Stellung des Dieners zum Herrn. Die gesenkte Reichsflagge aber deutet einen Beerdigungsritus an, die über den Sarg ausgebreitete Fahne militärische Ehren. Von seinen Verehrern wurde Wissmann Löwe von Afrika genannt. Die heute rassistisch und befremdlich anmutende Darstellung wurde Anfang des 21. Jahrhunderts in dem Projekt Afrika-Hamburg der Künstlerin und Stadraumforscherin HMJokinen wie folgt beschrieben: „In mythifizierender, wilhelminisch-pathetischer Bildsprache wird hier eine starke Hierarchie zwischen ‚Schwarz‘ und ‚Weiß‘ festgelegt. Die Konstruktion von ‚Weiß-Sein‘ findet hier seinen [sic] Ausdruck in symbolischer, überhöhter und verdichteter Form.“[3]

Einweihung in Daressalam (3. April 1909)
Der Wissmannplatz in Daressalam mit dem Denkmal

Das Denkmal wurde auf Initiative der Deutschen Kolonialgesellschaft geplant und errichtet. Zunächst war ein Felsblock mit Reliefmedaillon vorgesehen.

Da jedoch reichhaltig Spenden flossen, wurde das Konzept erweitert und ein Standbild geschaffen. Nach der Fertigung in Deutschland wurde es einschließlich des Sockels per Schiff nach Deutsch-Ostafrika transportiert und auf dem nach Wissmann benannten Platz in Daressalam aufgestellt. Die Einweihung fand am 3. April 1909[4] in Daressalam vor der „kolonialen Gemeinschaft“ statt, anwesend waren Veteranen der Wissmann-Truppe, Askaris und arabische Würdenträger aus Deutsch-Ostafrika und Sansibar. Der Gouverneur Albrecht von Rechenberg hielt die Einweihungsrede.[2]

Zwischenkriegszeit

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Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Verlust der deutschen Kolonien beschlagnahmte die neue britische Mandatsmacht das Denkmal in Daressalam, demontierte es (ohne den Sockel) und brachte es nach London. Dort wurde es zunächst als Anschlagsäule zweckentfremdet, anschließend als Kriegstrophäe im Imperial War Museum ausgestellt. Dem deutschen Auswärtigen Amt und der Kolonialzentralverwaltung des Reichsministeriums für Wiederaufbau gelang es 1921 mit der englischen und der französischen Regierung die Rückführung nach Deutschland auszuhandeln.

Als neuer Aufstellungsort wurde Hamburg gewählt, um die besondere Bedeutung hervorzuheben, die die Stadt „in den Beziehungen des deutschen Mutterlandes zu den ehemaligen Kolonien gehabt hat, und [im Hinblick auf] die Tatsache, dass sich in Hamburg, dem größten deutschen Aus- und Einfuhrhafen, die Interessen für die überseeischen Länder konzentrierten.“[5] Im November 1922 wurde es mit einem neuen Sockel im Garten neben dem Kuppelbau der 1919 gegründeten Hamburger Universität aufgestellt, in dem zuvor auch das ehemalige Hamburgische Kolonialinstitut untergebracht war. Bereits die Einweihungsfeierlichkeiten waren politisch umstritten, der damalige parteilose Hamburger Bürgermeister Arnold Diestel blieb dem Festakt fern, ebenso hochrangige Vertreter aus dem Reich. Die Kolonialinstitute bestimmten die Szene mit „kolonialrevisionistischen Reden und Symbolen“[2] und nannten das Denkmal „das allgemeine Kolonialdenkmal Deutschlands, das die Erinnerung an das Verlorene wach halten und an das Streben nach dem Wiedererwerb des überseeischen Kolonialgebiets mahnen soll.“[6]

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Denkmal zur wichtigsten Kolonialweihestätte Deutschlands stilisiert. Wissmann galt als „der große Landsknechts- und Soldatenführer der kolonialen Kampfzeit der Deutschen in Afrika“. Bei den zahlreichen nationalen Kolonialfeiern war es Symbol für die Demütigung durch den Kolonialverlust und die „Kolonialschuldlüge“.[2] Im Zweiten Weltkrieg stürzte die Figur des Wissmann am 14. April 1945 bei einem Luftangriff vom Sockel.[7]

1949 wurde das Denkmal wieder aufgestellt. 1961 kam es zu ersten Protesten gegen das Monument, als Studenten die Universitätsleitung aufforderten, die „kompromittierenden Requisiten wilhelminischen Kolonialismus“ zu entfernen. Es wurden sowohl die künstlerische Minderwertigkeit wie die zweifelhafte Wirkung auf afrikanische Kommilitonen angeprangert.[3] Nach sechs Jahre andauernden Protesten wurde 1967 die Wissmann-Figur zum ersten Mal vom Sockel gestürzt, anschließend aber erneut aufgestellt.[8] Nachdem 1968 in einer öffentlichen Aktion Studenten die Bronze abermals herunterzogen, verzichtete die Stadt Hamburg auf die Wiederaufstellung und lagerte das Denkmal im Keller der Sternwarte Bergedorf ein. Teile des Denkmals, so der Degen, auf den Wissmann sich stützte, sind verloren gegangen. Auch ein Denkmal für Hans Dominik, mit ähnlichem Schicksal, das ursprünglich in Kribi stand, nach dem Ersten Weltkrieg von der neuen, französischen Kolonialmacht demontiert wurde und später nach Deutschland gelangte, ist in der Sternwarte eingelagert.[9]

Musealisierung versus Einlagerung

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Das eingelagerte Exponat wurde seit 1968 mehrmals öffentlich gezeigt:

  • 1987 bezog eine Ausstellung auf Kampnagel unter dem Titel Männersache – Bilder, Welten, Objekte das Denkmal als satirisches Symbol der Kolonialabenteurerromantik ein. Die Wissmann-Figur lag dabei rücklings auf dem Boden, die Askari-Figur starrte an die Decke.
  • 2004/2005 stellte das Projekt Afrika-Hamburg das Figurenensemble als Diskussionsanregung über einen Zeitraum von vierzehn Monaten an den Hamburger Landungsbrücken auf. Parallel dazu schalteten die Initiatoren eine offene Website, in der Diskussionsbeiträge eingetragen werden konnten. Begleitet wurde dies von Veranstaltungen, Kunstperformances und Schulaktionen.[10] Während dieser Ausstellungszeit wurde es durch Farbschmierereien erneut beschädigt.
  • Zwischen November 2005 und Oktober 2016 war das Denkmal erneut im Keller der Bergedorfer Sternenwarte eingelagert.[3]
  • Von Oktober 2016 bis Mai 2017 war das gestürzte und beschädigte Wissmann-Denkmal für sieben Monate Teil der Ausstellung Deutscher Kolonialismus im Deutschen Historischen Museum.[11][12]
  • Von Oktober 2018 bis März 2019 war das Wissmann-Denkmal Teil der Ausstellung 68 Pop und Protest im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.[13]

Im Gespräch ist ein permanentes Präsentieren im umstrittenen Tansania-Park in Hamburg-Jenfeld, der an die Hamburger Kolonialpolitik erinnert.

  • Winfried Speitkamp: Der Totenkult um die Kolonialheroen des Deutschen Kaiserreichs. In: zeitenblicke. 3 (2004), Nr. 1 (PDF; 99 kB), abgerufen am 18. August 2010.
  • Gordon Uhlmann: Das Hamburger Wissmann-Denkmal: Von der kolonialen Weihestätte zum postkolonialen Debatten-Denkmal. In: Ulrich van der Heyden und Joachim Zeller (Hrsg.): Kolonialismus hierzulande. Eine Spurensuche in Deutschland. Sutton, Erfurt 2007, ISBN 3-86680-269-2, S. 281–285.
  • Melanie Boieck / Reginald Elias Kirey: "Kolonialheroen" in deutscher, tansanischer und britischer Erinnerungskultur. Das Beispiel des Wissmann-Denkmals und des 'Askari'-Monuments in Hamburg beziehungsweise Dar es Salaam. In: Kim Sebastian Todzi und Jürgen Zimmerer (Hrsg.): Hamburg: Tor zur kolonialen Welt. Erinnerungsorte der (post-)kolonialen Globalisierung. Wallstein, Göttingen 2021 (Hamburger Beiträge zur Geschichte der kolonialen Globalisierung; 1), ISBN 978-3-8353-5018-2, S. 517–530.
  • Hannimari Jokinen / Flower Manase / Joachim Zeller (Hrsg.): Stand und Fall, das Wissmann-Denkmal zwischen kolonialer Weihestätte und postkolonialer Dekonstruktion. Metropol, Berlin 2022, ISBN 978-3-86331-614-3.

Denkmäler an anderen Orten

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Einzelnachweise

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  1. C. Gäbert, A. Steuer, Karl Weiss: Die nutzbaren Gesteinsvorkommen Deutschlands. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Berlin, 1915, S. 130–131.
  2. a b c d Speitkamp.
  3. a b c Denkmal. Seite 4. In: afrika-hamburg.de. Projekt Afrika-Hamburg, abgerufen am 18. November 2017.
  4. Rochus Schmidt: Wie man unseren großen Afrikaner ehrte. In: Becker/Perbandt/Richelmann/Schmidt/Steuber: Hermann von Wissmann. Deutschlands größter Afrikaner. Berlin 1911, S. 574 ff.
  5. Komitee zur Wiederaufstellung der Denkmäler aus den Kolonien in einem Schreiben an den Hamburger Senat vom 19. April 1922, zitiert nach Manuel Sarrazin: Hamburgs Rolle in der deutschen Kolonialpolitik (Memento vom 24. Dezember 2015 im Internet Archive) (PDF; 986 kB), abgerufen am 18. August 2010.
  6. Hamburger Nachrichten vom 4. November 1922, zitiert nach: Manuel Sarrazin: Hamburgs Rolle in der deutschen Kolonialpolitik.
  7. Vom Hamburger Kolonialinstitut zur Universität. Referat von Rainer Nicolaysen am 15. Juni 2016. In: lecture2go.uni-hamburg.de. Universität Hamburg, abgerufen am 18. November 2017 (Video).
  8. Peter Schütt: Der Denkmalssturz. In: Die Tageszeitung: taz. 7. August 1992, ISSN 0931-9085, S. 19 (taz.de [abgerufen am 13. Juni 2021]).
  9. Winfried Speitkamp: Kolonialdenkmäler. In: Jürgen Zimmerer (Hrsg.): Kein Platz an der Sonne. Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte. Frankfurt 2013. ISBN 978-3-593-39811-2, S. 409–423 (418).
  10. Jokinen: Kolonialdenkmäler und partizipative Plastik – Erinnerungskulturen, Mythen, Antithesen, Inversionen. In: Archiv The thing – Plattform für Kunst und Kritik (Memento des Originals vom 17. Januar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.thing-hamburg.de, abgerufen am 18. August 2010.
  11. Marcel Jossifov: Der Traum von der Renovatio des deutschen Imperiums, in: Die Welt/N24, Artikel vom 15. Oktober 2016, aufgerufen am 12. März 2017.
  12. [1], dhm.de, Deutscher Kolonialismus. Fragmente seiner Geschichte und Gegenwart
  13. Andreas Bohne: Der Sturz der Kolonialdenkmäler: Zur Aktualität dekolonialen Gedenkens, in: Themen der Rosa Luxemburg Stiftung vom 19. Juni 2020, aufgerufen am 22. Oktober 2020.