Zustimmungsersetzungsverfahren (§ 99 Abs. 4 BetrVG)

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In Deutschland darf ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer, in Betrieben mit mindestens 20 regelmäßig beschäftigten wahlberechtigten Arbeitnehmern, nur mit Zustimmung des Betriebsrats einstellen, ein- oder umgruppieren oder versetzen. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat der Arbeitgeber durch das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 Betriebsverfassungsgesetz die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Zustimmungsverweigerung überprüfen zu lassen und sich ggf. die nicht erteilte Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen. Er kann danach die personelle Einzelmaßnahme durchführen.

Rechtsbehelf: Ist die personelle Maßnahme „dringend erforderlich“ kann der Arbeitgeber sie trotz der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates nach § 100 zunächst vorläufig durchführen, muss aber innerhalb von 3 Tagen beim zuständigen Arbeitsgericht ein Zustimmungsersetzungsverfahren beantragen.

Zulässigkeit des Zustimmungsersetzungsantrages[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Antragsbefugnis des Arbeitgebers[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die notwendige Antragsbefugnis des Arbeitgebers ergibt sich aus § 99 Abs. 4 BetrVG.[1]

Weitere Beteiligte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weiterer Beteiligter ist der für die jeweilige personelle Maßnahme zuständige Betriebsrat.

Die jeweils betroffenen Arbeitnehmer sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht Beteiligte im Sinne des § 83 Abs. 3 ArbGG[2].

Wortlaut[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Arbeitgeber hat zu beantragen: "Die Zustimmung des Betriebsrates zu <bestimmte personelle Maßnahme> zu ersetzen."

Bestimmtheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Antrag des Arbeitgebers muss hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sein. Dabei müssen die Art der personellen Maßnahme – Einstellung, Versetzung, Ein- oder Umgruppierung in eine bestimmte VergGr. – und die davon betroffene Person hinreichend präzise bezeichnet werden. Erforderlichenfalls hat hierzu das Gericht einen Antrag unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Antragstellers auszulegen.[3] Eine hinreichende Bezeichnung des Streitgegenstands im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfordert daher die Angabe durch den Arbeitgeber, ob die personelle Maßnahme, zu der die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt werden soll, unbefristet oder befristet vorgenommen werden soll, und ggf. bis zu welchem Zeitpunkt sie befristet durchgeführt werden soll. Nur dann wird hinreichend deutlich, was Gegenstand der vom Arbeitgeber beantragten Zustimmung des Betriebsrats sein soll.[4]

Kombination mit einem Feststellungsantrag[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mitunter ist streitig, ob die Zustimmung des Betriebsrats nicht auf Grund der gesetzlichen Fiktion nach § 99 Abs. 3 BetrVG bereits vorliegt. Dann kann der Arbeitgeber in erster Linie die Feststellung des Vorliegens einer Zustimmung und hilfsweise die Ersetzung der Zustimmung beantragen.

Nach einer älteren Entscheidung des BAG soll auch dann, wenn allein ein Zustimmungsersetzungsantrag gestellt wird, sich aber im Verfahren das Vorliegen einer (fingierten) Zustimmung herausstellt, auch ohne einen ausdrücklichen Feststellungsantrag die gerichtliche Feststellung erfolgen, dass die Zustimmung zu der betreffenden Maßnahme als erteilt gilt.

Beantragt der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer geplanten personellen Maßnahme und stellt sich im Laufe des Verfahrens heraus, dass die Zustimmung des Betriebsrats mangels rechtzeitiger oder beachtlicher Zustimmungsverweigerung schon als erteilt gilt, so hat das Gericht auch ohne einen ausdrücklich darauf gerichteten Antrag des Arbeitgebers dahin zu entscheiden, dass die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gilt[5].

Rechtsschutzbedürfnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das notwendige Rechtsschutzbedürfnis setzt voraus

  • dass § 99 Abs. 1 BetrVG anwendbar ist (Betrieb mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern);
  • eine personelle Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG vorliegt[6]
  • nicht schon eine (fingierte) Zustimmung gemäß § 99 Abs. 3 BetrVG gegeben ist[7]
  • der Arbeitgeber die personelle Maßnahme noch beabsichtigt[8];
  • nicht die Zustimmung für eine nur vergangene personelle Maßnahme begehrt wird[9].

Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht schon deshalb,

  • weil der Beschluss über den Zustimmungsersetzungsantrag absehbar nicht vor Beendigung der personellen Maßnahme rechtskräftig werden wird;
  • der Arbeitgeber ein weiteres Mal den Betriebsrat um Zustimmung zu einer personellen Maßnahme betreffend denselben Arbeitnehmer ersuchen. Er kann dementsprechend auch mehrere Zustimmungsersetzungsverfahren – nacheinander oder auch zeitlich parallel – bei Gericht anhängig machen. Diese haben trotz des gleichen Rechtsschutzziels und prozessual unterschiedliche Gegenstände[10].

Lehre vom Doppelantrag: 3-Tages-Frist bei vorläufiger Durchführung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Zustimmungsersetzungsantrag ist an sich nicht fristgebunden. Der Betriebsrat kann den Arbeitgeber auch nicht zu einem Zustimmungsersetzungsantrag zwingen. Führt der Arbeitgeber jedoch eine personelle Maßnahme vorläufig nach § 100 BetrVG durch, folgt aus der Drei-Tages-Frist des § 100 BetrVG nach der herrschenden "Lehre vom Doppelantrag", dass sowohl der Antrag auf Zustimmungsersetzung nach § 99 BetrVG wie auch der Antrag auf Feststellung der dringenden Erforderlichkeit gemäß § 100 BetrVG innerhalb einer Frist von drei Tagen beim Arbeitsgericht rechtshängig zu machen ist.[11]

Unzulässig als Widerantrag im Aufhebungsverfahren nach § 101 BetrVG[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Zustimmungsersetzungsantrag, der als Widerantrag im Rahmen eines Verfahren nach § 101 gestellt wird, ist unzulässig: "Das Fehlen eines gesetzlichen Grundes für die Zustimmungsverweigerung kann nur in dem dafür vorgesehenen Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG geltend gemacht werden; im Verfahren nach § 101 S.1 BetrVG muss ein solches Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Verfahren nach § 101 S. 1 BetrVG dient der Sicherung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats, während das Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG den gerichtlichen Streit über die Begründetheit der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zu der beabsichtigten personellen Maßnahme des Arbeitgebers ermöglicht."[12]

Keine Erledigung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu einer streitigen Entscheidung über einen Zustimmungsersetzungsantrag kommt es nicht, wenn die personelle Maßnahme sich erledigt hat und der Arbeitgeber die Erledigung des Rechtsstreits erklärt. Anders als im Urteilsverfahren wird nicht geprüft, ob vor der Erledigung der Antrag überhaupt zulässig und begründet war.[13] Das Verfahren wird dann nach § 83a Abs. 2 ArbGG eingestellt.

Begründetheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Zustimmungsersetzungsantrag ist begründet, wenn

  • das Zustimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BetrVG ordnungsgemäß eingeleitet wurde;
  • - und - nicht schon eine Zustimmung nach § 99 Abs. 3 BetrVG zu fingieren ist und damit schon gegeben ist[14]
  • - und - kein Zustimmungsverweigerungsgrund im Sinne des § 99 Abs. 2 BetrVG vorliegt,
    • der innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG vom Betriebsrat schriftlich geltend gemacht worden ist[15],
    • zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung[16].

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. BAG, Beschluss vom 14. Dezember 2004 - 1 ABR 54/03 - NZA 2005, 424 (425)
  2. BAG vom 14. Dezember 2004 - 1 ABR 54/03 - NZA 2005, 424 (425)
  3. BAG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 1 ABR 74/06 - NZA 2008, 603 - Rn. 17
  4. LAG Hessen, Beschluss vom 31. Juli 2007 - 4 TaBV 35/07 - juris Rn. 18 f.
  5. BAG, Beschluss vom 18. Oktober 1988 - 1 ABR 33/87 - juris Ls. = NZA 1989, 355
  6. Das BAG ist hier uneinheitlich. Als Frage des Rechtsschutzbedürfnis behandelt in BAG, Beschluss vom 15. August 2012 - 7 ABR 6/11 - juris Rn. 12 = NZA-RR 2013, 161; als Frage der Begründetheit: BAG, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 1 ABR 74/06 - Rn. 19 f. = NZA 2008, 603
  7. Das BAG ist hier uneinheitlich. Teils wird eine Unzulässigkeit, so z. B. BAG, Beschluss vom 17. Juni 2008 - 1 ABR 20/07 - Rn. 10 = NZA 2008, 1139; BAG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 7 ABR 3/09 - Rn. 18 = NZA 2010, 1361, teils eine Unbegründetheit angenommen: BAG, Beschluss vom 10. Juni 2013 - 7 ABR 91/11 - juris Rn. 17 = NZA 2013, 1296 und wohl auch BAG, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 1 ABR 61/03 - NZA 2005, 1199 (1201)
  8. BAG, Beschluss vom 8. Dezember 2010 - 7 ABR 99/09 - Rn. 12
  9. LAG Hamm, Beschluss vom 1. April 2011 - 10 TaBV 41/10 - juris Rn. 87
  10. LAG Hamm, Beschluss vom 1. April 2011 - 10 TaBV 41/10 - juris Rn. 90 f.; BAG , Beschluss vom 18. März 2008 - 1 ABR 81/06 - juris Rn. 20 = AP BetrVG 1999 Einstellung Nr. 56; BAG, Beschluss vom 16. Januar 2007 - 1 ABR 16/06 u. 1 ABR 12/06 - NZA 2007, 1456; anders wohl BAG, Beschluss vom 1. Juli 2009 - 4 ABR 18/08 - NZA 2010, 290
  11. BAG, Beschluss vom 15. September 1987 - 1 ABR 44/86 - NZA 1988, 101
  12. BAG, Beschluss vom 21. November 1978 - 1 ABR 91/76 - juris Ls. = AP Nr. 3 zu § 101 BetrVG 1972
  13. BAG, Beschluss vom 26. April 1990 - 1 ABR 79/89 = AP § 100 BetrVG 1972 Nr. 5 Ls.
  14. Zur Einordnung als Zulässigkeits- oder Begründetheitfrage siehe oben bei Zulässigkeit
  15. Zur Unzulässigkeit des Nachschiebens von Zustimmungsverweigerungsgründen vgl. z. B. BAG, Beschluss vom 17. November 2010 - 7 ABR 120/09 - juris Rn. 34
  16. Vgl. BAG, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 1 ABR 61/03 - NZA 2005, 1199 Os.

(Bearbeitungsstand: 11/2013)