„Geschäftsfähigkeit (Deutschland)“ – Versionsunterschied

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* [[Schizophrenie]] während der akuten Erkrankungsphase oder bei schwerem chronischen Verlauf
* [[Schizophrenie]] während der akuten Erkrankungsphase oder bei schwerem chronischen Verlauf
* [[Alkoholkrankheit]] (siehe: [[Korsakow-Syndrom]]) oder [[Drogenmissbrauch]], wenn infolge der Sucht bereits schwerwiegende [[cerebral]]e Veränderungen eingetreten sind
* [[Alkoholkrankheit]] (siehe: [[Korsakow-Syndrom]]) oder [[Drogenmissbrauch]], wenn infolge der Sucht bereits schwerwiegende [[cerebral]]e Veränderungen eingetreten sind
* [[Affektive Störung]]en wie [[Manie]] und [[Depression]], vor allem bei damit verbundenen [[Wahn]]gedanken wie etwa [[Größenwahn|Größen-]] oder [[Versündigungswahn]], aber auch bei ausgeprägtem Schweregrad weiterer Symptome wie etwa [[Apathie]], [[Euphorie]] oder Antriebs- und Entscheidungshemmung<ref name="müller-46">{{Literatur | Autor=Müller, Jürgen / Hajak, Göran | Titel=Willensbestimmung zwischen Recht und Psychiatrie | ISBN=978-3-540-28050-7 | Seiten=46}}</ref>
* [[Manie]], wenn die Person sich in einer akuten [[Manie|manischen]] Phase befindet


Die Geschäftsunfähigkeit ist für Außenstehende nicht immer erkennbar. Das Gesetz schützt nicht den [[Guter Glaube|guten Glauben]] an die Geschäftsfähigkeit des Geschäftsgegners, da der Schutz eines nicht unbeschränkt Geschäftsfähigen Vorrang hat. Das bedeutet, dass abgeschlossene [[Vertrag|Verträge]] auch dann unwirksam sind, wenn die Geschäftsunfähigkeit des [[Vertragspartner]]s nicht erkennbar war. Ob letztlich tatsächlich Geschäftsunfähigkeit vorlag, kann nur in einem Gerichtsverfahren verbindlich festgestellt werden. Hierzu werden regelmäßig Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand des Betroffenen zum Zeitpunkt des [[Rechtsgeschäft]]es eingeholt, z.&nbsp;B. auch aus Akten des [[Betreuungsgericht]]es anlässlich einer [[Betreuerbestellung]]. Die [[Beweislast]] liegt bei dem, der Geschäftsunfähigkeit einwendet.
Die Geschäftsunfähigkeit ist für Außenstehende nicht immer erkennbar. Das Gesetz schützt nicht den [[Guter Glaube|guten Glauben]] an die Geschäftsfähigkeit des Geschäftsgegners, da der Schutz eines nicht unbeschränkt Geschäftsfähigen Vorrang hat. Das bedeutet, dass abgeschlossene [[Vertrag|Verträge]] auch dann unwirksam sind, wenn die Geschäftsunfähigkeit des [[Vertragspartner]]s nicht erkennbar war. Ob letztlich tatsächlich Geschäftsunfähigkeit vorlag, kann nur in einem Gerichtsverfahren verbindlich festgestellt werden. Hierzu werden regelmäßig Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand des Betroffenen zum Zeitpunkt des [[Rechtsgeschäft]]es eingeholt, z.&nbsp;B. auch aus Akten des [[Betreuungsgericht]]es anlässlich einer [[Betreuerbestellung]]. Die [[Beweislast]] liegt bei dem, der Geschäftsunfähigkeit einwendet.

Version vom 4. Juni 2013, 02:01 Uhr

In der deutschen Rechtswissenschaft bezeichnet Geschäftsfähigkeit die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte wirksam selbst vorzunehmen.

Kinder unter 7 Jahren

Geschäftsunfähigkeit

Minderjährige, die das 7. Lebensjahr nicht vollendet haben, sind geschäftsunfähig (§ 104 Nr. 1 Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)).

Wer geschäftsunfähig ist, hat nicht die rechtliche Macht, Willenserklärungen wirksam abzugeben oder selbständig Rechtsgeschäfte zu tätigen, zum Beispiel Verträge zu schließen oder zu kündigen. Er benötigt einen gesetzlichen Vertreter.

Kinder unter 7 Jahren können nach deutschem Recht in einem Rechtsgeschäft gleich welcher Art nur als Bote tätig werden, sie übermitteln also auch bei Alltagsgeschäften nur eine Willenserklärung ihres gesetzlichen Vertreters. Letzteres können die Eltern oder ein alleinsorgeberechtigter Elternteil oder ein Vormund sein.

Auch müssen Willenserklärungen anderer, wie Kündigungen, an den gesetzlichen Vertreter des Geschäftsunfähigen zugehen, damit diese wirksam werden (§ 131 BGB).

Minderjährige ab 7 Jahren

Beschränkte Geschäftsfähigkeit

Beschränkt geschäftsfähig sind Minderjährige vom vollendeten 7. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr (§ 106 BGB). Die meisten Rechtsgeschäfte, die beschränkt Geschäftsfähige schließen, sind schwebend unwirksam, wenn sie nicht mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (in der Regel die Eltern) geschlossen werden. Die Eltern können dem Rechtsgeschäft jedoch auch nachträglich zustimmen, d. h. genehmigen (innerhalb von 14 Tagen) (§ 183, § 184 BGB).

Vorteilhafte Rechtsgeschäfte

Von diesem Grundsatz gibt es jedoch einige Ausnahmen. So sind z. B. Willenserklärungen, die rechtlich lediglich vorteilhaft sind (§ 107 BGB) , wie beispielsweise die Annahme von bestimmten Schenkungen, auch ohne Zustimmung wirksam.

Ferner können beschränkt geschäftsfähige Minderjährige wirksam Rechtsgeschäfte eingehen, die sie mit Mitteln bewirken, die ihnen zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung vom gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung von Dritten überlassen worden sind („Taschengeldparagraph“, § 110).

Einseitige Willenserklärungen

Einseitige Willenserklärungen (zum Beispiel eine Kündigung), die ohne vorherige Zustimmung (= Einwilligung) des gesetzlichen Vertreters erklärt werden, sind immer unwirksam und können auch nicht durch Genehmigung wirksam werden. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Erklärung nur rechtliche Vorteile bringt, wie zum Beispiel die Mahnung, die als geschäftsähnliche Handlung den gleichen Regeln unterliegt.

Teilgeschäftsfähigkeit

Den Begriff der Teilgeschäftsfähigkeit kennt das Gesetz selbst nicht, er wurde durch die Rechtsprechung und Rechtslehre entwickelt. Der Minderjährige ist insoweit für einen bestimmten Lebensbereich als voll geschäftsfähig anzusehen.

Teilgeschäftsfähig ist der beschränkt Geschäftsfähige, dem der gesetzliche Vertreter gemäß § 112 BGB den Betrieb eines Erwerbsgeschäfts gestattet hat. Dies gilt jedoch nur für Rechtsgeschäfte, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt. Willenserklärungen des beschränkt Geschäftsfähigen sind insoweit wirksam. Die Ermächtigung zum Betrieb des Erwerbsgeschäfts durch den gesetzlichen Vertreter ist aber nur mit Genehmigung des Familiengerichtes (§ 1645 BGB) bzw. bei einem Vormund des Familiengerichts möglich (§ 1823 BGB).

Die Ermächtigung ist auch für Dienst- und Arbeitsverhältnisse (das gilt nicht für Berufsausbildungsverhältnisse, da diese keine Dienst- oder Arbeitsverhältnisse sind) möglich (§ 113 BGB). Willenserklärungen des Betreffenden, die auf Eingehung, Aufhebung oder Durchführung eines solchen Verhältnisses gerichtet sind, sind dann wirksam. Ist der gesetzliche Vertreter ein Vormund, benötigt er für die Einwilligung die familiengerichtliche Genehmigung (§ 1822 Nr. 6, 7 BGB).

In Bereichen des öffentlichen Rechtes ist für Minderjährige ab einem bestimmten Alter eine Teilgeschäftsfähigkeit (dort Handlungsfähigkeit genannt) eingeführt worden. So sind im Bereich des Sozialrechtes Minderjährige ab dem vollendeten 15. Lebensjahr handlungsfähig (§ 36 Erstes Buch Sozialgesetzbuch). Im Ausländerrecht ist die Handlungsfähigkeit mit Vollendung des 16. Lebensjahres gegeben (§ 80 Aufenthaltsgesetz). Das gleiche gilt für das Asylverfahren (§ 12 Asylverfahrensgesetz).

Volljährige ab 18 Jahren

Unbeschränkte Geschäftsfähigkeit

Da das BGB grundsätzlich alle Menschen als voll geschäftsfähig einstuft, regelt es nicht konkret den Eintritt der vollen Geschäftsfähigkeit, sondern deren Ausnahmen in § 104, § 106 BGB. Die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit wird somit mit Vollendung des 18. Lebensjahres (Volljährigkeit, § 2 BGB) erreicht. Damit ist zugleich Prozessfähigkeit gegeben (§ 51 ZPO).

Geschäftsunfähigkeit wegen psychischer Beeinträchtigung

Geschäftsunfähig sind jedoch neben Minderjährigen unter sieben Jahren auch Personen (gleich welchen Alters), die sich in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden, der die freie Willensbestimmung ausschließt und seiner Natur nach nicht nur vorübergehend ist. Willenserklärungen geschäftsunfähiger Personen sind nichtig, also rechtlich unwirksam. Die Regelung findet sich in § 104 BGB.

Soweit noch kein gesetzlicher Vertreter vorhanden ist, wird dieser als Betreuer vom Betreuungsgericht bestellt § 1896 BGB.

Geschäftsunfähig sind häufig Personen mit geistiger Behinderung, mit bestimmten psychischen Krankheiten und bei schwerer Suchterkrankung:

Die Geschäftsunfähigkeit ist für Außenstehende nicht immer erkennbar. Das Gesetz schützt nicht den guten Glauben an die Geschäftsfähigkeit des Geschäftsgegners, da der Schutz eines nicht unbeschränkt Geschäftsfähigen Vorrang hat. Das bedeutet, dass abgeschlossene Verträge auch dann unwirksam sind, wenn die Geschäftsunfähigkeit des Vertragspartners nicht erkennbar war. Ob letztlich tatsächlich Geschäftsunfähigkeit vorlag, kann nur in einem Gerichtsverfahren verbindlich festgestellt werden. Hierzu werden regelmäßig Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand des Betroffenen zum Zeitpunkt des Rechtsgeschäftes eingeholt, z. B. auch aus Akten des Betreuungsgerichtes anlässlich einer Betreuerbestellung. Die Beweislast liegt bei dem, der Geschäftsunfähigkeit einwendet.

Partielle Geschäftsunfähigkeit

In der Rechtsprechung wird die partielle − auf ein bestimmtes Gebiet bezogene − Geschäftsunfähigkeit allgemein anerkannt. Sie liegt dann vor, wenn eine psychische Störung sich auf einen bestimmten Bereich bezieht, in dem der Betroffene z. B. Wahnvorstellungen entwickelt hat, sich aber im Geschäftsleben ansonsten „normal“ gebärden kann.

Relative Geschäftsfähigkeit

Demgegenüber lehnte die Rechtslehre eine "relative Geschäftsfähigkeit" ab, die sich darauf bezieht, dass Rechtsgeschäfte unterschiedlich schwierig sein können (z. B. geringfügiger Barkauf ggü. Grundstückskauf) und sonst Geschäftsunfähigen einfachere Rechtsgeschäfte einsichtig sein können. Mit dem zum 1. August 2002 eingefügten § 105a BGB sind aber solche "einfachen" Geschäfte des täglichen Lebens nunmehr für wirksam erklärt worden.

Geschäfte des täglichen Lebens

Nach dem genannten § 105a BGB sind auch bestimmte Rechtsgeschäfte, die durch Geschäftsunfähige getätigt wurden, als rechtswirksam anzusehen. Es handelt sich dabei um Alltagsgeschäfte mit geringwertigen Mitteln, soweit Leistung und Gegenleistung erfolgt sind. Ratenzahlungskäufe sind somit nicht erfasst. Eine Vermögensgefährdung für den Geschäftsunfähigen darf durch ein solches Rechtsgeschäft nicht entstehen. Eine Parallelregelung für Betreute mit Einwilligungsvorbehalt ist in § 1903 Abs. 3 Satz 2 BGB enthalten.

Sonderfragen der Geschäftsfähigkeit

Bei fehlender Ehefähigkeit (§ 1304 BGB) oder Testierfähigkeit (§ 2229 Abs. 4 BGB) handelt es sich um Spezialfälle der Geschäftsunfähigkeit. Mangelnde Geschäftsfähigkeit führt zugleich zur Prozessunfähigkeit (§ 51, § 52 ZPO).

Abschluss von Heimverträgen

Besonderheit: seit dem 1. August 2002 sind Heimverträge, die von Geschäftsunfähigen abgeschlossen werden, als rechtswirksam anzusehen, soweit bereits gegenseitig Leistungen erbracht wurden (bisher § 5 Nr. 12 Heimgesetz), jetzt § 4 WBVG.

Einwilligungsvorbehalt

Die Regeln über die beschränkte Geschäftsfähigkeit gelten auch für Volljährige unter Betreuung, soweit ein Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) angeordnet wurde.

Internationales Privatrecht

Die deutschen Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit werden in Deutschland nur auf Deutsche angewendet. Ausländer werden in Gemäßheit mit der Rechtsordnung ihres Heimatlandes geschäftsfähig (Art. 7 EGBGB). Dies gilt auch, wenn die Geschäftsfähigkeit durch Heirat erweitert wird. Wird der Ausländer eingebürgert, entfällt jedoch eine einmal erworbene Geschäftsfähigkeit nicht mehr, wenn er nach deutschem Recht nicht geschäftsfähig wäre.

Im deutschen Recht wird, zunächst nach Altersstufen, zwischen der Geschäftsunfähigkeit, der beschränkten Geschäftsfähigkeit und der vollen (unbeschränkten) Geschäftsfähigkeit unterschieden.

Überblick über die Altersgruppen

Vorlage:Altersgruppen bis 30

Literatur

  • Enderlein: Geschäftsunfähigkeit und Einwilligungsvorbehalt, in: JR 1998, 485
  • Finger: Eheschließung Geschäftsunfähiger, in: StAZ 1996, 225
  • Habermeyer/Saß: Geschäftsunfähigkeit bzw. Nichtigkeit einer Willenserklärung und ihre Stellung zu Bestimmungen des Betreuungsrechtes, in: Der Nervenarzt 5/2002, 478
  • Jurgeleit: Der geschäftsunfähige Betreute unter Einwilligungsvorbehalt, in: Rpfleger 1995, 282
  • Knieper: Geschäfte von Geschäftsunfähigen, ISBN 3-7890-6227-8
  • Rausch: Hans und Jens: Betreuung Geschäftsfähiger gegen ihren Willen?, in: NJW 1992, 274
  • Schwimann: Die Institution der Geschäftsfähigkeit, ISBN 3-214-06902-0
  • Spring: Geschäftsfähigkeit und Verfügungsberechtigung bei Grundstücksverfügungen, ISBN 3-503-06025-1
  • Stolz/Warmbrunn: Wann ist der Wille "frei"?, in: BtPrax 2006, 167
  • Zimmermann: Neue Teilgeschäftsfähigkeit für geschäftsunfähige Betreute, in: BtPrax 2003, 26
  1. Müller, Jürgen / Hajak, Göran: Willensbestimmung zwischen Recht und Psychiatrie. ISBN 978-3-540-28050-7, S. 46.