„Vesikovaginale Fistel“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Womenshope (Diskussion | Beiträge)
Ausführung der soziokulturellen Folgen
Zeile 11: Zeile 11:


== Körperliche Auswirkung ==
== Körperliche Auswirkung ==
Vesikovaginale Fisteln können eine Reihe unterschiedlicher Folgeerkrankungen nach sich ziehen. Dazu gehören die [[Amenorrhoe]], sekundäre Unfruchtbarkeit, vagionale Stenosen durch Narben, Gewebsbindung und anschliessender vaginaler Kontraktur<ref>{{Internetquelle|url=http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(06)69476-2/fulltext|titel=Obstetric vesicovaginal fistula as an international public-health problem|autor=Lewis Wall|hrsg=|werk=|datum=|sprache=|zugriff=2016-10-10}}</ref>.
Vesikovaginale Fisteln können eine Reihe unterschiedlicher Folgeerkrankungen nach sich ziehen. Dazu gehören die [[Amenorrhoe]], sekundäre Unfruchtbarkeit, vagionale Stenosen durch Narben, Gewebsbindung und anschliessender vaginaler Kontraktur.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(06)69476-2/fulltext |titel=Obstetric vesicovaginal fistula as an international public-health problem |autor=Lewis Wall |hrsg= |werk= |datum= |zugriff=2016-10-10}}</ref>


== Diagnostik ==
== Diagnostik ==
Zeile 18: Zeile 18:


== Soziokulturelle Folgen ==
== Soziokulturelle Folgen ==
Neben den starken körperlichen Beeinträchtigungen leiden viele der Frauen an den sozialen Folgen der Fistulaerkrankung. Durch den unkontrollierten Abfluss von Urin und gegebenenfalls auch Kot entwickelt sich ein starker Geruch, ungenügende hygienische Verhältnisse tragen ausserdem oftmals dazu bei, dass sich viele Frauen nicht ausreichend sauber halten können und es zu weiteren Wundinfektionen kommt. In der Folge werden die betroffenen Frauen aufgrund des Geruchs als 'unrein' empfunden und aus der Gesellschaft verstossen. Dies führt in den meisten Fällen zu einer [[Isolierung|Isolation]] und [[Stigmatisierung]] der Frauen. Die Folgen davon sind dass betroffene Frauen oftmals ihren soziokulturellen Aufgaben wie beispielsweise der Reproduktion oder der Hausarbeit nicht mehr nachgehen. Daraus resultieren für viele Fistulapatienten der Verlust der eigenen Identität, Einsamkeit, soziale Isolation, geringes Selbstwertgefühl und Scham. Darüber hinaus können viele betroffene Frauen ihrer ökonomischen Tätigkeit nicht mehr nach gehen und somit ihre Familien finanziell nicht mehr unterstützen, was wiederum verstärkt zu einem Gefühl der Abhängigkeit und Nutzlosigkeit führt<ref>{{Internetquelle|url=https://www.womenshope.ch/de|titel=Women's Hope|werk=www.womenshope.ch|zugriff=2016-10-10}}</ref>.
Neben den starken körperlichen Beeinträchtigungen leiden viele der Frauen an den sozialen Folgen der Fistulaerkrankung. Durch den unkontrollierten Abfluss von Urin und gegebenenfalls auch Kot entwickelt sich ein starker Geruch, ungenügende hygienische Verhältnisse tragen außerdem oftmals dazu bei, dass sich viele Frauen nicht ausreichend sauber halten können und es zu weiteren Wundinfektionen kommt. In der Folge werden die betroffenen Frauen aufgrund des Geruchs als „unrein“ empfunden und aus der Gesellschaft verstoßen. Dies führt in den meisten Fällen zu einer Isolation und [[Stigmatisierung]] der Frauen. Die Folgen davon sind dass betroffene Frauen oftmals ihren soziokulturellen Aufgaben wie beispielsweise der Reproduktion oder der Hausarbeit nicht mehr nachgehen. Daraus resultieren für viele Fistulapatienten der Verlust der eigenen Identität, Einsamkeit, soziale Isolation, geringes Selbstwertgefühl und Scham. Darüber hinaus können viele betroffene Frauen ihrer ökonomischen Tätigkeit nicht mehr nach gehen und somit ihre Familien finanziell nicht mehr unterstützen, was wiederum verstärkt zu einem Gefühl der Abhängigkeit und Nutzlosigkeit führt.<ref name="hope">{{Internetquelle |url=https://www.womenshope.ch/de |titel=Women’s Hope |hrsg=.womenshope.ch |zugriff=2016-10-10}}</ref>


Hinzu kommt für viele Patientin die Trauer um das Kind, welches in den meisten Fällen während der Geburt verstorben ist und die Angst von nun an [[Unfruchtbarkeit|unfruchtbar]] zu sein<ref>{{Literatur|Autor=Mselle, L.T.; Kohi, T.W.|Titel=Living with constant leaking of urine and odour: thematic analysis of socio-cultural experiences of women affected by obstretic fistula in rural Tanzania|Hrsg=BMC Women's Health|Sammelwerk=|Band=|Nummer=107|Auflage=15|Verlag=|Ort=|Datum=|Seiten=|ISBN=10.1186/s12905-015-0267-1}}</ref>.
Hinzu kommt für viele Patientin die Trauer um das Kind, welches in den meisten Fällen während der Geburt verstorben ist und die Angst von nun an [[Unfruchtbarkeit|unfruchtbar]] zu sein.<ref>{{Literatur |Autor=Lilian T. Mselle, Thecla W. Kohi |Titel=Living with constant leaking of urine and odour. Thematic analysis of socio-cultural experiences of women affected by obstetric fistula in rural Tanzania |Sammelwerk=BMC Women’s Health |Band=15 |Datum=2015-01 |ISSN=1472-6874 |Seiten=107 |DOI=10.1186/s12905-015-0267-1}}</ref>


== Therapie ==
== Therapie ==
Zeile 26: Zeile 26:
Die Behandlung erfolgt in der Regel durch den frühzeitigen operativen Verschluss der Fistel. Mögliche Zugangswege sind über die Vagina oder in komplizierteren Fällen durch die Bauchdecke. Je nach Fisteldurchmesser kann eine [[Lappenplastik]] erforderlich werden, die z.&nbsp;B. aus dem tiefen Fettgewebe der [[Schamlippe]]n entnommen wird (sog. ''Martius-Interpositionslappen''). 85 % der Vesikovaginalfisteln können beim ersten Versuch erfolgreich verschlossen werden.
Die Behandlung erfolgt in der Regel durch den frühzeitigen operativen Verschluss der Fistel. Mögliche Zugangswege sind über die Vagina oder in komplizierteren Fällen durch die Bauchdecke. Je nach Fisteldurchmesser kann eine [[Lappenplastik]] erforderlich werden, die z.&nbsp;B. aus dem tiefen Fettgewebe der [[Schamlippe]]n entnommen wird (sog. ''Martius-Interpositionslappen''). 85 % der Vesikovaginalfisteln können beim ersten Versuch erfolgreich verschlossen werden.


Neben der [[WHO]]<ref>http://www.who.int/features/factfiles/obstetric_fistula/en/</ref> bemühen sich verschiedene karitative Organisationen darum, die Versorgung der Betroffenen in der Dritten Welt zu verbessern, z.B. die US-amerikanischen ''Fistula Foundation''<ref>http://www.fistulafoundation.org/</ref> und ''Worldwide Fistula Fund''<ref>http://worldwidefistulafund.org/</ref> oder die Schweizerische Hilfsorganisation ''Women's Hope International''<ref>{{Internetquelle|url=https://www.womenshope.ch/de|titel=Women's Hope|werk=www.womenshope.ch|zugriff=2016-10-10}}</ref>. Das [[Addis Ababa Fistula Hospital]] hat sich ausschließlich auf diese Erkrankung spezialisiert. Eine der größten Fachkliniken für de Operation von Geburtsfisteln ist ''CCBRT''<ref>http://www.ccbrt.or.tz/</ref> im tansanischen Daressalam.
Neben der [[WHO]]<ref>[http://www.who.int/features/factfiles/obstetric_fistula/en/ who.int]</ref> bemühen sich verschiedene karitative Organisationen darum, die Versorgung der Betroffenen in der Dritten Welt zu verbessern, z.B. die US-amerikanischen ''Fistula Foundation''<ref>[http://www.fistulafoundation.org/ fistulafoundation.org]</ref> und ''Worldwide Fistula Fund''<ref>[http://worldwidefistulafund.org/ worldwidefistulafund.org]</ref> oder die Schweizerische Hilfsorganisation ''Women’s Hope International''.<ref name="hope" /> Das [[Addis Ababa Fistula Hospital]] hat sich ausschließlich auf diese Erkrankung spezialisiert. Eine der größten Fachkliniken für de Operation von Geburtsfisteln ist ''CCBRT''<ref>[http://www.ccbrt.or.tz/ ccbrt.or.tz]</ref> im tansanischen Daressalam.


== Geschichtliches ==
== Geschichtliches ==
[[Avicenna]] beschrieb in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts die typischen Symptome nach schweren Geburten in seinem Werk ''Qānūn at-Tibb'' (''[[Kanon der Medizin]]'')<ref name="WaltersKarram2006">{{cite book|author1=Mark D. Walters|author2=Mickey M. Karram|title=Urogynecology and Reconstructive Pelvic Surgery|url=http://books.google.com/books?id=9dpb-v6usoMC&pg=PT1731|accessdate=26 January 2013|date=10 October 2006|publisher=Elsevier Health Sciences|isbn=978-0-323-08191-7|page=1731}}</ref> und sah die Ursache der erschwerten Geburt in der zu frühen Verheiratung junger Mädchen.<ref>[[Horst Kremling]]: ''Gynäkologisch-urologische Grenzfragen.'' In: ''Würzburger medizinhistorische Mitteilungen'' 23, 2004, S. 204–216; hier: S. 204.</ref> Auch der Basler Arzt [[Felix Platter]] erwähnte 1597 die nach Geburten auftretende Blasen-Scheiden-Fistel.<ref>Horst Kremling: ''Zur Geschichte der geburtsbedingten Blasenverletzungen.'' In: ''Würzburger medizinhistorische Mitteilungen'' 4, 1986, S. 5–8; hier: S. 5.</ref> Der Anthropologe [[Douglas Erith Derry]] berichtete 1935,<ref>D. E. Derry: ''Note on five pelves of women of the eleventh dynasty in Egypt.'' In: ''The Journal of Obstetrics and Gynaecology of the British Empire'' 42, 1935, S. 490.</ref> er habe 1923 bei seiner Autopsie der Mumie der [[Henhenet]] (ca. 2050 v. Chr., Nebenfrau des [[Mentuhotep II.]]) eine große Vesikovaginalfistel gefunden.<ref name="Dietrich2004">{{cite book|author=Holger G. Dietrich|title=Illustrierte Geschichte der Urologie|url=http://books.google.com/books?id=gCTlhRpbslYC&pg=PA5|accessdate=26 January 2013|year=2004|publisher=Springer DE|isbn=978-3-540-08771-7|page=5}}</ref>
[[Avicenna]] beschrieb in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts die typischen Symptome nach schweren Geburten in seinem Werk ''Qānūn at-Tibb'' (''[[Kanon der Medizin]]'')<ref name="WaltersKarram2006">{{Literatur |Autor=Mark D. Walters, Mickey M. Karram |Titel=Urogynecology and Reconstructive Pelvic Surgery |Verlag=Elsevier Health Sciences |Ort= |Datum=2006 |ISBN=0-323-08191-6 |Seiten=1731 |Online=[http://books.google.com/books?id=9dpb-v6usoMC&pg=PT1731 books.google.com]}}</ref> und sah die Ursache der erschwerten Geburt in der zu frühen Verheiratung junger Mädchen.<ref>[[Horst Kremling]]: ''Gynäkologisch-urologische Grenzfragen.'' In: ''Würzburger medizinhistorische Mitteilungen.'' 23, 2004, S. 204–216; hier: S. 204.</ref> Auch der Basler Arzt [[Felix Platter]] erwähnte 1597 die nach Geburten auftretende Blasen-Scheiden-Fistel.<ref>Horst Kremling: ''Zur Geschichte der geburtsbedingten Blasenverletzungen.'' In: ''Würzburger medizinhistorische Mitteilungen.'' 4, 1986, S. 5–8; hier: S. 5.</ref> Der Anthropologe [[Douglas Erith Derry]] berichtete 1935,<ref>D. E. Derry: ''Note on five pelves of women of the eleventh dynasty in Egypt.'' In: ''The Journal of Obstetrics and Gynaecology of the British Empire'' 42, 1935, S. 490.</ref> er habe 1923 bei seiner Autopsie der Mumie der [[Henhenet]] (ca. 2050 v. Chr., Nebenfrau des [[Mentuhotep II.]]) eine große Vesikovaginalfistel gefunden.<ref name="Dietrich2004">{{Literatur |Autor=Jürgen Konert, Holger G. Dietrich |Titel=Illustrierte Geschichte der Urologie |Verlag=Springer |Ort=Berlin / Heidelberg / New York / Hongkong / London / Mailand / Paris / Tokio |Datum=2004 |ISBN=3-540-08771-0 |Seiten=5 |Online=[http://books.google.com/books?id=gCTlhRpbslYC&pg=PA5 books.google.com]}}</ref>
Eine Operation zum Verschluss einer solchen Harnfistel nahm 1663 erstmals der Amsterdamer Chirurg Hendrik van Roonhuyse (1625–1672) vor.<ref>Horst Kremling (1986), S. 5.</ref><ref>Horst Kremling (2004), S. 205.</ref>
Eine Operation zum Verschluss einer solchen Harnfistel nahm 1663 erstmals der Amsterdamer Chirurg Hendrik van Roonhuyse (1625–1672) vor.<ref>Horst Kremling: ''Zur Geschichte der geburtsbedingten Blasenverletzungen.'' 1986, S. 5.</ref><ref>Horst Kremling: ''Gynäkologisch-urologische Grenzfragen.'' 2004, S. 205.</ref>


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
Zeile 37: Zeile 37:


== Literatur ==
== Literatur ==
* {{Literatur
* A. Haferkamp, N. Wagener et al.: ''Vesikovaginale Fisteln.'' Der Urologe 2005/3:270-276 {{DOI|10.1007/s00120-005-0766-z}}
|Autor=A. Haferkamp, N. Wagener, S. Buse, A. Reitz, J. Pfitzenmaier, P. Hallscheidt, M. Hohenfellner
* ''Committee 18: Fistulas in the Developing World.'' [http://www.icsoffice.org/Publications/ICI_4/files-book/comite-18.pdf (PDF; 2,1&nbsp;MB)] In: Incontinence. 4th International Consultation on Incontinence, Paris July 5-8, 2008. Health Publication Ltd 2009. ISBN 0-9546956-8-2
|Titel=Vesikovaginale Fisteln
* A. Ommer, A. Herold, E. Berg, A. Fürst, T. Schiedeck, M. Sailer: ''German S3-Guideline: rectovaginal fistula.'' In: ''German medical science.'' Band 10, 2012, S.&nbsp;Doc15, {{ISSN|1612-3174}}. {{DOI|10.3205/000166}}. PMID 23255878. {{PMC|3525883}}.
|Sammelwerk=Der Urologe
* Naguib Mahfouz: ''Genitourinary fistulae: General survey.'' In: ''Gynecological urology.'' Hrsg. von Abdel Fattah Youssef, Springfield/Ill. 1960.
|Band=44
|Nummer=Nr. 3, Ausgabe A
|Datum=2005
|Seiten=270–276
|DOI=10.1007/s00120-005-0766-z}}
* ''Committee 18: Fistulas in the Developing World.'' In: ''Incontinence.'' 4th International Consultation on Incontinence, Paris July 5–8, 2008. Health Publication Ltd 2009, ISBN 0-9546956-8-2 ([http://www.icsoffice.org/Publications/ICI_4/files-book/comite-18.pdf icsoffice.org] PDF; 2,1&nbsp;MB).
*{{Literatur
|Autor=Andreas Ommer, Alexander Herold, Eugen Berg, Alois Fürst, Thomas Schiedeck, Marco Sailer
|Titel=German S3-Guideline. Rectovaginal fistula
|Sammelwerk=GMS German Medical Science
|Band=10
|Datum=2012-10-29
|ISSN=1612-3174
|Seiten=Doc15
|DOI=10.3205/000166
|PMC=3525883
|PMID=23255878}}
* Naguib Mahfouz: ''Genitourinary fistulae: General survey.'' In: Abdel Fattah Youssef (Hrsg.): ''Gynecological urology.'' Springfield/Ill. 1960.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 19. Oktober 2016, 19:51 Uhr

Klassifikation nach ICD-10
N82.0 Vesikovaginalfistel
ICD-10 online (WHO-Version 2019)
Für Drucknekrosen unter der Geburt gefährdetes Gewebe (rot)

Die vesikovaginale Fistel (auch Blasen-Scheiden-Fistel) ist eine abnormale Verbindung (Fistel) zwischen der Harnblase (Vesica urinaria) und der Vagina. Leitsymptom ist der unkontrollierbare Urinverlust (Harninkontinenz).

Epidemiologie

In den Industrieländern sind vesikovaginale Fisteln selten und in der Regel Folge von Operationskomplikationen; z. B. durch Verletzung der Blasenwand. Meist beginnen die Beschwerden ca. 5 bis 10 Tage nach einer Unterleibsoperation. In den Entwicklungsländern, vor allem in Zentralafrika, sind vesikovaginale und andere Unterleibsfisteln vielfach häufiger. Die dort verbreitete Ursache ist die verlängerte, schwere Geburt, bei der es zu Drucknekrosen der Scheiden- und Harnblasenwand kommen kann. Risikofaktoren sind die schlechte medizinische Versorgung und das junge Alter vieler Gebärender. In Westafrika wird eine Inzidenz von 3–4 Vesikovaginalfisteln/1000 Geburten angegeben.[1] Weltweit sollen ca. 500.000[2] bis 2 Millionen Frauen mit bisher nicht behandelten vesikovaginalen Fisteln leben.[3] Auch Vergewaltigungen und Genitalverstümmelung können zu Fisteln führen.[3]

Körperliche Auswirkung

Vesikovaginale Fisteln können eine Reihe unterschiedlicher Folgeerkrankungen nach sich ziehen. Dazu gehören die Amenorrhoe, sekundäre Unfruchtbarkeit, vagionale Stenosen durch Narben, Gewebsbindung und anschliessender vaginaler Kontraktur.[4]

Diagnostik

Vesikovaginale Fisteln können schon durch vaginale Inspektion entdeckt und lokalisiert werden. Bildgebende Verfahren wie Zystographie, Zystoskopie, Computertomographie und Kernspintomographie können zur genaueren Beschreibung nützlich sein.

Soziokulturelle Folgen

Neben den starken körperlichen Beeinträchtigungen leiden viele der Frauen an den sozialen Folgen der Fistulaerkrankung. Durch den unkontrollierten Abfluss von Urin und gegebenenfalls auch Kot entwickelt sich ein starker Geruch, ungenügende hygienische Verhältnisse tragen außerdem oftmals dazu bei, dass sich viele Frauen nicht ausreichend sauber halten können und es zu weiteren Wundinfektionen kommt. In der Folge werden die betroffenen Frauen aufgrund des Geruchs als „unrein“ empfunden und aus der Gesellschaft verstoßen. Dies führt in den meisten Fällen zu einer Isolation und Stigmatisierung der Frauen. Die Folgen davon sind dass betroffene Frauen oftmals ihren soziokulturellen Aufgaben wie beispielsweise der Reproduktion oder der Hausarbeit nicht mehr nachgehen. Daraus resultieren für viele Fistulapatienten der Verlust der eigenen Identität, Einsamkeit, soziale Isolation, geringes Selbstwertgefühl und Scham. Darüber hinaus können viele betroffene Frauen ihrer ökonomischen Tätigkeit nicht mehr nach gehen und somit ihre Familien finanziell nicht mehr unterstützen, was wiederum verstärkt zu einem Gefühl der Abhängigkeit und Nutzlosigkeit führt.[5]

Hinzu kommt für viele Patientin die Trauer um das Kind, welches in den meisten Fällen während der Geburt verstorben ist und die Angst von nun an unfruchtbar zu sein.[6]

Therapie

Die Behandlung erfolgt in der Regel durch den frühzeitigen operativen Verschluss der Fistel. Mögliche Zugangswege sind über die Vagina oder in komplizierteren Fällen durch die Bauchdecke. Je nach Fisteldurchmesser kann eine Lappenplastik erforderlich werden, die z. B. aus dem tiefen Fettgewebe der Schamlippen entnommen wird (sog. Martius-Interpositionslappen). 85 % der Vesikovaginalfisteln können beim ersten Versuch erfolgreich verschlossen werden.

Neben der WHO[7] bemühen sich verschiedene karitative Organisationen darum, die Versorgung der Betroffenen in der Dritten Welt zu verbessern, z.B. die US-amerikanischen Fistula Foundation[8] und Worldwide Fistula Fund[9] oder die Schweizerische Hilfsorganisation Women’s Hope International.[5] Das Addis Ababa Fistula Hospital hat sich ausschließlich auf diese Erkrankung spezialisiert. Eine der größten Fachkliniken für de Operation von Geburtsfisteln ist CCBRT[10] im tansanischen Daressalam.

Geschichtliches

Avicenna beschrieb in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts die typischen Symptome nach schweren Geburten in seinem Werk Qānūn at-Tibb (Kanon der Medizin)[11] und sah die Ursache der erschwerten Geburt in der zu frühen Verheiratung junger Mädchen.[12] Auch der Basler Arzt Felix Platter erwähnte 1597 die nach Geburten auftretende Blasen-Scheiden-Fistel.[13] Der Anthropologe Douglas Erith Derry berichtete 1935,[14] er habe 1923 bei seiner Autopsie der Mumie der Henhenet (ca. 2050 v. Chr., Nebenfrau des Mentuhotep II.) eine große Vesikovaginalfistel gefunden.[15] Eine Operation zum Verschluss einer solchen Harnfistel nahm 1663 erstmals der Amsterdamer Chirurg Hendrik van Roonhuyse (1625–1672) vor.[16][17]

Siehe auch

Literatur

  • A. Haferkamp, N. Wagener, S. Buse, A. Reitz, J. Pfitzenmaier, P. Hallscheidt, M. Hohenfellner: Vesikovaginale Fisteln. In: Der Urologe. Band 44, Nr. 3, Ausgabe A, 2005, S. 270–276, doi:10.1007/s00120-005-0766-z.
  • Committee 18: Fistulas in the Developing World. In: Incontinence. 4th International Consultation on Incontinence, Paris July 5–8, 2008. Health Publication Ltd 2009, ISBN 0-9546956-8-2 (icsoffice.org PDF; 2,1 MB).
  • Andreas Ommer, Alexander Herold, Eugen Berg, Alois Fürst, Thomas Schiedeck, Marco Sailer: German S3-Guideline. Rectovaginal fistula. In: GMS German Medical Science. Band 10, 29. Oktober 2012, ISSN 1612-3174, S. Doc15, doi:10.3205/000166, PMID 23255878, PMC 3525883 (freier Volltext).
  • Naguib Mahfouz: Genitourinary fistulae: General survey. In: Abdel Fattah Youssef (Hrsg.): Gynecological urology. Springfield/Ill. 1960.

Einzelnachweise

  1. T. Margolis, L. J. Mercer: Vesicovaginal fistula. In: Obstetrical & Gynecological Survey. Band 49, Nummer 12, Dezember 1994, S. 840–847, ISSN 0029-7828. PMID 7885661. (Review).
  2. G. L. Smith, G. Williams: Vesicovaginal fistula. In: BJU International. 1999, 83: S. 564–569. PMID 10210608. (Review).
  3. a b M. Muleta: Obstetric fistula in developing countries: a review article (PDF; 576 kB). In: Journal of obstetrics and gynaecology Canada. Band 28, Nummer 11, November 2006, S. 962–966, ISSN 1701-2163. PMID 17169220. (Review).
  4. Lewis Wall: Obstetric vesicovaginal fistula as an international public-health problem. Abgerufen am 10. Oktober 2016.
  5. a b Women’s Hope. .womenshope.ch, abgerufen am 10. Oktober 2016.
  6. Lilian T. Mselle, Thecla W. Kohi: Living with constant leaking of urine and odour. Thematic analysis of socio-cultural experiences of women affected by obstetric fistula in rural Tanzania. In: BMC Women’s Health. Band 15, Januar 2015, ISSN 1472-6874, S. 107, doi:10.1186/s12905-015-0267-1.
  7. who.int
  8. fistulafoundation.org
  9. worldwidefistulafund.org
  10. ccbrt.or.tz
  11. Mark D. Walters, Mickey M. Karram: Urogynecology and Reconstructive Pelvic Surgery. Elsevier Health Sciences, 2006, ISBN 0-323-08191-6, S. 1731 (books.google.com).
  12. Horst Kremling: Gynäkologisch-urologische Grenzfragen. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. 23, 2004, S. 204–216; hier: S. 204.
  13. Horst Kremling: Zur Geschichte der geburtsbedingten Blasenverletzungen. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. 4, 1986, S. 5–8; hier: S. 5.
  14. D. E. Derry: Note on five pelves of women of the eleventh dynasty in Egypt. In: The Journal of Obstetrics and Gynaecology of the British Empire 42, 1935, S. 490.
  15. Jürgen Konert, Holger G. Dietrich: Illustrierte Geschichte der Urologie. Springer, Berlin / Heidelberg / New York / Hongkong / London / Mailand / Paris / Tokio 2004, ISBN 3-540-08771-0, S. 5 (books.google.com).
  16. Horst Kremling: Zur Geschichte der geburtsbedingten Blasenverletzungen. 1986, S. 5.
  17. Horst Kremling: Gynäkologisch-urologische Grenzfragen. 2004, S. 205.