„Radebrechen“ – Versionsunterschied

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== Gebrochene Ausdrucksweise in der Kunst ==
== Gebrochene Ausdrucksweise in der Kunst ==


* Die Metapher des „Brechens“ der Sprache verwendet [[William Shakespeare]] im Stück ''[[Heinrich V. (Drama)|Heinrich V.]]'' (1600). Darin sagt [[Heinrich V. (England)|Heinrich V.]] zu [[Catherine de Valois (1401–1437)|Catherine de Valois]]: „Come, your answer in broken music; for thy voice is music and thy English broken; therefore, queen of all, Katherine, break thy mind to me in broken English.“<ref>Paula Blank: ''Broken English: Dialects and the Politics of Language in Renaissance Writings'' (2002), S. 167, zit. ''[[Henry V]]'', Akt V, Szene ii.</ref>
* Die Metapher des „Brechens“ der Sprache verwendet [[William Shakespeare]] im Stück ''[[Heinrich V. (Drama)|Heinrich V.]]'' (1600). Darin sagt [[Heinrich V. (England)|Heinrich V.]] zu [[Catherine de Valois (1401–1437)|Catherine de Valois]]: „Come, your answer in broken music; for thy voice is music and thy English broken; therefore, queen of all, Katherine, break thy mind to me in broken English.“<ref>''Henry V'', Akt V, Szene ii, zit. nach Paula Blank: ''Broken English: Dialects and the Politics of Language in Renaissance Writings'' (2002), S. 167.</ref>
* Die Figur [[Mignon (Figur)|Mignon]] in [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethes]] Roman ''[[Wilhelm Meisters Lehrjahre]]'' (1795/1796) spricht gebrochen Deutsch.
* Die als Kind aus Italien geraubte Figur [[Mignon (Figur)|Mignon]] in [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethes]] Roman ''[[Wilhelm Meisters Lehrjahre]]'' (1795/1796) spricht gebrochen Deutsch.<ref>{{Literatur |Autor=Benedikt Jeßing, Bernd Lutz, Inge Wild |Titel=Metzler Goethe Lexikon |Verlag=Springer-Verlag |Datum=2016-12-13 |ISBN=978-3-476-03732-9 |Seiten=334 |Online=https://books.google.de/books?id=_Ui3DQAAQBAJ&pg=PA334&dq=mignon+goethe+gebrochen+deutsch&hl=de&newbks=1&newbks_redir=0&sa=X&ved=2ahUKEwjEzcesjeX5AhX_XvEDHROCASsQ6AF6BAgGEAI#v=onepage&q=mignon%20goethe%20gebrochen%20deutsch&f=false |Abruf=2022-08-26}}</ref>
* Ein als kolonialistisch und rassistisch kritisiertes Beispiel des Radebrechens in der Kunst ist [[Hergé]]s Comic ''[[Tim im Kongo]]'' (1930–1931), in dem die Sprache, die die [[Republik Kongo|Kongolesen]] untereinander sprechen, als geradebrechtes Französisch dargestellt wird.<ref>{{Literatur |Autor=Anne D. Peiter |Titel=Träume der Gewalt: Studien der Unverhältnismäßigkeit zu Texten, Filmen und Fotografien. Nationalsozialismus - Kolonialismus - Kalter Krieg |Verlag=transcript Verlag |Datum=2019-10-31 |ISBN=978-3-8394-4567-9 |Online=https://books.google.de/books?id=7yy4DwAAQBAJ&pg=PA443&dq=radebrechen+herge&hl=de&newbks=1&newbks_redir=0&sa=X&ved=2ahUKEwjX_eONheT5AhWuX_EDHV3_B88Q6AF6BAhgEAI#v=onepage&q=radebrechen&f=false |Abruf=2022-08-26}}</ref>
* Ein als kolonialistisch und rassistisch kritisiertes Beispiel des Radebrechens in der Kunst ist [[Hergé]]s Comic ''[[Tim im Kongo]]'' (1930–1931), in dem die Sprache, die die [[Republik Kongo|Kongolesen]] untereinander sprechen, als geradebrechtes Französisch dargestellt wird.<ref>{{Literatur |Autor=Anne D. Peiter |Titel=Träume der Gewalt: Studien der Unverhältnismäßigkeit zu Texten, Filmen und Fotografien. Nationalsozialismus - Kolonialismus - Kalter Krieg |Verlag=transcript Verlag |Datum=2019-10-31 |ISBN=978-3-8394-4567-9 |Online=https://books.google.de/books?id=7yy4DwAAQBAJ&pg=PA443&dq=radebrechen+herge&hl=de&newbks=1&newbks_redir=0&sa=X&ved=2ahUKEwjX_eONheT5AhWuX_EDHV3_B88Q6AF6BAhgEAI#v=onepage&q=radebrechen&f=false |Abruf=2022-08-26}}</ref>
* [[Rainer Werner Fassbinder]] verwendet gebrochenes Deutsch im Film ''[[Angst essen Seele auf]]'' (1974).
* [[Rainer Werner Fassbinder]] verwendet gebrochenes Deutsch im Film ''[[Angst essen Seele auf]]'' (1974).

Version vom 26. August 2022, 20:12 Uhr

Radebrechen (früher auch radbrechen; auch: eine Sprache gebrochen sprechen) ist eine pejorative Bezeichnung für die mangelhafte und mühevolle Ausdrucksweise einer nichtmuttersprachlichen Person in einer Fremdsprache. Die Redewendung leitet sich von der mittelalterlichen Folter- und Hinrichtungsmethode des Räderns ab und bedeutet, dass eine Sprache „gequält“ wird.

Wortgeschichte

Das Wort Radebrechen entstand laut Grimms Wörterbuch im Mittelhochdeutschen als Ableitung des Substantivs Radbreche, also die „Brechung“ auf einem Rad, wie sie bei der Methode des Räderns üblich war.[1] Radebrechen wurde metaphorisch für „Quälen“ verwendet, laut Kluges etymologischem Wörterbuch seit dem 16. Jahrhundert im Neuhochdeutschen auch für das „Quälen“ einer Sprache. Leonhard Thurneysser verwendet 1583 die Formulierung „ein geradebrecht Wort“.[2] Im gegenwärtigen Sprachgebrauch verwendet man „Radebrechen“ ausschließlich als pejorative Bezeichnung für die mangelhafte und mühevolle Ausdrucksweise einer nichtmuttersprachlichen Person in einer Fremdsprache.[3] Das Verb radebrechen wird im Gegensatz zum Verb brechen regelmäßig konjugiert („er radebrecht“, nicht: „radebricht“).[4]

Radebrechen und Kreolisierung

Der Romanist Hugo Schuchardt verwendet den Begriff des Radebrechens bei seiner Untersuchung der Entstehung der romanischen Lingua franca im Prozess der Kreolisierung 1909. Er führt die Struktur des Radebrechens auf das Sprechverhalten von Muttersprachlern gegenüber Sprechern mit vermeintlich geringen Sprachkenntnissen zurück (heute: Foreigner Talk) und vergleicht ihn mit Ammensprache (heute: Baby Talk):

Alles Radebrechen einer Sprache geht von deren Erbbesitzern aus, ganz ähnlich wie die Kindersprache auf der Ammensprache beruht. Oder wenn ich ein Bild gebrauchen darf, nicht die Fremden brechen sich aus einem schönen festgefügten Gebäude einzelne Steine heraus um sich damit dürftige Hütten zu bauen, sondern die Eigentümer selbst reichen sie ihnen zu solchem Zwecke.[5][6]

Wahrnehmung von Sprachvarietäten als gebrochene Ausdrucksweise

Sprachvarietäten wie Pidgin- und Kreolsprachen sowie Ethnolekte (z. B. Kiezdeutsch) können von Vertretern der Standardvarietät als Radebrechen bzw. gebrochenes Deutsch wahrgenommen werden, werden jedoch von der Sprachwissenschaft davon abgegrenzt.[7] Eine Studie zur Wahrnehmung von „gebrochenem Englisch“ („broken English“) als sprachlicher Diskriminierung unter US-amerikanischen Studenten ermittelte, dass die Bezeichnung einer Sprachvarietät als „gebrochen“ weniger durch die Sprachbeherrschung als durch Herkunft und Akzent bestimmter Sprachen beeinflusst wird.[8] Die Wiedergabe vermeintlich gebrochener Ausdrucksweise durch Muttersprachler wird als sekundärer Foreigner Talk bezeichnet.[9]

Gebrochene Ausdrucksweise in der Kunst

Literatur

  • Hugo Schuchardt: „Die Lingua franca“. In: Zeitschrift für Romanische Philologie, Band 33, Nr. 4, 1. Januar 1909, ISSN 1865-9063, S. 441–461.
  • Cornelia Hülmbauer, Eva Vetter: Mehrsprachigkeit aus der Perspektive zweier EU-Projekte: DYLAN meets LINEE. Peter Lang, 2010, ISBN 978-3-631-60841-8
  • Tamás Fáy: Sekundäre Formen des Foreigner Talk im Deutschen aus übersetzungswissenschaftlicher Sicht. Narr Francke Attempto Verlag, 2012, ISBN 978-3-8233-7714-6, S. 62 f.
Wiktionary: Radebrechen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Jacob Grimm: Deutsches Wörterbuch. Deutscher Taschenbuch Verlag, 1893, ISBN 978-3-423-05945-9, S. 44 (google.de [abgerufen am 26. August 2022]).
  2. Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Walter de Gruyter GmbH & Co KG, 2019, ISBN 978-3-11-156102-8, S. 577 (google.de [abgerufen am 25. August 2022]).
  3. DWDS – Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. Abgerufen am 26. August 2022.
  4. Bastian Sick: Was vom Apfel übrig blieb. Zwiebelfisch (Spiegel-Kolumne), abgerufen am 24. Februar 2009.
  5. Schuchhardt 1909, S. 443.
  6. Lingua franca | Lehre in den Digital Humanities. Abgerufen am 26. August 2022 (deutsch).
  7. Şeyda Ozil, Michael Hofmann, Yasemin Dayıoğlu-Yücel: Türkisch-deutscher Kulturkontakt und Kulturtransfer: Kontroversen und Lernprozesse. V&R unipress GmbH, 2011, ISBN 978-3-89971-858-4, S. 75 (google.de [abgerufen am 26. August 2022]).
  8. Stephanie Lindemann: „Who speaks ,broken English‘? US undergraduates’ perceptions of non-native English“. In: International Journal of Applied Linguistics. Band 15, Nr. 2, Juni 2005, ISSN 0802-6106, S. 187–212.
  9. Fáy 2012
  10. Henry V, Akt V, Szene ii, zit. nach Paula Blank: Broken English: Dialects and the Politics of Language in Renaissance Writings (2002), S. 167.
  11. Benedikt Jeßing, Bernd Lutz, Inge Wild: Metzler Goethe Lexikon. Springer-Verlag, 2016, ISBN 978-3-476-03732-9, S. 334 (google.de [abgerufen am 26. August 2022]).
  12. Anne D. Peiter: Träume der Gewalt: Studien der Unverhältnismäßigkeit zu Texten, Filmen und Fotografien. Nationalsozialismus - Kolonialismus - Kalter Krieg. transcript Verlag, 2019, ISBN 978-3-8394-4567-9 (google.de [abgerufen am 26. August 2022]).