ARLZ-Maßnahmen

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Deutsche Pioniere verminen eine Brücke, Calvados, Frankreich, Juni 1944
Finnland 1944: Im deutsch-finnischen Lapplandkrieg zerstörtes Sodankylä

ARLZ-Maßnahmen waren auf deutscher Seite während des Zweiten Weltkriegs speziell zusammengestellte Vorschriften zur Auflockerung, Räumung, Lähmung und Zerstörung bei der Räumung besetzter Gebiete, die von der Wehrmacht bei ihrem Abzug durchzuführen seien.

Entstehung

Diese taktischen und strategischen Maßnahmen der verbrannten Erde resultierten aus einer entsprechenden Weisung des Wirtschaftstabs Ost vom 21. Februar 1943, in der in Absprache mit dem Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion jene Maßnahmen zusammengefasst wurden, die bei Räumung von besetzten Gebieten vorzunehmen seien. Dabei ging es darum, dem Gegner so wenig Arbeitskräfte, potenzielle Soldaten, Lebensmittel, Rohstoffe und Industrieanlagen wie möglich übrig zu lassen, jeweils abgestuft nach der örtlichen Situation. Am 11. September 1943 erließ Generalfeldmarschall Erich von Manstein als Kommandeur der Heeresgruppe Süd einen gesonderten Befehl über die Durchsetzung von ARLZ-Maßnahmen in seinem Operationsgebiet (Ostfront).

Die Maßnahmen im Einzelnen

  • Bei einer Annäherung der gegnerischen Truppen an ein bestimmtes von deutscher Seite besetztes Gebiet waren zunächst Maßnahmen der Auflockerung durchzuführen, worunter der Abtransport wertvoller Rohstoffe und Fertiggüter sowie die Entzerrung von konzentrierten Anhäufungen von Vorratslagern, Stäben und Industriebetrieben verstanden wurde.
  • Rückten die Kampfhandlungen bis in unmittelbare Nähe des Gebietes vor, waren an den vorhandenen Industriebetrieben Lähmungsmaßnahmen durchzuführen, also durch die Demontage wichtiger Teile und die Entnahme wichtiger Werkstoffe Industrieanlagen momentan produktionsunfähig zu machen, aber mit der Möglichkeit, bei einer eventuellen Rückeroberung des betreffenden Gebietes diese Anlagen schnell wieder in Betrieb nehmen zu können.
  • Erst wenn die endgültige Räumung, der endgültige Verlust eines bestimmten besetzten Gebietes unmittelbar bevorstand, waren die dort vorhandenen Vorräte, Anlagen und Fertigwaren, soweit sie nicht abtransportiert werden konnten, zu zerstören. Bei der endgültigen Räumung sollte dann auch – soweit möglich – die örtliche Zivilbevölkerung zur Zwangsarbeit nach Dringlichkeitsstufen (1. Bergbau- und Metallfacharbeiter, 2. Fach- und Spezialarbeiter, 3. Landwirtschaft und 4. sonstige) deportiert werden.[1] Gleiches galt für die Viehbestände, die bei fehlender Transportmöglichkeit zu töten waren. Dabei wurden arbeitsunfähige Personen teilweise hilflos in zerstörten Ortschaften zurückgelassen.

Die ARLZ-Maßnahmen wurden wegen ihrer weithin unklaren Bestimmungen und der verbreiteten Unsicherheit bezüglich ihrer Auslegung und Anwendung am 6. September 1944 vom Chef des OKW, Wilhelm Keitel, nochmals präzisiert.[2] Grundsätzlich wurde in den westlichen und südlichen Operationsgebieten (Frankreich, Italien) weniger zerstört als im Osten (Sowjetunion), wo die Zerstörungsmaßnahmen so komplett wie möglich durchgeführt wurden. Auf deutschem Reichsgebiet waren die Gauleiter für die ARLZ-Maßnahmen zuständig.

Kriegsende

Chef des OKW Keitel als Angeklagter beim Nürnberger Prozess

Besonders zwischen März 1945 und dem Kriegsende am 8. Mai 1945 gab es um die Lähmung oder Zerstörung bestimmter Industriebetriebe und Regionen auf deutschem Reichsgebiet immer wieder Auseinandersetzungen zwischen dem industriefreundlichen Zirkel um Rüstungsminister Albert Speer auf der einen, und der Wehrmachtführung und Hitler auf der anderen Seite. Sie gipfelten im Nero-Befehl Hitlers vom 19. März 1945, den Speer laut eigenen Angaben in der Folge nach Kräften zu neutralisieren versuchte.[3]

Im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher wurde Ende 1945 klargestellt, dass die Maßnahme der verbrannten Erde bei unverhältnismäßiger Zerstörung, der übermäßigen Plünderung von staatlichem oder privatem Besitz und wegen der Deportation von Zivilpersonen aus den besetzten Gebieten ein Kriegsverbrechen darstellt.[4] In der Folge wurden Verantwortliche wie z. B. General Balck in Nachfolgeprozessen verurteilt.

Literatur

  • Norbert Müller: Okkupation, Raub, Vernichtung. Berlin 1980, passim.
  • Matthias Schmidt: Albert Speer – Das Ende eines Mythos. München 1981, S. 135 ff.
  • H. Breloer: Die Akte Speer – Spuren eines Kriegsverbrechers. Berlin 2006, S. 242 ff.

Einzelnachweise

  1. Rolf-Dieter Müller: Die Deutsche Wirtschaftspolitik in den besetzten sowjetischen Gebieten 1941–1943: der Abschlussbericht des Wirtschaftsstabes Ost und Aufzeichnungen eines Angehörigen des Wirtschaftskommandos Kiew. Harald Boldt Verlag 1991, ISBN 3-7646-1905-8, S. 561 ff.
  2. Norbert Müller: Okkupation, Raub, Vernichtung. Berlin 1980, S. 409 f.
  3. Mittlerweile werden diese Angaben bezweifelt, vgl. Matthias Schmidt: Albert Speer – Das Ende eines Mythos. München 1981, S. 135 ff., sowie H. Breloer: Die Akte Speer – Spuren eines Kriegsverbrechers. Berlin 2006, S. 242 ff.
  4. Nürnberger Prozess, Justiz in Bayern, OLG Nürnberg, abgerufen 20. Juni 2015.