Benutzer:Samozwety/Rahmenanalyse (Goffman)

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Goffmans Rahmenanalyse (engl. Frame Analysis) beschreibt ein soziologisches Konzept zur Bestimmung von Situationen und den in ihnen stattfindenden Handlungen. Er stellt dieses Konzept in seinem gleichnamigen Werk ausführlich dar.

Primäre Rahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als primäre Rahmen bezeichnet Goffman Interpretationsschemata, die bei der Wahrnehmung eines bestimmten Ereignisses die Reaktion darauf primär bestimmen. Primäre Rahmen können unterschiedliche Organisationsgrade haben, sind im allgemeinen nicht bewusst, können aber mühelos und vollständig angewendet werden. "Man tendiert dazu, Ereignisse im Sinne primärer Rahmen wahrzunehmen, die bestimmte Beschreibungen der Ereignisse liefern." (S. 33)

Im täglichen Leben lassen sich natürliche und soziale Rahmen unterscheiden. Natürliche Rahmen identifizieren nicht gerichtete, "natürlich gegebene" Ereignisse - wie die Witterung in einem Wetterbericht. "Soziale Rahmen dagegen liefern einen Verständigungshintergrund für Ereignisse, an denen Wille, Ziel und steuerndes Eingreifen einer Intelligenz ... beteiligt sind" (S. 32). Bei sozialen Rahmen "kommen Motive und Absichten ins Spiel, deren Unterstellung die Auswahl eines der möglichen sozialen Rahmen erleichtert."(S. 32) "Alle sozialen Rahmen haben mit Regeln zu tun." (S. 34)

Ausgehend von der Annahme, dass der Mensch als intelligentes Wesen in Naturvorgänge eingreift und deren Determiniertheit ausnützt - "intelligente Handlungen jedoch nicht erfolgreich sein können, wenn man sich nicht auf die Naturordnung einlässt" - "lässt sich jedes Stück einer sozial orientierten Handlung teilweise innerhlab eines natürlichen Schemas analysieren." (S. 33) Orientierte Handlungen können so unterschieden werden in "Beeinflussung der natürlichen Welt" und in Handlungen in "besonderen Welten ... in die der Handelnde verwickelt werden kann..." (S. 33).

Goffman benennt die Schwierigkeit, dass in der Regel mehrere Rahmen angewendet werden, von denen meist einer im Vordergrund steht um die Antwort auf die Frage "Was geht hier eigentlich vor?" zu geben. "Es kann eine Vielzahl von Rahmen ins Spiel kommen oder auch gar keiner." (S. 36) Er schlägt die Metapher der Koordinatenachsen als Rahmen vor, "innerhalb dessen ein gegebener Punkt zu identifizieren ist." (S. 36) Unabhängig von der Art der Deutung von Rahmen hat "der einzelne in unserer Gesellschaft in vielen Fällen mit dem Gebrauch bestimmter Rahmen Erfolg..." (S. 36)

"Zusammengenommen bilden die primären Rahmen einer sozialen Gruppe einen Hauptbestandteil von deren Kultur, vor allem insofern, als sich ein Verstehen bezüglich wichtiger Klassen von Schemata entwickelt, bezüglich deren Verhältnissen zueinander nach diesen Deutungsmustern in der Welt vorhanden sind." (S. 37)

Fünf Punkte sind innerhalb der primären Rahmen "für unser Gesamtverständnis des Weltlaufs" (S. 38) zu betrachten:

  1. Der Komplex des Erstaunlichen umfasst Ereignisse, die Zweifel auslösen, da zu ihrer Erklärung Antworten außerhalb der "allgemeinen Auffassung von den Dingen"(S. 38) nötig sind. In der Gesellschaft besteht die "Annahme..., dass alle Ereignisse - ohne jede Ausnahme - in das herkömmliche Vorstellungssystem hineinpassen und mit seinen Mitteln bewältigt werden könne." (S. 40)
  2. Kosmologische Interessen - "die Vorführung von Kunststücken, d.h. die Aufrechterhaltung von Orientierung und Beherrschung der Situation ... unter anscheinend fast unmöglichen Bedingungen." (S. 40)
  3. Schnitzer - Situationen, in denen jemand oder etwas sich der Kontrolle entzieht und "aussschließlich unter deie Herrschaft der Naturkräfte gerät". (S. 42). "Ein Schnitzer liegt vor, wenn keine besondere Bemühung zur Aufrechterhaltung der Herrschaft als notwendig angesehen wird, diese aber trotzdem verloren geht".(S. 43)
  4. Der Zufall: "Jemand, der seine Handlungen ordnungsgemäß unter Kontrolle hat, wird mit dem natürlichen Getriebe der Welt auf eine Weise konfrontiert, die vorauszusehen man nicht von ihm erwarten konnte..." (S. 44)
    Schnitzer und Zufall sind die Möglichkeiten, Vorkommnisse, die nicht eindeutig als natürlicher oder sozialer Rahmen identifizierbar sind, trotzdem einzuordnen - "sie ermöglichen es der Bevölkerung, Ereignisse zu verkraften, die sonst ihr Analysesystem in Frage stellen würden." (S. 46)
  5. Die Rolle des menschlichen Körpers - und der Umgang mit ihm abhängig von der jeweiligen Situation. "Es dürfte auf der Hand liegen, dass der menschliche Körper und seine Berührung bei der Frage der Aufrechterhaltung von Rahmen eine Rolle spielt." (S. 48)

Die zur Verfügung stehenden natürlichen und sozialen Rahmen "betreffen nicht nur die an einer Handlung Beteiligten, sondern sehr stark auch bloße Zuschauer." (S. 49)

Moduln und Modulationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Goffman greift eine Beobachtung Batesons von Ottern im Zoo auf, die "nicht nur miteinander kämpfen, sondern auch Kämpfe spielen." (S. 52) Das wirkliche Kämpfen dient als Vorbild für ein nachahmendes Spiel, dass das Vorbild in bestimmten Punkten systematisch verändert. Dabei scheint allen beteiligten Tieren bewusst zu sein, dass es sich nur um ein Spiel handelt. Es scheinen also Regeln vorzuliegen, die es ermöglichen, "ernstliches, wirkliches in Handeln in etwas Spielerisches [zu] transformieren..." (S. 53) Von diesem Beispiel aus leitet Goffman über zu einem "Hauptbegriff der Rahmen-Analyse ...: dem des Moduls (key)" (S. 55) Darunter versteht Goffman

"das System von Konventionen, wodurch eine bestimmte Tätigkeit, die bereits im Rahmen eines primären Rahmens sinnvoll ist, in etwas transformiert wird, das dieser Tätigkeit nachgebildet ist, von den Beteiligten aber als etwas ganz anderes gesehen wird. Den entsprechenden Vorgang nennen wir Modulation." (S. 55 f.)

Goffman definiert eine Modulation wie folgt:

  • Systematische Transformation von sinnvoll deutbarem Material, ohne welches die Modulation sinnlos wäre
  • Die systematische Umwandlung muss allen Beteiligten bewusst sein
  • Klammern grenzen den Wirkungsbereich der Transformation räumlich und zeitlich ein
  • Modulationen sind nicht auf bestimmte Ereignisse beschränkt
  • "Die einer bestimmten Modulation entsprechende Transformation verändert die entsprechende Tätigkeit vielleicht nur geringfügig, doch sie verändert entscheidend, was in den Augen der Beteiligten vor sich geht." (S. 57)

Goffman identifiziert "fünf grundlegende Moduln unserer Gesellschaft": (S. 60)

1. "So-tun-als-ob"
Handlungen, von denen man weiß, dass es zu keinen praktischen Folgen kommt und die als "Zeitvertreib" oder "Unterhaltung" stattfinden.
Spiel
Die Interaktion zwischen zwei Individueen wird "von verhältnismäßig kurzer Verstellung unterbrochen." (S. 61) Viele verschiedene Handlungen können zum Spiel werden, allerdings müssen i.d.R. bestimmte Grenzen z.B. des guten Tons, des Geschmacks, des Respekts usw. eingehalten werden.
Phantasieren, "Tagträumen"
Eine gewisse Tätigkeit wird in ihrem gesamten Handlungsablauf nach eigenem Ermessen gelenkt und zu Ende geführt.
"dramatische Drehbücher"
"Alle dargestellten Stücke persönlicher Erlebnisse..., die einem Publikum als Ersatzerlebnisse angeboten werden..." (S. 65) - insbesondere in den Massenmedien, der Literatur und auf der Bühne. Ihr besonderes Merkmal sind die künstlichen Darstellungen von Alltagsleben. Auch hier sind "Rahmungsgrenzen" offensichtlich - "die offensichtlichste moralische Grenze für drehbuchmäßige Darstellungen ist in unserer Gesellschaft die sexuelle..." (S. 66 f.)
2. Wettkämpfe
Sportarten als Modulation eines Kampfurbilds. Gerade bei Kampfspielen haben sich die Grenzen der Rahmung im zeithistorischen Verlauf verändert. "Bei der spielerischen Aktivität wird etwas oder jemand nur ganz vorübergehend und nie ganz verfestigt zum "Spielzeug" gemacht; bei organisierten Spielen und im Sport geschieht das auf institutionalisierte Weise - gewissermaßen stabilisiert..." (S. 70)
3. Zeremonien
soziale Riten wie Hochzeiten oder Beerdigungen. Zeremonien folgen "Drehbüchern" und den Beteiligten sind i.d.R. bestimmte Rollen zugeschrieben, die den Umfang und damit auch die Grenzen ihrer Handlungen innerhalb der Zeremonie bestimmen
4. "Probeläufe"
"Stücke einer normalen Tätigkeit können in anderem Zusammenhang zu unverkennbar anderen als den ursprünglichen Zwecken ausgeführt werden, wobei man sich darüber im klaren ist, dass das eigentliche Ergebnis der Handlung nicht eintritt." (S. 71 f.)
Üben
"Man hat es hier zu tun mit Blindläufen, Probesitzungen, Probeläufen - kurz, mit "Einübungen". Bei einer zweckbestimmten Aufgabe spricht man von einem Blindversuch oder einer Übung..." (S. 71) "Soll ein sozialer Ritus oder ein Theaterstück oder ein Musikstück gelernt werden, so spricht man hier von Proben." (S. 73) Ähnliches gilt für Planungen, die komplizierte Handlungsabläufe im Voraus vorwegnehmen. "Das Üben liefert eine Bedeutung für den Begriff des wirklichen Falles". (S. 75) Jedoch ist es nicht einfach, die Grenzen des Übens zu bestimmen. "Die Frage des zu geringen oder zu großen Aufwands ist ein naheliegender Aspekt der Rahmungs-Grenzen." (S. 76) Am Grad der Organisation des Übens lässt sich ablesen, wieviel Modulation im Spiel ist, das doch etwas "Ernsthaftes" simuliert. Zudem hat das Üben auch einen "Entwicklungs-Aspekt" (S. 77), da der Übende sich die Bewältigung einer Situation bzw. die Aneignung von benötigten Fähigkeiten zu eigen macht.
Demonstrationen (oder Vorführungen)
"Die Ausführung einer ... Tätigkeit außerhalb ihres gewöhnlichen funktionalen Zusammenhangs um jemand anderem einen genauen Einblick in ihren Ablauf zu ermöglichen." (S. 79) Im Unterschied zum Üben wird eine Demonstration i.d.R. von einem "Könner" und auch nur in einer begrenzten Anzahl von Durchläufen ausgeführt. Grenzen finden sich auch hinsichlich des Inhalts und Umfangs einer Demonstration abhängig von der jeweiligen Zweckmäßigkeit.
Dokumentation
"Während eine Demonstration ein Ideal-Durchlauf zur Lern- oder Beweiszwecken ist, bedient sich die Dokumentation der tatsächlichen Spuren eines Vorgangs..." (S. 82) Der dokumentarische Rahmen hat normativen Grenzen (Verwendbarkeit des Dokuments vor rechtlichem oder [Ethik|ethischem] Hintergrund) aber auch hinsichtlich der "Trennung zwischen der dokumentierten Handlung und dem Dokument selbst..." (S. 84)
Gruppen-Psychotherapie und andere Rollenspiele
"Hier dient wohl die Wieder-Aktualisierung von Erlebnissen ... nicht nur zur Veranschaulichung der Probleme, sondern auch dazu, die Einstellung des Teilnehmers zu ihnen zu ändern." (S. 86 f.)
Experiment
Vorausgesetzt, alle an einem Experiment Beteiligten wissen auch, dass es sich um ein ebensolches handelt, kann es ebenfalls als Modul gelten.
5. In-anderen-Zusammenhang-stellen
Dieser Begriff "geht nund davon aus, dass einige Motive für eine Handlung die gewöhnlichen sind, während andere ... den Handelnden aus dem üblichen Tätigkeitsfeld herausheben." (S. 88) Als Beispiel führt Goffman hochgestellte Persönlichkeiten an, die sich z.B. im Rahmen einer Wohltätigkeitsveranstaltung als Verkäufer betätigen. Auch die Manipulation von bereits laufenden Handlungen - beispielsweise durch das Ködern Unbeteiligter mit dem Zweck, sie zu Beteiligten zu machen - kann darunter fallen.

Auch bei Modulationen kann das Problem entstehen, sich nicht für eine bestimmte Perspektive der Betrachtung entscheiden zu können.

"Da es Rahmen geben kann, in denen Modulationen von Modulationen enthalten sind, empfiehlt es sich, jede Transformation als Hinzufügung einer Schicht zu dem Vorgang vorzustellen." (S. 96)

Pläne und Täuschungsmanöver[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Täuschung fasst Goffman das "bewusste Bemühen eines oder mehrerer Menschen [auf], das Handeln so zu lenken, dass einer oder mehrere andere zu einer falschen Vorstellung von dem gebracht werden, was vor sich geht". (S. 98) Wie Modulationen brauchen auch Täuschungsmanöver eines Urbilds - sie sind aber im Unterschied zu Modulationen auf Unterschiede angewiesen. "Man beachte: für die Wissenden bei einem Täuschungsmanöver geht ein Täuschungsmanöver vor sich; für die Getäuschten geht das vor sich, was vorgetäuscht wird. (S. 99) Täuschungen unterliegen der ständigen Gefahr ihrer Entlarvung. Goffman ordnet und analysiert die Täuschungsmanöver hinsichtlich ihres Zwecks.

Täuschungen in guter Absicht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Scherzhafte Täuschung
"mit dem ausdrücklichen Zweck, einen Spaß zu machen" (S. 102) in der Erwartung, dass der Betroffene die Täuschung bald erkennt und "gutmütig" aufnimmt.
  • Hänseln, Zum-besten-Haben, Schabernack, Überraschungs-Parties, Ulk, Streich, "zur-Belehrung-einen-Bären-aufbinden" ("Eulenspiegelei")
"Experimentelles Etwas-Vormachen"
"Die Durchführung von Experimenten mit Menschen, bei denen aus methodologischen Gründen ... die Versuchsperson nicht wissen darf, ... dass es sich um ein Experiment handelt." (S. 107)
"Ausbildungs-Täuschungsmanöver"
Der Auszubildende "wird so behandelt, als hätte er mit der wirklichen Sache zu tun, und erst später wird ihm das Geheimnis eröffnet, dass sich seine Tätigkeit die ganze Zeit in schützender Isolation von der Welt abspielte, der er gegenüberzustehen glaubte." (S. 112)
Lebensechte Prüfungen
Bei ihr wird "ein Ahnungsloser hinters Licht geführt ..., um seine Treue und seinen Charakter auf die Probe zu stellen." (S. 113)
Paternalistische Konstruktionen
"...Täuschungsmanöver, die, wie man glaubt im Interesse des Getäuschten geschehen, die dieser aber ... ablehnen würde, wenn er entdecken würde, was wirklich vor sich geht." (S. 115 f.)
Strategische Täuschungen
Notwendige (moralisch durchaus integre) Irreführungen wie "die Anwendung von Finten, Bluffs und verdeckten Zügen, von Aktionen, die sich auf einen geheimgehaltenen Plan stützen..." (S. 118)

Täuschungen in schädigender Absicht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Goffman sieht einen Unterschied zwischen "Manövern, bei denen sich die Urheber an das Gesetz halten ... und solchen, die sich außerhalb des Gesetzes bewegen." (S. 120) Bestimmte (scheinbar) schädigende Täuschungsmanöver dienen dazu, dem Gesetze genüge zu tun oder Einzelnen zu ihrem moralischen oder justiziablen Recht zu verhelfen.

Ein Täuschungsmanöver beeinflusst die Beziehungen zwischen den Beteiligten. Goffman illustriert dieses am Beispiel der Mutter, die in den Taschen ihrer Töchter Antibabypillen entdeckt. Indem sie ihre Entdeckung ihrem Mann mitteilt - aber nicht den Töchtern - geht sie mit ihrem Mann eine Täuschungskoalition ein und gleichzeitig ist die elterliche Solidarität zwischen den Eltern etwas untergraben worden.

Goffman unterscheidet von solchen "direkten" Täuschungsmanövern "indirekte" wie der Herstellung und Positionierung kompromittierenden Beweismaterials oder die Manipulation einer Situation, die dem Opfer nur vorhersehbare Handlungsoptionen übrig lässt, deren Ausführung zudem dokumentiert wird. Auch die Behauptung diskreditierender Tatsachen sowie falsche Selbstbeschuldigungen können darunter gezählt werden.

Die ausführliche Beschäftigung mit indirekten Täuschungsmanövern begründet Goffman mit ihrer Funktion als "Brücke zwischen den Kartenhäusern der Betrüger und dem Leben des normalen Bürgers" (S. 127), da mit ihnen die gesellschaftliche Fassade des Bürgers eingerissen werden kann.

Der "verständliche Irrtum"[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Noch "lassen wir die Möglichkeit offen, dass jemand insofern verständlicherweise hinters Licht geführt wird, als er selbst daran in einer Weise mitwirkt, die unter normalen Umständen für ihn zu einem wirklichkeitsgerechten Verhältnis zur Welt führen würde." (S. 128)

Unter einem Irrtum fasst Goffman eine Täuschung, "die sich aus einer von niemandem absichtlich hervorgerufenen Fehldeutung ergibt und unter den gegebenen Umständen verständlich ist..." (S. 130). So ist die Selbsttäuschung (oder Wahnvorstellung) eine "Abwegigkeit..., die von dem Betroffenen selbst aktiv unterstützt, wenn nicht ausschließlich hervorgebracht worden ist." (S. 130)

Der Traum
Eine Form der Selbsttäuschung, bei der der Betroffene "auf jeden Fall ganz allein der Täuscher" ist.
"Sonderzustände"
Anfälle, Schlafwandeln
Psychose
"Hier täuscht sich der Betreffende wohl selbst, jedoch nicht im Rahmen eines Traums, sondern innerhalb der Welt der anderen." (S. 132)
Hysterie
"Hier (so die Theorie) simuliert der Betreffende eine körperliche Störung, ...doch der eine Teil seiner Person hält einen anderen zum Narren." (S. 134)
Hypnose
Trotz Mitarbeit des Hypnotiseurs "dürfte ein gewisses Maß von Selbsttäuschung im Spiele sein." (S. 134)

"In welcher Beziehung steht eine bestimmte Täuschung zu dem umfassenderen sozialen Handlungsstrom, innerhalb dessen sie auftritt?" (S. 134) ist die dieses Kapitel abschließende Frage Goffmans, zu deren Beantwortung er die Betrachtung der Intensität des Engagements in und das (Mit-)wissen um eine soziale Aktivität und die in ihr stattfindenden Täuschungen als notwendig ansieht.

Goffman benennt noch den Begriff des Verdachts als "das, was jemand empfindet, der ... den Eindruck zu gewinnen beginnt, dass der Handlungsausschnitt ... ohne sein Wissen manipuliert worden sei, und dass ihm ein wirklicher Einblick in die Rolle, die ihm dabei zugedacht ist, verwehrt worden sei." Er unterscheidet ihn vom Zweifel, der sich lediglich auf das geltende Modul oder den geltenden Rahmen bezieht.

Der Theaterrahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Theaterrahmen ist "weniger als eine gutgemeinte Täuschung und mehr als eine einfache Modulation". (S. 158) Goffman bemüht die Metapher des Theatergeschehens, "weil die Sprache des Theaters tief in die Soziologie eingedrungen ist." (S. 143)

"Die ganze Welt ist wie eine Bühne, wir stolzieren und ärgern uns ja ein Stündchen auf ihr herum, und dann ist unsere Zeit um. Doch was hat es mit der Bühne auf sich und mit den Gestalten, die sie bevölkern?" (S. 143)

Im Theater kennt der Zuschauer i.d.R. bereits den auf der Bühne dargestellten Handlungsablauf, lässt sich aber trotzdem auf die Handlung der auf der Bühne verteilten Rollen ein. Er selbst trennt seine Rolle in Zuschauer und Theaterbesucher. Auch die Darsteller müssen für die Dauer der Aufführung ihre Kenntnis vom Ablauf des Stücks als Schauspieler hinter die dargestellte Rolle zurücknehmen und muss seine Handlung der Rolle unterordnen. Insofern lässt sich der Theaterrahmen als eine Art freiwillig unterstützte gegenseitige Täuschung auffassen.

Um "ein Stück wirklicher Vorgänge außerhalb der Bühne in ein Stück Bühnenwelt ... transformieren [zu können]" (S. 159) benennt Goffman acht "Transkriptionsmethoden":

  1. "Die räumlichen Grenzen der Bühne setzten die dargestellte Welt scharf und willkürlich vom übrigen Raume ab." (S. 159)
  2. Das bewusste Weglassen von Decke und Wand der Innenräume ermöglichem dem Publikum, an den Vorgängen auf der Bühne teilnehmen zu können.
  3. Die Gesprächssituation der Darsteller auf der Bühne wird zum Publikum hin aufgebrochen.
  4. Der jeweiligen Hauptperson auf der Bühne wird der größere Raumanteil zur Verfügung gestellt, während die übrigen sich eher außerhalb dieses Mittelpunktes positionieren.
  5. Den aktuellen Sprecher lässt man immer ausreden und es werden zusätzlich die Reaktionen des Publikums abgewartet.
  6. "Während der gesamten Interaktion wird die grundlegende Transkriptionsmethode der "enthüllenden Kompensation" angewandt." (S. 162)
  7. "Die Äußerungen tendieren zu größerer Länge und Feierlichkeit als in der gewöhnlichen Unterhaltung..." (S. 163)
  8. Im dramatischen Geschehen auf der Bühne "wird davon ausgegangen, dass nichts, was geschieht, unerheblich ist." (S. 163)

Strukturelle Aspekte des Täuschungsmanövers[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mehrfache Transformationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mehrschichtige Täuschungsmanöver[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Goffman unterscheidet drei "wichtigste Formen des mehrschichtigen Täuschungsmanövers in unserer Gesellschaft" (S. 186):

Heimliche Überwachung
Abhören Verdächtiger, Auskundschaftungen
Infiltration
"Ein Agent wird seiner Gruppe untreu und nützt seinen offiziellen (nicht heimlichen) Zugang zu Situationen aus, bei denen die ... Geheimnisse der Gruppe ungeschützt sind oder ihr diskreditierendes Verhalten beobachtbar ist." (S. 190)
Fallenstellen
"Hier wird eine diskreditierende Handlung von einem Provokateur hervorgelockt, der sich als geeigneter Mitwisser darstellt." (S. 192)

Alle drei Methoden "unterliegen verschiedenen strengen Beschränkungen und lösen Diskussionen über deren Durchsetzung aus"(S. 194), besonders das Fallenstellen. Gerade bei letzterem stellt sich aus Sicht der Rahmenanalyse für Goffman die Frage: "Von welchem Rollenverhalten sollte ein Provokateur Abstand nehmen, weil es eine zu starke ansteckende Wirkung haben würde? Denn hinter einigen Einschränkungen für mehrschichtige Täuschungsmanöver steht die Erkenntnis der Grenzen der Transformation."(S. 196)

Für die drei genannten Täuschungsmanöver gilt: "es sind nicht viele umfangreiche Requisiten notwendig, wenn auch de Schwindler vielleicht eine andere Rollen spielen muss." (S. 197). Allerdings gilt auch, dass "derjenige, der andere hereinlegen möchte, sich nicht nur in die Hand der sich etwas Verstellenden gibt, sondern auch in die Hand derer, die die Sache einfach dadurch bewerkstelligen können, dass sie weiter sie selbst sind." (S. 197) Zwar hat der "Hereinleger Macht über den Hereingelegten" (S. 197), wird aber gleichzeitig dadurch verwundbar, dass er dem Risiko der Aufdeckung seines Schwindels unterliegt.

"Es gibt ... Spielarten mehrschichtigen Täuschungsmanövers, die daran erinnern, dass das klassische Schwindelmanöver eine eigene Spielart enthält - eine Grupe macht einer anderen etwas vor, indem sich sich in zwei Teilgruppen spaltet, daeren einen scheinbar auf die Gegenseite übergeht und mit ihr zusammen scheinbar die andere Teilgruppe hereinlegen will." (S. 202)

Kette von Hereinlege-Akten
"...wenn der ursprüngliche Manipulator von anderen als denjenigen hereingelegt wird, die er hereinlegen wollte..." (S. 201)
Umkehrung des Rahmens
"jemand, der andere hereinlegen möchte, wird entlarvt, ohne es selbst zu merken, uns eine ehemaligen Opfer ziehen es vor, die Entdeckung für sich zu behalten und den Entlarvten jetzt selbst zu manipulieren." (S. 201)

Die Tiefe der Transformation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Goffman stellt sich die Frage: "Wieviele Schichten können sich um ein bestimmtes Stück Handlung herumlegen? Wie weit kann das gehen? Wie kompliziert kann eine Rahmenstruktur werden, wenn sie immer noch für die Gestaltung der Erfahung maßgebend sein soll?" (S. 203)

Am Beispiel des Extremfalls eines Umgangs mit "umgedrehten" Spionen zeigt Goffman, dass abhängig von der Anzahl der "Umdrehungen" und der damit verbundenen Täuschungen bzw. Richtigstellungen, dass "nach einer gewissen Anzahl von Umdrehereignissen" (S. 204) die Grenzen deutlich werden, da "keiner mehr jemandem trauen" kann. Hier besteht die äußerstes Schicht aus einer "gewichtigen schädigenden Täuschung".

Shakespeares Hamlet mit seinem "Spiel im Spiel" hingegen sei ein Beispiel für "Transformationen, bei denen der Rand des Rahmens entweder eine Modulation oder schlimmstenfalls eine ... Täuschung ist." (S. 204) Während das Theater an sich schon eine Modulation darstellt, kommt es hier zu einer "Vortäuschung des Theaterrahmens." (S. 205)

Komödien wie der Film Love and Larceny "die es auf eine mehrfache Schichtung der Handlung als einen komischen Effekt abgesehen haben, können alles noch wesentlich weitertreiben als Shakespeare." (S. 205)

Bei konstruierten Handlungsabläufen wie z.B. in der Literatur beschränkt der Autor die Tiefe der Schichten insoweit, als dass das Publikum noch folgen kann. "Im allgemeinen ist also zu erwarten, dass die tiefste Schichtung in Film-, Theater- oder Roman-Darstellungen vorkommt und damit in gewissem Sinne unwirklich ist." (S. 207 f.)

Transformation des Handelnden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vorgetäuschte Rahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei bestimmten übernatürlichen Vorgängen wird "nicht bloß das Eintreten eines solchen Vorgangs vorgetäuscht, sondern die Möglichkeit dieses Vorgangs überhaupt." (S. 219) Goffman vertritt für diesen Fall die Auffassung, "dass das Vorgetäuschte die Rahmen selbst sind".

Verhalten außerhalb des Rahmens[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

"Geht man von einem Verhaltensstrom aus, der in bestimmter Weise gerahmt ist..., so scheint es unvermeidlich, dass am gleichen Ort gleichzeitig andere ... Verhaltensströme laufen, die nichts mit dem offiziell Vorherrschenden zu tun haben und, sofern von ihnen überhaupt Notiz genommen wird, als etwas Nebensächliches behandelt werden." (S. 224)

"Eine wichtige Eigenschaft jedes Handlungssausschnitts ist, dass die Beteiligten konkurrierende Vorgänge "ignorieren" können". (S. 225) Die militärische Parade-Disziplin aber auch die ausgeführte Choreographie sind Beispiele dafür, sich nicht ablenken zu lassen sondern sich "stur" auf die eigene Handlung zu konzentrieren.

Nicht nur parallel ablaufende Vorgänge, auch sich in der Nähe aufhaltende Personen können ignoriert werden: "Wachen, Pförtner und Techniker werden gewohnheitsmäßig als Nichtpersonen behandelt, sie sind ... da, aber man tut so, als seien sie nicht da." (S. 230)

In diesem Zusammenhäng operiert Goffman "unter freier Verwendung eines speziellen Bildes" mit dem Begriff der Kanäle:

Hauptkanal
Ort des eigentlichen "Hauptverlaufs"
Nebenkanal
Ort der (zu ignorierenden) parallelen Nebenhandlung
Artikulationskanal
Ebene, auf der ein Zeichenstrom existiert, mit dem die Interaktionsteilnehmer metakommunikative Artikulations-Hinweise geben, die selbst nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, aber zur Organisation der Interaktion beitragen.
verdeckter Kanal
Auf ihm spielen sich Vorgänge ab, die sich tatsächlich außerhalb des Wahrnehmungsbereichs der Teilnehmer befinden. Teilnehmer können "heimliche Signale über den verdeckten Kanal ... senden" (S. 243); zudem ist der verdeckte Kanal Voraussetzung für Täuschungen.

Die Verankerung des Handelns[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einführung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Konventionen zur Abgrenzung von Episoden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erscheinungsformeln[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kontinuität der Basis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unverbundenheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

"Auch wenn ein Handelnder sich Eigenschaften der unmittelbaren Umgebung zunutze macht und dabei offen davon ausgeht, dass sie dazu da seien, so wird er doch damit rechnen können, dass viele Einzelheiten, deren er sich bedient, aus Gründen vorhanden sind, die nichts mit ihm zu tun haben." (S. 322) Meist sind es Glück, Zufall, Fahrlässigkeit aber auch "reiner Zufall", die benachbarte Vorgänge scheinbar miteinander in Verbindung bringen. "Unverbundenheit besteht räumlich zu irgendeinem bestimmten Zeitpunkt, und zeitlich gewissermaßen in der Tiefe." (S. 322)

  • "Ein Stuhl lässt sich theoretisch bis auf den Baum zurückverfolgen, der sein Holz lieferte, doch der Baum wuchs nicht, damit dieser Stuhl daraus gemacht werden könne." (S. 322)

Der Mensch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

"Man kann kaum über die Verankerung von Handlungen in der Welt sprechen, ohne scheinbar die Vorstellung zu stützen, die Handlungen eines Menschen seien zum Teil Ausdruck und Ergebnis seines überdauernden Ichs, das jederzeit hinter den verschiedenen von ihm gespielten Rollen gegenwärtig sei." (S. 323)

Am Beispiel einer Hörspielserie verdeutlicht Goffman, dass durch die rein akustische Wahrnehmung der Handlung sich für den Zuhörer die vom Sprecher dargestellte Figur mit dem Sprecher selbst zu überlagern beginnt. "Wieder wird man daran erinnert, dass der Eindruck der Menschlichkeit eines Darstellers irgendwie durch einen Gegensatz zwischen Sozialrolle und Bühnenrolle entsteht." (S. 324)

"Wir meinen..., dass in der Schönen Literatur, ja auch in der Sachliteratur die Persönlichkeit des Autors sich im Geschriebenen zeigt, aber ein Kunstprodukt des Schreibens ist - jedenfalls zum Teil - und nicht ein organisches Sich-Ausdrücken eines Handelnden in einer Handlung." (S. 327) Auch wenn der Autor sich nich über eine bestimmte Figur seiner Handlung identifizieren lässt, spiegelt doch jede ein wenig von ihm wieder.

Auch in der "wirklichen unmittelbaren Interaktion zwischen Personen" findet man eine "Unterscheidung zwischen dem Menschen als überdauerndem Wesen und der Rolle, die er zufällig gerade spielt." Goffman spricht hier von "Rollendistanz". "Auch hier gibt es eine Reaktion auf die Rolle, die sich jeder für den Augenblick zurechtgelegt hat." (S. 328)

Normale Schwierigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

"Falschrahmungen" liegen vor, wenn ohne jegliche Täuschungsabsicht der Betroffene durch einen Irrtum bei der Definition einer Situation daran gehindert wird, "sich in geradliniges Handeln einzuordnen." (S. 333)

Mehrdeutigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

"Es ist ohne weiteres möglich, dass Menschen ... im Zweifel sind, was eigentlich vorgeht" (S. 332) bezüglich der zu definierenden Situation, was sich durch Unsicherheit oder Zögern ausdrückt. Es kann die Unklarheit sein, was überhaupt vor sich gehen könnte und dann die Ungewissheit, welche von mehreren Möglichkeiten vorliegt. "Verschiedene Arten von Mehrdeutigkeit ergeben sich gemäß dem Bestandteil der Rahmung, auf den sie sich beziehen." (S. 333) Sie kann bezüglich primärer Rahmen genauso wie auch bezüglich Transformationen entstehen. Aber auch die Verankerung des Rahmens kann Zweifel wecken.

"Die Rahmenanalyse stellt also eine analytische Grundlage zur Unterscheidung von Gründen von Mehrdeutigkeit bereit." (S. 337)

Rahmungsirrtümer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

"Die verschiedenen Arten der Mehrdeutigkeit, darunter Unklarheit und Ungewissheit, haben ihr Gegenstück im Irrtum, das heißt, einem nicht manipulierten irrtümlichen Glauben bezüglich der Rahmung der augenblicklichen Vorgänge." (S. 338) Indem sich der Betroffene in falscher Sicherheit wiegt, "rahmt er falsch". Irrtümer können aus Fehlwarnehmungen entstehen.

Irrtümer können in bezug auf die "biographische Identifikation von Bestandteilen der Szene" wie auch auf bloßer "Fehlidentifikation materieller Gegenstände" (S. 348) als Voraussetzung für die daran anschließenden Interaktionen sein. So geschehen z.B. Festnahmen auf Grund einer Verwechslung der Identität oder irrtümliche Transporte bestimmter Güter.

Irrtümer, also Fehlrahmungen, können auch auf dem Haupt- wie auch auf den Nebenkanälen vorkommen.

"Schließlich kommen Fehlrahmungen bezüglich Materialien vor, die gewöhnlich aus dem Gesichtskreis einiger Beteiligter herausgehalten werden: versehentliche Aufdeckungen..." (S. 350)

  • "Enthüllungsfantasien", Mikrofonverpatzer, nicht abgeschaltete Kamera, mit laut vorgetragene Regieanweisungen

Erklärungen und Streitigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu einem (eher seltenen) Streit über den Rahmen kommt es, wenn die beteiligten Parteien "offen miteinander über die Definition dessen streiten, was vor sich gegangen ist oder geht." (S. 352) Häufigere Ursache sind von den Parteien gutgläubige begangene und bald zugegebene Irrtümer. Erklärungen oder Entschuldigungen für Fehlrahmungen können jedoch auch von den Adressaten in Zweifel gezogen werden und so Anlass für weitere Rahmenstreitigkeiten bieten.

Ein Problem von Rahmenstreitigkeiten besteht darin, dass das Eingeständnis einer Fehlrahmung auch das Abwälzen von Verantwortung nach sich ziehen kann - und zudem der Fehlrahmende eines Tricks verdächtigt werden kann. Es kann so getan werden, als ob die Erklärung des Fehlrahmenden (nicht) geglaubt werden würde.

Rahmenstreitigkeiten können mit Fragen des primären Rahmens aber auch mit der Frage, ob sie in einem natürlichen oder sozialen - und damit schuldfähigen - Rahmen zu verorten sind. Gerichtliche Streitigkeiten offenbaren oft "kompromittierende Verhältnisse", nämlich solche, "in denen die erkennbaren Vorgänge dem normalen Beobachter an sich harmlose unrichtige Eindrücke von den maßgebenden Kräften vermitteln, die dann aber zur Diffamierung einiger Beteiligter und weiter zu Erklärungen und Entschuldigungen führen." (S. 357) In der Regel verhalten sich Menschen so, dass Missverständnisse von vornherein vermieden werden bzw. bei Missverständnissen vorsichtig mit physischem Verhalten für Klarheit gesorgt wird. Kompromittierende Verhältnisse ergeben sich eher aus "zufälliger Verbundenheit", wenn aus zufälliger Parallelität orientierte Handlung abgeleitet wird - z.B. die Anordnung bestimmter Indizien irrtümlich auf ein Verbrechen schließen lassen könnte.

"Rahmenstreitigkeiten entstehen oft im Zusammenhang mit der Behauptung der Unabsichtlichkeit" (S. 359), so dass auch Unschuldsbehauptungen innerhalb der Rahmengrenzen ein besonderes Problem darstellen.

Hinsichtlich von Modulationen sind Rahmenstreitigkeiten interessant, "das die vorliegenden Vorgänge zwar den Eindruck der Untransformiertheit machen könnenten, in Wirklichkeit aber moduliert oder zumindest so gedacht gewesen seien." (S. 361) Goffman führt hier beispielhaft das Verfahren an, eine Sache als Scherz darstellen zu wollen, die Auslöser für eine Rahmenstreitigkeit gewesen sein soll.

"So, wie jemand ... behaupten kann, seine Handlung sei unbeabsichtigt oder nicht ernst gemeint gewesen, ...so kann er auch nachträglich ein ernsthaft gutgemeintes Täuschungsmanöver behaupten... Und er kann auch behaupten, man habe ihn "gerahmt", nämlich absichtsvoll Verhältnisse arrangiert, die ihn in ein unberechtigtes schlechtes Licht rücken." (S. 364)

Klärung des Rahmens[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

"Wenn jemand Zweifel hat, was eigentlich vor sich geht,... so kommt er gewöhnlich rasch zu einer richtigen Sichtweise." (S. 368) Dazu untersucht er die Situation selbst und kann auch um Informationen nachsuchen. Goffman nennt als "klaren Rahmen" den "Zustand, dass alle Beteiligten eine klare Beziehung zum Rahmen haben..." (S. 369)

"Es liegt auf der Hand, dass, wenn jemand ein Täuschungsmanöver durchschaut, der Rahmen als ganzer nicht unbedingt, ja nicht einmal wahrscheinlich geklärt ist." (S. 372) Zudem kann der Entdecker eines Täuschungsmanövers seine Entdeckung verbergen, damit den Rahmen umkehren und auf diese Weise den Rahmen "klären".

Goffman nennt noch zwei weitere Möglichkeiten zur Klärung eines Rahmens:

  • "Jemand hat den Eindruck, seine Maskerade sei offensichtlich am Ende, und wirkt an der Klärung des Rahmens mit, muss dann aber feststellen, dass sein Geheimnis noch gar nicht aufgedeckt war." (S. 373)
  • "Jemand glaubt, er habe das Täuschungsmanöver des anderen durchschaut, und stellt ihn öffentlich bloß, um den Rahmen für jedermann zu klären, muss aber feststellen, dass der andere seine Unschuld nicht bloß geheuchelt hat, und dass er selbst sich mit seiner Bloßstellung bloßgestellt hat - als Möchtegern-Demaskierer." (S. 373)

Das Ausbrechen aus dem Rahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rahmen schaffen auch Engagement durch die jeweilige Aktivität der Beteiligten. Die Art und Weise, wie sich der Beteiligte engagiert, kann einen Rahmen sprengen - entweder indem er "falsch rahmt" oder er aus einem Rahmen ausbricht.

Eine Möglichkeit des Ausbrechens besteht durch die Verwendung eines Gesichtsausdrucks, der sich bekanntlich um feine Nuancen verändern kann und möglicherweise nicht mehr das "passende, achtungsvolle Engagement" (S. 381) darstellt. Macht ein Beteiligter nicht mehr "mit", kann man von "aushaken" sprechen. Typisch für eine Form des Aushakens ist das Lachen, wenn es nicht mehr unterdrückt werden kann - meistens verbunden mit dem ritualisierten Versuch, es zu verbergen.

Umstände die zum Aushaken führen können
  • "Wenn jemand eine Rolle spielen muss, die er als ihm zutiefst fremd empfindet, insbesondere als zu formell, ohne dass eine starke Sanktion ein Ausbrechen aus dem Rahmen verhindern würde." (S. 383)
  • Das Aufrechthalten-Wollen einer "normalen Erscheinung" unter gefährlichen Bedingungen.
  • Verhaltensbeschränkungen für bestimmte Körperteile

"Es dürfte deutlich sein, dass jemand, der entdeckt, dass er die Vorgänge falsch gerahmt hat und sein Denken und Handeln auf falschen Voraussetzungen beruht, ziemlich leicht aushakt und aus dem nicht mehr haltbaren Rahmen ausbricht." (S. 388) Umgekehrt ist es auch möglich, dass Zuschauer ihre scheinbare Unbeteiligtheit nicht mehr aufrechterhalten können und in einen Vorgang hineingezogen werden.

Eine dritte Möglichkeit stellt die Beibehaltung der Rollenorganisation in einem anderen Modul dar - von Goffman als Heraufmodulation bzw. Heruntermodulation bezeichnet.

Heruntermodulation
  • "Vielleicht das deutlichste Beispiel einer Heruntermodulation ist ein Scherz, der, wie man sagt, einem aus den Händen gleitet, etwa wenn scherzhafte Handlungen zu wirklichen werden." (S. 390)
  • Ein Boxkampf, der "außer Kontrolle gerät"
  • Fans einer Fussballmannschaft, die die gegnerischen Fans attackieren
  • Eine Konferenz, die in Handgreiflichkeiten ausartet
  • Wechsel von "kontrollierter" Wortwahl zu Slangausdrücken oder Flüchen
Heraufmodulation
  • "Der Übergang von einer bestimmten Entfernung von der eigentlichen Wirklichkeit zu einer größeren, eine nicht vorgesehene Vermehrung der Schichten des Rahmens." (S. 397)
  • Das Wetten auf immer höhere Gewinne mit immer höherem Risiko

"Alles soziale Handeln scheint der Gefahr des Aushakens und des Modulwechsels bei den Beteiligten ausgesetzt, doch drehbuchmäßige dramatische Darbietungen und vorgeführte Wettkämpfe scheinen in dieser Hinsicht besonders gefährdet, vielleicht wegen ihrer komplizierten Rahmenstruktur." (S. 399) Goffman vermutet für diese Ereignisse spezifische Arten des Rahmenbruchs:

  • Zwischen den Klammern, die die Interaktion zwischen Darstellern auf der Bühne und Publikum im Zuschauerraum begrenzen sollen, kann es zu einem "Hindurchschlittern" kommen.
  • "Darsteller können zu dem Zeitpunkt aushaken oder heruntermodulieren, an dem die Aufführung beginnen oder enden soll" (S. 401) und so die Aufführung "verpfuschen".
  • "Handlungen, die stets Rahmenbrüche sind, nur nicht bei Aufführungen" (S. 401): erlaubte, die Darsteller nicht wirklich "störende" Reaktionen des Publikums, wie z.B. Bravo-Rufe, Tränen der Rührung usw.

Zudem ist es möglich, dass "jemand auch aus dem Verhalten in einem primären Rahmen ... in ein Verhalten umschwenken kann, dem ein völlig anderer Rahmen zugrundeliegt:" (S. 406)

  • Autofahrer, die andere Fahrer "jagen"
  • Hockeyspieler, die ihren Schläger als Knüppel einsetzen

Die Erzeugung negativer Erfahrung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gefährdungen der Erfahrung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Rahmenanalyse des Gesprächs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ähnlich wie Handlungen unterliegt auch die gesprochene Sprache der Möglichkeit der Transformation, der Modulation und Täuschung: "Gesprochene Sätze enthalten Beispiele für die meisten Rahmungsmethoden...: ... Fehlrahmungen und ... Rahmenstreitigkeiten." (S. 532 f.)

"Im Gespräch wird oft über ein Ereignis berichtet..., und dieser Bericht wird im allgemeinen ... als etwas Nacherlebbares dargeboten, dem man sich widmen, das man auskosten soll - was auch letzten Endes das Verhalten sei, das der Erzähler mit seiner kleinen Darbietung bei seinen Zuhörern hervorzurufen hofft." (S. 542)

"Strukturierte Spannung" in der Darstellung des Berichts zu erzeugen, ist für den Erzählenden notwendig, um das Interesse des Zuhörenden aufrechtzuerhalten. "Alles in allem meine ich also, dass Sprecher oft nicht einem Empfänger Informationen vermitteln, sondern einem Publikum ein Drama darbieten." (S. 544) Der Erzählende außerhalb der Bühne wie auch der Dramatiker verwenden für ihre Darbietung "vorgefertigte, 'abspulbare' Stücke." Nicht unbedingt Antwort, Frage oder Befolgung einer Bitte werden vom Erzählenden intendiert, sondern "Wertschätzung für eine Darbietung". (S. 586)

"Das Gespräch erscheint als ein rasch wechselnder Strom verschieden gerahmter Abschnitte, darunter auch kurzfristiger Täuschungsmanöver und Modulationen veschiedener Art." (S. 584) Transformationszeichen geben an, inwieweit eine es sich um eine "Abweichung vom Üblichen" handelt. Des weiteren markieren Klammerzeichen Beginn und Ende einer Transformation.

Folgerungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alle wörtlichen Zitate wurden folgender Ausgabe entnommen: Goffman, Erving: Rahmen-Analyse. Ein Versuch über die Organisation von Alltagserfahrungen. Suhrkamp - Frankfurt/Main 1996. 4. Aufl.